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    15 von 21 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Gertie G., 29.09.2017

    Als Buch bewertet

    Die schwedische Journalistin Jenny Nordberg geht einem Phänomen in Afghanistan nach: Nämlich dem Kuriosum der „basha posh“. Das sind Mädchen, die bis zur Pubertät als Jungen verkleidet aufgezogen werden – mit allen Freiheiten, die Männer in diesem Land haben, Frauen jedoch nicht.

    Was ist nun die Ursache für dieses ungewöhnliche Verhalten mancher Familien?

    Die Autorin spricht mit vielen Frauen, die einerseits selbst ihre Kindheit als Junge verbracht haben und andererseits als Mütter ihre Töchter verkleiden.

    Eine Frau, die keine Söhne zur Welt bringt wird verachtet, der dazugehörige Ehemann verlacht und bemitleidet. Die Frauen werden hier unglaublich unter Druck gesetzt. Von der eigenen Familie, von der Öffentlichkeit.

    „Über meine Familie wird viel getratscht. Wenn man keine Söhne hat, ist das ein großes Manko, und man wird von allen bemitleidet.“ (Azita, Politikerin)

    Es hat sich eingebürgert, nach mehrfachen Mädchengeburten, eines davon als Knaben auszugeben. Das soll einerseits als „Magie“ wirken und das nächste Kind wird „garantiert“ ein Junge. Andererseits kann so der Druck von den Frauen genommen werden. Diese Täuschung ist allgemein bekannt, so dass dies auch in den diversen Vorschriften der Imame und Mullahs Niederschlag findet.

    Die als Jungen aufgezogenen Mädchen haben in dieser Zeit alle Freiheiten. Viele davon geben sich betont männlich, laufen mit Waffen herum und benehmen sich entsprechend.
    Die Rückverwandlung dieser Pseudo-Männer in eine fügsame und unterwürfige Frau bei einsetzen der Menarche ist häufig nicht konfliktfrei. Denn wer will schon seine Freiheit, überall hingehen zu dürfen, mit dem Kerker der Konventionen tauschen?

    In 22 Kapiteln stellt uns Jenny Nordberg höchst unterschiedliche Frauen vor.

    Azita ist die gewählte Vertreterin einer armen Provinz Afghanistans, die alles versucht, das Los der Bewohner zu verbessern. Azita, Tochter von gebildeten Eltern und selbst Absolventin einer höheren Schule, unterzieht ihre jüngste Tochter dieser Prozedur. Sie wächst als „Mehran“ auf. Niemand nimmt Rücksicht auf die betroffenen Mädchen. Bei Mehran kündigen sich die Probleme, die bei der Rückverwandlung in ein Mädchen auftreten können, bereits an. Mehran will ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben.

    Auch Nader ist eine bacha posh. Sie ist Fahrerin und verzichtet wegen ihres Rollentausches auf Familie und eigenen Kinder. Doch das gelingt den wenigsten Frauen. Die Konventionen, die Vorurteile, die Gesellschaft lassen es kaum zu, dass eine Frau alleine lebt.

    Viele Mädchen müssen sich auch als Jungs verkleiden, weil es keinen männlichen Verwandten gibt, der die Frauen auf ihren täglichen Lebenswegen, z.B. zum Einkaufen begleitet. So helfen basha posh in den kleinen Läden, um die Familie vor dem Hungertod zu retten.

    Leider ist kein Happy End in Sicht. Als die Politikerin Azita ihre politische Funktion verliert und ihren arbeitslosen Ehemann nicht mehr mit Geldsummen (die er übrigens verspielt, obwohl auch Glücksspiele verboten sind) bestechen kann, driftet sie ebenfalls in das Elend der, von der Schwiegerfamilie unterdrückten Frauen ab. Mit „großem Make-up“ kaschiert sie die blauen Flecken, die sie von den Schlägen durch den Ehemann davonträgt.

    Meine Meinung:

    Die Autorin geht mit diesem Thema sehr behutsam um. Obwohl in Afghanistan jeder darüber Bescheid weiß, wird kaum öffentlich über diese Tatsache gesprochen.
    In einer Kultur, die ihre Frauen in kleinen, dunklen Zimmern einsperrt, ihnen jedes Recht auf Selbstbestimmung abspricht ,macht Diskriminierung kreativ.

    Die Bemühung diverser Eroberer bzw. Befreier wie Briten, Russen oder Amerikaner die Vorherrschaft der Traditionen zu brechen, ist immer wieder schief gelaufen. In einem Land, in dem die größte Mehrheit der Menschen Analphabeten sind, tut Aufklärung not. Ehen werden nach wie vor den Eltern organisiert. Töchter werden nur nach ihrem Nutzen betrachtet – hübsch, fügsam und natürlich unberührt sollen sie sein, dann sind sie auf dem Heiratsmarkt viel wert. Oft reicht ein Gerücht, ein Mädchen hätte nicht sittsam den Blick gesenkt aus, um den „Wert“ des Heiratsgutes zu mindern. Häusliche Gewalt bis zum Ehrenmord sind die Folge.
    Da ist es grundsätzlich verständlich, Mädchen als Jungen aufzuziehen. Doch an die Folgen dieser zweimaligen Geschlechtsumwandlung denkt hier niemand.

    Gleichzeitig ist das die einzige Möglichkeit des heimlichen Widerstandes, den Frauen haben. Deshalb gefällt mir der englische Titel des Buches besser: „The Underground Girls of Kabul: In Search of a Hidden Restistance in Afghanistan“

    Fazit:

    Ein beeindruckendes Buch über ein Thema, das berührt und eher unbekannt ist. Gerne bewerte ich dieses Buch mit 5 Sternen und gebe eine ausdrückliche Leseempfehlung ab.

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  • 5 Sterne

    Gabriele S., 24.08.2020

    Als Buch bewertet

    Aufgerollt an der Geschichte von Azita, die es bis zur Abgeordneten in Kabul gebracht hat, erzählt uns Jenny Nordberg in diesem Buch von afghanischen Frauenschicksalen. Sie führt uns in eine völlig fremde Kultur ein und ich hatte beim Lesen das Gefühl, mich plötzlich im Mittelalter zu befinden. Mädchen gelten in diesem Land oft als „dumm von Geburt“ und auf Seite 64 steht, dass Frauen „nicht vernunftbegabt“ sind und daher „einem Tier gleich kommen“.

    „In Afghanistan muss man sein Inneres abtöten und sich an die Gesellschaft anpassen. Nur so kann man überleben“ (Seite 88).

    Die einzige Aufgabe von Frauen ist das Gebären vieler Nachkommen („alles vor der Pubertät dient nur der Vorbereitung auf die Fortpflanzung“ - Seite 42) und Töchter gelten weniger als Söhne. Familien mit vielen Mädchen und keinem Sohn kommen ins gesellschaftliche Abseits, werden denunziert. Um dieser Brandmarkung zu entgehen, wird eines der Mädchen in Jungenkleider gesteckt und bekommt all die Freiheiten der männlichen Nachkommen. Sie dürfen unbeschwert draußen spielen, Sport treiben, andere offen anschauen und lernen, sich ungehindert durch Konventionen in der Gesellschaft zu bewegen. Erst mit Beginn der Pubertät werden diese basha posh zurückverwandelt und müssen sich dann ins Haus zurückziehen, um ihren weiblichen Charakter zu entwickeln.

    Die Autorin hat sich mit unterschiedlichen Altersgruppen unterhalten. Während sie kleine Wildfänge nur von außen beobachtete, erfuhr sie von Jugendlichen, die sich weigerten, zu Mädchen zu werden. Zahra möchte beispielsweise nie eine afghanische Frau werden. „Das sind Bürger zweiter Klasse“, erklärt sie, „immer an die Männer gebunden und von ihnen beherrscht.“ Manche dieser basha posh müssen, wenn sie von den Eltern verheiratet werden, sehr mühsam das Frausein lernen. So wie Shukria, die plötzlich nur noch in Burka auf die Straße darf, aber dennoch wegen ihrer guten Ausbildung als Krankenschwester den Unterhalt der Familie bestreitet. Nader dagegen hat es geschafft, auch als 35jährige noch „frei“ zu sein. Heiraten will sie nicht: „Ich will in kein Gefängnis“ (Seite 252).

    Dank gründlicher Recherche und dem Versuch einer Analyse von allgemeinen Unterschieden zwischen Mann und Frau ist der Autorin ein umfassendes Werk gelungen. Sie hat das Phänomen geschichtlich und geografisch aufgegriffen und erklärt, warum in Ländern mit strenger Geschlechtertrennung Frauen der Weg zur Bildung verwehrt wird.

    Dieses Buch hat mich tief beeindruckt. Anfangs konnte ich nur kleine Abschnitte verdauen, doch ab etwa der Hälfte las ich es wie einen spannenden Krimi. Ich habe sehr viel neues über eine mir völlig fremde Kultur erfahren und möchte es nicht nur Frauen ans Herz legen, die mit ihrem Leben unzufrieden sind.

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