FragenMagie Kalender 2016

"Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen
und versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben,
wie verschlossenen Stuben,
wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum alles zu leben!
Und wenn man auch die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es recht zu merken,
eines fernen Tages, in die Antworten hinein."
Rainer Maria Rilke (23.04.1903)

Was ist das für eine schöne Vorstellung, die Rainer Maria Rilke in diesem Brief an einen guten Freund entwirft: Ausgehend von unseren Fragen, in die Antworten hineinzuleben! Antworten zu finden, auf all die Fragen die wir uns selbst stellen, oder die das Leben uns stellt, wenn wir uns mit dem Ungelösten in unserem Herzen wahrhaft anfreunden? Unsere Antworten nicht mehr in Ratgebern suchen zu müssen, keine Methoden mehr zu brauchen, die uns den richtigen Weg zum Glücklichsein erklären? Ist das denn möglich?

Unsere Fragen tatsächlich zu leben, bedeutet, uns mit ihnen der Welt gegenüber zuöffnen, in den Dialog und in den Austausch zu treten.
Eine Frage kann ein Gespräch eröffnen, sie kann Nähe schaffen, klären oder Grenzen überwinden. Sie kann dem Gegenüber, ebenso wie dem Fragenden selbst, Zuwendung, Würde und Wertschätzung schenken. Andererseits gibt es auch Fragen, die herabsetzen, Türen schließen, die bedrängend und verunsichernd wirken, weil in ihnen bereits vorab eine Wertung verborgen liegt.

So löst die Frage: "Hast du deine Deutsch-Hausaufgaben richtig gemacht?" in einem Kind sicherlich etwas anderes aus, als z. B. die Frage: "Mit welchem Thema beschäftigt ihr euch gerade in Deutsch?" Das eine Mal wird eine Tür geöffnet, ein Gespräch kann beginnen. Das andere Mal wird sich diese Tür vermutlich eher schließen.

Gibt eine Frage nun eher Kraft und hebt die Energie?
Oder schwächt sie und grenzt aus?
Fragen können sich in unendlich viele Richtungen bewegen. Fragen bergen ungeahnte und noch so wenig erforschte Möglichkeiten in sich.
Sie verkörpern