Briefe einer Freundschaft
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schreibt Hans Werner Henze über Ingeborg Bachmann. Der aufstrebende
Komponist erkannte rasch eine Seelenverwandte in der jungen
Dichterin, das war 1952 in Göttingen. Und schon im folgenden Jahr
setzte ein leidenschaftlicher und immer vertrauter werdender
Briefwechsel ein. Einig sind sie sich darin im Haß auf
Nazideutschland, wollen mit Günter Grass die junge Sozialdemokratie
unterstützen und sind doch im Herzen immer bei ihrer "Pflicht", der
Kunst, in der sie gemeinsam an Liedern und einer großen Oper
arbeiten. Als die Beziehung zu Max Frisch auseinandergeht, gesteht
Ingeborg Bachmann ihrem Freund: "Du bist mir der kostbarste Mensch",
und Henze lädt sie in schwärmerischen, tröstenden und ernsten Briefen
zu sich nach Rom und Neapel ein, um bei ihr sein zu können und das
Eigentliche zu tun: schreiben, komponieren und Ruhe finden in einem
Leben, "für das man vielleicht nicht stark genug ist".
Briefe einer Freundschaft von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze
LESEPROBE
An Ingeborg Bachmann
Ischia, 28. Oktober1955
28 X 55
Carissima,
während einunerwarteter regen gegen die fenster schlägt und während im kamin daskalabresische eichenholz brennt, während ich den 2. satz der »Sinfonischen Etüden«'beendet habe und während der Gigi immer noch hier ist und schuftet,
sage ichDir:
WIE SEHRICH MICH FREUE, dass der Homer mit Deinem unzweifelhaften geschmackübereinstimmt!
Strobelweiss alles über das projekt. ich habe auch versucht, ihre zu beschreiben, wieich mir die handlung mehr oder weniger vorstelle.
mit ihmmusst Du auch über Deinen preis reden.
die neuekomposition, an der ich arbeite, ist sehr traurig. als ich heute anfangenwollte, drehte sich mir der kopf. dunkelheit, angst. ich schloss die augen, unddann erschien mir die Madonna, wunderschön, voll licht und gold, und danachging die arbeit gut, ich war ruhig und empfand freude und den sehr seltenen wunsch,ein braver junge zu sein. dann ist auch noch Dein brief gekommen. was habe ichfür ein glück, mit Dir arbeiten zu können! denk bald darüber nach, wams Dukommen kannst: nach weihnachten, mit mir im auto vom norden herunterfahrend?
denk nach,arbeite gut und schreib an Deinen
hans
P.S. ichdenke so viel an Dich, ganz oft, wenn mich meine dämonen rufen und ich einehand haben möchte ... die arbeit mit Dir: es ist nicht nur wegen Deiner hohenkünstlerischen würde, auf die ich mich stützen möchte, es ist auch die reinmenschliche hoffnung. wie schwach und elend ich doch zuweilen bin, mutlos undschutzlos! wenn wir uns sehen werden, wie das letzte mal in Rom, werde ichimmer mehr mut bekommen, mit Dir zu reden. ich hoffe, es wird bald sein, dasswir uns sehen.
schau, ichweiss nicht, ob ich Dir helfen kann - vielleicht nur das gegenteil, vielleichtkönnte meine wahrheit bei Dir nichts als angst und ekel hervorrufen. der 2. satz, den ich heute beendet habe,ist so traurig, so verzweifelt ...
ich weiss,dass ich so nicht weitermachen kann.
wenn dieNonos nicht da wären, wüsste ich nicht, was ich verrücktes täte. denn es istdas wirkliche leben, die arbeiten, die mir verbieten, verrücktheiten zu machen,während die ganze seele unbehaust und ungeschützt durch die lüfte fliegt - jedestunde eine neue idee, ein neuer einfall. schon heute abend habe ich dieMadonna beleidigt, die mir heute morgen zugelächelt hat! o entschuldige, Inge- vielleicht wirst nur Du auf dieser erde mich eines tages verstehen können.und doch, wie wenig höre ich auf das, was Dich betrifft. auch das hier isteine schrecklich egoistische, kalte sache ... entschuldige!
hans
An Hans Werner Henze(Briefentwurf)
Klagenfurt,1. November 1955
Klagenfurt
Henselstraße 26
il 1 novembre 1955
LieberHans,
DiesenNachmittag ist Dein Brief eingelangt, und es berührt mich sehr, dass wiedereine Zeit gekommen ist, die die Notwendigkeit unserer Freundschaft, oder wieman diese Merkwürdigkeit nennen will, hervorkehrt. Ich denke, dass ich Deine Dunkelheitgut genug fühle - auch ohne die gegenwärtigen Gründe zu wissen und die Details -und sind sie nicht weniger wichtig? Ist es nicht immer dasselbe Übel, das Leiderzeugt, verborgen oder offen? Aber bevor ich Dir Mut mache, lass mich etwasanderes sagen, das ein wenig in Beziehung steht reit diesem Problem. In einemDeiner Briefe schreibst Du, dass ich nicht die ganze Wahrheit über meineSituation gesagt habe: das ist wahr, aber ich spreche nicht, weil ich weiss,dass ich diesen Zustand besser ohne Sprechen überwinden kann. Es ist keinMangel an Vertrauen. Versteh: wir haben wenig über mich gesprochen in diesenletzten Zeiten, und es war auch wenig nützlich, wenig notwendig, weil Du dortgelebt hast und ich da, es war auch gut, um eine freiere Basis zu finden. Dochich fühle mich - auf dieser freieren Basis - nichtsdestoweniger Dir näher undbereit zu was auch immer.
© Piper Verlag GmbH, München 2004
- Autoren: Ingeborg Bachmann , Hans Werner Henze
- 2004, 537 Seiten, Maße: 12,5 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben: Hans Höller
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492046088
- ISBN-13: 9783492046084
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