GRATIS¹ Geschenk für Sie!

 
 
%
Merken
%
Merken
 
 
sofort als Download lieferbar

Bestellnummer: 92530788

Printausgabe 20.00 €
eBook (ePub) -40% 11.99
Download bestellen
Verschenken
Sortiert nach: relevanteste Bewertung zuerst
Filtern nach: alle
  • 4 Sterne

    8 von 14 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Papiergeflüster, 15.02.2018

    Als Buch bewertet

    Sofia Papastergiadis ist 25 Jahre alt und hat fast ihr ganzes Leben damit verbracht, ihre alleinerziehende Mutter Rose zu umsorgen. Während Sofia zu einer Expertin und einer medizinischen „Detektivin wider Willen“ geworden ist, was die rätselhaften Symptome ihrer Mutter angeht, die dazu führen, dass sie die meiste Zeit nicht in der Lage ist, ihre Beine und Füße zu bewegen oder zu spüren, hat Sofia ihr eigenes Leben zurückgestellt und sogar ihre Dissertation abgebrochen. Als sie von einem Arzt in Spanien hört, der mit seinen unkonventionellen Methoden ihre letzte Hoffnung auf Besserung wird, reist sie zusammen mit ihrer Mutter nach Almería. Dort lernt sie nicht nur den dubiosen Dr. Gómez, sondern auch die schöne Berlinerin Ingrid und den Strandwächter Juan kennen, von denen jeder einen Teil auf seine Art und Weise dazu beiträgt, dass Sofia anfängt, über sich selbst und ihr Leben zu reflektieren, und sich als von ihrer Mutter unabhängige Person zu betrachten.

    So wie ich „Heiße Milch“ an einem Tag verschlungen habe, so schwer finde ich es, im Nachhinein darüber zu sprechen oder eine Meinung zu formulieren, die der Geschichte und all den Themen und Motiven, die Deborah Levy hier unterbringen will, gerecht wird. Der Roman entfaltet eine ungeheure Sogwirkung, lässt man sich erst einmal auf die Geschichte, die hauptsächlich in der Hafenstadt Almería im Süden Spaniens spielt, ein. Doch ganz wie Sofia sich nicht von den Quallenwarnungen vom Schwimmen im Meer abhalten lässt und immer wieder schmerzende Medusenbisse davon trägt, so fühlt man sich als LeserIn. Man schwimmt in der symbolträchtigen und gelegentlich schwarzhumorigen Sprache, voller Metaphern (die allerdings mal mehr, mal weniger schön sind), und immer fühlen sich Szenen an wie Nesseln, deren Gift sich langsam verteilt und die vielschichtiger sind als auf den ersten Blick erfassbar.

    So zieht sich beispielsweise der Mythos um die Medusa durch die gesamte Geschichte und greift dabei in die verschiedenen Dimensionen der Erzählung ein, sei es die verkorkste Mutter-Tochter-Beziehung, Sofias Emanzipation oder die Entdeckung ihrer Sexualität. Auch Sprache und ihre Bedeutung, Schuld, Angst und der menschliche Körper spielen eine große Rolle in diesem Buch, das sich um die mysteriösen Symptome von Sofias Mutter dreht, die zusammen mit der konstanten, undankbaren Demütigung und Herabsetzung durch Rose zu Sofias Entfremdung von sich selbst und der Welt, ihren Schuldgefühlen, ihrer Perspektivlosigkeit und ihrem Wunsch nach einem größeren Leben führen.

    „Heiße Milch“ ist ein Roman, dessen vielschichtige, (alb)traum-artige Erzählung mich zwar komplett eingenommen hat, manchmal aber nicht richtig zum Punkt zu kommen und die einzelnen Fäden richtig zusammenzuführen schien. Insgesamt gefiel mir Levys oft lyrische und schöne Sprache, mit der sie viel in wenigen Worten sagt. Aber genau so wie die Figuren, die manchmal so schräg überzeichnet und symbolisch aufgeladen waren, dass sie den Punkt erreichten, an dem ich mich von ihnen wieder entfremdet fühlte, so eigenartig waren manche Metaphern, die z.B. einen Körper als 'so lang und hart wie eine Autobahn' beschrieben. Nichtsdestotrotz hat dieses Buch einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, nicht zuletzt durch die bizarre Atmosphäre und die Geschichte, die sich entlang so vieler Motive bewegt und dabei bis zum Schluss überrascht.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 4 Sterne

    5 von 20 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Kaffeeelse, 26.12.2018

    Als Buch bewertet

    Deborah Levy beweist mit dem Roman "Heiße Milch" ihren Spaß an der Sprache. Dafür gebührt ihr ein großes Lob, genauso auch der Übersetzerin Barbara Schaden. Dieses Buch besitzt durch seine Art der Sprache, durch das Spiel mit der Sprache, dieser Lust an der Sprache, diesem Tanz mit den Wörtern eine Einzigartigkeit. Diese Arbeit mit den im Kopf erzeugten Bildern, mit Metaphern und Umschreibungen ist wunderschön, aber teilweise auch nicht ganz so einfach zu lesen. Auch die Geschichte an sich hat etwas Unwirkliches/Surreales. Ansonsten kann man noch eine gehörige Portion schwarzen Humors der Autorin lobend erwähnen. Alles in allem hat mir das Buch gefallen.

    Zum Inhalt: Die 64-jährige Rose und die 25-jährige Sofie, Mutter und Tochter, haben beide durch gewisse Entwicklungen in ihrem Leben eine normale Beziehung zueinander verloren. Das Kind Sofia lernt schon sehr frühzeitig sein Leben nach den Befindlichkeiten der Mutter zu richten. "wenn man bedenkt, dass ich den Symptomen meiner Mutter nachgespürt habe, solange ich zurückdenken kann. Meine Ermittlungen haben rund zwanzig meiner fünfundzwanzig Lebensjahre in Anspruch genommen." Als Sofia 14 Jahre alt ist, muss sie auch die Trennung der Mutter von ihrem griechischen Mann Christos hinnehmen, wächst somit vaterlos auf. Das Ganze gipfelt schließlich darin, dass die Tochter ihr Anthropologie Studium hinschmeißt. als sie gerade am Verfassen ihrer Doktorarbeit ist, weil ihre Mutter Symptomatik um Symptomatik entwickelt und nicht mehr allein leben kann/will. Es entwickelt sich eine krankhafte Mutter/Tochter-Beziehung. Als letzten Ausweg für die verschiedenen Symptomatiken der Mutter sehen beide nur noch eine Klinik in Südspanien. Und hier kommen dann in der Geschichte einige skurrile Personen zum Tragen, die dem Ganzen noch eine gehörige Portion Würze verleihen. Da haben wir einmal Dr. Gomez und Schwester Sonnenschein, die durch geschickte Fragestellungen die Patientin Rose und auch ihre Tochter Sofia geschickt triggern. Die Begegnungen mit der eigenwilligen Berlinerin Ingrid und mit dem spanischen Studenten Juan bringen eine gewisse Emanzipation von Sofia. Und nach und nach setzt sich eine gewisse Veränderung durch. Der ganze Roman zeichnet sich durch eine intensive Betrachtung von Beziehungen und Rollenbildern aus und man kann beim Lesen schon etwas Sinnieren.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein
  • 5 Sterne

    0 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    https://lieslos.blog/, 14.08.2020

    Als Buch bewertet

    Meine Gedanken und Eindrücke zu „heiße Milch“ von Deborah Levy.

    Als Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Psychoanalytikerin bin ich an dem Roman nicht vorbeigekommen.
    Schon der Klappentext hat mich gereizt.
    Geht es hier um eine neurologische Erkrankung oder um eine pseudoneurologische Symptomatik im Rahmen einer psychosomatischen Erkrankung?

    Aber jetzt erst einmal von vorne und zum Inhalt:
    Die Engländerin Rose ist chronisch krank. Ihre Beine versagen ihren Dienst. Beweglichkeit und Sensibilität sind gestört.
    Kein Arzt im Königreich konnte bisher eine klare Diagnose stellen, geschweige denn eine heilsame Therapie anbieten.
    Was steckt hinter der Symptomatik von Rose?
    Eine physiologische oder eine psychologisch-psychosomatische Ursache?
    Um endlich eine eindeutige Diagnose zu bekommen, die Voraussetzung dafür ist, den richtigen therapeutischen Weg einzuleiten, beschließt sie, sich an den Spezialisten Dr. Gomez zu wenden.

    Zu diesem Zweck reist sie zusammen mit ihrer Tochter Sofia, einer Mittzwanzigerin, nach Andalusien in die Spezialklinik.

    Der griechische Vater hat die Familie vor Jahren verlassen und die Mutter Rose scheint das noch nicht verdaut zu haben. Sofia kümmert sich um ihre Mutter, die unter dem Verlust und ihrer Erkrankung leider. Sie kümmert sich mehr um die Mutter, als um ihr eigenes Leben.
    Beide leiden unter einer Art Lähmung, die sie am Vorankommen hindert.

    Welche Erkrankung hat die alleinerziehende Mutter Rose, die seit Jahren von ihrer Tochter Sofia umsorgt wird?
    Hat die Symptomatik der Mutter eine Funktion?
    Will sie damit ihre Tochter unbewusst an sich binden?

    Es geht auch um Identitätssuche und Befreiung. Rose fragt sich letztlich, wer sie ist und wohin sie will.
    Es geht um die Notwendigkeit der Ablösung und Emanzipation von der Mutter. Um emotionale Unabhängigkeit.

    Bedeutende Schritte in diese Richtung kann die überforderte Rose tätigen, als sie Sorge und Verantwortung für ihre Mutter an den Arzt abgeben kann und nachdem sie die selbstbewusste, unkonventionell lebende und flippige Schneiderin Ingrid aus Berlin kennen und lieben lernt. Entscheidungen können jetzt getroffen, ein Wandel kann eingeleitet werden.

    Es geht in dem 288-seitige Roman um eine verstrickte Mutter-Tochter-Beziehung, um die gegenseitige Abhängigkeit der Beiden, um Selbstverlust, Identitätssuche und Befreiung.
    Mutter und Tochter klammern sich aneinander:
    Rose ist der Grund für Sofia, das eigene Leben nicht anpacken zu müssen und Sophia bewahrt Rose davor, mit ihrer Gefühlswelt, mit ihren inneren Nöten und mit ihrer Einsamkeit in Kontakt zu kommen

    Der Leser bekommt einen wunderbaren Einblick in Charakter und Psyche der Protagonisten.
    Die Autorin zeigt einerseits wunderbar auf, wie die leidende Rose sich an die Erkrankung und ihre Tochter klammert, um nicht auf sich selbst zurückgeworfen zu werden.
    Andererseits erkennt der Leser das Korsett von Sofia, die sich dringend abnabeln und ihren eigenen Weg finden muss.

    Der Roman überzeugt mich mit seinem allgegenwärtigen, unspektakulären und interessant aufbereiteten Inhalt, der gleichermaßen einfachen wie poetischen Sprache und den psychologisch stimmigen und nachvollziehbaren Hintergründen, Zusammenhängen und Beschreibungen.
    Vordergründig geht es um Krankheit und Heilung. In der Tiefe und hinter den Kulissen geht es aber um häufig auftretende psychologische Phänomene, die in der Regel nur bzw. v. a. in psychoanalytischen Aufarbeitungen so deutlich ins Bewusstsein und zur Sprache gebracht werden.
    Umso schöner ist es, dass die Autorin diese Thematik literarisch und poetisch verarbeitet.

    Was mich allerdings nicht überzeugt hat ist die Begründung für die Reise nach Andalusien.
    Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in ganz England keine Spezialisten für diese Symptomatik gibt. Heutzutage lernt man bereits im Medizinstudium differenzialdiagnostisch zu denken und spätestens dann, wenn man organische Ursachen ausgeschlossen hat, aber idealerweise schon auf dem Weg dahin, wendet man seine Gedanken und seinen Blick in Richtung Psychosomatik.

    Die Begründung hinkt, aber dass Levy sich für diesen Ortswechsel entschieden hat kann ich nachvollziehen.

    Sie will damit symbolisieren, dass Distanz von der Lebensrealität hilfreich sein kann, um Veränderungen und Entwicklungen Raum zu geben.
    Außerdem bietet das Setting in Andalusien natürlich mehr Möglichkeiten, Spannung und Abwechslung für den Leser (und Sofia) als eine psychosomatische Behandlung und eine psychoanalytische Therapie, die im Falle von Rose und Sofia auch in England hätten stattfinden und hilfreich sein können.

    Ich denke also, dass es aufgrund dieser Plausibilität und des Gesamteindrucks völlig in Ordnung ist, großzügig über diesen Makel hinwegzusehen.

    Was die Atmosphäre des Romans betrifft entstand in mir das Bild einer unerbittlich heißen Wüstengegend.
    Die Luft flimmert und flirrt. Die Sicht ist nicht ganz klar.
    Ich empfand die Gleichzeitigkeit von Bedrohlichkeit und Spannung ob eines sich auftuenden Abgrunds sowie Hoffnung ob des Erscheinens einer Oase.
    Die Oase der Erkenntnis, Veränderung, Entwicklung, Heilung, Emanzipation und Befreiung.

    Ich empfehle diesen lesenswerten, anrührenden und interessanten Roman sehr gerne weiter! Er erzählt eine vielschichtige Geschichte mit Sogwirkung.

    War dieser Kommentar für Sie hilfreich?

    ja nein