Blick in den Abgrund / McCloud Brothers Bd.3
Wenn es um Frauen geht, folgt der Privatdetektiv Davy McCloud einer eisernen Regel: Niemals blind seinen Gefühlen zu vertrauen. Doch dieser Entschluss gerät ins Wanken, als er der attraktiven Margot begegnet. Ihre verletzliche Schönheit weckt augenblicklich...
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Produktinformationen zu „Blick in den Abgrund / McCloud Brothers Bd.3 “
Klappentext zu „Blick in den Abgrund / McCloud Brothers Bd.3 “
Wenn es um Frauen geht, folgt der Privatdetektiv Davy McCloud einer eisernen Regel: Niemals blind seinen Gefühlen zu vertrauen. Doch dieser Entschluss gerät ins Wanken, als er der attraktiven Margot begegnet. Ihre verletzliche Schönheit weckt augenblicklich Davys Beschützerinstinkt. Margot ist auf der Flucht, nachdem ihr ein Mord in die Schuhe geschoben wurde, den sie nicht begangen hat. Und Davy ist der Einzige, an den sie sich wenden kann. Schon bald lodern die Flammen der Leidenschaft zwischen beiden hoch. Doch da wird Margot von ihrer Vergangenheit eingeholt und ihr Leben ist in Gefahr ...
Lese-Probe zu „Blick in den Abgrund / McCloud Brothers Bd.3 “
Blick in den Abgrund von Shannon McKenna 1
San Cataldo, Kalifornien
Wie ein Dolchstoß ins Auge, so fühlte es sich an.
Mag Callahan umklammerte den Becher lauwarmen Kaffee,
den zu trinken sie völlig vergessen hatte, so fest, dass ihre Knöchel
weiß hervortraten. Mit leerem Blick starrte sie den Plastikbeutel
an, der auf ihrem Küchentisch lag. Er enthielt die Beweise, die
sie mithilfe einer Pinzette eine halbe Stunde zuvor aus ihrem
zerwühlten Bett gefischt hatte.
Beweisstück Nummer eins: ein schwarzer Spitzen-Stringtanga.
Sie selbst bevorzugte Pastelltöne, die keinen solch krassen Kontrast
zu ihrer hellen Haut darstellten.
Beweisstück Nummer zwei: drei lange, schnurgerade dunkle
Haare. Sie selbst hatte kurzes, lockiges rotes Haar.
Ihre Gedanken wirbelten wild umher und setzten sich gegen
die unerwünschte Information zur Wehr. Craig, ihr Freund, war
in letzter Zeit einsilbig und paranoid gewesen, doch hatte sie
das auf sein lästiges Y-Chromosom, seinen beruflichen Stress
und seine Bemühungen, ein eigenes Beratungsunternehmen zu
gründen, geschoben. Es wäre ihr niemals in den Sinn gekommen,
dass er ... großer Gott!
In ihrem eigenen Haus. Ihrem eigenen Bett. Dieses Schwein!
... mehr
Der kalte Schock begann zu prickeln und sich an den Rändern
rot zu färben, während er sich unvermeidlich in rasenden Zorn
verwandelte. Sie war so nett zu ihm gewesen. Sie hatte ihn mietfrei
bei sich wohnen lassen, während er seine eigene Bleibe von
Ungeziefer befreien und renovieren musste. Sie hatte ihm Geld
geliehen, und das nicht zu knapp. Sogar seine geschäftlichen
Darlehensverträge hatte sie mit unterzeichnet. Sie hatte alles
gegeben, um ihn zu unterstützen, ihm zu gefallen, der Inbegriff
der Weiblichkeit zu sein. Auch, indem sie versuchte, sich ihre
herrische Art abzugewöhnen, nachdem sie mit ihrer großen
Klappe bislang einen Freund nach dem anderen in die Flucht
geschlagen hatte. Sie hatte sich so sehr angestrengt, und dies war
nun der Lohn für ihre Mühe. Sie war betrogen worden. Wieder einmal.
Mag stieß beim Aufstehen gegen die Tischkante, und ihr Kaffee
kippte um. Sie konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, um
zu verhindern, dass er sich auf das cremefarbene Leinenkostüm
ergoss, das sie eigens für ihre Verabredung zum Mittagessen mit
Craig angezogen hatte.
Sie war vorzeitig von ihrer Konferenz am Wochenende zurückgekehrt,
um sich für ihr Rendezvous schick zu machen, nachdem
sie zu der irrigen Überzeugung gelangt war, dass Craig allein
deshalb so reizbar war, weil er plante, das Thema - Trommelwirbel,
bitte! - gemeinsame Zukunft anzuschneiden. Sie hatte sich
sogar so weit hineingesteigert und sich das Ganze als kitschiges
Fotomotiv ausgemalt: Craig, der ihr beim Nachtisch schüchtern
ein Ringkästchen überreichte. Sie, wie sie es öffnete. Ein Seufzen
glückseliger Ehrfurcht. Anschwellende Geigenklänge, während
sie in Tränen zerfloss. Wie dumm von ihr.
Der Zorn loderte hoch, als würde Benzin in ein Feuer gegossen.
Sie musste etwas unternehmen, jetzt sofort. Vielleicht sein
Auto in die Luft jagen. Craigs Lieblingskaffeebecher war das
Erste, was ihr ins Auge fiel. Selbstgefällig stand er in der Spüle,
daneben eine zweite benutzte Tasse, aus der ohne Zweifel das
mysteriöse Flittchen heute Morgen seinen Kaffee getrunken
hatte. Sieh mal einer an! Eine Spur korallenroten Lippenstifts
war über den Becherrand verschmiert.
Mag schleuderte die Tassen quer durch den Raum. Die klir-
renden Geräusche besänftigten ihre Wut, allerdings prangte jetzt
ein Kaffeefleck an ihrer Küchenwand, um sie auf ewig an diesen
glorreichen Moment zu erinnern. Super gemacht, Mag!
Leise fluchend kramte sie unter der Spüle einen Müllsack hervor.
Sie würde jede Spur von diesem Dreckskerl in ihrem Haus beseitigen.
Zuerst knöpfte sie sich das Gästezimmer vor, das Craig als Büro
beschlagnahmt hatte. Der Laptop landete im Müllsack, samt Modem,
Maus und ergonomischer Tastatur. Post, Fachzeitschriften,
Disketten, Sicherungs-CDs polterten hinterher. Eine versiegelte
Box, die sie ganz hinten in einer der Schreibtischschubladen entdeckte,
landete scheppernd auf dem Boden des Müllsacks.
Weiter. Sie zerrte den Beutel in den Flur. Es war idiotisch gewesen,
mit den schwersten Sachen anzufangen, doch das ließ sich
nun nicht mehr ändern. Nächster Stopp: Garderobenschrank.
Teure Anzüge, Oberhemden, Krawatten, Schuhe und Slipper. Ab
ins Schlafzimmer zu den Schubfächern, die sie für seine anderen
Klamotten geräumt hatte. Sein hypoallergenes Silikonkissen. Sein
Wecker. Seine spezielle Zahnseide. Jedes Teil, das sie entsorgte,
fachte ihren Zorn weiter an. Dieser menschliche Abschaum!
Fertig. Es gab nichts mehr, das sie wegwerfen konnte. Sie verknotete
die Öffnung des Müllsacks.
Er war inzwischen zu schwer, um ihn zu tragen, deshalb
schleifte sie ihn rumpelnd und polternd aus der Tür, über die
Veranda, die Treppe hinunter und über den schmalen Kiesstrand
am Parson's Lake. Der hölzerne Steg, der zu ihrem Schwimmdock
führte, schwankte bedrohlich, als sie ihre bleischwere Last hinter sich herzerrte.
Mit einem Ächzen hievte sie den Sack über den Rand des
Floßes. Gluck, gluck, ein paar jämmerliche Blasen, und schon
versank er, bis er nicht mehr zu sehen war. Craig konnte, wenn
er wollte, gern ein erfrischendes Novemberbad nehmen, um ihn zu bergen.
Das Atmen fiel ihr jetzt ein bisschen leichter, aber sie wusste
aus Erfahrung, dass der positive körperliche Effekt solch kindischen,
rachsüchtigen Verhaltens sehr kurzlebig war. Sie würde
bald den nächsten Zusammenbruch erleiden, wenn sie nicht
in Bewegung blieb. Arbeit war das Einzige, was sie jetzt retten
konnte. Sie schnappte sich ihre Handtasche, sprang ins Auto und
fuhr in die Innenstadt zu ihrem Büro.
Dougie, ihr Assistent, sah mit erschrockener Miene auf, als
sie durch die gläserne Doppeltür von Callahan Web Weaving
stürmte. »Einen Moment, bleiben Sie bitte kurz dran. Sie kommt
gerade zur Tür rein«, sagte er in den Hörer. Er drückte eine Taste.
»Mag? Was machst du denn hier? Ich dachte, du wolltest erst
heute Nachmittag kommen, nach deinem Mittagessen mit ...«
»Kurzfristige Planänderung«, informierte sie ihn knapp. »Ich
habe Wichtigeres zu tun.«
Dougie guckte sie verdattert an. »Aber Craig ist auf Leitung
zwei. Er will wissen, warum du zu spät zu eurer Verabredung
kommst. Er sagt, er müsse mit dir sprechen. Dringend. So schnell
wie möglich. Es gehe um Leben und Tod, behauptet er.«
Mag verdrehte die Augen und stolzierte in ihr Büro. »Sonst
noch irgendwelche Neuigkeiten, Dougie? Ist nicht alles, was mit
Craigs kostbaren Interessen zu tun hat, eine Frage von Leben und Tod?«
Dougie folgte ihr. »Er, äh, klingt wirklich aufgeregt.«
Bei genauerer Betrachtung wäre es stilvoller, würdiger und vor
allem endgültiger, Craig in die Augen zu sehen, wenn sie ihm den
Laufpass gab. Außerdem könnte sie ihm den Gefrierbeutel mit
dem Slip ins Gesicht schleudern, sollte er die Unverfrorenheit
besitzen, es abzustreiten. Das wäre zutiefst befriedigend. Ein echter Schlussstrich.
Sie lächelte den aufgelösten Dougie beschwichtigend an.
»Richte Craig aus, dass ich auf dem Weg bin. Und danach nimmst
du keine Anrufe mehr von ihm entgegen. Auch keine Nach-
richten. Was Craig Caruso betrifft, bin ich bis ans Ende meiner
Tage in einer Besprechung. Haben wir uns verstanden?«
Dougie blinzelte eulengleich durch seine Brille. »Geht es dir gut, Mag?«
Das Lächeln auf ihrem Gesicht glich einer kriegerischen Maske.
»Absolut. Tatsächlich fühle ich mich großartig. Das Ganze
wird nicht lange dauern. Ich werde auf keinen Fall mit ihm essen.«
»Möchtest du, dass ich dir etwas kommen lasse? Das Übliche?«
Sie zögerte, da sie bezweifelte, dass sie großen Appetit haben
würde, aber der arme Dougie wollte so gern helfen. »Ja, das wäre
prima.« Sie tätschelte seine Schulter. »Du bist wirklich ein Schatz.
Ich verdiene dich nicht.«
»Ich bestelle dir Karottenkuchen und einen doppelten Latte
mit entrahmter Milch. Du wirst es brauchen«, versprach er, bevor
er zurück zu seinem klingelnden Telefon hastete.
Mag warf einen Blick in den Spiegel in ihrem Garderobenschrank,
zog ihren Lippenstift nach und vergewisserte sich, dass
ihr kupferrotes Haar stylisch verstrubbelt war und nicht wirr nach
allen Seiten abstand, wie es das zu tun pflegte, wenn sie es nicht
mit Gel bändigte. Frau sollte versuchen, elegant auszusehen,
wenn sie einer parasitären Zecke mitteilte, dass sie in der Hölle
schmoren solle. Sie überlegte, ihre Wimpern zu tuschen, entschied
sich aber dagegen. Sie brach leicht in Tränen aus, wenn
sie verletzt oder stinkwütend war, und heute traf beides zu.
Wimperntusche aufzutragen wäre wie den Göttern ins Gesicht zu spucken.
Sie nahm ihre Handtasche und war sich wie stets voll Unbehagen
bewusst, dass sie eine Neun-Millimeter-Beretta neben
ihrem Portemonnaie, den Schlüsseln und einem Lippenstift mit
sich rumschleppte. Craig hatte sie ihr gegeben, nachdem sie vor
einigen Monaten auf offener Straße überfallen worden war. Ein
nutzloses Geschenk, denn sie hatte es nie über sich gebracht,
das Ding zu laden, zudem besaß sie keine Lizenz, die Waffe
mitzuführen. Craig hatte darauf bestanden, dass sie sie in ihrer
Handtasche trug, zusammen mit einem Satz Munition. Und sie
hatte nachgegeben, in ihrem Bestreben, lieb und dankbar und
umgänglich zu sein. Pah!
Wäre sie eine andere Frau, würde sie dafür sorgen, dass er dieses
Geschenk bereute. Sie würde damit vor ihm herumfuchteln,
ihn zu Tode erschrecken. Nur war diese Art von Ausraster einfach
nicht ihr Stil. Genauso wenig wie eine Schusswaffe. Sie würde sie
ihm heute zurückgeben. Die Pistole war illegal, sie war furchteinflößend,
sie machte ihre Handtasche unnötig schwer - ganz
abgesehen davon ging es heute ausschließlich um Rationalisierung,
darum, überflüssigen Ballast abzuwerfen.
Emotionales Feng-Shui. Platsch, ab in den See damit!
Als sie ihr Auto endlich erreichte, rannen ihr wegen der für
diesen Spätherbst untypischen Hitze Schweißtropfen zwischen
den Schulterblättern hinab. Mag fühlte sich zerzaust, überhitzt
und emotional angeschlagen. Sie wollte bei der bevorstehenden
Begegnung auf keinen Fall das Bild einer erschöpften Arbeitsbiene
abgeben. Gleichgültige Eiskönigin käme der Sache schon
näher. Sie kühlte die Klimaanlage auf Eisköniginnentemperatur
runter und fädelte sich in den Verkehr ein, dessen hohes Aufkommen
ihr übermäßig viel Zeit ließ, über das schmerzvolle
Muster ihres Liebeslebens nachzudenken.
Benutzt und weggeworfen von charmanten Wichsern. Wieder
und wieder. Sie war fast dreißig, Herrgott noch mal! Sie hätte
diesem ermüdenden, selbstzerstörerischen Mist inzwischen entwachsen
sein müssen. Sie sollte ihr Leben endlich in den Griff bekommen.
Vielleicht sollte sie ihren Kopf mal von einem Seelenklempner
untersuchen lassen. Was für ein Spaß! Die abartigsten Aspekte
ihrer Persönlichkeit entblättern und jemandem haufenweise
Geld dafür zahlen, dass er ihr half, sich darin zu suhlen. Auf
keinen Fall. Selbstbetrachtung war nie ihr Ding gewesen.
Sie parkte ihren Wagen vor dem frisch renovierten Backsteinlagerhaus,
das Craigs neues Labor beherbergte, und wartete
darauf, Craigs technische Assistentin aufspringen zu sehen, um
eine Begrüßung zu zwitschern. Mandi hieß sie. Vermutlich versah
sie das i mit einem Herz. Nichts als Seifenblasen hinter diesen
großen braunen Kulleraugen. Sie hatte außerdem lange dunkle
Haare. Was für ein Zufall!
Im Labor war niemand zu sehen. Eigenartig. Vielleicht waren
Mandi und Craig im hinteren Büro von der Leidenschaft übermannt
worden. Mag biss die Zähne zusammen und ging den Flur
entlang. Ihre Absätze klackten überlaut auf den Fliesen. Die
Stille ließ die harten Töne widerhallen und anschwellen.
Die Tür zu Craigs Büro stand einen Spalt offen. Sie klapperte
noch lauter mit den Absätzen.
Nur Mut. Brich alle Brücken hinter dir ab, Mag, das ist es, was
du am besten kannst.
Sie stieß die Tür auf, holte tief Luft, öffnete den Mund, um ...
Mit einem erstickten Aufschrei fuhr sie zurück. Der Beutel mit
dem Slip glitt ihr aus der Hand.
Craig baumelte, mit einer seiner eigenen Krawatten an den
Handgelenken aufgehängt, von den Deckenrohren. Nackt. Blut
strömte ihm aus Mund und Nase. Ihr Gehirn pickte wahllos
Details heraus, um sich mit unnatürlicher Klarheit auf sie zu fokussieren.
Die Krawatte um seine Handgelenke schien grausam
eng geknotet zu sein. Beigefarbene Seide mit geschmackvollen
goldenen Akzenten. Eins seiner Lieblingsstücke.
Er riss seine blutunterlaufenen Augen wild auf, als er sie bemerkte.
Sein Mund bewegte sich, aber kein Laut drang heraus.
Dünne, haarfeine Objekte ragten aus seinem nackten Körper.
Nadeln. Er war übersät mit Nadeln. Sie steckten überall.
Ein heiseres Krächzen, das mehr animalisch als menschlich
klang, entrang sich ihrer Kehle, als sie auf ihn zustürzte und dann
schwankend stehen blieb.
Schlanke, weit gespreizte Beine auf dem Boden, ein Schuh an-,
der andere ausgezogen. Von Strapsen gehaltene Seidenstrümpfe.
Ein nackter, blasser, magerer Hintern. Mandi. Sie lag schrecklich still.
Mags entsetzter Blick kollidierte mit Craigs. Seine verzweifelten
Augen zuckten zu einer Stelle links hinter ihr. Langsam
drehte sie den Kopf.
Ein plötzlicher, grauenvoller Schmerz, Feuer und Eis zugleich,
fuhr ihr in den Hals, den Arm hinunter und gleichzeitig hinauf in
ihren Kopf, wo er explodierte.
Die Eruptionen wurden von Dunkelheit erstickt. Die Welt verschwand.
»Sie muss sterben, Faris.«
Marcus' Stimme aus dem Handy, das Faris an sein Ohr drückte,
klang sanft vor besorgtem Bedauern, doch er kannte die stählerne
Kälte, die sich dahinter verbarg, nur zu gut.
Faris starrte auf das nackte Mädchen, das auf dem Hotelbett
lag. Ihr kupferrotes Haar kringelte sich auf dem Kissen. Er streichelte
die Wölbung ihres Bauchs, die Vertiefung ihres Nabels.
Ihre durchscheinende Haut war unfassbar weich und zart.
Er war so begabt. Er verdiente dies. Ihre Liebe würde die
schmerzhafte Leere füllen, die ihn peinigte, wann immer Marcus
keine Arbeit für ihn hatte.
»Nein«, wisperte er.
»Es sollte nach einem erweiterten Selbstmord aussehen, Faris.
Du hattest den Auftrag zurückzuholen, was Caruso uns gestohlen
hat. Es steht dir nicht zu, meinen Befehl zu ignorieren und den
Kurs zu ändern, um dir selbst etwas zu gönnen.«
»Aber das Szenario ist fast genau so, wie du es wolltest«, protestierte
Faris. »Carusos eifersüchtige Freundin überrascht ihn
bei etwas, das nach perversen Sexspielchen aussehen wird. Sie
erschießt ihn und seine Geliebte mit ihrer Pistole, dann entsorgt
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
Der kalte Schock begann zu prickeln und sich an den Rändern
rot zu färben, während er sich unvermeidlich in rasenden Zorn
verwandelte. Sie war so nett zu ihm gewesen. Sie hatte ihn mietfrei
bei sich wohnen lassen, während er seine eigene Bleibe von
Ungeziefer befreien und renovieren musste. Sie hatte ihm Geld
geliehen, und das nicht zu knapp. Sogar seine geschäftlichen
Darlehensverträge hatte sie mit unterzeichnet. Sie hatte alles
gegeben, um ihn zu unterstützen, ihm zu gefallen, der Inbegriff
der Weiblichkeit zu sein. Auch, indem sie versuchte, sich ihre
herrische Art abzugewöhnen, nachdem sie mit ihrer großen
Klappe bislang einen Freund nach dem anderen in die Flucht
geschlagen hatte. Sie hatte sich so sehr angestrengt, und dies war
nun der Lohn für ihre Mühe. Sie war betrogen worden. Wieder einmal.
Mag stieß beim Aufstehen gegen die Tischkante, und ihr Kaffee
kippte um. Sie konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, um
zu verhindern, dass er sich auf das cremefarbene Leinenkostüm
ergoss, das sie eigens für ihre Verabredung zum Mittagessen mit
Craig angezogen hatte.
Sie war vorzeitig von ihrer Konferenz am Wochenende zurückgekehrt,
um sich für ihr Rendezvous schick zu machen, nachdem
sie zu der irrigen Überzeugung gelangt war, dass Craig allein
deshalb so reizbar war, weil er plante, das Thema - Trommelwirbel,
bitte! - gemeinsame Zukunft anzuschneiden. Sie hatte sich
sogar so weit hineingesteigert und sich das Ganze als kitschiges
Fotomotiv ausgemalt: Craig, der ihr beim Nachtisch schüchtern
ein Ringkästchen überreichte. Sie, wie sie es öffnete. Ein Seufzen
glückseliger Ehrfurcht. Anschwellende Geigenklänge, während
sie in Tränen zerfloss. Wie dumm von ihr.
Der Zorn loderte hoch, als würde Benzin in ein Feuer gegossen.
Sie musste etwas unternehmen, jetzt sofort. Vielleicht sein
Auto in die Luft jagen. Craigs Lieblingskaffeebecher war das
Erste, was ihr ins Auge fiel. Selbstgefällig stand er in der Spüle,
daneben eine zweite benutzte Tasse, aus der ohne Zweifel das
mysteriöse Flittchen heute Morgen seinen Kaffee getrunken
hatte. Sieh mal einer an! Eine Spur korallenroten Lippenstifts
war über den Becherrand verschmiert.
Mag schleuderte die Tassen quer durch den Raum. Die klir-
renden Geräusche besänftigten ihre Wut, allerdings prangte jetzt
ein Kaffeefleck an ihrer Küchenwand, um sie auf ewig an diesen
glorreichen Moment zu erinnern. Super gemacht, Mag!
Leise fluchend kramte sie unter der Spüle einen Müllsack hervor.
Sie würde jede Spur von diesem Dreckskerl in ihrem Haus beseitigen.
Zuerst knöpfte sie sich das Gästezimmer vor, das Craig als Büro
beschlagnahmt hatte. Der Laptop landete im Müllsack, samt Modem,
Maus und ergonomischer Tastatur. Post, Fachzeitschriften,
Disketten, Sicherungs-CDs polterten hinterher. Eine versiegelte
Box, die sie ganz hinten in einer der Schreibtischschubladen entdeckte,
landete scheppernd auf dem Boden des Müllsacks.
Weiter. Sie zerrte den Beutel in den Flur. Es war idiotisch gewesen,
mit den schwersten Sachen anzufangen, doch das ließ sich
nun nicht mehr ändern. Nächster Stopp: Garderobenschrank.
Teure Anzüge, Oberhemden, Krawatten, Schuhe und Slipper. Ab
ins Schlafzimmer zu den Schubfächern, die sie für seine anderen
Klamotten geräumt hatte. Sein hypoallergenes Silikonkissen. Sein
Wecker. Seine spezielle Zahnseide. Jedes Teil, das sie entsorgte,
fachte ihren Zorn weiter an. Dieser menschliche Abschaum!
Fertig. Es gab nichts mehr, das sie wegwerfen konnte. Sie verknotete
die Öffnung des Müllsacks.
Er war inzwischen zu schwer, um ihn zu tragen, deshalb
schleifte sie ihn rumpelnd und polternd aus der Tür, über die
Veranda, die Treppe hinunter und über den schmalen Kiesstrand
am Parson's Lake. Der hölzerne Steg, der zu ihrem Schwimmdock
führte, schwankte bedrohlich, als sie ihre bleischwere Last hinter sich herzerrte.
Mit einem Ächzen hievte sie den Sack über den Rand des
Floßes. Gluck, gluck, ein paar jämmerliche Blasen, und schon
versank er, bis er nicht mehr zu sehen war. Craig konnte, wenn
er wollte, gern ein erfrischendes Novemberbad nehmen, um ihn zu bergen.
Das Atmen fiel ihr jetzt ein bisschen leichter, aber sie wusste
aus Erfahrung, dass der positive körperliche Effekt solch kindischen,
rachsüchtigen Verhaltens sehr kurzlebig war. Sie würde
bald den nächsten Zusammenbruch erleiden, wenn sie nicht
in Bewegung blieb. Arbeit war das Einzige, was sie jetzt retten
konnte. Sie schnappte sich ihre Handtasche, sprang ins Auto und
fuhr in die Innenstadt zu ihrem Büro.
Dougie, ihr Assistent, sah mit erschrockener Miene auf, als
sie durch die gläserne Doppeltür von Callahan Web Weaving
stürmte. »Einen Moment, bleiben Sie bitte kurz dran. Sie kommt
gerade zur Tür rein«, sagte er in den Hörer. Er drückte eine Taste.
»Mag? Was machst du denn hier? Ich dachte, du wolltest erst
heute Nachmittag kommen, nach deinem Mittagessen mit ...«
»Kurzfristige Planänderung«, informierte sie ihn knapp. »Ich
habe Wichtigeres zu tun.«
Dougie guckte sie verdattert an. »Aber Craig ist auf Leitung
zwei. Er will wissen, warum du zu spät zu eurer Verabredung
kommst. Er sagt, er müsse mit dir sprechen. Dringend. So schnell
wie möglich. Es gehe um Leben und Tod, behauptet er.«
Mag verdrehte die Augen und stolzierte in ihr Büro. »Sonst
noch irgendwelche Neuigkeiten, Dougie? Ist nicht alles, was mit
Craigs kostbaren Interessen zu tun hat, eine Frage von Leben und Tod?«
Dougie folgte ihr. »Er, äh, klingt wirklich aufgeregt.«
Bei genauerer Betrachtung wäre es stilvoller, würdiger und vor
allem endgültiger, Craig in die Augen zu sehen, wenn sie ihm den
Laufpass gab. Außerdem könnte sie ihm den Gefrierbeutel mit
dem Slip ins Gesicht schleudern, sollte er die Unverfrorenheit
besitzen, es abzustreiten. Das wäre zutiefst befriedigend. Ein echter Schlussstrich.
Sie lächelte den aufgelösten Dougie beschwichtigend an.
»Richte Craig aus, dass ich auf dem Weg bin. Und danach nimmst
du keine Anrufe mehr von ihm entgegen. Auch keine Nach-
richten. Was Craig Caruso betrifft, bin ich bis ans Ende meiner
Tage in einer Besprechung. Haben wir uns verstanden?«
Dougie blinzelte eulengleich durch seine Brille. »Geht es dir gut, Mag?«
Das Lächeln auf ihrem Gesicht glich einer kriegerischen Maske.
»Absolut. Tatsächlich fühle ich mich großartig. Das Ganze
wird nicht lange dauern. Ich werde auf keinen Fall mit ihm essen.«
»Möchtest du, dass ich dir etwas kommen lasse? Das Übliche?«
Sie zögerte, da sie bezweifelte, dass sie großen Appetit haben
würde, aber der arme Dougie wollte so gern helfen. »Ja, das wäre
prima.« Sie tätschelte seine Schulter. »Du bist wirklich ein Schatz.
Ich verdiene dich nicht.«
»Ich bestelle dir Karottenkuchen und einen doppelten Latte
mit entrahmter Milch. Du wirst es brauchen«, versprach er, bevor
er zurück zu seinem klingelnden Telefon hastete.
Mag warf einen Blick in den Spiegel in ihrem Garderobenschrank,
zog ihren Lippenstift nach und vergewisserte sich, dass
ihr kupferrotes Haar stylisch verstrubbelt war und nicht wirr nach
allen Seiten abstand, wie es das zu tun pflegte, wenn sie es nicht
mit Gel bändigte. Frau sollte versuchen, elegant auszusehen,
wenn sie einer parasitären Zecke mitteilte, dass sie in der Hölle
schmoren solle. Sie überlegte, ihre Wimpern zu tuschen, entschied
sich aber dagegen. Sie brach leicht in Tränen aus, wenn
sie verletzt oder stinkwütend war, und heute traf beides zu.
Wimperntusche aufzutragen wäre wie den Göttern ins Gesicht zu spucken.
Sie nahm ihre Handtasche und war sich wie stets voll Unbehagen
bewusst, dass sie eine Neun-Millimeter-Beretta neben
ihrem Portemonnaie, den Schlüsseln und einem Lippenstift mit
sich rumschleppte. Craig hatte sie ihr gegeben, nachdem sie vor
einigen Monaten auf offener Straße überfallen worden war. Ein
nutzloses Geschenk, denn sie hatte es nie über sich gebracht,
das Ding zu laden, zudem besaß sie keine Lizenz, die Waffe
mitzuführen. Craig hatte darauf bestanden, dass sie sie in ihrer
Handtasche trug, zusammen mit einem Satz Munition. Und sie
hatte nachgegeben, in ihrem Bestreben, lieb und dankbar und
umgänglich zu sein. Pah!
Wäre sie eine andere Frau, würde sie dafür sorgen, dass er dieses
Geschenk bereute. Sie würde damit vor ihm herumfuchteln,
ihn zu Tode erschrecken. Nur war diese Art von Ausraster einfach
nicht ihr Stil. Genauso wenig wie eine Schusswaffe. Sie würde sie
ihm heute zurückgeben. Die Pistole war illegal, sie war furchteinflößend,
sie machte ihre Handtasche unnötig schwer - ganz
abgesehen davon ging es heute ausschließlich um Rationalisierung,
darum, überflüssigen Ballast abzuwerfen.
Emotionales Feng-Shui. Platsch, ab in den See damit!
Als sie ihr Auto endlich erreichte, rannen ihr wegen der für
diesen Spätherbst untypischen Hitze Schweißtropfen zwischen
den Schulterblättern hinab. Mag fühlte sich zerzaust, überhitzt
und emotional angeschlagen. Sie wollte bei der bevorstehenden
Begegnung auf keinen Fall das Bild einer erschöpften Arbeitsbiene
abgeben. Gleichgültige Eiskönigin käme der Sache schon
näher. Sie kühlte die Klimaanlage auf Eisköniginnentemperatur
runter und fädelte sich in den Verkehr ein, dessen hohes Aufkommen
ihr übermäßig viel Zeit ließ, über das schmerzvolle
Muster ihres Liebeslebens nachzudenken.
Benutzt und weggeworfen von charmanten Wichsern. Wieder
und wieder. Sie war fast dreißig, Herrgott noch mal! Sie hätte
diesem ermüdenden, selbstzerstörerischen Mist inzwischen entwachsen
sein müssen. Sie sollte ihr Leben endlich in den Griff bekommen.
Vielleicht sollte sie ihren Kopf mal von einem Seelenklempner
untersuchen lassen. Was für ein Spaß! Die abartigsten Aspekte
ihrer Persönlichkeit entblättern und jemandem haufenweise
Geld dafür zahlen, dass er ihr half, sich darin zu suhlen. Auf
keinen Fall. Selbstbetrachtung war nie ihr Ding gewesen.
Sie parkte ihren Wagen vor dem frisch renovierten Backsteinlagerhaus,
das Craigs neues Labor beherbergte, und wartete
darauf, Craigs technische Assistentin aufspringen zu sehen, um
eine Begrüßung zu zwitschern. Mandi hieß sie. Vermutlich versah
sie das i mit einem Herz. Nichts als Seifenblasen hinter diesen
großen braunen Kulleraugen. Sie hatte außerdem lange dunkle
Haare. Was für ein Zufall!
Im Labor war niemand zu sehen. Eigenartig. Vielleicht waren
Mandi und Craig im hinteren Büro von der Leidenschaft übermannt
worden. Mag biss die Zähne zusammen und ging den Flur
entlang. Ihre Absätze klackten überlaut auf den Fliesen. Die
Stille ließ die harten Töne widerhallen und anschwellen.
Die Tür zu Craigs Büro stand einen Spalt offen. Sie klapperte
noch lauter mit den Absätzen.
Nur Mut. Brich alle Brücken hinter dir ab, Mag, das ist es, was
du am besten kannst.
Sie stieß die Tür auf, holte tief Luft, öffnete den Mund, um ...
Mit einem erstickten Aufschrei fuhr sie zurück. Der Beutel mit
dem Slip glitt ihr aus der Hand.
Craig baumelte, mit einer seiner eigenen Krawatten an den
Handgelenken aufgehängt, von den Deckenrohren. Nackt. Blut
strömte ihm aus Mund und Nase. Ihr Gehirn pickte wahllos
Details heraus, um sich mit unnatürlicher Klarheit auf sie zu fokussieren.
Die Krawatte um seine Handgelenke schien grausam
eng geknotet zu sein. Beigefarbene Seide mit geschmackvollen
goldenen Akzenten. Eins seiner Lieblingsstücke.
Er riss seine blutunterlaufenen Augen wild auf, als er sie bemerkte.
Sein Mund bewegte sich, aber kein Laut drang heraus.
Dünne, haarfeine Objekte ragten aus seinem nackten Körper.
Nadeln. Er war übersät mit Nadeln. Sie steckten überall.
Ein heiseres Krächzen, das mehr animalisch als menschlich
klang, entrang sich ihrer Kehle, als sie auf ihn zustürzte und dann
schwankend stehen blieb.
Schlanke, weit gespreizte Beine auf dem Boden, ein Schuh an-,
der andere ausgezogen. Von Strapsen gehaltene Seidenstrümpfe.
Ein nackter, blasser, magerer Hintern. Mandi. Sie lag schrecklich still.
Mags entsetzter Blick kollidierte mit Craigs. Seine verzweifelten
Augen zuckten zu einer Stelle links hinter ihr. Langsam
drehte sie den Kopf.
Ein plötzlicher, grauenvoller Schmerz, Feuer und Eis zugleich,
fuhr ihr in den Hals, den Arm hinunter und gleichzeitig hinauf in
ihren Kopf, wo er explodierte.
Die Eruptionen wurden von Dunkelheit erstickt. Die Welt verschwand.
»Sie muss sterben, Faris.«
Marcus' Stimme aus dem Handy, das Faris an sein Ohr drückte,
klang sanft vor besorgtem Bedauern, doch er kannte die stählerne
Kälte, die sich dahinter verbarg, nur zu gut.
Faris starrte auf das nackte Mädchen, das auf dem Hotelbett
lag. Ihr kupferrotes Haar kringelte sich auf dem Kissen. Er streichelte
die Wölbung ihres Bauchs, die Vertiefung ihres Nabels.
Ihre durchscheinende Haut war unfassbar weich und zart.
Er war so begabt. Er verdiente dies. Ihre Liebe würde die
schmerzhafte Leere füllen, die ihn peinigte, wann immer Marcus
keine Arbeit für ihn hatte.
»Nein«, wisperte er.
»Es sollte nach einem erweiterten Selbstmord aussehen, Faris.
Du hattest den Auftrag zurückzuholen, was Caruso uns gestohlen
hat. Es steht dir nicht zu, meinen Befehl zu ignorieren und den
Kurs zu ändern, um dir selbst etwas zu gönnen.«
»Aber das Szenario ist fast genau so, wie du es wolltest«, protestierte
Faris. »Carusos eifersüchtige Freundin überrascht ihn
bei etwas, das nach perversen Sexspielchen aussehen wird. Sie
erschießt ihn und seine Geliebte mit ihrer Pistole, dann entsorgt
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
... weniger
Autoren-Porträt von Shannon McKenna
Neben ihrer Karriere als Sängerin begann Shannon McKenna Liebesromane zu schreiben. Mit Die Nacht hat viele Augen gelang ihr der große Durchbruch in den USA. Die Autorin lebt und arbeitet in Süditalien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Shannon McKenna
- 2011, 1. Aufl., 480 Seiten, Maße: 13,5 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Patricia Woitynek
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802583329
- ISBN-13: 9783802583322
- Erscheinungsdatum: 01.08.2011
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