Blindes Grauen
Detective MeChelle Deakes soll einen ungelösten Mord aufklären. Leider hat sie dabei nur einen einzigen Anhaltspunkt: eine Tonbandaufnahme mit der Stimme des Mörders. Als MeChelle eines Morgens aufwacht, sind ihre Augen zugeklebt. Sie...
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Produktinformationen zu „Blindes Grauen “
Detective MeChelle Deakes soll einen ungelösten Mord aufklären. Leider hat sie dabei nur einen einzigen Anhaltspunkt: eine Tonbandaufnahme mit der Stimme des Mörders. Als MeChelle eines Morgens aufwacht, sind ihre Augen zugeklebt. Sie weiß nicht, wo sie ist. Doch sie weiß: Sie ist nicht allein. Sie ist dem Mörder ausgeliefert. Nun kann sie nur noch ihr Kollege Hank Gooch retten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Lese-Probe zu „Blindes Grauen “
Blindes Grauen von Lynn AbercrombieHank Gooch zog das glühende Stück Stahl ein letztes Mal durch die fauchende Flamme des Schmiedefeuers, nahm die Klinge heraus, stieß sie ins Wasser. Das Schwert, das er soeben geschmiedet hatte, zischte wütend, als es auf das Wasser traf. Dampf stieg in die Luft.
Er konnte die Klinge im brodelnden Wasser sehen, der Stahl wandelte sich in einem Augenblick aus Rot in Schwarz und bog sich aufgrund der wilden Kräfte, die beim Abschrecken auftraten.
Dann hörte er einen leisen Laut aus dem Stahl.
Tink. Es war ein Geräusch, mit dem ein Dutzend Arbeitsstunden zunichtegemacht wurden. Er wartete noch zehn Sekunden, dann zog er die Klinge aus dem Wasser, und da war er, ein daumenbreiter Riss in der Schnittfläche.
Seit Gooch vor sechs Monaten in Frührente gegangen war, hatte er zu lernen versucht, wie man japanische Schwerter schmiedete. Erfolglos. Er hatte alle Bücher über das Thema gekauft, alle DVDs, er war auf Seminaren und Schmiede-Workshops gewesen, er hatte alles getan, was man konnte, um herauszukriegen, wie die verdammten Dinger gemacht wurden, aber jedes Schwert, das er schmiedete, war schlimmer als das davor. Wenn es sich nicht schon beim Schmieden zu einem Korkenzieher verdrehte, dann zerbarst es beim Abschrecken. Wenn es nicht brach, dann verbog es sich. Wenn es sich nicht verbog, dann zersplitterte es spätestens, wenn man versuchte, etwas mit dem Ding zu schneiden. Irgendwas war immer.Vor sechs Monaten hatte er gedacht, wenn er in Frührente ginge und anfinge, Schwerter zu schmieden, könnte er genug dazuverdienen, um mit seiner gekürzten Pension gut klarzukommen.
Aber bislang hatte er keine einzige Klinge zustande gebracht, die man hätte verkaufen können. Deswegen sah es mit dem Geld ein bisschen problematisch aus. Es war einfach, verdammt noch mal, viel schwieriger, Schwerter zu schmieden, als es
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aussah.
Überall im Raum lag der Murks herum, den er in sechs Monaten harter Arbeit zustande gebracht hatte. Verbogene, verdrehte, geborstene und auf die eigenartigste Art nutzlose Stahlstücke - die Hälfte von ihnen steckte in der Wand, die andere Hälfte lag auf einem Haufen am Boden. Er trug den neuesten Stahlmüll durch das Zimmer in Richtung des Haufens und wollte sie in der Holztüre seines Schuppens enden lassen. Er war gar kein schlechter Messerwerfer, also verschaffte ihm wenigstens das dann und wann Erleichterung - eine kaputte Klinge, die mit einem satten Schmatzen in der Wand stecken blieb.
Aber gerade als das Werkstück seine Hand verließ, flog die Tür seines Schuppens auf. Die Klinge segelte durch die Öffnung hinaus, knapp vorbei am Kopf eines jungen Mannes, den Gooch nicht kannte.
»Ahhhh!« Der junge Mann verschwand; er kreischte wie ein Mädchen.
Gooch legte die Arme über Kreuz und wartete.
»Sir? Sir?« Eine schwache Stimme. Vorsichtig tastete sich eine Hand um den Türrahmen, sie hielt ein Mäppchen mit einer Marke darin hoch. »Sir? Hier ist Detective Floss. Cody Floss. Atlanta Police Department, Cold Case Unit. Sir? Sir?«
Gooch sagte nichts. Der Kopf des Mannes tauchte wieder auf, er schaute furchtsam am Türrahmen vorbei. Eigentlich war es eher ein Junge als ein Mann. Dünnes blondes Haar, das ihm ausgehen würde, bis er dreißig war, ein fusseliger kleiner Schnauzer. Ein billiger
schwarzer Anzug mit einer Krawatte, die nicht sonderlich kunstvoll geknotet war. Der Junge musste vor ungefähr zehn Minuten zum Detective ernannt worden sein.
»Sir? Lieutenant?«
Was Gooch anging, so war er kein Lieutenant mehr. Er verachtete diese alten Säcke, die herumliefen und sich auch noch in Rente mit ihrem Rang anreden ließen. Wie diese Clowns, die beim Marine Corps aufhörten und sich dann dreißig Jahre lang Colonel nannten. Entweder man war Zivilist, oder nicht.
»Sir, der Chief hat mich geschickt.«
Der Chief. Dieser Idiot. »Na toll.«
Der junge schluckte. »Sir, jetzt, wo Sie hier auf dem Land leben, kennen Sie vielleicht nicht die neuesten Nachrichten? Ich weiß, dass Sie und Chief Diggs nicht immer besonders gut miteinander ausgekommen sind und so. Aber er ist nicht mehr der Chief.«
Gooch runzelte die Stirn. Er lebte seit sechs Monaten hier draußen in Troup County und las selten Zeitung oder schaute Fernsehen - meine Güte, da entging einem schon manches.
»Haben Sie das nicht gehört, Lieutenant? Chief Diggs ist jetzt Bürgermeister von Atlanta.«
War das nicht großartig. Genau das brauchte die Stadt Atlanta, einen janusköpfigen opportunistischen Schleimer wie Diggs, der die Show schmiss. Na ja, es war nicht mehr Gooch' Problem. Er marschierte an dem jungen Detective vorbei, ging hinaus auf den mit Unkraut überwucherten Hof, griff nach der Klinge, die er gerade zur Tür hinausgepfeffert hatte, betrachtete noch einmal den Riss. Es war sogar noch schlimmer, als er ursprünglich gedacht hatte. Das Ding war beinahe in der Mitte durchgebrochen.
»Scheiße«, sagte Gooch.
Er ging zurück in den Schuppen und schmiss das Ding auf den Schrotthaufen. Der junge Detective klimperte nervös mit seinen Wagenschlüsseln herum. »Äh ...,« Gooch stellte das Nadelventil am Schmiedeofen herunter. Die gelbe Flamme erlosch, aber das Nachglühen des über 1200 Grad heißen Feuers in dem isolierten Innenraum wärmte sein Gesicht. Er drehte das Gas ab und überlegte, was er als Nächstes machen sollte. Vielleicht ein Wörtchen mit seinem Kumpel Jim Beam wechseln? Oder vielleicht sollte er sich heute lieber an Mr Daniels halten? Eine schwierige Wahl, wenn man so viele Freunde hatte.
»Sir? Es geht um MeChelle. Sergeant Deakes, meine ich.« Gooch schaute den jungen ausdruckslos an. »Sie ist weg, Sir.«
Weg. Das konnte alles und nichts heißen. Gooch ging im Geiste die Möglichkeiten durch. Weg, tot. Weg, entführt. Weg, besoffen im Rinnstein. Weg, weg. Zum ersten Mal seit sechs Monaten hatte er das Gefühl, über etwas nachzudenken, was er begriff. Das letzte halbe Jahr hatte er die ganze Zeit das Gefühl gehabt, in Melasse zu schwimmen.
MeChelle Deakes war also weg. Sie hatte ihre eigenen Dämonen ... aber er konnte sich kaum vorstellen, dass sie einfach verschwand, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Gooch sah sich im Schuppen um und machte eine Bestandsaufnahme.
Verdrehte, geborstene, kaputte Stahlteile überall. Wen wollte er damit an der Nase herumführen? Er würde niemals gut darin sein, Schwerter zu schmieden.
»Scheiße«, sagte Gooch zum zweiten Mal.
Er ging wieder zur Tür raus, im Gehen schnappte er dem Jungen die Wagenschlüssel aus den Händen, dann eilte er zügig zum Haus.
»Sir! Sir? Warten Sie!«
Gooch ging ins Haus, stapfte in sein Schlafzimmer, öffnete die Schublade seines Nachttisches, nahm das kleine Foto eines Mädchens mit blonden Haaren und zwei fehlenden Schneidezähnen heraus. Das Bild war alt und verblasst und eselsohrig, es wurde nur noch von Klebeband zusammengehalten. Dieses Bild hatte er jeden Tag als Cop bei sich getragen, das Foto seiner Tochter klebte auf der Rückseite seiner Marke. Eine Erinnerung daran, warum er überhaupt Polizist geworden war.
Dann ging er wieder raus. Der Junge stand an seiner Gartenpforte und wartete, die Hände nervös über seinen Genitalien verschränkt. Gooch lief einfach an ihm vorbei.
»Sir!«, rief der Junge ihm hinterher, als Gooch auf den Wagen des jungen zumarschierte. »Sir! Was machen Sie da? Wo wollen Sie ... «
Gooch stieg ohne ein weiteres Wort in den Wagen des Jungen und ließ den Motor an.
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© 2006 by Walter Sorrells
Überall im Raum lag der Murks herum, den er in sechs Monaten harter Arbeit zustande gebracht hatte. Verbogene, verdrehte, geborstene und auf die eigenartigste Art nutzlose Stahlstücke - die Hälfte von ihnen steckte in der Wand, die andere Hälfte lag auf einem Haufen am Boden. Er trug den neuesten Stahlmüll durch das Zimmer in Richtung des Haufens und wollte sie in der Holztüre seines Schuppens enden lassen. Er war gar kein schlechter Messerwerfer, also verschaffte ihm wenigstens das dann und wann Erleichterung - eine kaputte Klinge, die mit einem satten Schmatzen in der Wand stecken blieb.
Aber gerade als das Werkstück seine Hand verließ, flog die Tür seines Schuppens auf. Die Klinge segelte durch die Öffnung hinaus, knapp vorbei am Kopf eines jungen Mannes, den Gooch nicht kannte.
»Ahhhh!« Der junge Mann verschwand; er kreischte wie ein Mädchen.
Gooch legte die Arme über Kreuz und wartete.
»Sir? Sir?« Eine schwache Stimme. Vorsichtig tastete sich eine Hand um den Türrahmen, sie hielt ein Mäppchen mit einer Marke darin hoch. »Sir? Hier ist Detective Floss. Cody Floss. Atlanta Police Department, Cold Case Unit. Sir? Sir?«
Gooch sagte nichts. Der Kopf des Mannes tauchte wieder auf, er schaute furchtsam am Türrahmen vorbei. Eigentlich war es eher ein Junge als ein Mann. Dünnes blondes Haar, das ihm ausgehen würde, bis er dreißig war, ein fusseliger kleiner Schnauzer. Ein billiger
schwarzer Anzug mit einer Krawatte, die nicht sonderlich kunstvoll geknotet war. Der Junge musste vor ungefähr zehn Minuten zum Detective ernannt worden sein.
»Sir? Lieutenant?«
Was Gooch anging, so war er kein Lieutenant mehr. Er verachtete diese alten Säcke, die herumliefen und sich auch noch in Rente mit ihrem Rang anreden ließen. Wie diese Clowns, die beim Marine Corps aufhörten und sich dann dreißig Jahre lang Colonel nannten. Entweder man war Zivilist, oder nicht.
»Sir, der Chief hat mich geschickt.«
Der Chief. Dieser Idiot. »Na toll.«
Der junge schluckte. »Sir, jetzt, wo Sie hier auf dem Land leben, kennen Sie vielleicht nicht die neuesten Nachrichten? Ich weiß, dass Sie und Chief Diggs nicht immer besonders gut miteinander ausgekommen sind und so. Aber er ist nicht mehr der Chief.«
Gooch runzelte die Stirn. Er lebte seit sechs Monaten hier draußen in Troup County und las selten Zeitung oder schaute Fernsehen - meine Güte, da entging einem schon manches.
»Haben Sie das nicht gehört, Lieutenant? Chief Diggs ist jetzt Bürgermeister von Atlanta.«
War das nicht großartig. Genau das brauchte die Stadt Atlanta, einen janusköpfigen opportunistischen Schleimer wie Diggs, der die Show schmiss. Na ja, es war nicht mehr Gooch' Problem. Er marschierte an dem jungen Detective vorbei, ging hinaus auf den mit Unkraut überwucherten Hof, griff nach der Klinge, die er gerade zur Tür hinausgepfeffert hatte, betrachtete noch einmal den Riss. Es war sogar noch schlimmer, als er ursprünglich gedacht hatte. Das Ding war beinahe in der Mitte durchgebrochen.
»Scheiße«, sagte Gooch.
Er ging zurück in den Schuppen und schmiss das Ding auf den Schrotthaufen. Der junge Detective klimperte nervös mit seinen Wagenschlüsseln herum. »Äh ...,« Gooch stellte das Nadelventil am Schmiedeofen herunter. Die gelbe Flamme erlosch, aber das Nachglühen des über 1200 Grad heißen Feuers in dem isolierten Innenraum wärmte sein Gesicht. Er drehte das Gas ab und überlegte, was er als Nächstes machen sollte. Vielleicht ein Wörtchen mit seinem Kumpel Jim Beam wechseln? Oder vielleicht sollte er sich heute lieber an Mr Daniels halten? Eine schwierige Wahl, wenn man so viele Freunde hatte.
»Sir? Es geht um MeChelle. Sergeant Deakes, meine ich.« Gooch schaute den jungen ausdruckslos an. »Sie ist weg, Sir.«
Weg. Das konnte alles und nichts heißen. Gooch ging im Geiste die Möglichkeiten durch. Weg, tot. Weg, entführt. Weg, besoffen im Rinnstein. Weg, weg. Zum ersten Mal seit sechs Monaten hatte er das Gefühl, über etwas nachzudenken, was er begriff. Das letzte halbe Jahr hatte er die ganze Zeit das Gefühl gehabt, in Melasse zu schwimmen.
MeChelle Deakes war also weg. Sie hatte ihre eigenen Dämonen ... aber er konnte sich kaum vorstellen, dass sie einfach verschwand, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Gooch sah sich im Schuppen um und machte eine Bestandsaufnahme.
Verdrehte, geborstene, kaputte Stahlteile überall. Wen wollte er damit an der Nase herumführen? Er würde niemals gut darin sein, Schwerter zu schmieden.
»Scheiße«, sagte Gooch zum zweiten Mal.
Er ging wieder zur Tür raus, im Gehen schnappte er dem Jungen die Wagenschlüssel aus den Händen, dann eilte er zügig zum Haus.
»Sir! Sir? Warten Sie!«
Gooch ging ins Haus, stapfte in sein Schlafzimmer, öffnete die Schublade seines Nachttisches, nahm das kleine Foto eines Mädchens mit blonden Haaren und zwei fehlenden Schneidezähnen heraus. Das Bild war alt und verblasst und eselsohrig, es wurde nur noch von Klebeband zusammengehalten. Dieses Bild hatte er jeden Tag als Cop bei sich getragen, das Foto seiner Tochter klebte auf der Rückseite seiner Marke. Eine Erinnerung daran, warum er überhaupt Polizist geworden war.
Dann ging er wieder raus. Der Junge stand an seiner Gartenpforte und wartete, die Hände nervös über seinen Genitalien verschränkt. Gooch lief einfach an ihm vorbei.
»Sir!«, rief der Junge ihm hinterher, als Gooch auf den Wagen des jungen zumarschierte. »Sir! Was machen Sie da? Wo wollen Sie ... «
Gooch stieg ohne ein weiteres Wort in den Wagen des Jungen und ließ den Motor an.
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© 2006 by Walter Sorrells
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Bibliographische Angaben
- Autor: Lynn Abercrombie
- 2009, 1, 352 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868001131
- ISBN-13: 9783868001136
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