Chloe - Die Zerstörung von Pompeji
78 nach Christus: Mit 17 ist Chloe als Sklavin nach Pompeji gekommen. Nachdem Markus, der Sohn des Hausherrn, sie gewaltsam schwängert und ihr das Baby entreißt, spricht sie kein...
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78 nach Christus: Mit 17 ist Chloe als Sklavin nach Pompeji gekommen. Nachdem Markus, der Sohn des Hausherrn, sie gewaltsam schwängert und ihr das Baby entreißt, spricht sie kein Wort mehr. Erst Folkrad, ein ehemaliger Galeerensklave, gewinnt ihr Vertrauen. Um sie zu beschützen, sucht er den Streit mit Markus. Nur durch Flucht rettet er sein Leben. Chloe jedoch bleibt. Eine folgenschwere Entscheidung denn die Tage von Pompeji sind gezählt
Chloë- Die Zerstörung von Pompeji von Simone van der Vlugt
LESEPROBE
Rheinland
78nach Christus
I
FOLKRADWEISS NICHT genau,was seine Aufmerksamkeit
erregt hat.- Alles scheintwie immer zu sein - und doch
fühlt er, wie ihm einSchauder den Rücken hinunterläuft.
Der Nachmittag ist schonweit vorangeschritten. Die Sonne
neigt sich bereits; aus demWald senken sich die Schatten
immer länger über das Feldzu der Siedlung am Waldrand
hin.
Folkrad steht auf dem Hügelund schaut auf die Ansammlung
von Hütten mit ihrenverwitterten Reetdächern. Aus der
Ferne klingen Kinderstimmenzu ihm herüber; beim Fluss ertönen
Lachen und ein Gespräch vonFrauen, die Wasser für
die Vorbereitung desAbendessens holen. Und dann sieht er
sie. Römer!
Er erkennt sie an ihrenroten Wollumhängen und den Helmen
mit dem Federbusch. Sie sindzu zweit und reiten am Fluss
entlang - zwischen dem Viehhindurch direkt auf die Siedlung
zu.
Folkrad schaut angespannthinüber. Er sieht seinen Vater
Servofried, ihrenStammesführer, den römischen Soldaten entgegengehen.
Dicht vor ihnen bleibt erbreitbeinig stehen, groß
und breitschultrig, mitwilden blonden Haaren, die, zum Pferdeschwanz
gebunden, seinen Rückenbedecken.
Auch ohne sein Gesicht zusehen, weiß Folkrad, wie sein
Vater die Römer anblickt:voller Verachtung und Widerwillen,
als seien sie keinerleiBeachtung wert.
Servofried versteht Latein,so wie jeder diese verhasste Sprache
leidlich verstehen kann. Diejahrelange römische Besatzung
hat die Stämme desRheinlandes inzwischen mit der Sprache
der Römer vertraut gemacht.
Folkrad behält die rotenUmhänge genau im Blick. Was mögen
sie nun wieder von ihnenwollen? Was haben sie sich diesmal
ausgedacht, um ihreBewegungsfreiheit einzuschränken?
Folkrad erwägt, zur Siedlungzurückzukehren, doch in diesem
Augenblick wenden die beidenRömer ihre Pferde und reiten
fort, auf den Wald zu. Auchdas noch - geradewegs in seine
Richtung!
Folkrad steht der Sinn ganzund gar nicht danach, den Soldaten
zu begegnen. Er schultertseinen Bogen und läuft mit
großen Schritten tiefer inden Wald hinein. Es ist erst Frühling
und doch ist es schon warm. DasSummen ganzer Insektenschwärme
und der betäubende Duft desHarzes beruhigen ihn
ein wenig.
Er geht direkt zur Lichtung,auf der die mächtige alte Eiche
steht - ein König, umgebenvon einem Kreis weniger imposanter
Bäume. Folkrad bleibt vordem jahrhundertealten Baum stehen,
der so breit ist, dass ersich sogar mit ausgestreckten Armen
noch hinter seinem Stamm verbergenkönnte.
Er schließt die Augen undlauscht dem beruhigenden Rauschen
der Blätter über ihm. Ermuss keine Gebete sprechen,
sich verneigen oder sich demBaum mit behutsamen Bewegungen
nähern: Sein Respekt istdeutlich genug. Täglich bringt
er seine Opfer. Von allem,was der Wald ihm schenkt, gibt er
einen Teil den Waldgöttern,deren Anwesenheit er hier bei der
Eiche deutlich spürt. Unddie Götter lassen ihn selten im Stich.
Er war einer der erstenJungen, die sich den Eckzahn eines
Keilers um den Hals hängendurften, und seit er vor noch gar
nicht langer Zeit einen Wolferlegt hat, gehört er zu den jungen
Erwachsenen seines Stammes,und als ein solcher wird er jetzt
auch behandelt. SiebzehnSonnenwenden hat er erlebt - nur
eine zu wenig, um zu den wehrhaftenMännern des Stammes
gerechnet zu werden. Doch ander Stammesversammlung im
Langhaus seines Vaters darfer schon teilnehmen. Da er der
Sohn des Stammesführers der Cananefaten*ist, hat seine
Stimme großes Gewicht.
Noch eine Sonnenwende, under würde eine Frau wählen
dürfen. Es beschäftigt ihnzwar nicht sehr - aber immerhin: Er
dürfte.
Folkrad entfernt sich vonder Eiche, ohne dem majestätischen
Baum den Rücken zuzukehren. Erstals das Grün des
Waldes ihn aufnimmt, wendeter sich um und tritt tiefer ins
dichte Unterholz. Er suchtseine Fallgruben auf und kontrolliert
sie. Die Äste und Blätter,die die Gruben verbergen, sind unberührt.
Die Schlingen sind leer,aber er hat sie auch erst an diesem
Morgen ausgelegt. Vielleichthat er am nächsten Tag mehr
Glück. Gemächlich kehrt erzum Waldrand zurück - da hört er
im dichten Grün Stimmen. Sehrhastig wird da Latein gesprochen
und das Knacken der Zweigekommt schnell näher.
Folkrad hockt sich hintereinem Baum nieder, horcht kurz,
bestimmt die Richtung, ausder die Laute kommen, und
schleicht dann dichterheran. Plötzlich ertönt ein kurzer,
hoher Schrei - alserschrecke jemand heftig.
Gebückt rennt Folkrad aufdie Geräusche zu. Raue Männerstimmen
ertönen, dann - ein weitererSchrei, dem offenbar
ein Handgemenge folgt, undschließlich Weinen und unterdrücktes
Rufen.
*Am Ende des Buches befindet sich eine Wortliste mit Begriffserklärungen.
Lautlos und so rasch erkann, huscht Folkrad zwischen den
Bäumen hindurch. Durch das dichteGrün erblickt er flüchtig
die Umrisse zweier Pferde,dann einen gebeugten Rücken in
einem roten Mantel. Ein Helmliegt am Boden und blinkt im
Sonnenlicht.
Folkrad kniet hinter einemStrauch nieder und späht durch
das Blätterwerk. Er siehtdas Blau eines Frauenrocks und - als
er die Zweige ein wenigauseinander biegt - die bloßen Beine
von Branthild, einem Mädchenaus seinem Stamm. Sie liegt
am Boden und versuchtverzweifelt, sich aus dem Griff des
Römers zu befreien, der aufihr liegt. Der andere Soldat schaut
zu - mit einem Grinsen, dasFolkrads Blut zum Sieden bringt.
Folkrad nimmt seinen Bogenvom Rücken. Vorsichtig richtet
er sich auf, legt einenPfeil an und spannt die Sehne. Er zielt
sorgfältig und lässt dieSehne nach vorn schnellen. Der Pfeil
schwirrt davon und trifftden zuschauenden Römer ins linke
Auge. Brüllend fällt derMann auf die Knie. Der Römer, der auf
Branthild liegt, siehterschrocken hoch. In diesem Augenblick
bohrt sich Folkrads zweiterPfeil in seinen Nacken. Als er sich
schreiend erhebt undumwendet, trifft der nächste Pfeil seinen
Hals. Röchelnd und blutendfällt der Römer zu Boden.
Branthild setzt sich mühsamauf. Starr vor Abscheu schaut
sie auf und sieht Folkrad;ihre Augenlider flattern, aber sie
wendet den Blick nicht ab.
Schweigend schauen sieeinander an. Folkrad nähert sich,
kniet neben ihr nieder undbetrachtet sie besorgt.
»Bist du verletzt?«,erkundigt er sich.
Sie schüttelt den Kopf.
Plötzlich spürt Folkrad,dass ihm Arme und Beine zittern,
so sehr, dass auch er sichzu Boden sinken lassen muss. Jetzt
beginnt Branthild, sich zuregen. Sie rafft den zerrissenen Stoff
ihres Kittels schützend vorsich zusammen und wendet sich
ab. Nach einiger Zeitbemerkt Folkrad, dass sie zu dem Römer
hinüberschaut, den er inNacken und Hals getroffen hat. Er er-
hebt sich und untersucht denKörper, der in einer Blutlache
liegt.
»Der war einmal«, stellt erfest.
Branthild schweigt. Siewendet den Blick von den toten
Körpern ab. Ihr Gesicht istplötzlich nass von Tränen. Folkrad
kniet bei ihr nieder.
»Sie sind tot«, sagt er.»Sie können uns nichts mehr tun.«
»Ich weiß«, flüstert sie.
Folkrad streckt ihr die Handhin. »Komm!«
Branthild schüttelt denKopf. »Ich kann nicht«, sagt sie heiser.
»Jeder sieht doch sofort,was geschehen ist.«
Folkrad schaut auf ihrezerrissenen Kleider. Sie hat Recht.
Wenn er selbst angegriffenwird, weckt das die Wut der Stammesmitglieder.
Ein Angriff auf eine Frauoder, wie in diesem
Fall, auf ein Mädchen erregtzwar dieselbe Wut, mindert jedoch
auch den Wert des Opfers.
»Niemand darf es wissen,Folkrad«, flüstert Branthild. »Niemand!«
Folkrad schaut sie ernst an.»Es bleibt unter uns. Ich geb dir
mein Wort.«
Branthild beginnt, leise zuschluchzen. Folkrad berührt ganz
leicht ihre Hand.
»Ich werde schnell Kleidervon Duva für dich holen«,
schlägt er vor.
»Nein! Lass mich hier nichtallein mit mit denen!« Vor
Panik überschlägt sichBranthilds Stimme.
»Natürlich nicht! Du wartesteinfach am Waldrand auf
mich«, sagt Folkrad. Erwendet sich zu den beiden Leichnamen
um und richtet sich auf.
»Wir müssen die Römerbegraben«, sagt er.
»Ihre Pferde sind auch nochda«, sagt Branthild.
Folkrad zuckt mit denSchultern. »Wir nehmen sie mit und
schlachten sie.«
»Nein! Dann weiß jeder, dassich «
Folkrad nickt, verbirgt seinGesicht in den Händen und
denkt nach.
»Das Moor!«, sagt erplötzlich. »Das ist es! Wir jagen die
Pferde ins Moor und diebeiden Schufte dazu!«
Er geht rasch auf den Baumzu, an dem die Pferde ruhig warten,
und nimmt beide Tiere amZügel mit sich. Es ist schade um
die prächtigen Pferde, aberes geht nicht anders.
Ohne noch ein weiteres Wortzu verlieren, zieht Folkrad die
erste Leiche hoch undschiebt den schlaffen Körper mühsam
über den Pferderücken. Branthildrichtet sich mühsam auf und
kommt ihm bei der zweitenLeiche zu Hilfe. Keuchend stehen
sie mit blutbesudeltenHänden einander gegenüber.
»Die Schwerter«, sagtBranthild plötzlich.
Folkrad sucht die Schwerter,die sie ins Gesträuch geworfen
haben. Er wirft Hände vollSand über das Blut, das zum Teil
schon im Waldbodenversickert ist. Dann sammelt er die Pfeile
auf, die er verschossen hat,hebt den Helm des einen Römers
auf und nimmt ein Pferd amZügel.
Branthild zieht das anderePferd hinter sich her. So gehen
sie langsam, dem Wildpfadfolgend, in den Wald. Arme und
Beine der Römer schlenkernneben den Pferdeleibern hin und
her.
Im Schutz des Waldes führensie die Tiere zum Moor. Dort
schweben seit Urzeiten dieGeister der Verstorbenen, dort
hausen die rachsüchtigstenaller Götter, deren Wohlwollen
man sich um jeden Preiserhalten muss.
Es ist kein Ort, an dem manzum Vergnügen weilt. Selbst an
einem freundlichenFrühlingsnachmittag wie diesem geht von
dem Morast etwas Finsteresund Bedrohliches aus. Noch im
Wald schlägt Folkrad undBranthild Fäulnisgeruch entgegen.
Dann weichen die Bäume undvor ihnen liegt das Moor mit
seiner tückischen,schlammigen Oberfläche.
Sie wagen sich so nah heran,wie es ihnen gerade noch möglich
erscheint. Selbst beiTageslicht ist es schwierig zu erken-
nen, wo der Grund nochbegehbar ist und wo nicht mehr.
Durch das seichte Wasserkann man noch ein Stückchen gehen,
bis der braune Schlammplötzlich an den Fußgelenken
saugt.
»Bis hier«, beschließtFolkrad.
Sie halten inne und schauenüber das stinkende braune
Moor. Folkrad umrundet dasPferd und schlägt ihm mit der flachen
Hand aufs Hinterteil. Schreiendund johlend jagt er das
erschrockene Tier auf. Dasandere Pferd tanzt unruhig beiseite
und Branthild lässt die Zügellos.
»Laufen! Los!«, ruft sie undreißt einen Birkenzweig herunter,
um dem Tier damit aufsHinterteil zu schlagen.
Die Pferde schnauben undschrecken zurück. Gnadenlos
sticht Folkrad mit demKurzschwert der Römer zu. Mit gellendem
Gewieher stürmt das Pferdvor und prescht ins Moor hinein
und dabei uriniert es mitlautem Platschen. Der Leichnam
des Römers rutscht langsamaus dem Sattel und fällt mit dumpfem
Plumpsen in den Schlamm. Dasandere Pferd ist gefolgt;
es bäumt sich auf, als seineHinterbeine einsinken, sodass die
Leiche von seinem Rücken inden Morast gleitet.
Je wilder die Pferde tobenund kämpfen, um sich aus dem
saugenden Morast zubefreien, desto tiefer sinken sie ein.
Folkrad schleudert dieKurzschwerter von sich und sieht zu,
wie sie gemeinsam mit denRömern langsam, aber sicher vom
Schlamm verschluckt werden. Hinund wieder schaut er sich
um, in der Furcht, plötzlicheinen Manipel römischer Soldaten
hinter sich auftauchen zusehen. Doch nur die Wasservögel
unterbrechen die Stille mitihrem Gekreisch. Sie bleiben stehen,
bis sich der morastige Bodenüber den Pferden und den
Leichnamen der Römergeschlossen hat. Branthild steht mit
geschlossenen Augen da; sieöffnet sie erst, als das Gewieher
der Pferde verstummt ist.(...)
© cbt Verlag
Übersetzung: Eva Grambow
- Autor: Simone Van Der Vlugt
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2006, 221 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570301699
- ISBN-13: 9783570301692
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