15 Morde und andere Todesfälle
Wahre Kriminalgeschichten eines Hauptkommissars
Tatort: Ein Hauptkommissar ermittelt.Vom Serienmörder bis zum kaltblütigen Totschläger, vom verzweifelten Familienvater bis zum Frauenjäger: 20 Jahre lang war Axel Pütter an der Aufklärung von Tötungsdelikten aller Art - unfassbaren, bewegenden und...
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Produktinformationen zu „15 Morde und andere Todesfälle “
Klappentext zu „15 Morde und andere Todesfälle “
Tatort: Ein Hauptkommissar ermittelt.Vom Serienmörder bis zum kaltblütigen Totschläger, vom verzweifelten Familienvater bis zum Frauenjäger: 20 Jahre lang war Axel Pütter an der Aufklärung von Tötungsdelikten aller Art - unfassbaren, bewegenden und skurrilen - beteiligtund überführte zahlreiche Täter. Nun öffnet er die Akten und berichtet von den Fällen, die ihn in seiner Laufbahn am intensivsten beschäftigt und geprägt haben. Dabei gibt er außergewöhnliche Einblicke in die Welt der heutigen Polizeiarbeit.
Lese-Probe zu „15 Morde und andere Todesfälle “
15 Morde und andere Todesfälle von Axel PütterFall 1
Das Ehedrama
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Wie immer fahre ich alleine zum Tatort. Ein Mann soll seine Frau mit einem Messer getötet und sich anschließend bei der Polizei gestellt haben. Jetzt sitzt der Verdächtige in einer Zelle der Polizeiwache Witten.
Meine Kollegen von der Mordkommission - auch MK genannt - habe ich vor dem Einsatz in mehrere Teams aufgeteilt. Auch sie sind auf dem Weg zum Tatort, denn jeder Beamte der MK muss wissen, wie es dort aussieht. In den Vernehmungen von Beschuldigten oder Zeugen können so alle genau nachvollziehen, ob die jeweilige Aussage überhaupt zum Spurenbild am Tatort passt.
In der Kreispolizeibehörde Bochum, dazu gehören auch die Städte Witten und Herne, gibt es insgesamt sechs Mordkommissionen. Von diesen sechs MKs hat eine immer eine Woche lang Bereitschaft. Passiert also ein Mord, wird die entsprechende Kommission eingesetzt. Es ist also Zufall, welche Tötungsdelikte wer von uns aufklären muss.
Eine Mordkommission besteht aus einem MK-Leiter und sechs Ermittlern, die aus verschiedenen Kommissariaten kommen. Sie müssen während des Einsatzes ihre normale Tätigkeit liegenlassen und sind bis zum Schluss der Ermittlungen mit dem Morddelikt beschäftigt. Ist ein Fall besonders spektakulär oder aufwendig, kann eine MK auch deutlich aufgestockt werden, dann arbeiten manchmal bis zu dreißig Beamte an der Aufklärung.
Die einzelnen Kriminalkommissariate unterscheiden sich durch die Sachgebiete, für die sie zuständig sind, das KK 12 zum Beispiel für Sexualdelikte, das KK 13 für Raubdelikte, und das KK 14 behandelt Wohnungseinbrüche.
Einer von den sechs MK-Leitern in Bochum bin ich. Mein Name ist Axel Pütter. Ich bin Kriminalhauptkommissar, siebenundfünfzig Jahre alt, in zweiter Ehe verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn sowie eine Stieftochter. Mein Kriminalkommissariat ist das KK 11. Hier werden Todesermittlungsverfahren, Brand-, Waffen- und Sprengstoffdelikte sowie Vermisstenfälle bearbeitet, aber auch die sechs Mordkommissionen sind dem KK 11 unterstellt. Wenn also eine Leichensache anfällt, sind meine Kollegen und ich vor Ort. Wir entscheiden dann, ob eine Mordkommission eingesetzt werden muss oder nicht. Im Fall der erstochenen Frau ist es so. Ich leite die Mordkommission V - und die hat gerade Bereitschaft.
Es ist Dienstag, der 4. Dezember 2001. Zu meinem Team gehören Michael Kusemann, genannt Micha, und Tommi Flake. Nach der Tatortbesichtigung sollen sie auf der Wache den Beschuldigten vernehmen. Micha vertritt mich als MK-Leiter, wenn ich aus irgendeinem Grund ausfalle. Er ist knapp zehn Jahre jünger als ich, und schon viele Jahre arbeiten wir vertrauensvoll im KK 11 zusammen - auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen. Tommi ist ein großgewachsener, breitschultriger Kollege. Ein Gemütsmensch, immer ruhig und ausgeglichen. Wegen seiner imposanten Erscheinung und seines Wesens ist sein Spitzname «Hightower», benannt nach der gleichnamigen Figur aus den Police Academy-Filmen.
Während der Fahrt denke ich dar an, dass sich Rolf Schwake und Volker Damberg den großen Kombi genommen haben, in dem die komplette Ausrüstung für die Spurensicherung liegt. Rolf arbeitet beim KK 13 und Volker beim Erkennungsdienst (ED). Sie werden noch vor der Tatortbesichtigung den mutmaßlichen Täter in seiner Zelle aufsuchen, um an seiner Kleidung und am Körper Kampf- sowie DNA- und Faserspuren zu sichern. Danach werden sie die Spuren am Tatort sichern, um sie mit ein an der zu vergleichen. Rolf ist auch ein Mann mit Gardemaß. Er ist knapp 1,90 Meter groß und schlank, immer hat er einen lustigen Spruch auf den Lippen.
Guido Meng und Robert bilden das dritte Team. Guido ist ein durchtrainierter Sportler, der eine Leidenschaft fürs Drachenbootrennen entwickelt hat. Ein Mann Mitte dreißig mit extrem spärlichem Haarwuchs. Man könnte auch sagen, dass Guido eine Glatze hat. Zu ihm passt sie aber, sie macht ihn zu einem echten Typen. Robert ist der Oldie in unserer Truppe. Sein Humor ist meist von leichter Ironie durchsetzt. Er kleidet sich sehr salopp und denkt bei den Ermittlungen auch gern in eine andere Richtung. Auch nimmt er kein Blatt vor den Mund. Als Mann mit großer Erfahrung ist er eine Bereicherung für meine MK.
Guido und Robert haben den Auftrag, Klinken zu putzen und im Haus der getöteten Frau die stets gleichen Fragen eines Ermittlers zu stellen: Wer hat was gehört? Wer hat was gesehen? Wer kann etwas zum Motiv sagen? Es sind die Fragen, die einem Kriminalbeamten nach vielen Berufsjahren nahezu automatisch durch den Kopf schwirren.
Ich muss dar an denken, wie erst vor einer Stunde mein Diensthandy geklingelt hat. Ich saß schon zu Hause auf der Couch, die Tagesschau lief. Eigentlich war klar, dass etwas passieren musste. Da ich diese Woche mit meiner Mordkommission Bereitschaftsdienst hatte, war es absehbar. Meist geschieht dann etwas.
Ein Kollege der Kriminalwache, der K-Wache, war am anderen Ende der Leitung. Elo erklärte mir kurz, was geschehen war: «Tut mir leid, du musst ran. Wir haben eine erstochene Frau in Witten. Sieht aber nicht nach einem komplizierten Fall aus, der Täter hat sich bereits gestellt.» Auch wenn es verrückt klingt: Ich war trotz der schlimmen Tat erst einmal erleichtert. Und dachte: Hier müssen wir nicht lange nach einem Täter suchen, anscheinend ist er bekannt. Bei Tötungsdelikten dieser Art sagen wir Ermittler: «Der Mörder sitzt auf der Leiche.» Das hört sich makaber an, aber die manchmal zynische Weise, über persönliche Schicksale zu sprechen, ist auch ein Schutzschild. Damit die Tragik, die sich hinter jedem Verbrechen oder Unglück verbirgt, einen nicht zu emotional trifft. Nicht selten kommt es vor, dass sich Kollegen ein anderes Tätigkeitsfeld innerhalb der Polizei suchen, weil sie bestimmte Erlebnisse nicht richtig verarbeiten konnten.
Elo, der mich angerufen hat, ist Dienstgruppenleiter der Kriminalwache, im Polizeideutsch: der DGL der K-Wache. Die liegt im ersten Obergeschoss des Altbaus in unserem Polizeipräsidium in Bochum. Hier sind im Spät- und Nachtdienst Kollegen tätig, die bei größeren Straftaten kurz nach den uniformierten Beamten am Tatort eintreffen und sofort mit den ersten Ermittlungen beginnen. Diese Ergebnisse übergeben sie später an die zuständigen Kommissariate. Oder sie werden, wie in diesem Fall, von der Mordkommission bereits am Tatort abgelöst.
Sofort habe ich sein Bild vor Augen: Elos rotblonde Stoppelhaare sind auffällig, ansonsten ist der Mittvierziger eher zurückhaltend. Seine Ruhe überträgt sich auch auf die Kollegen, was in hektischen Situationen sehr angenehm ist. Am Telefon erklärte er genauer, wer der Tatverdächtige ist: «Es handelt sich um den Ehemann. Der hat selbst den Notruf gewählt und sich dann widerstandslos am Tatort festnehmen lassen. Und genau das macht die Sache einfach.»
Bevor Elo auflegte, bat ich ihn, den Erkennungsdienst zu informieren und alle Mitarbeiter der MK zur K-Wache zu schicken. Seine Antwort: «Klar, mach ich. Und ich werde auch die Kollegen der Wache Witten bitten, dass sie vom mutmaßlichen Täter Blutproben nehmen. Die kennen sich mit den Formularen besser aus als wir. Schließlich machen sie oft genug Blutproben von angetrunkenen Autofahrern.» Es ist toll, dass ich einen solchen Kollegen habe, denn andernfalls hätte ich mich selbst dar um kümmern müssen.
Es war genau 20.08 Uhr, als Elo auflegte. Sofort schaltete ich den Fernseher aus, ich hatte etwas anderes vor : Ich musste die Nacht durcharbeiten. Schnell nahm ich mir noch einen Apfel aus dem Obstkorb auf dem Küchentisch, setzte mich in meinen Wagen und fuhr zum Polizeipräsidium. Als Erstes begrüßte ich die Kollegen auf der K-Wache, danach schenkte ich mir einen heißen Kaffee ein und suchte Elo auf.
«Was wissen wir denn bislang?», fragte ich.
«Wie gesagt, in Witten-Bommern ist eine Frau in ihrer Wohnung erstochen aufgefunden worden. Vermutlich hat sich der von ihr getrennt lebende Ehemann nicht damit abfinden können, dass sie nicht zu ihm zurückwollte. Nach der Tat alarmierte er uns dann.»
Elo erzählte weiter: Angehörige des Opfers, die sofort benachrichtigt worden waren, hätten den ersten am Tatort eingetroffenen Polizisten berichtet, der Mann hätte seiner Frau in den letzten Wochen immer wieder aufgelauert und sie nahezu auf Schritt und Tritt verfolgt. «Ja, und das Verrückte ist: Heute Abend hatten sich die beiden in ihrer Wohnung verabredet, nachdem die Frau diesem Treffen zugestimmt hatte - das war ihr Unglück. Den Verwandten zufolge wollte sie sich mit ihm aussprechen. Sie hatte wohl die Hoffnung, ihn überzeugen zu können, sie doch endlich in Ruhe zu lassen. » Offensichtlich ein fataler Irrtum. Elo fuhr fort: «Nach ersten Spuren und seinen Angaben soll er mit einem Messer auf seine Frau eingestochen und sie dabei getötet haben. Sollte er das Messer mitgebracht haben - bislang wurde die Tatwaffe noch nicht gefunden - , können wir ihm unterstellen, dass er von vornher ein die Absicht hatte, sie umzubringen, würde sie nicht bereit sein, wieder zu ihm zurückzukehren.»
Ich konnte ihm nur zustimmen. Keiner, der nach einer friedlichen Lösung sucht, nimmt zu einer Aussprache ein Messer mit. «Doch das müssen wir ihm erst einmal beweisen», sagte ich. «Stimmt nämlich diese Annahme, würde das den verschmähten Ehemann zum Mörder machen. In einem Prozess würde er nicht mehr als Totschläger davonkommen. » Der Unterschied zwischen den beiden Straftaten liegt dar in, dass einem Mörder sogenannte Mordmerkmale nachgewiesen werden können. Im Rahmen einer Tötung können das Habgier, Heimtücke, überhaupt niedere Beweggründe sein. Bei Totschlag handelt es sich häufig um Taten im Affekt.
Mir schoss durch den Kopf: Haben wir es mit dem Eifersuchtswahn eines verlassenen Ehemannes zu tun? Sollte er wirklich nach dem Motto gehandelt haben: «Wenn ich dich nicht mehr haben kann, soll dich auch kein anderer mehr bekommen»? Wie krank ist das eigentlich? Oder hat ihn die verletzte Eitelkeit zu einer Tat getrieben, die ihm sonst nie einer zutrauen würde ? Wie auch immer : Verschmähte Liebe ist eines der ältesten Mordmotive.
Auf dem Präsidium trafen jetzt im Minutentakt meine Kollegen der Mordkommission ein. Schnell verteilte ich die Arbeit : « Micha, du kümmerst dich mit Tommi um den Beschuldigten. Denk dar an, wir stellen alle Bekleidungsgegenstände bei ihm sicher, und lass sie dann von Rolf oder Volker asservieren. » Am Tatort Spuren sichern, wir nennen das in unserem Polizeideutsch asservieren. Eine extrem wichtige Arbeit ist das, denn diese Spuren überführen später häufig den Täter. Es sind objektive Beweise, die genauso viel zählen wie ein eindeutiger Fingerabdruck. Fragend schaute ich schließlich in die Runde: «Wer übernimmt den Tatort?» Niemand meldete sich freiwillig. Natürlich. Den Tatort aufzunehmen, das macht meist keiner gern. Damit sind viele Mühen verbunden, und am Ende findet dann irgendein Rechtsanwalt oder Richter während der Gerichtsverhandlung doch noch einen vermeintlichen Fehler. In einem Tatortbericht stehen nämlich sämtliche Details, die für die Rekon struk tion eines Tatgeschehens wichtig sein können. Manchmal ist es sogar erforderlich, den gesamten Hausstand mit Tellern, Tassen und Messern zu zählen, zu beschreiben und zu fotografieren. Man weiß eben vorher nie, auf was man alles achten muss.
Rolf ist normalerweise beim KK 13, dort bearbeitet er täglich Raub- und Einbruchsdelikte. Als « erfahrener Einbrecher und Räuber » wurde er deshalb von mir zum Tatortmann bestimmt. Widerstand zwecklos. Der Grund ist einfach: Beim KK 13 muss man fast jeden Tag Einbruchstatorte aufnehmen, deshalb beherrschen die « 13er-Kollegen » die Tatortaufnahme wie kaum andere. Und Rolf vom KK 13 gehört zugleich zu meiner Mordkommission. Ihm zur Seite stellte ich Volker. Sein Vater war auch schon bei der Polizei, seine Familie ist eine richtige Polizistenfamilie.
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Wie immer fahre ich alleine zum Tatort. Ein Mann soll seine Frau mit einem Messer getötet und sich anschließend bei der Polizei gestellt haben. Jetzt sitzt der Verdächtige in einer Zelle der Polizeiwache Witten.
Meine Kollegen von der Mordkommission - auch MK genannt - habe ich vor dem Einsatz in mehrere Teams aufgeteilt. Auch sie sind auf dem Weg zum Tatort, denn jeder Beamte der MK muss wissen, wie es dort aussieht. In den Vernehmungen von Beschuldigten oder Zeugen können so alle genau nachvollziehen, ob die jeweilige Aussage überhaupt zum Spurenbild am Tatort passt.
In der Kreispolizeibehörde Bochum, dazu gehören auch die Städte Witten und Herne, gibt es insgesamt sechs Mordkommissionen. Von diesen sechs MKs hat eine immer eine Woche lang Bereitschaft. Passiert also ein Mord, wird die entsprechende Kommission eingesetzt. Es ist also Zufall, welche Tötungsdelikte wer von uns aufklären muss.
Eine Mordkommission besteht aus einem MK-Leiter und sechs Ermittlern, die aus verschiedenen Kommissariaten kommen. Sie müssen während des Einsatzes ihre normale Tätigkeit liegenlassen und sind bis zum Schluss der Ermittlungen mit dem Morddelikt beschäftigt. Ist ein Fall besonders spektakulär oder aufwendig, kann eine MK auch deutlich aufgestockt werden, dann arbeiten manchmal bis zu dreißig Beamte an der Aufklärung.
Die einzelnen Kriminalkommissariate unterscheiden sich durch die Sachgebiete, für die sie zuständig sind, das KK 12 zum Beispiel für Sexualdelikte, das KK 13 für Raubdelikte, und das KK 14 behandelt Wohnungseinbrüche.
Einer von den sechs MK-Leitern in Bochum bin ich. Mein Name ist Axel Pütter. Ich bin Kriminalhauptkommissar, siebenundfünfzig Jahre alt, in zweiter Ehe verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn sowie eine Stieftochter. Mein Kriminalkommissariat ist das KK 11. Hier werden Todesermittlungsverfahren, Brand-, Waffen- und Sprengstoffdelikte sowie Vermisstenfälle bearbeitet, aber auch die sechs Mordkommissionen sind dem KK 11 unterstellt. Wenn also eine Leichensache anfällt, sind meine Kollegen und ich vor Ort. Wir entscheiden dann, ob eine Mordkommission eingesetzt werden muss oder nicht. Im Fall der erstochenen Frau ist es so. Ich leite die Mordkommission V - und die hat gerade Bereitschaft.
Es ist Dienstag, der 4. Dezember 2001. Zu meinem Team gehören Michael Kusemann, genannt Micha, und Tommi Flake. Nach der Tatortbesichtigung sollen sie auf der Wache den Beschuldigten vernehmen. Micha vertritt mich als MK-Leiter, wenn ich aus irgendeinem Grund ausfalle. Er ist knapp zehn Jahre jünger als ich, und schon viele Jahre arbeiten wir vertrauensvoll im KK 11 zusammen - auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen. Tommi ist ein großgewachsener, breitschultriger Kollege. Ein Gemütsmensch, immer ruhig und ausgeglichen. Wegen seiner imposanten Erscheinung und seines Wesens ist sein Spitzname «Hightower», benannt nach der gleichnamigen Figur aus den Police Academy-Filmen.
Während der Fahrt denke ich dar an, dass sich Rolf Schwake und Volker Damberg den großen Kombi genommen haben, in dem die komplette Ausrüstung für die Spurensicherung liegt. Rolf arbeitet beim KK 13 und Volker beim Erkennungsdienst (ED). Sie werden noch vor der Tatortbesichtigung den mutmaßlichen Täter in seiner Zelle aufsuchen, um an seiner Kleidung und am Körper Kampf- sowie DNA- und Faserspuren zu sichern. Danach werden sie die Spuren am Tatort sichern, um sie mit ein an der zu vergleichen. Rolf ist auch ein Mann mit Gardemaß. Er ist knapp 1,90 Meter groß und schlank, immer hat er einen lustigen Spruch auf den Lippen.
Guido Meng und Robert bilden das dritte Team. Guido ist ein durchtrainierter Sportler, der eine Leidenschaft fürs Drachenbootrennen entwickelt hat. Ein Mann Mitte dreißig mit extrem spärlichem Haarwuchs. Man könnte auch sagen, dass Guido eine Glatze hat. Zu ihm passt sie aber, sie macht ihn zu einem echten Typen. Robert ist der Oldie in unserer Truppe. Sein Humor ist meist von leichter Ironie durchsetzt. Er kleidet sich sehr salopp und denkt bei den Ermittlungen auch gern in eine andere Richtung. Auch nimmt er kein Blatt vor den Mund. Als Mann mit großer Erfahrung ist er eine Bereicherung für meine MK.
Guido und Robert haben den Auftrag, Klinken zu putzen und im Haus der getöteten Frau die stets gleichen Fragen eines Ermittlers zu stellen: Wer hat was gehört? Wer hat was gesehen? Wer kann etwas zum Motiv sagen? Es sind die Fragen, die einem Kriminalbeamten nach vielen Berufsjahren nahezu automatisch durch den Kopf schwirren.
Ich muss dar an denken, wie erst vor einer Stunde mein Diensthandy geklingelt hat. Ich saß schon zu Hause auf der Couch, die Tagesschau lief. Eigentlich war klar, dass etwas passieren musste. Da ich diese Woche mit meiner Mordkommission Bereitschaftsdienst hatte, war es absehbar. Meist geschieht dann etwas.
Ein Kollege der Kriminalwache, der K-Wache, war am anderen Ende der Leitung. Elo erklärte mir kurz, was geschehen war: «Tut mir leid, du musst ran. Wir haben eine erstochene Frau in Witten. Sieht aber nicht nach einem komplizierten Fall aus, der Täter hat sich bereits gestellt.» Auch wenn es verrückt klingt: Ich war trotz der schlimmen Tat erst einmal erleichtert. Und dachte: Hier müssen wir nicht lange nach einem Täter suchen, anscheinend ist er bekannt. Bei Tötungsdelikten dieser Art sagen wir Ermittler: «Der Mörder sitzt auf der Leiche.» Das hört sich makaber an, aber die manchmal zynische Weise, über persönliche Schicksale zu sprechen, ist auch ein Schutzschild. Damit die Tragik, die sich hinter jedem Verbrechen oder Unglück verbirgt, einen nicht zu emotional trifft. Nicht selten kommt es vor, dass sich Kollegen ein anderes Tätigkeitsfeld innerhalb der Polizei suchen, weil sie bestimmte Erlebnisse nicht richtig verarbeiten konnten.
Elo, der mich angerufen hat, ist Dienstgruppenleiter der Kriminalwache, im Polizeideutsch: der DGL der K-Wache. Die liegt im ersten Obergeschoss des Altbaus in unserem Polizeipräsidium in Bochum. Hier sind im Spät- und Nachtdienst Kollegen tätig, die bei größeren Straftaten kurz nach den uniformierten Beamten am Tatort eintreffen und sofort mit den ersten Ermittlungen beginnen. Diese Ergebnisse übergeben sie später an die zuständigen Kommissariate. Oder sie werden, wie in diesem Fall, von der Mordkommission bereits am Tatort abgelöst.
Sofort habe ich sein Bild vor Augen: Elos rotblonde Stoppelhaare sind auffällig, ansonsten ist der Mittvierziger eher zurückhaltend. Seine Ruhe überträgt sich auch auf die Kollegen, was in hektischen Situationen sehr angenehm ist. Am Telefon erklärte er genauer, wer der Tatverdächtige ist: «Es handelt sich um den Ehemann. Der hat selbst den Notruf gewählt und sich dann widerstandslos am Tatort festnehmen lassen. Und genau das macht die Sache einfach.»
Bevor Elo auflegte, bat ich ihn, den Erkennungsdienst zu informieren und alle Mitarbeiter der MK zur K-Wache zu schicken. Seine Antwort: «Klar, mach ich. Und ich werde auch die Kollegen der Wache Witten bitten, dass sie vom mutmaßlichen Täter Blutproben nehmen. Die kennen sich mit den Formularen besser aus als wir. Schließlich machen sie oft genug Blutproben von angetrunkenen Autofahrern.» Es ist toll, dass ich einen solchen Kollegen habe, denn andernfalls hätte ich mich selbst dar um kümmern müssen.
Es war genau 20.08 Uhr, als Elo auflegte. Sofort schaltete ich den Fernseher aus, ich hatte etwas anderes vor : Ich musste die Nacht durcharbeiten. Schnell nahm ich mir noch einen Apfel aus dem Obstkorb auf dem Küchentisch, setzte mich in meinen Wagen und fuhr zum Polizeipräsidium. Als Erstes begrüßte ich die Kollegen auf der K-Wache, danach schenkte ich mir einen heißen Kaffee ein und suchte Elo auf.
«Was wissen wir denn bislang?», fragte ich.
«Wie gesagt, in Witten-Bommern ist eine Frau in ihrer Wohnung erstochen aufgefunden worden. Vermutlich hat sich der von ihr getrennt lebende Ehemann nicht damit abfinden können, dass sie nicht zu ihm zurückwollte. Nach der Tat alarmierte er uns dann.»
Elo erzählte weiter: Angehörige des Opfers, die sofort benachrichtigt worden waren, hätten den ersten am Tatort eingetroffenen Polizisten berichtet, der Mann hätte seiner Frau in den letzten Wochen immer wieder aufgelauert und sie nahezu auf Schritt und Tritt verfolgt. «Ja, und das Verrückte ist: Heute Abend hatten sich die beiden in ihrer Wohnung verabredet, nachdem die Frau diesem Treffen zugestimmt hatte - das war ihr Unglück. Den Verwandten zufolge wollte sie sich mit ihm aussprechen. Sie hatte wohl die Hoffnung, ihn überzeugen zu können, sie doch endlich in Ruhe zu lassen. » Offensichtlich ein fataler Irrtum. Elo fuhr fort: «Nach ersten Spuren und seinen Angaben soll er mit einem Messer auf seine Frau eingestochen und sie dabei getötet haben. Sollte er das Messer mitgebracht haben - bislang wurde die Tatwaffe noch nicht gefunden - , können wir ihm unterstellen, dass er von vornher ein die Absicht hatte, sie umzubringen, würde sie nicht bereit sein, wieder zu ihm zurückzukehren.»
Ich konnte ihm nur zustimmen. Keiner, der nach einer friedlichen Lösung sucht, nimmt zu einer Aussprache ein Messer mit. «Doch das müssen wir ihm erst einmal beweisen», sagte ich. «Stimmt nämlich diese Annahme, würde das den verschmähten Ehemann zum Mörder machen. In einem Prozess würde er nicht mehr als Totschläger davonkommen. » Der Unterschied zwischen den beiden Straftaten liegt dar in, dass einem Mörder sogenannte Mordmerkmale nachgewiesen werden können. Im Rahmen einer Tötung können das Habgier, Heimtücke, überhaupt niedere Beweggründe sein. Bei Totschlag handelt es sich häufig um Taten im Affekt.
Mir schoss durch den Kopf: Haben wir es mit dem Eifersuchtswahn eines verlassenen Ehemannes zu tun? Sollte er wirklich nach dem Motto gehandelt haben: «Wenn ich dich nicht mehr haben kann, soll dich auch kein anderer mehr bekommen»? Wie krank ist das eigentlich? Oder hat ihn die verletzte Eitelkeit zu einer Tat getrieben, die ihm sonst nie einer zutrauen würde ? Wie auch immer : Verschmähte Liebe ist eines der ältesten Mordmotive.
Auf dem Präsidium trafen jetzt im Minutentakt meine Kollegen der Mordkommission ein. Schnell verteilte ich die Arbeit : « Micha, du kümmerst dich mit Tommi um den Beschuldigten. Denk dar an, wir stellen alle Bekleidungsgegenstände bei ihm sicher, und lass sie dann von Rolf oder Volker asservieren. » Am Tatort Spuren sichern, wir nennen das in unserem Polizeideutsch asservieren. Eine extrem wichtige Arbeit ist das, denn diese Spuren überführen später häufig den Täter. Es sind objektive Beweise, die genauso viel zählen wie ein eindeutiger Fingerabdruck. Fragend schaute ich schließlich in die Runde: «Wer übernimmt den Tatort?» Niemand meldete sich freiwillig. Natürlich. Den Tatort aufzunehmen, das macht meist keiner gern. Damit sind viele Mühen verbunden, und am Ende findet dann irgendein Rechtsanwalt oder Richter während der Gerichtsverhandlung doch noch einen vermeintlichen Fehler. In einem Tatortbericht stehen nämlich sämtliche Details, die für die Rekon struk tion eines Tatgeschehens wichtig sein können. Manchmal ist es sogar erforderlich, den gesamten Hausstand mit Tellern, Tassen und Messern zu zählen, zu beschreiben und zu fotografieren. Man weiß eben vorher nie, auf was man alles achten muss.
Rolf ist normalerweise beim KK 13, dort bearbeitet er täglich Raub- und Einbruchsdelikte. Als « erfahrener Einbrecher und Räuber » wurde er deshalb von mir zum Tatortmann bestimmt. Widerstand zwecklos. Der Grund ist einfach: Beim KK 13 muss man fast jeden Tag Einbruchstatorte aufnehmen, deshalb beherrschen die « 13er-Kollegen » die Tatortaufnahme wie kaum andere. Und Rolf vom KK 13 gehört zugleich zu meiner Mordkommission. Ihm zur Seite stellte ich Volker. Sein Vater war auch schon bei der Polizei, seine Familie ist eine richtige Polizistenfamilie.
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
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Autoren-Porträt von Axel Pütter, Frank Schneider
Nach seinem Studium zum Kriminalkommissar wurde Axel Pütter 1988 Mitglied, 1994 Leiter einer Mordkommission und 2002 stellvertretender Dienstellenleiter im Fachkommissariat für Tötungsdelikte bei der Polizei Bochum. Gleichzeitig war er Dozent für Kriminologie, Kriminalistik und Rechtskunde. Heute ist er Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Bochum.Nach seinem Studium zum Kriminalkommissar wurde Axel Pütter 1988 Mitglied, 1994 Leiter einer Mordkommission und 2002 stellvertretender Dienstellenleiter im Fachkommissariat für Tötungsdelikte bei der Polizei Bochum. Gleichzeitig war er Dozent für Kriminologie, Kriminalistik und Rechtskunde. Heute ist er Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Bochum.
Autoren-Interview mit Axel Pütter
Interview mit Axel Pütter In Ihrem Buch „15 Morde und andere Todesfälle" erzählen Sie uns von „wahren Kriminalgeschichten eines Hauptkommissars". Was hat Sie dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben?
Pütter: Ich hatte zufällig Kontakt zur Abteilungsleiterin für Sachbücher des Rowohlt- Verlages. Als sie erfuhr, dass ich jahrelang mit Mord und Totschlag zu tun hatte, wollte sie mehr erfahren. Nachdem ich ihr über den einen oder anderen Fall berichtet hatte, sagte sie spontan, dass ich darüber ein Buch schreiben soll. Erst als der Vertrag vor mir lag, war mir klar, dass es kein Scherz gewesen ist.
Sie waren ein leidenschaftlicher Ermittler und schreiben über Ihre Zeit als Leiter einer Mordkommission als „die Erfüllung meines beruflichen Lebens". Fehlt Ihnen diese Arbeit heute manchmal?
Pütter: Ja. Ich nutze auch heute noch jede Gelegenheit, mit meinen alten Weggefährten vom KK 11 in aktuellen Fällen zu sprechen. Nicht nur, weil mich die Ermittlungen heute als Pressesprecher zu interessieren haben. Ich will einerseits immer noch gerne hautnah dabei sein, andererseits möchte ich aus persönlichen Gründen den Kontakt zu meinen ehemaligen Kollegen nicht abreißen lassen.
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In „Der Frauenjäger" lernen wir einen Mann kennen, der Frauen verfolgt, beschimpft, schlägt, mit dem Messer attackiert. Nach guter Polizeiarbeit kriegen Sie den Kerl - doch Sie stoßen im Lauf der Ermittlungen auf zwei Fälle aus Norddeutschland, in denen Frauen auf ähnliche Weise attackiert und dabei getötet wurden. Sie gehen davon aus, dass der Gefasste der Täter war - er kommt aus Norddeutschland - können ihm aber bis heute nichts nachweisen. Auch der bekannte österreichische Profiler Thomas Müller hat Jahre später mit dem Täter, Jens (Name geändert), gesprochen und hält es nicht für unwahrscheinlich, dass er diese beiden Morde begangen haben könnte. Er hält ihn für hochgradig gefährlich. Sie schreiben, dass Sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass Jens dieser Taten überführt wird. Was könnte so eine Überführung möglich machen und warum „hängen" Sie so an diesem Fall?
Pütter: Dieser Fall war für mich einer der Herausragendsten überhaupt. Die lange Zeit der Ermittlungen, das Phänomen eines Serientäters, der Charakter des Täters mit seinen „zwei Persönlichkeiten", die langen Gespräche mit ihm, den Profilern sowie den Opfern und die vielen Unglaublichkeiten in diesem Verfahren sind Punkte, die mich an diesem Fall fasziniert haben. Mein Wunsch, die beiden Morde einmal aufklären zu können, liegt unter anderem in der Hoffnung, dass die Wissenschaft uns neue Beweismöglichkeiten liefert, wie zum Beispiel den DNA-Abgleich vor einigen Jahren.
Krimis überall - Scheinbar gibt es eine große Faszination des „Bösen". Aber wie fühlt man sich als Kommissar, der echten Mördern gegenübersitzt? Gestattet man sich überhaupt eigene Gefühle?
Pütter: Gefühle kann und sollte man nicht völlig ausblenden. Ich bin sogar davon überzeugt, dass Ermittler nur gute Arbeit abliefern können, wenn sie Charaktereigenschaften wie Sensibilität und Empathie besitzen. Im Gespräch mit einem Mörder allerdings darf man diese Emotionen nicht zeigen. Hier geht es nur darum, die Details der Tat mit seinen Angaben abzugleichen.
Ihre Fälle in dem Buch wie „Der Satanistenmord", „Mordlust" oder „Der Auftragsmord" sind harter Stoff. Ein „Fall" allerdings ging gut aus, der vom „Fliegenden Fensterputzer". Ein Mann überlebt den Sturz aus dem 6. Stock mit nur leichteren Verletzungen. Eine Platane und ein Zaun haben ihm das Leben gerettet - oder sehr viele Schutzengel. Schön, auch so eine Geschichte mit „Happy End" hier zu lesen. Warum haben Sie sich dafür entschieden, sie mit in das Buch zu nehmen?
Pütter: Die Vielzahl der glücklichen Faktoren, die bei diesem Unfall zum Überleben des Geschädigten geführt haben, ließen mich an ein Wunder glauben. Vielleicht stärke ich mit dieser wirklich wunderbaren Geschichte den Mut anderer, an das Gleiche zu glauben.
Was Sind die gravierenden Unterschiede zwischen dem echten Alltag von Ermittlern und dem „falschen" der Ermittler im Fernsehen? Was stört Sie da am meisten?
Pütter: Es stört, wenn Kollegen der Schutzpolizei als „Knechte" der Kripo dargestellt werden, die nur vor der Tür warten, um den Mörder abzuführen. Man sieht im Fernsehen so gut wie nie einen Ermittler, der vor dem Computer sitzt und schreibt. Dabei besteht -grob geschätzt- unsere Arbeit zu 80% aus schriftlichen Werken. Im Fernsehen werden die Zeugen, Beschuldigten oder Geschädigten lediglich kurz angehört. In der Realität dauern diese -selbstverständlich schriftlichen- Vernehmungen etliche Stunden. Zu Zeiten von „Schimanski" konnte man als echter Ermittler nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, da jede Menge unrechtmäßiger Maßnahmen getroffen wurden und sein Benehmen nicht unbedingt als „vorzeigbar" bewertet werden konnte. Trotzdem: Ich fand „Schimanski" richtig gut und Götz George als Schauspieler sowieso.
Wer durfte privat Ihr Manuskript als Erster lesen und warum?
Pütter: Bisher hat mein Manuskript nur einer gelesen, nämlich einer der Staatsanwälte, die mich bis heute begleitet haben. Uns beide prägt eine über Jahre andauernde sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit. Genau das war der Grund, mich an ihn zu wenden und ihn zu bitten, mir meine juristischen Grenzen aufzuzeigen.
Lesen Sie selbst auch ab und an gerne einen Krimi? Welche Autoren schätzen Sie besonders?
Pütter: Zuletzt gelesen habe ich, man wird es kaum glauben, die Bücher von den Fallanalytikern John Douglas und Thomas Müller. Aber auch Ferdinand von Schirach, dessen Schreibstil mich fasziniert hat und den ich deshalb auch besonders schätze.
Es gibt sicher noch so viele spannende Fälle aufzuschreiben. Wann kommt ihr zweites Buch?
Pütter: Geplant habe ich das nicht ... Ich lasse mich einfach überraschen, was die Zukunft bringt.
Pütter: Dieser Fall war für mich einer der Herausragendsten überhaupt. Die lange Zeit der Ermittlungen, das Phänomen eines Serientäters, der Charakter des Täters mit seinen „zwei Persönlichkeiten", die langen Gespräche mit ihm, den Profilern sowie den Opfern und die vielen Unglaublichkeiten in diesem Verfahren sind Punkte, die mich an diesem Fall fasziniert haben. Mein Wunsch, die beiden Morde einmal aufklären zu können, liegt unter anderem in der Hoffnung, dass die Wissenschaft uns neue Beweismöglichkeiten liefert, wie zum Beispiel den DNA-Abgleich vor einigen Jahren.
Krimis überall - Scheinbar gibt es eine große Faszination des „Bösen". Aber wie fühlt man sich als Kommissar, der echten Mördern gegenübersitzt? Gestattet man sich überhaupt eigene Gefühle?
Pütter: Gefühle kann und sollte man nicht völlig ausblenden. Ich bin sogar davon überzeugt, dass Ermittler nur gute Arbeit abliefern können, wenn sie Charaktereigenschaften wie Sensibilität und Empathie besitzen. Im Gespräch mit einem Mörder allerdings darf man diese Emotionen nicht zeigen. Hier geht es nur darum, die Details der Tat mit seinen Angaben abzugleichen.
Ihre Fälle in dem Buch wie „Der Satanistenmord", „Mordlust" oder „Der Auftragsmord" sind harter Stoff. Ein „Fall" allerdings ging gut aus, der vom „Fliegenden Fensterputzer". Ein Mann überlebt den Sturz aus dem 6. Stock mit nur leichteren Verletzungen. Eine Platane und ein Zaun haben ihm das Leben gerettet - oder sehr viele Schutzengel. Schön, auch so eine Geschichte mit „Happy End" hier zu lesen. Warum haben Sie sich dafür entschieden, sie mit in das Buch zu nehmen?
Pütter: Die Vielzahl der glücklichen Faktoren, die bei diesem Unfall zum Überleben des Geschädigten geführt haben, ließen mich an ein Wunder glauben. Vielleicht stärke ich mit dieser wirklich wunderbaren Geschichte den Mut anderer, an das Gleiche zu glauben.
Was Sind die gravierenden Unterschiede zwischen dem echten Alltag von Ermittlern und dem „falschen" der Ermittler im Fernsehen? Was stört Sie da am meisten?
Pütter: Es stört, wenn Kollegen der Schutzpolizei als „Knechte" der Kripo dargestellt werden, die nur vor der Tür warten, um den Mörder abzuführen. Man sieht im Fernsehen so gut wie nie einen Ermittler, der vor dem Computer sitzt und schreibt. Dabei besteht -grob geschätzt- unsere Arbeit zu 80% aus schriftlichen Werken. Im Fernsehen werden die Zeugen, Beschuldigten oder Geschädigten lediglich kurz angehört. In der Realität dauern diese -selbstverständlich schriftlichen- Vernehmungen etliche Stunden. Zu Zeiten von „Schimanski" konnte man als echter Ermittler nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, da jede Menge unrechtmäßiger Maßnahmen getroffen wurden und sein Benehmen nicht unbedingt als „vorzeigbar" bewertet werden konnte. Trotzdem: Ich fand „Schimanski" richtig gut und Götz George als Schauspieler sowieso.
Wer durfte privat Ihr Manuskript als Erster lesen und warum?
Pütter: Bisher hat mein Manuskript nur einer gelesen, nämlich einer der Staatsanwälte, die mich bis heute begleitet haben. Uns beide prägt eine über Jahre andauernde sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit. Genau das war der Grund, mich an ihn zu wenden und ihn zu bitten, mir meine juristischen Grenzen aufzuzeigen.
Lesen Sie selbst auch ab und an gerne einen Krimi? Welche Autoren schätzen Sie besonders?
Pütter: Zuletzt gelesen habe ich, man wird es kaum glauben, die Bücher von den Fallanalytikern John Douglas und Thomas Müller. Aber auch Ferdinand von Schirach, dessen Schreibstil mich fasziniert hat und den ich deshalb auch besonders schätze.
Es gibt sicher noch so viele spannende Fälle aufzuschreiben. Wann kommt ihr zweites Buch?
Pütter: Geplant habe ich das nicht ... Ich lasse mich einfach überraschen, was die Zukunft bringt.
Interview: Literaturtest
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Axel Pütter , Frank Schneider
- 2012, 5. Auflage, 284 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499628120
- ISBN-13: 9783499628122
- Erscheinungsdatum: 01.02.2012
Kommentar zu "15 Morde und andere Todesfälle"
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