Adrian Mole und die Achse des Bösen
Und das zu jedem erdenklichen Thema. Ob postmoderne Katzengedichte, die Wohnungseinrichtung von Mahatma Gandhi oder das Liebesleben der Schwäne unser aller Lieblingsintellektueller hat sich schon tiefgründige Gedanken darüber...
Und das zu jedem erdenklichen Thema. Ob postmoderne Katzengedichte, die Wohnungseinrichtung von Mahatma Gandhi oder das Liebesleben der Schwäne unser aller Lieblingsintellektueller hat sich schon tiefgründige Gedanken darüber gemacht.
Adrian Mole ist inzwischen 34 3/4. Der großer Tony-Blair-Fan ist dabei, sich ein Loft in Ashby-de-la-Zouch zu kaufen. Aus Angst vor den Massenvernichtungswaffen des Irak, die laut Blair innerhalb von einer Stunde Zypern erreichen können, möchte er seinen Urlaub auf der Insel stornieren. Doch um seine Kaution vom Reisebüro zurückzuerhalten, benötigt er Beweise. Darum bittet er den Premier um eine kurze Notiz (''handschriftlich reicht völlig aus'') mit der geforderten Bestätigung. Außerdem lernt er Marigold, die leidenschaftlich gerne Puppenhäuser baut, und deren zu 100 Prozent organisch-selbstgestrickte Eltern kennen. Dann lernt er auch noch Marigolds Schwester kennen, die im Gegensatz zu ihr ganz und gar nicht verklemmt und altjüngferlich ist.
Auch sonst läuft erwartungsgemäß alles nicht so ganz rund in Adrians Leben: Die neueste Schrulle seiner Eltern ist es, alte Häuser zu renovieren, seine Schwester ist immer noch mit ihrem drogensüchtigen Freund zusammen, und Adrian selbst versucht sich mit weniger als mäßigem Erfolg in der Schriftstellerei.
Außerdem lernt er Marigold, die leidenschaftlich gerne Puppenhäuser baut, und deren zu 100 Prozent organisch-selbstgestrickte Eltern kennen. Dann lernt er auch noch MarigoldsSchwester kennen, die im Gegensatz zu ihr ganz und gar nicht verklemmt und altjüngferlich ist ...
Auch sonst läuft erwartungsgemäß alles nicht so ganz rund in Adrians Leben: Die neueste Schrulle seiner Eltern ist es, alte Häuser zu renovieren, seine Schwester ist immer noch mit ihrem drogensüchtigen Freund zusammen, und Adrian selbst versucht sich mit weniger als mäßigem Erfolg in der Schriftstellerei.
Adrian Mole ist inzwischen 34 3/4. Der großer Tony-Blair-Fan ist dabei, sich ein Loft in Ashby-de-la-Zouch zu kaufen. Aus Angst vor den Massenvernichtungswaffen des Irak, die laut Blair innerhalb von einer Stunde Zypern erreichen können, möchte er seinen Urlaub auf der Insel stornieren. Doch um seine Kaution vom Reisebüro zurückzuerhalten, benötigt er Beweise. Darum bittet er den Premier um eine kurze Notiz ("handschriftlich reicht völlig aus") mit der geforderten Bestätigung.
Außerdem lernt er Marigold, die leidenschaftlich gerne Puppenhäuser baut, und deren zu 100 Prozent organisch-selbstgestrickte Eltern kennen. Dann lernt er auch noch Marigolds Schwester kennen, die im Gegensatz zu ihr ganz und gar nicht verklemmt und altjüngferlich ist ...
Auch sonst läuft erwartungsgemäß alles nicht so ganz rund in Adrians Leben: Die neueste Schrulle seiner Eltern ist es, alte Häuser zu renovieren, seine Schwester ist immer noch mit ihrem drogensüchtigen Freund zusammen, und Adrian selbst versucht sich mit weniger als mäßigem Erfolg in der Schriftstellerei.
"Dem Himmel sei Dank für Sue Townsend!" - Observer
"Adrian Mole ist die vielleicht erfolgreichste komische Figur der letzen 20 Jahre und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich das ändern wird." - The Guardian
"Saukomisch." - Brigitte
- Persönlich und vertraulich -
Herrn
Premierminister Tony Blair
Downing Street 10
Whitehall
London SW1A
29. September 2002
Sehr geehrter Herr Premierminister,
wie Sie sich vielleicht noch erinnern, haben wir uns 1999 im Unterhaus bei einem Empfang der norwegischen Lederindustrie kennen gelernt. Pandora Braithwaite, gegenwärtig Staatssekretärin für Altlastensanierung, war so freundlich, uns bei dieser Gelegenheit einander vorzustellen. Wir unterhielten uns ein wenig über die BBC, wobei ich mir erlaubte, auf die unverschämte Haltung der Fernsehanstalt gegenüber Drehbuchautoren aus der Provinz hinzuweisen. Leider wurden Sie in diesem Augenblick wegen einer dringenden Angelegenheit ans andere Ende des Saals gerufen.
Ich möchte Ihnen mit diesem Brief meinen ausdrücklichen Dank dafür aussprechen, dass Sie mich vor der unmittelbaren Bedrohung Zyperns durch die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins gewarnt haben.
Ich habe nämlich eben erst für mich und meinen ältesten Sohn einen einwöchigen Urlaub Anfang November auf Zypern, in den Athena Apartments in Paphos, gebucht, zum Gesamtpreis von 571£, inklusive Flughafengebühren. Johnny Bond vom Reisebüro Latesun Ltd. verlangte hierfür eine Anzahlung von 57,10£, die ich am 23. September entrichtete. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie entsetzt ich war, als ich tags darauf im Fernsehen Ihre Rede im Unterhaus hörte, in der Sie das Parlament in Kenntnis setzten, dass Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen binnen fünfundvierzig Minuten Zypern erreichen können!
Selbstverständlich rief ich daraufhin sofort Johnny Bond an und stornierte den Urlaub. (Bei nur fünfundvierzig Minuten Vorwarnzeit ist mir das Risiko zu groß, am Strand zu sitzen und damit außer Hörweite einer eventuellen Warnung des Auswärtigen Amts zu sein.)
Allerdings stehe ich nun vor folgendem Problem: Latesun Ltd. weigert sich, mir meine Anzahlung zurückzuerstatten, sofern
a) Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt,
b) er sie binnen fünfundvierzig Minuten zum Einsatz bringen kann und
c) diese Waffen Zypern erreichen können.
Johnny Bond, der nach Auskunft seiner Kollegen gestern "außer Haus" war (ich vermute, er war auf der Antikriegsdemonstration), wagt es also, Ihre vor dem Unterhaus getroffenen Aussagen zu diesem Thema in Zweifel zu ziehen!
Wäre es Ihnen wohl möglich, mir eine handschriftliche Erklärung zuzusenden, in der Sie bestätigen, dass die Bedrohung für Zypern tatsächlich besteht? Ich könnte Ihr Schreiben dann Johnny Bond vorlegen und meine Anzahlung zurückerhalten. Einen Verlust von 57,10£ kann ich im Moment nur schwer verschmerzen.
Damit verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr
Adrian Mole
PS: Könnten Sie vielleicht Ihre Frau Cherie fragen, ob sie eventuell gewillt wäre, bei der diesjährigen Weihnachtsfeier unserer Schreibgruppe am 23. Dezember als Gastrednerin aufzutreten? Will Self hat abgelehnt - ziemlich unverblümt, ehrlich gesagt. Leider können wir kein Honorar bezahlen oder Unkosten erstatten, aber bestimmt würde sie an unserem aufgeweckten und anregenden Grüppchen ihre helle Freude haben.
Und ansonsten, Herr Premierminister, machen Sie weiter so! Gute Arbeit!
Samstag, 5. Oktober 2002
Habe mir heute eine Loftwohnung in der ehemaligen Batteriefabrik am Rat Wharf in den Docks angesehen. Laut Mark B'astard, dem Immobilienmakler, sind die Apartments mit Kanalblick bei der jung-dynamischen Yuppie-Klientel heiß begehrt und gehen weg wie warme Semmeln. Die Lage ist großartig, nur fünf Minuten zu Fuß bis zur Buchhandlung, in der ich arbeite, immer am Kanal entlang. Die Wohnung besteht aus einem großen Raum plus Bad aus Glasbausteinen. Als Mark B'astard Pinkeln ging, konnte ich seine verschwommenen Umrisse erkennen. Falls ich die Wohnung kaufe, werde ich meine Mutter bitten, mir Vorhänge zu nähen.
Vom Balkon aus, so einer vorgebauten Stahlkonstruktion, sah ich mir den Ausblick an. Unter mir glitzerte der Kanal in der Herbstsonne. Ein paar Schwäne glitten darauf entlang, ein grauer Vogel flog vorbei, und unter einer Brücke kam ein Lastkahn zum Vorschein. Als er auf Höhe meines Balkons war, winkte mir ein bärtiger Kerl mit zottigem, grauem Pferdeschwanz zu und rief "Herrlicher Nachmittag!" herauf. Seine Frau stand unten in der Kombüse und machte den Abwasch. Sie sah mich, hat aber nicht gewunken.
Mark B'astard hielt sich eine Weile taktvoll zurück, damit ich in Ruhe die Stimmung genießen konnte. Dann kam er wieder her und wies mich auf ein paar Besonderheiten aus der Zeit hin, als das hier noch eine Batteriefabrik war: die Original-Säureflecken auf dem Dielenboden und die Haken, an denen im Krieg die Verdunkelungsvorhänge aufgehängt waren.
Ich fragte ihn, was aus dem eingerüsteten Gebäude nebenan mal würde.
"Irgendein Hotel, glaube ich", meinte er.
Weiter erzählte er mir, Eric Shift, der als Schrotthändler zum Multimillionär aufgestiegene Eigentümer der Anlage, habe die gesamte Rat Wharf aufgekauft, mit dem Ziel, die Docks in so etwas wie das "Linke Seine-Ufer" von Leicester zu verwandeln, woraufhin ich Mark gestand, dass ich schon immer davon geträumt habe, mich in Wasserfarben zu versuchen. Er nickte und sagte, "Ach, wie schön", aber ich glaube, er hatte keine Ahnung, wovon ich redete.
Mark blickte sich sehnsüchtig in dem nackten, weiß gestrichenen Raum um und stellte seufzend fest: "In so was würde ich selber gerne wohnen, aber ich hab drei Kinder unter fünf, und die Chefin will nun mal einen Garten."
Ich sprach ihm mein Beileid aus und erzählte, dass ich bis vor kurzem selbst Vollzeit-Vater von zwei Jungen war, sich jetzt aber die Armee um Glenn, den Siebzehnjährigen, kümmere, und der Neunjährige, William, mit seiner Mutter nach Nigeria gezogen sei.
B'astard sah mich neidvoll an und meinte: "Sie sind ganz schön jung dafür, dass Sie die Kinder schon vom Hals haben."
Ich erklärte ihm, ich sei vierunddreißigeinhalb und es sei jetzt höchste Zeit, dass meine eigenen Bedürfnisse mal an erster Stelle kämen.
Nachdem B'astard mich noch auf die in die Arbeitsfläche eingelassene Granit-Käseplatte in der Küchenzeile hingewiesen hatte, willigte ich ein, die Wohnung zu kaufen.
Bevor wir gingen, trat ich ein letztes Mal auf den Balkon hinaus. Die Sonne versank gerade in der Ferne hinter dem Parkhaus. Auf dem Fußweg auf der gegenüberliegenden Kanalseite trottete ein Fuchs mit einer Supermarkttüte in der Schnauze entlang. Ein bräunliches Geschöpf (bestimmt eine Schermaus) huschte in den Kanal und schwamm davon. Die Schwäne glitten majestätisch vorbei. Der größte von ihnen sah mir geradewegs ins Gesicht, als wolle er sagen: "Willkommen in deinem neuen Zuhause, Adrian."
22.00 Uhr
Ich ging in die Küche, drehte das Radio leise und teilte meinen Eltern mit, dass ich, sobald alles geregelt sei, mein Zimmer bei ihnen im Haus räumen und in eine Loftwohnung in der alten Batteriefabrik am Rat Wharf in Leicester ziehen würde.
Meine Mutter konnte ihre Erleichterung kaum verbergen.
Mein Vater schnaubte verächtlich. "Die alte Batteriefabrik? Dein Großvater hat da mal gearbeitet, aber dann hat er von einem Rattenbiss eine Blutvergiftung bekommen und musste aufhören. Wir dachten damals schon, sie müssten ihm das Bein abnehmen."
"Rat Wharf?", wollte meine Mutter wissen. "Wird da nicht nächstes Jahr dieses Obdachlosenasyl eröffnet?"
"Da bist du falsch unterrichtet", erwiderte ich. "In dem ganzen Komplex entsteht zurzeit das neue kulturelle Zentrum von Leicester."
Auf die Frage, ob sie mir ein paar Vorhänge für das Glasbaustein-Bad nähen würde, entgegnete meine Mutter sarkastisch: "Ich glaube, du verwechselst mich mit jemandem, der Nadel und Faden im Haus hat."
Um Punkt sieben stellte mein Vater das Radio wieder laut, und wir hörten uns die Nachrichten an. Die britische Militärführung verlangte genauere Informationen, was denn auf das Militär zukäme, wenn Großbritannien gegen den Irak in den Krieg zöge. Die Aktien waren schon wieder gefallen.
Mein Vater schlug den Kopf auf die Tischplatte und stöhnte: "Ich bring den Scheißkerl von Finanzberater um, der mich überredet hat, meine Rente bei Equitable Life anzulegen."
Beim Klang der Titelmelodie von The Archers griffen meine Eltern nach ihren Zigaretten und lauschten dann rauchend und mit leicht geöffnetem Mund der Seifenoper vom Landleben. Sie bemühen sich, Sachen gemeinsam zu machen: Es ist wieder einmal ein neuer Anlauf, ihre Ehe zu retten.
Meine Mutter und mein Vater kommen mit ihren neunundfünfzig beziehungsweise zweiundsechzig allmählich in die Jahre, wollen aber nicht wahrhaben, dass ihre wilderen Zeiten längst vorbei sind. Ich warte ungeduldig darauf, dass sie endlich aufhören, so verbissen auf jung zu machen, und in die Standarduniform der Senioren schlüpfen. Ich will sie in beigefarbenen Steppjacken und Polyesterhosen sehen, und meine Mutter mit blaugrauer Dauerwelle, doch keiner von beiden gibt nach. Nach wie vor zwängen sie sich in hautenge Stonewashed-Jeans und schwarze taillierte Lederjacken.
Mein Vater glaubt hartnäckig, er würde mit seinen langen grauen Haaren für jemanden aus der Musikbranche gehalten. Der Arme merkt gar nicht, dass er sich was vormacht. Er wird immer nur wie ein pensionierter Vertreter für Nachtspeicheröfen aussehen.
Obendrein ist er jetzt auch noch gezwungen, permanent eine Baseballkappe zu tragen, weil er inzwischen oben auf dem Kopf eine ziemliche Platte hat und dadurch eine leichtsinnige Jugendsünde zum Vorschein kam: Bei seinem Junggesellenabend hatte er sich nach zehn Pints Everards Bitter breitschlagen lassen, sich die Haare abrasieren und in grüner Tinte "Spinner!" auf den kahlen Schädel tätowieren zu lassen.
Gott sei Dank hatte diese Zechtour wenigstens eine Woche vor der Hochzeit stattgefunden. Trotzdem erklärt dies, weshalb mein Vater auf dem einzigen Hochzeitsfoto meiner Eltern aussieht wie der entflohene Sträfling Abel Magwitch aus Dickens' Große Erwartungen.
Seine anderen Tätowierungen hat sich mein Vater auf Krankenkassenkosten entfernen lassen, doch die in grüner Tinte will die Kasse nicht bezahlen. Dazu müsse er sich einer Laserbehandlung unterziehen, hieß es, was über tausend Pfund kosten würde. Meine Mutter drängt ihn zwar seitdem, einen Kredit dafür aufzunehmen, aber mein Vater beharrt darauf, dass es einfacher und billiger sei, eine Kappe aufzusetzen. Meine Mutter dagegen sagt, sie hält es nicht mehr aus, jedes Mal "Spinner!" auf seinem Kopf zu lesen, wenn er ihr nachts im Bett den Rücken zudreht, was anscheinend die meiste Zeit der Fall ist.
23.00 Uhr
Habe ein Bad mit Mutters Quitten-Aprikosen-Aromatherapie-Öl als Badezusatz genommen. Es schwamm auf dem Wasser wie der Ölschlick, der in Nova Scotia den ganzen Wasservögeln den Garaus machte. Ich musste eine geschlagene Viertelstunde duschen, um das schmierige Zeug von meiner Haut abzukriegen.
Habe mit Hilfe zweier Spiegel den kahlen Fleck auf meinem Kopf inspiziert. Er hat jetzt die Größe eines Minzbonbons.
Bekam eine E-Mail von meiner Schwester Rosie. Sie überlegt, ob sie die Uni in Hull verlassen soll - Nanobiologie mache ihr keinen Spaß mehr, schreibt sie. Und dass ihr Freund Simon jetzt ihre uneingeschränkte Unterstürzung brauche, um vom Crack wegzukommen. Außerdem bittet sie mich, unseren Eltern nichts von ihrem Dilemma zu erzählen, weil die "totale Vorurteile" gegenüber Crack-Süchtigen hätten.
Ansonsten gab es die üblichen Spam-Mails mit Angeboten zur Penisverlängerung.
Sonntag, 6. Oktober
Neumond
Meine Mutter hockte den ganzen Tag lang im Bademantel schlecht gelaunt im Haus herum. Um drei Uhr nachmittags fragte ich sie, ob sie sich nicht endlich mal die Haare waschen und anziehen wolle. Sie erwiderte: "Warum denn? Dein Vater würde es nicht mal merken, wenn ich nackt und mit einer Rose im Mund hier herumspaziere."
Vater saß den ganzen Tag neben der Stereoanlage und ließ pausenlos seine Roy-Orbison-Platten laufen.
Die Ehe der beiden ist offensichtlich völlig im Eimer. Man kommt sich vor wie in einem Ingmar-Bergman-Film. Vielleicht sollte ich ihnen sagen, dass ihr Töchterlein wohl nicht den Nobelpreis gewinnen wird, da sie das Labor lieber gegen die Drogen-Reha eintauscht. Dann käme vielleicht ein wenig Stimmung auf und sie würden doch noch miteinander reden, ha ha!
Ich selbst habe den Nachmittag mit Briefeschreiben verbracht. Als ich gerade aus dem Haus wollte, um die Briefe einzuwerfen, bemerkte meine Mutter: "Du bist wirklich der einzige Mensch, den ich kenne, der heute noch die Schneckenpost benutzt."
"Und du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der immer noch glaubt, Rauchen sei gut für die Lunge", hielt ich dagegen.
Sie fragte: "Wem schreibst du?"
Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich an Busenwunder Jordan und an David Beckham geschrieben hatte, und machte mich aus dem Staub, bevor sie die Namen auf den Kuverts lesen konnte.
Wisteria Walk | Ashby-de-la-Zouch | Leicestershire
Jordan
c/o Daily Star
Express Newspaper Group
Lower Thames Street 10
London EC3
6. Oktober 2002
Sehr geehrte Jordan,
ich schreibe an einem Buch zu der Frage, wie Prominentsein das Leben der Betroffenen zerstört. Ich spreche dabei aus eigener Erfahrung: In den neunziger Jahren war ich selbst ein Prominenter und hatte eine eigene Kochsendung mit dem Titel Alle schreien nach Innereien bei einem Kabelsender. Dann wurde ich von der Ruhmmaschinerie wieder ausgespuckt, wie es auch Ihnen eines Tages ergehen wird.
Ich würde gerne einen für beide Seiten günstigen Termin für ein Interview mit Ihnen vereinbaren. Da ich Vollzeit arbeite, müssten Sie allerdings nach Leicester kommen. Sonntagnachmittags würde mir gut passen.
Übrigens habe ich mich neulich mit meinem Vater über Ihren Busen unterhalten. Wir waren beide der Ansicht, dass er beängstigend ist. Mein Vater meinte, in diesem Dekolleté könne man sich verirren und tagelang nicht gefunden werden.
Mein Freund Parvez hat Ihre Brüste als Massenvernichtungswaffen beschrieben, und mein Chiropraktiker prophezeit Ihnen für die Zukunft Rückenprobleme wegen des Gewichts, das an Ihrem Brustkorb hängt.
Es geht das Gerücht, Sie wollten sich noch größere Implantate einsetzen lassen. Ich rate Ihnen dringend, dies noch einmal zu überdenken. Sie erreichen mich unter der obigen Adresse.
Leider kann ich kein Honorar anbieten oder Unkosten erstatten, doch Sie würden selbstverständlich ein kostenloses Exemplar des Buchs erhalten (Arbeitstitel:
Prominentsein und Wahnsinn).
Hochachtungsvoll
Ihr
A.A. Mole
Wisteria Walk | Ashby-de-la-Zouch | Leicestershire
David Beckham
c/o Manchester United Football Club
Old Trafford
Manchester M16
6. Oktober 2002
Sehr geehrter Mr Beckham,
bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Brief zu lesen. Ich bin nämlich kein hohler Fußballfan, der eine Autogrammkarte will.
Ich schreibe an einem Buch zu der Frage, wie Prominentsein das Leben der Betroffenen zerstört. Ich spreche dabei aus eigener Erfahrung: In den neunziger Jahren war ich selbst ein Prominenter und hatte eine eigene Kochsendung mit dem Titel Alle schreien nach Innereien bei einem Kabelsender. Dann wurde ich von der Ruhmmaschinerie wieder ausgespuckt, wie es auch Ihnen eines Tages ergehen wird.
Ich würde gerne einen für beide Seiten günstigen Termin für ein Interview mit Ihnen vereinbaren. Da ich Vollzeit arbeite, müssten Sie allerdings nach Leicester kommen. Sonntagnachmittags würde mir gut passen.
Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich mir noch folgenden Hinweis erlaube: Vielleicht waren Sie ja gerade nicht anwesend, als in der Schule Grammatik durchgenommen wurde, jedenfalls scheinen Sie die Grundlagen der korrekten Satzkonstruktion nicht zu beherrschen. Gestern Abend zum Beispiel sagten Sie im Fernsehen: "Ich hab Victoria zuerst auf so 'nem Video gesehen, wo sie noch Spice Girl war, und da hab ich meinem Kumpel gesagt, he, ich glaube, ich hab gerade die Frau gesehen, wo ich mal heirate."
Richtig muss der Satz heißen: "Ich habe Victoria zuerst auf so einem Video gesehen, ALS sie noch Spice Girl war, und da habe ich ZU meinem Kumpel gesagt, he, ich glaube, ich hab gerade die Frau gesehen, DIE ich mal heirate."
Leider kann ich kein Honorar anbieten oder Unkosten erstatten, doch Sie würden selbstverständlich ein kostenloses Exemplar des Buchs erhalten (Arbeitstitel:
Prominentsein und Wahnsinn).
Hochachtungsvoll
Ihr
A.A. Mole
Montag, 7. Oktober
Habe auf dem Weg zur Arbeit David Barwell, meinen Anwalt, angerufen. Seine Sekretärin, Angela, teilte mir mit: "Mr Barwell ist gerade mit einem Asthmaanfall beschäftigt infolge des neuen Teppichbodens, der übers Wochenende in der Kanzlei verlegt wurde."Ich warnte sie schon einmal vor, dass sie von einem gewissen Mark B'astard Post erhalten würde, und dass es um den Kaufvertrag von Apartment 4, Alte Batteriefabrik, Rat Wharf, Grand Union Kanal, Leicester, gehe.
- Autor: Sue Townsend
- 2006, 512 Seiten, Maße: 12,9 x 19,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Marlies Ruß
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453401913
- ISBN-13: 9783453401914
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