"Blindes Vertrauen" und "Nachtglut"
Blindes Vertrauen:
Finstere, undurchdringliche Nacht. Ein neugeborenes Baby hört plötzlich auf zu atmen – es ist das Kind des Präsidentenpaares. In ihrem Schmerz spricht die First Lady mit der Fernsehreporterin...
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Blindes Vertrauen:
Finstere, undurchdringliche Nacht. Ein neugeborenes Baby hört plötzlich auf zu atmen – es ist das Kind des Präsidentenpaares. In ihrem Schmerz spricht die First Lady mit der Fernsehreporterin Barrie Travis über den tragischen Todesfall. Und reißt die junge Frau damit in einen Sog aus mörderischen Intrigen, raffinierten Machtspielen und verhängnisvollen Leidenschaften.
"Sandra Browns raffiniertes Geflecht aus irreführenden Spuren, unlauteren Motiven und dunklen Geheimnissen ist atemberaubend!"
Publishers Weekly
Nachtglut:
Er kann warten. Und er hat große Pläne – Rachepläne. Als Carl Herbold aus dem Gefängnis ausbricht, ist sein Ziel das Anwesen der Familie Corbett. Doch dort wird er schon erwartet: von Anna Corbett, einer jungen taubstummen Witwe, die mit allen Mitteln um ihr Zuhause – und ihr Leben – kämpft. Und von Jack Sawyer, einem Mann der nicht länger vor seiner Vergangenheit davonlaufen will. Sie sind die Einzigen, die Herbolds diabolischen Plan vereiteln können.
"Sandra Brown erweist sich erneut als eine der raffiniertesten Psychothriller-Autorinnen der Gegenwart!"
People
"Sandra Brown zu lesen ist, als wäre man bei der Lektüre an eine Hochspannungsleitung angeschlossen!
Kirkus Reviews
Finstere, undurchdringliche Nacht. Ein neugeborenes Baby hört plötzlich auf zu atmen – es ist das Kind des Präsidentenpaares. In ihrem Schmerz spricht die First Lady mit der Fernsehreporterin Barrie Travis über den tragischen Todesfall. Und reißt die junge Frau damit in einen Sog aus mörderischen Intrigen, raffinierten Machtspielen und verhängnisvollen Leidenschaften.
"Sandra Browns raffiniertes Geflecht aus irreführenden Spuren, unlauteren Motiven und dunklen Geheimnissen ist atemberaubend!"
Publishers Weekly
Nachtglut:
Er kann warten. Und er hat große Pläne – Rachepläne. Als Carl Herbold aus dem Gefängnis ausbricht, ist sein Ziel das Anwesen der Familie Corbett. Doch dort wird er schon erwartet: von Anna Corbett, einer jungen taubstummen Witwe, die mit allen Mitteln um ihr Zuhause – und ihr Leben – kämpft. Und von Jack Sawyer, einem Mann der nicht länger vor seiner Vergangenheit davonlaufen will. Sie sind die Einzigen, die Herbolds diabolischen Plan vereiteln können.
"Sandra Brown erweist sich erneut als eine der raffiniertesten Psychothriller-Autorinnen der Gegenwart!"
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Lese-Probe zu „"Blindes Vertrauen" und "Nachtglut" “
Blindes Vertrauen von Sandra Brown1
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Gut sehen Sie aus, Mrs Merritt.«
»Ich sehe einfach furchtbar aus.«
Vanessa Merritt sah wirklich furchtbar aus, aber Barrie war es peinlich, bei einem unaufrichtigen Kompliment ertappt worden zu sein. Sie versuchte, elegant darüber hinwegzugehen. »Nach allem, was Sie durchgemacht haben, ist es ganz normal, dass Sie etwas mitgenommen aussehen. Die meisten Frauen - mich eingerechnet, besonders mich - wären glücklich, so auszusehen wie Sie, wenn sie sich mies fühlen.«
»Danke.« Vanessa Merritt rührte lustlos ihren Cappuccino um. Könnten Nerven Geräusche von sich geben, hätten ihre geklappert wie der Kaffeelöffel, den sie nun mit zitternden Fingern auf die Untertasse zurücklegte. »Mein Gott, für eine einzige Zigarette würde ich mich von Ihnen mit glühenden Zangen malträtieren lassen.«
Ihre Hände hielten keine Sekunde still. Sie schlang ihre Perlenkette um einen Finger, spielte mit den geschmackvollen Brillantsteckern in ihren Ohrläppchen und rückte mehrmals die Ray-Ban-Sonnenbrille zurecht, die die dunklen Ringe um die verschwollenen Augen nicht ganz verbergen konnte.
Vor allem diese bemerkenswerten Augen hatten bisher zu ihrer Schönheit beigetragen. Heute sprachen aus ihren strahlend babyblauen Augen nur Schmerz und Enttäuschung. Sie wirkten wie die Augen eines Engels, der gerade einen ersten grauenerregenden Blick in die Hölle geworfen hat.
»Ich habe gerade keine Zange bei mir«, antwortete Barrie. »Aber wie wär's hiermit?« Sie kramte eine unangebrochene Packung Zigaretten aus ihrer großen ledernen Umhängetasche und schob sie über den Tisch.
Für Mrs Merritt war die Versuchung offenbar groß. Ihr gequälter Blick glitt nervös über die Terrasse des Restaurants. Es war nur ein einziger weiterer Tisch besetzt - dort saßen mehrere Männer -, und im Hintergrund hielt sich nur ein beflissener Ober auf. Trotzdem schob sie die Zigaretten zurück. »Danke, lieber nicht. Aber rauchen Sie ruhig.«
»Ich rauche nicht. Zigaretten habe ich nur für den Fall in der Tasche, dass ich einen Interviewpartner entkrampfen muss.«
»Bevor Sie ihm den Todesstoß versetzen.«
Barrie lachte. »Ich wollte, ich wäre so gefährlich.« »Tatsächlich liegen Ihnen eher die Reportagen, die voll aus dem Leben gegriffen sind.«
Sie war angenehm überrascht, dass Mrs Merritt ihre Arbeiten kannte. »Oh, danke!«
»Einige Ihrer Reportagen waren wirklich außergewöhnlich. Zum Beispiel die über den Aids-Kranken. Und die über eine obdachlose alleinerziehende Mutter von vier Kindern.«
»Sie wurde für einen Branchenpreis nominiert.« Barrie hielt es für überflüssig zu erwähnen, dass sie ihre Reportage selbst eingereicht hatte.
»Sie hat mich zum Weinen gebracht«, sagte Mrs Merritt. »Mich auch.«
»Tatsächlich sind Sie so gut, dass ich mich schon gefragt habe, warum Sie nicht bei einer der großen Fernsehgesellschaften arbeiten.«
»Ich hab' ein paarmal Pech gehabt.«
Vanessa Merritt runzelte ihre glatte Stirn. »War da nicht die Sache mit Bundesrichter Green, die ...«
»Zum Beispiel«, unterbrach Barrie sie. Sie hatte jedoch keine Lust, hier ihre Misserfolge aufgezählt zu bekommen. »Warum haben Sie mich angerufen, Mrs Merritt? Ich bin entzückt, aber auch neugierig.«
Vanessa Merritts Lächeln verblasste allmählich. »Ich habe mich klar genug ausgedrückt, oder? Dieses Gespräch ist kein Interview.«
»Ja, ich verstehe.«
Aber das stimmte nicht. Barrie Travis hatte nicht die geringste Ahnung, warum Mrs Merritt sie ganz unerwartet angerufen und zu einer Tasse Kaffee eingeladen hatte. Sie kannten einander seit ein paar Jahren flüchtig, waren aber bestimmt keine Freundinnen.
Selbst der Treffpunkt, den sie gewählt hatte, war merkwürdig. Dieses Restaurant war eins von mehreren am Ufer des Kanals, der den Potomac mit dem Tidal Basin verband. Nach Einbruch der Dunkelheit wimmelte es in den Clubs und Restaurants der Water Street von Gästen, hauptsächlich von Touristen. In einigen Lokalen herrschte auch mittags reger Betrieb, aber am späten Nachmittag, vor allem an einem Werktag, waren die Restaurants praktisch menschenleer.
Vielleicht war dieser Treffpunkt gerade wegen seiner Abgeschiedenheit ausgesucht worden.
Barrie ließ einen Zuckerwürfel in ihren Cappuccino fallen und rührte ihn langsam um, während sie über das eiserne Terrassengeländer hinwegstarrte.
Es war ein trübseliger Tag. Der Himmel war bewölkt, und das Wasser des Kanals kabbelte. Die Motor- und Segelboote im Jachthafen tanzten im grauen Wasser auf und ab. Der Sonnenschirm über ihrem Tisch knatterte in den heftigen Windböen, die den Geruch von Fisch und Regen herantrugen. Weshalb saßen sie an einem so stürmischen Tag im Freien?
Mrs Merritt rührte in der aufgeschäumten Milch ihres Cappuccinos und nahm endlich einen Schluck. »Jetzt ist er kalt.«
»Möchten Sie einen frischen?«, fragte Barrie. »Ich kann den Ober rufen.«
»Nein, danke. Eigentlich wollte ich diesen schon nicht. Die Einladung zum Kaffee war nur ...« Sie zuckte mit einer Schulter, die einst elegant und schmal, mittlerweile aber ausgesprochen knochig war.
»Eine Ausrede?«, hakte Barrie nach.
Vanessa Merritt hob den Kopf. Trotz der Sonnenbrille sah Barrie trostlose Aufrichtigkeit im Blick der anderen. »Ich muss mit jemandem reden.«
»Und da sind Sie auf mich gekommen?«
»Genau.«
»Weil Sie ein paar meiner Reportagen zum Weinen gebracht haben?«
»Deshalb - und wegen der Beileidskarte, die Sie mir geschrieben haben. Die hat mich berührt, tief berührt.«
»Ich bin froh, wenn sie Sie ein bisschen getröstet hat.«
»Ich ... ich habe nicht viele gute Freunde. Sie und ich sind ungefähr gleich alt. Ich dachte, Sie könnten ein guter Resonanzboden sein.« Als sie den Kopf sinken ließ, fiel ihre kastanienbraune Mähne nach vorn und verdeckte teilweise ihre hohen Wangenknochen und ihr aristokratisches Kinn.
Barrie sprach halblaut weiter: »Meine Karte hat nicht ausdrücken können, wie betroffen mich dieser Schicksalsschlag gemacht hat.«
»Doch, das hat sie. Und dafür danke ich Ihnen.« Vanessa Merritt zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte sich damit die Augen unter der Sonnenbrille ab. »Ich weiß nicht, wo die noch herkommen«, sagte sie und meinte damit die vom Taschentuch aufgesogenen Tränen. »Eigentlich müsste ich schon völlig ausgetrocknet sein.«
»Möchten Sie darüber reden?«, fragte Barrie behutsam. »Über das Baby?«
»Robert Rushton Merritt«, sagte sie nachdrücklich. »Warum vermeidet es jeder, seinen Namen zu nennen? Er hatte einen Namen, Himmel noch mal! Das Baby war drei Monate lang ein Mensch und hatte einen Namen.«
»Wahrscheinlich...«
Aber Mrs Merritt ließ Barrie nicht zu Wort kommen. »Rushton war der Mädchenname meiner Mutter«, erklärte sie. »Es hätte sie gefreut, dass ihr erster Enkel den Namen ihrer Familie trägt.«
Beim Sprechen starrte sie auf den aufgewühlten Kanal. Ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. »Und der Name Robert hat mir schon immer gefallen. Ein geradliniger, schnörkelloser Name ohne irgendwelchen Scheiß.«
Dieser vulgäre Ausdruck verblüffte Barrie, weil er überhaupt nicht zu Vanessa Merritts Südstaatenlady-Persönlichkeit passte. Barrie war ihr Leben lang noch nie so um Worte verlegen gewesen. Was wäre unter diesen Umständen passend gewesen? Was sagte man zu einer Frau, die vor Kurzem ihr Baby begraben hatte? Hübsche Beerdigung?
»Was wissen Sie darüber?«, fragte Mrs Merritt plötzlich.
Auf diese Frage war Barrie nicht gefasst. War das eine Herausforderung? Was wissen Sie schon darüber, wie es ist, ein Kind zu verlieren? Was wissen Sie eigentlich überhaupt?
»Meinen Sie ...? Meinen Sie den Tod des Babys ... Roberts Tod?«
»Ja. Was wissen Sie darüber?«
»Über den plötzlichen Kindstod weiß niemand so recht Bescheid, nicht wahr?«, fragte Barrie, während sie versuchte, den eigentlichen Sinn dieser Frage zu erfassen.
Mrs Merritt hatte sich die Sache mit der Zigarette offenbar anders überlegt und riss die Packung auf. Ihre Bewegungen waren die einer Marionette, eckig und ruckartig. Ihre Finger zitterten, als sie die Zigarette an ihre Lippen führte. Barrie angelte rasch ein Feuerzeug aus ihrer Umhängetasche. Vanessa Merritt sprach erst weiter, nachdem sie mehrmals tief inhaliert hatte. Aber die Zigarette beruhigte sie nicht. Stattdessen wurde sie immer erregter.
»Robert hat auf der Seite liegend geschlafen - von einem kleinen Kissen gestützt, das ich ihm wie empfohlen untergeschoben hatte. Alles ist so schnell passiert! Wie konnte ...« Ihre Stimme versagte.
»Machen Sie sich deswegen Vorwürfe? Hören Sie mir bitte gut zu, Mrs Merritt.« Barrie griff über den Tisch, nahm ihr die Zigarette aus den Fingern und drückte sie im Aschenbecher aus. Dann nahm sie Vanessa Merritts kalte Hände zwischen ihre. Diese impulsive Geste wurde von den Männern am anderen Tisch registriert.
»Robert ist dem Krippentod zum Opfer gefallen. Jedes Jahr verlieren Tausende von Eltern ein Baby durch plötzlichen Kindstod, und alle stellen anschließend ihre elterlichen Fähigkeiten infrage. Es liegt in der menschlichend Natur, angesichts einer Tragödie die Schuldfrage zu stellen, deshalb belasten die betroffenen Eltern sich mit Schuldgefühlen. Aber in diese Falle dürfen Sie nicht tappen. Wenn Sie anfangen, sich für den Tod Ihres Babys verantwortlich zu fühlen, kommen Sie unter Umständen nie darüber hinweg.«
Mrs Merritt schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, das verstehen Sie nicht. Roberts Tod war meine Schuld.« Hinter der Sonnenbrille irrte ihr Blick umher. Sie entzog Barrie ihre Hände und berührte auf ihrer rastlosen Suche nach Ruhe ihre Wangen, die Tischplatte, ihren Schoß, den Kaffeelöffel und ihren Hals. »Die letzten Monate meiner Schwangerschaft waren unerträglich.«
Einen Moment lang legte sie sich die Hand auf den Mund, als wäre das letzte Schwangerschaftsdrittel unaussprechlich schmerzhaft gewesen. »Und dann ist Robert auf die Welt gekommen. Aber statt dass es sich, wie ich gehofft hatte, gebessert hätte, ist alles nur noch schlimmer geworden. Ich konnte nicht ...«
»Was konnten Sie nicht? Ihrer neuen Verantwortung gerecht werden? Alle jungen Mütter haben Wochenbettdepressionen und fühlen sich überfordert«, versicherte Barrie ihr.
Sie knetete ihre Stirn mit den Fingerspitzen. »Sie verstehen nicht«, wiederholte sie angestrengt flüsternd. »Niemand versteht es. Es gibt keinen Menschen, dem ich es erzählen kann. Nicht einmal meinem Vater. O Gott, ich weiß nicht, was ich tun soll!«
Ihr Zusammenbruch war so offenkundig, dass die Männer am anderen Tisch sich umdrehten, um sie anzustarren. Auch der Ober näherte sich mit besorgter Miene.
Barrie sprach rasch und halblaut. »Vanessa, bitte reißen Sie sich zusammen! Wir werden beobachtet.«
Vielleicht weil Barrie sie mit dem Vornamen angesprochen hatte, verkehrte sich der emotionale Kollaps schlagartig ins Gegenteil. Ihre nervösen Hände hielten plötzlich still, und ihre Tränen versiegten. Sie trank den kalten Cappuccino, den sie noch vor Kurzem abgelehnt hatte, mit einem Zug aus und tupfte sich anschließend ihre farblosen Lippen zierlich mit der Serviette ab. Sprachlos beobachtete Barrie diese Verwandlung.
Wieder ganz gefasst, sagte sie mit kühler, beherrschter Stimme: »Unser Gespräch war völlig inoffiziell, nicht wahr?«
»Absolut«, bestätigte Barrie. »Das haben Sie deutlich gesagt, als Sie mich angerufen haben.«
»Angesichts Ihrer und meiner Position ist mir jetzt klar, dass es ein Fehler war, dieses Treffen zu vereinbaren. Ich bin seit Roberts Tod nicht mehr ich selbst. Ich dachte, ich müsste darüber reden, aber das war ein Irrtum. Darüber zu reden macht mich nur noch verzweifelter.«
»Sie haben Ihr Baby verloren. Das gibt Ihnen alles Recht, durcheinander zu sein.« Barrie legte ihr eine Hand auf den Arm. »Seien Sie nachsichtiger mit sich selbst. Der plötzliche Kindstod passiert einfach.«
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und sah Barrie direkt in die Augen. »Glauben Sie wirklich?«
Dann setzte Vanessa Armbruster Merritt, die First Lady der Vereinigten Staaten, ihre Ray Ban wieder auf, hängte sich den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter und stand auf. Die Secret-Service-Agenten am anderen Tisch kamen hastig auf die Beine. Die drei Kollegen, die außer Sichtweite am Terrassengeländer Wache gehalten hatten, stießen zu ihnen.
Die Gruppe umringte die First Lady und begleitete sie von der Restaurantterrasse zu einer bereitstehenden Limousine.
...
Übersetzung: Wulf Bergner
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Gut sehen Sie aus, Mrs Merritt.«
»Ich sehe einfach furchtbar aus.«
Vanessa Merritt sah wirklich furchtbar aus, aber Barrie war es peinlich, bei einem unaufrichtigen Kompliment ertappt worden zu sein. Sie versuchte, elegant darüber hinwegzugehen. »Nach allem, was Sie durchgemacht haben, ist es ganz normal, dass Sie etwas mitgenommen aussehen. Die meisten Frauen - mich eingerechnet, besonders mich - wären glücklich, so auszusehen wie Sie, wenn sie sich mies fühlen.«
»Danke.« Vanessa Merritt rührte lustlos ihren Cappuccino um. Könnten Nerven Geräusche von sich geben, hätten ihre geklappert wie der Kaffeelöffel, den sie nun mit zitternden Fingern auf die Untertasse zurücklegte. »Mein Gott, für eine einzige Zigarette würde ich mich von Ihnen mit glühenden Zangen malträtieren lassen.«
Ihre Hände hielten keine Sekunde still. Sie schlang ihre Perlenkette um einen Finger, spielte mit den geschmackvollen Brillantsteckern in ihren Ohrläppchen und rückte mehrmals die Ray-Ban-Sonnenbrille zurecht, die die dunklen Ringe um die verschwollenen Augen nicht ganz verbergen konnte.
Vor allem diese bemerkenswerten Augen hatten bisher zu ihrer Schönheit beigetragen. Heute sprachen aus ihren strahlend babyblauen Augen nur Schmerz und Enttäuschung. Sie wirkten wie die Augen eines Engels, der gerade einen ersten grauenerregenden Blick in die Hölle geworfen hat.
»Ich habe gerade keine Zange bei mir«, antwortete Barrie. »Aber wie wär's hiermit?« Sie kramte eine unangebrochene Packung Zigaretten aus ihrer großen ledernen Umhängetasche und schob sie über den Tisch.
Für Mrs Merritt war die Versuchung offenbar groß. Ihr gequälter Blick glitt nervös über die Terrasse des Restaurants. Es war nur ein einziger weiterer Tisch besetzt - dort saßen mehrere Männer -, und im Hintergrund hielt sich nur ein beflissener Ober auf. Trotzdem schob sie die Zigaretten zurück. »Danke, lieber nicht. Aber rauchen Sie ruhig.«
»Ich rauche nicht. Zigaretten habe ich nur für den Fall in der Tasche, dass ich einen Interviewpartner entkrampfen muss.«
»Bevor Sie ihm den Todesstoß versetzen.«
Barrie lachte. »Ich wollte, ich wäre so gefährlich.« »Tatsächlich liegen Ihnen eher die Reportagen, die voll aus dem Leben gegriffen sind.«
Sie war angenehm überrascht, dass Mrs Merritt ihre Arbeiten kannte. »Oh, danke!«
»Einige Ihrer Reportagen waren wirklich außergewöhnlich. Zum Beispiel die über den Aids-Kranken. Und die über eine obdachlose alleinerziehende Mutter von vier Kindern.«
»Sie wurde für einen Branchenpreis nominiert.« Barrie hielt es für überflüssig zu erwähnen, dass sie ihre Reportage selbst eingereicht hatte.
»Sie hat mich zum Weinen gebracht«, sagte Mrs Merritt. »Mich auch.«
»Tatsächlich sind Sie so gut, dass ich mich schon gefragt habe, warum Sie nicht bei einer der großen Fernsehgesellschaften arbeiten.«
»Ich hab' ein paarmal Pech gehabt.«
Vanessa Merritt runzelte ihre glatte Stirn. »War da nicht die Sache mit Bundesrichter Green, die ...«
»Zum Beispiel«, unterbrach Barrie sie. Sie hatte jedoch keine Lust, hier ihre Misserfolge aufgezählt zu bekommen. »Warum haben Sie mich angerufen, Mrs Merritt? Ich bin entzückt, aber auch neugierig.«
Vanessa Merritts Lächeln verblasste allmählich. »Ich habe mich klar genug ausgedrückt, oder? Dieses Gespräch ist kein Interview.«
»Ja, ich verstehe.«
Aber das stimmte nicht. Barrie Travis hatte nicht die geringste Ahnung, warum Mrs Merritt sie ganz unerwartet angerufen und zu einer Tasse Kaffee eingeladen hatte. Sie kannten einander seit ein paar Jahren flüchtig, waren aber bestimmt keine Freundinnen.
Selbst der Treffpunkt, den sie gewählt hatte, war merkwürdig. Dieses Restaurant war eins von mehreren am Ufer des Kanals, der den Potomac mit dem Tidal Basin verband. Nach Einbruch der Dunkelheit wimmelte es in den Clubs und Restaurants der Water Street von Gästen, hauptsächlich von Touristen. In einigen Lokalen herrschte auch mittags reger Betrieb, aber am späten Nachmittag, vor allem an einem Werktag, waren die Restaurants praktisch menschenleer.
Vielleicht war dieser Treffpunkt gerade wegen seiner Abgeschiedenheit ausgesucht worden.
Barrie ließ einen Zuckerwürfel in ihren Cappuccino fallen und rührte ihn langsam um, während sie über das eiserne Terrassengeländer hinwegstarrte.
Es war ein trübseliger Tag. Der Himmel war bewölkt, und das Wasser des Kanals kabbelte. Die Motor- und Segelboote im Jachthafen tanzten im grauen Wasser auf und ab. Der Sonnenschirm über ihrem Tisch knatterte in den heftigen Windböen, die den Geruch von Fisch und Regen herantrugen. Weshalb saßen sie an einem so stürmischen Tag im Freien?
Mrs Merritt rührte in der aufgeschäumten Milch ihres Cappuccinos und nahm endlich einen Schluck. »Jetzt ist er kalt.«
»Möchten Sie einen frischen?«, fragte Barrie. »Ich kann den Ober rufen.«
»Nein, danke. Eigentlich wollte ich diesen schon nicht. Die Einladung zum Kaffee war nur ...« Sie zuckte mit einer Schulter, die einst elegant und schmal, mittlerweile aber ausgesprochen knochig war.
»Eine Ausrede?«, hakte Barrie nach.
Vanessa Merritt hob den Kopf. Trotz der Sonnenbrille sah Barrie trostlose Aufrichtigkeit im Blick der anderen. »Ich muss mit jemandem reden.«
»Und da sind Sie auf mich gekommen?«
»Genau.«
»Weil Sie ein paar meiner Reportagen zum Weinen gebracht haben?«
»Deshalb - und wegen der Beileidskarte, die Sie mir geschrieben haben. Die hat mich berührt, tief berührt.«
»Ich bin froh, wenn sie Sie ein bisschen getröstet hat.«
»Ich ... ich habe nicht viele gute Freunde. Sie und ich sind ungefähr gleich alt. Ich dachte, Sie könnten ein guter Resonanzboden sein.« Als sie den Kopf sinken ließ, fiel ihre kastanienbraune Mähne nach vorn und verdeckte teilweise ihre hohen Wangenknochen und ihr aristokratisches Kinn.
Barrie sprach halblaut weiter: »Meine Karte hat nicht ausdrücken können, wie betroffen mich dieser Schicksalsschlag gemacht hat.«
»Doch, das hat sie. Und dafür danke ich Ihnen.« Vanessa Merritt zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte sich damit die Augen unter der Sonnenbrille ab. »Ich weiß nicht, wo die noch herkommen«, sagte sie und meinte damit die vom Taschentuch aufgesogenen Tränen. »Eigentlich müsste ich schon völlig ausgetrocknet sein.«
»Möchten Sie darüber reden?«, fragte Barrie behutsam. »Über das Baby?«
»Robert Rushton Merritt«, sagte sie nachdrücklich. »Warum vermeidet es jeder, seinen Namen zu nennen? Er hatte einen Namen, Himmel noch mal! Das Baby war drei Monate lang ein Mensch und hatte einen Namen.«
»Wahrscheinlich...«
Aber Mrs Merritt ließ Barrie nicht zu Wort kommen. »Rushton war der Mädchenname meiner Mutter«, erklärte sie. »Es hätte sie gefreut, dass ihr erster Enkel den Namen ihrer Familie trägt.«
Beim Sprechen starrte sie auf den aufgewühlten Kanal. Ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. »Und der Name Robert hat mir schon immer gefallen. Ein geradliniger, schnörkelloser Name ohne irgendwelchen Scheiß.«
Dieser vulgäre Ausdruck verblüffte Barrie, weil er überhaupt nicht zu Vanessa Merritts Südstaatenlady-Persönlichkeit passte. Barrie war ihr Leben lang noch nie so um Worte verlegen gewesen. Was wäre unter diesen Umständen passend gewesen? Was sagte man zu einer Frau, die vor Kurzem ihr Baby begraben hatte? Hübsche Beerdigung?
»Was wissen Sie darüber?«, fragte Mrs Merritt plötzlich.
Auf diese Frage war Barrie nicht gefasst. War das eine Herausforderung? Was wissen Sie schon darüber, wie es ist, ein Kind zu verlieren? Was wissen Sie eigentlich überhaupt?
»Meinen Sie ...? Meinen Sie den Tod des Babys ... Roberts Tod?«
»Ja. Was wissen Sie darüber?«
»Über den plötzlichen Kindstod weiß niemand so recht Bescheid, nicht wahr?«, fragte Barrie, während sie versuchte, den eigentlichen Sinn dieser Frage zu erfassen.
Mrs Merritt hatte sich die Sache mit der Zigarette offenbar anders überlegt und riss die Packung auf. Ihre Bewegungen waren die einer Marionette, eckig und ruckartig. Ihre Finger zitterten, als sie die Zigarette an ihre Lippen führte. Barrie angelte rasch ein Feuerzeug aus ihrer Umhängetasche. Vanessa Merritt sprach erst weiter, nachdem sie mehrmals tief inhaliert hatte. Aber die Zigarette beruhigte sie nicht. Stattdessen wurde sie immer erregter.
»Robert hat auf der Seite liegend geschlafen - von einem kleinen Kissen gestützt, das ich ihm wie empfohlen untergeschoben hatte. Alles ist so schnell passiert! Wie konnte ...« Ihre Stimme versagte.
»Machen Sie sich deswegen Vorwürfe? Hören Sie mir bitte gut zu, Mrs Merritt.« Barrie griff über den Tisch, nahm ihr die Zigarette aus den Fingern und drückte sie im Aschenbecher aus. Dann nahm sie Vanessa Merritts kalte Hände zwischen ihre. Diese impulsive Geste wurde von den Männern am anderen Tisch registriert.
»Robert ist dem Krippentod zum Opfer gefallen. Jedes Jahr verlieren Tausende von Eltern ein Baby durch plötzlichen Kindstod, und alle stellen anschließend ihre elterlichen Fähigkeiten infrage. Es liegt in der menschlichend Natur, angesichts einer Tragödie die Schuldfrage zu stellen, deshalb belasten die betroffenen Eltern sich mit Schuldgefühlen. Aber in diese Falle dürfen Sie nicht tappen. Wenn Sie anfangen, sich für den Tod Ihres Babys verantwortlich zu fühlen, kommen Sie unter Umständen nie darüber hinweg.«
Mrs Merritt schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, das verstehen Sie nicht. Roberts Tod war meine Schuld.« Hinter der Sonnenbrille irrte ihr Blick umher. Sie entzog Barrie ihre Hände und berührte auf ihrer rastlosen Suche nach Ruhe ihre Wangen, die Tischplatte, ihren Schoß, den Kaffeelöffel und ihren Hals. »Die letzten Monate meiner Schwangerschaft waren unerträglich.«
Einen Moment lang legte sie sich die Hand auf den Mund, als wäre das letzte Schwangerschaftsdrittel unaussprechlich schmerzhaft gewesen. »Und dann ist Robert auf die Welt gekommen. Aber statt dass es sich, wie ich gehofft hatte, gebessert hätte, ist alles nur noch schlimmer geworden. Ich konnte nicht ...«
»Was konnten Sie nicht? Ihrer neuen Verantwortung gerecht werden? Alle jungen Mütter haben Wochenbettdepressionen und fühlen sich überfordert«, versicherte Barrie ihr.
Sie knetete ihre Stirn mit den Fingerspitzen. »Sie verstehen nicht«, wiederholte sie angestrengt flüsternd. »Niemand versteht es. Es gibt keinen Menschen, dem ich es erzählen kann. Nicht einmal meinem Vater. O Gott, ich weiß nicht, was ich tun soll!«
Ihr Zusammenbruch war so offenkundig, dass die Männer am anderen Tisch sich umdrehten, um sie anzustarren. Auch der Ober näherte sich mit besorgter Miene.
Barrie sprach rasch und halblaut. »Vanessa, bitte reißen Sie sich zusammen! Wir werden beobachtet.«
Vielleicht weil Barrie sie mit dem Vornamen angesprochen hatte, verkehrte sich der emotionale Kollaps schlagartig ins Gegenteil. Ihre nervösen Hände hielten plötzlich still, und ihre Tränen versiegten. Sie trank den kalten Cappuccino, den sie noch vor Kurzem abgelehnt hatte, mit einem Zug aus und tupfte sich anschließend ihre farblosen Lippen zierlich mit der Serviette ab. Sprachlos beobachtete Barrie diese Verwandlung.
Wieder ganz gefasst, sagte sie mit kühler, beherrschter Stimme: »Unser Gespräch war völlig inoffiziell, nicht wahr?«
»Absolut«, bestätigte Barrie. »Das haben Sie deutlich gesagt, als Sie mich angerufen haben.«
»Angesichts Ihrer und meiner Position ist mir jetzt klar, dass es ein Fehler war, dieses Treffen zu vereinbaren. Ich bin seit Roberts Tod nicht mehr ich selbst. Ich dachte, ich müsste darüber reden, aber das war ein Irrtum. Darüber zu reden macht mich nur noch verzweifelter.«
»Sie haben Ihr Baby verloren. Das gibt Ihnen alles Recht, durcheinander zu sein.« Barrie legte ihr eine Hand auf den Arm. »Seien Sie nachsichtiger mit sich selbst. Der plötzliche Kindstod passiert einfach.«
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und sah Barrie direkt in die Augen. »Glauben Sie wirklich?«
Dann setzte Vanessa Armbruster Merritt, die First Lady der Vereinigten Staaten, ihre Ray Ban wieder auf, hängte sich den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter und stand auf. Die Secret-Service-Agenten am anderen Tisch kamen hastig auf die Beine. Die drei Kollegen, die außer Sichtweite am Terrassengeländer Wache gehalten hatten, stießen zu ihnen.
Die Gruppe umringte die First Lady und begleitete sie von der Restaurantterrasse zu einer bereitstehenden Limousine.
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Autoren-Porträt von Sandra Brown
Sandra Brown ist eine der erfolgreichsten Autorinnen weltweit. Ihre Romane werden in 33 Sprachen übersetzt und erobern regelmäßig Spitzenplätze auf den internationalen Bestsellerlisten. Ihren großen Durchbruch als Thrillerautorin feierte Sandra Brown mit dem Roman "Die Zeugin", der auch in Deutschland auf die Bestsellerlisten kletterte - ein Erfolg, den sie seither mit jedem neuen Thriller wiederholen konnte. Sandra Brown lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und South Carolina.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sandra Brown
- 2012, 1, 1072 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863650425
- ISBN-13: 9783863650421
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