Atmen ohne Pause

Ich habe dieses Buch geschenkt bekommen und bin davon sehr berührt. Es ist ein Band, der leise daherkommt, während seine Kraft sich gänzlich aus der Spannung zwischen Schwarz-weiß-Fotografien von versehrten Tieren, die in Schlachthöfen getötet werden, den dazugehörigen Orten, dem, was von ihnen am Ende „bleibt“, sowie unversehrten Tieren, wie wir sie vielleicht lieber sehen wollen - oder zu sehen gewohnt sind (aber mit einem völlig ungewohnten Blick und Licht), den nüchternen Texten, die den Serien vorangestellt sind, und den am Ende offenen Fragen entfaltet.
Es sind keine Frontalaufnahmen des Grauens, die man möglicherweise bei diesem Thema erwarten würde, sondern ganz zarte Aufnahmen; teilweise sind die Ausschnitte stark vergrößert, sodass sich das Auge erst daran gewöhnen muss; dabei bleibt es dem Betrachter überlassen, von der Form auf den Inhalt zu schließen und davon berührt, irritiert, überwältigt zu werden. Dennoch wird einem nichts aufgezwungen; ich musste kurz an die Bildserien von Tim Flach (More Than Human) denken, aber nur kurz; denn die Bilder in diesem Band sind meiner Meinung nach viel subtiler und daher wesentlich ausdrucksstärker als jene Darstellungen. Während ich die einen vordergründig eher als “schön“ empfinde, zeigen diese weitaus mehr als Tiere, die abgeschlachtet und bis in alle Einzelteile verwertet werden: ihre Lebenskraft, ihre Würde, ihren Odem, ihre Zerbrechlichkeit – also all das, was menschlichen und nichtmenschlichen Tieren gemeinsam ist. Das finde ich wirklich stark!
Dem Band ist auch ein Essay (von Paul Ziche) über die Metaphorik des Atmens beigefügt, den ich für eine gute Ergänzung halte. Bemerkenswert ist auch, dass das Buch unter einem Pseudonym (K49814) erschienen ist.
Im Ganzen ist es ein Bildband, der Seh- und Lebensgewohnheiten aufs Tiefste hinterfragt, wie ich es bisher noch nicht anderswo erfahren konnte. Wäre schön, wenn mehr Menschen damit – in doppeltem Sinne – in Berührung kämen!