Columbus
Zum 500. Todestag 2006: Ein spannendes Porträt des jungen Christoph ColumbusChristoph Columbus? Der große Entdecker Amerikas! Doch jenseits seiner Reisen gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse über den großen Seefahrer,denn kaum einer war verschwiegener als...
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Produktinformationen zu „Columbus “
Klappentext zu „Columbus “
Zum 500. Todestag 2006: Ein spannendes Porträt des jungen Christoph ColumbusChristoph Columbus? Der große Entdecker Amerikas! Doch jenseits seiner Reisen gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse über den großen Seefahrer,denn kaum einer war verschwiegener als er. Waldtraut Lewin hat dem Menschen Christoph Columbus nachgespürt und sein Leben und seine große Liebe zu Beatrix de Bobadilla in einer dokumentarisch-fiktiven Montagetechnik Puzzle für Puzzle zusammengesetzt. Eine abenteuerliche Spurensuche!
Zum 500. Todestag 2006: Ein spannendes Porträt des jungen Christoph Columbus
Christoph Columbus? Der große Entdecker Amerikas! Doch jenseits seiner Reisen gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse über den großen Seefahrer, denn kaum einer war verschwiegener als er. Waldtraut Lewin hat dem Menschen Christoph Columbus nachgespürt und sein Leben und seine große Liebe zu Beatrix de Bobadilla in einer dokumentarisch-fiktiven Montagetechnik Puzzle für Puzzle zusammengesetzt. Eine abenteuerliche Spurensuche!" - "Ein Psychogramm, wie es spannender kaum sein könnte." - Eselsohr / Heinke Kilian
"Jeder kennt den Entdecker Amerikas aus dem Schulbuch. Und spätestens seit der Fünfhundertjahrfeier dieses Ereignisses 1992 sollte man meinen, nun ist auch das letzte Detail bekannt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen über die Person dieses Mannes überhaupt nichts. Es gibt nicht einmal ein verbürgtes Porträt von ihm. Alles, was da so durch die biografischen Beschreibungen geistert, ist erst viel später "nachempfunden" worden. Wohl kaum eine bedeutende Persönlichkeit der Geschichte hat sich derartig über sein eigenes Leben ausgeschwiegen wie dieser rätselhafte Entdecker. Und durch die wenigen Äußerungen, die es von ihm gibt, hat er die Verwirrung nur noch verstärkt. Man ist geradezu versucht, anzunehmen, dass er uns absichtlich in die Irre führen will. Ich lade meine Leser ein, sich mit mir auf die Suche zu begeben: Wer war dieser Mann wirklich? Wo stammt er her? Was werden wir entdecken?" - Zitat aus dem Text
Christoph Columbus? Der große Entdecker Amerikas! Doch jenseits seiner Reisen gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse über den großen Seefahrer, denn kaum einer war verschwiegener als er. Waldtraut Lewin hat dem Menschen Christoph Columbus nachgespürt und sein Leben und seine große Liebe zu Beatrix de Bobadilla in einer dokumentarisch-fiktiven Montagetechnik Puzzle für Puzzle zusammengesetzt. Eine abenteuerliche Spurensuche!" - "Ein Psychogramm, wie es spannender kaum sein könnte." - Eselsohr / Heinke Kilian
"Jeder kennt den Entdecker Amerikas aus dem Schulbuch. Und spätestens seit der Fünfhundertjahrfeier dieses Ereignisses 1992 sollte man meinen, nun ist auch das letzte Detail bekannt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen über die Person dieses Mannes überhaupt nichts. Es gibt nicht einmal ein verbürgtes Porträt von ihm. Alles, was da so durch die biografischen Beschreibungen geistert, ist erst viel später "nachempfunden" worden. Wohl kaum eine bedeutende Persönlichkeit der Geschichte hat sich derartig über sein eigenes Leben ausgeschwiegen wie dieser rätselhafte Entdecker. Und durch die wenigen Äußerungen, die es von ihm gibt, hat er die Verwirrung nur noch verstärkt. Man ist geradezu versucht, anzunehmen, dass er uns absichtlich in die Irre führen will. Ich lade meine Leser ein, sich mit mir auf die Suche zu begeben: Wer war dieser Mann wirklich? Wo stammt er her? Was werden wir entdecken?" - Zitat aus dem Text
Lese-Probe zu „Columbus “
VorspruchAuf der Iberischen Halbinsel gibt es Mitte des 15. Jahrhunderts vier Mchte, die um die Vorherrschaft ringen: Portugal im Nordwesten, das maurisch-arabische Knigreich im Sden sowie Kastilien und Aragon-Leon im Zentrum.
Im Jahre 1469 heiratet die blutjunge Prinzessin Isabella von Kastilien den Knig Ferdinand von Aragon, statt sich fr die Werbungen des englischen oder des franzsischen Knigshauses zu entscheiden. Mit dieser Ehe verschmelzen zwei konkurrierende Staaten und das Knigreich Spanien entsteht. Das neue Reich geht sofort daran, die Mauren erbittert zu bekmpfen. Nach langwierigem und zhem Ringen - im Namen des rechten Glaubens - tragen die Spanier schlielich den Sieg ber die "Unglubigen" davon. Am 2. Januar 1492 kapituliert der arabische Knig Boabdil el Chico. Die Muslime werden von europischem Boden vertrieben. Die Christenheit jubelt Ferdinand und Isabella zu, der Papst verleiht ihnen den Titel "Reyes Catolicos", allerchristlichste Knige. Auf dem Weg zur Weltmacht - was vor allem die Beherrschung der Seewege und des Handels bedeutet - gibt es jetzt nur noch einen Konkurrenten: Portugal.
Alle ueren Feinde Spaniens sind vernichtet. Aber damit ist Isabella noch nicht zufrieden. Sie richtet ihren Blick jetzt auf die "Unglubigen" im eigenen Land. Mithilfe der Inquisition beginnt die Knigin mit "ethnischen Suberungen" in ihren Provinzen - sie wird die Juden vertreiben.
Die Brcke bei Pinos Puente
Der Vorfrhling 1492 ist nasskalt und neblig hier in Andalusien. Die Wege sind voller Schlamm.
Das Maultier ertastet sich vorsichtig seinen Weg durch knietiefen Dreck. Die langen Beine des Reiters baumeln rechts und links zu seinen Flanken herunter wie zwei Pendel oder wie die Ruder an einem Boot.
Andalusien - das war einmal ein blhendes Land. Jetzt, nach sechs Jahren Krieg, ist die einst so ppige Tiefebene des Guadalquivir eine Wstenei. Die Mandelbume und Olivenhaine sind abgeholzt, die Brunnen wurden zugeschttet, die weit verzweigten
... mehr
Bewsserungssysteme zerstrt, die Herden wurden fortgetrieben. Schlamm, Dreck, verbrannte Erde haben die Spanier zurckgelassen.
Das war ein strategisches Element dieses Krieges gegen die Mauren - die Mauren, jene arabischen Muslime, die seit Jahrhunderten im Sden der Halbinsel ihr von Wissenschaften, Knsten, Reichtum und Prosperitt berquellendes Reich errichtet hatten. Nun sind sie besiegt, diese "Unglubigen", von Spaniens Boden vertrieben...
Der Reiter guckt grimmig zwischen den wedelnden Ohren seines Reittiers nach vorn, ins neblige Nichts. Aus der Traum vom Miteinander der Religionen, den frhere Generationen noch hegten. Und ebenfalls aus sein Traum, bers grne Meer der Dunkelheit zu segeln.
Wie er so dahinzieht durch das verwstete Gebiet, ein Mann, viel zu gro und zu schlaksig fr das kleine Muli, das Barett tief in die Stirn gezogen, den Kopf gesenkt, die Hnde in den Lederhandschuhen lssig am Zgel, zwei schwere Satteltaschen, gefllt mit Bchern und Landkarten, auf der Kruppe des Tiers festgezurrt (seine ganze Habe!), da gleicht er wahrhaftig einem Ritter von der traurigen Gestalt, wie ihn Cervantes zweihundert Jahre spter in der Figur des Don Quichote verewigen wird. Ein komischer Kauz, ein Verlorener, ein Schwrmer.
Aber lassen wir uns nicht tuschen! Wenn wir nher hinsehen, werden wir bemerken: Dieser Mann in der Mitte seines Lebens, weihaarig schon trotz seiner vierzig Jahre, mit den seltsam verschleierten und gleichzeitig forschenden Augen von der unbestimmten Farbe des Meeres, er ist in diesem Augenblick alles andere als melancholisch und resigniert.
Er kocht vor Zorn und gekrnktem Stolz.
So dicht schien er am Ziel, so nah daran, seine Vision zu verwirklichen! Dass seine eigenen Forderungen ihm die Absage eingetragen haben, das will er nicht begreifen, auch wenn seine Freunde es ihm immer wieder hnderingend klar zu machen versuchten. Denn allen anderen erschien malos, was fr Bedingungen er den Majestten diktieren wollte - nur fr ihn waren diese Dinge eine Selbstverstndlichkeit...
Aber vielleicht ist dieser sein Auszug auch eine Flucht? Musste er nicht frchten, dass man hinter seine Maske blicken knnte? Denn in diesem Spanien des Jahres 1492 ist die Gefahr fr ihn grer denn je. Nun, wo das junge Groreich seinen ueren Feind bezwungen hat, wendet es sich mit aller Schrfe gegen jene, die der Vorstellung von "reinbltigen Christen" nicht entsprechen. Der Mann wei sehr genau: Wenn man seinen Stammbaum durchforsten wrde, wenn man nach den sieben christlichen Generationen suchen wrde, die einem die "limpieza de sangre", die "Reinheit des Bluts" genannte Bescheinigung eintragen, wrde man sehr bald entdecken, dass es bei ihm da gewisse Schwierigkeiten gibt.
Und seine Vertrauten am Hof waren noch dazu ein Umgang, der ihn verdchtig machte...
Der Mann zieht seinen Mantel fester um die Schultern. Arrogantes, hochnsiges Pack! Geizig durch und durch, ohne Fantasie, ohne Vorstellungskraft und Visionen!
Dieser Knig - ein dmmlicher Schrzenjger, der es ihm auf ewig bel nehmen wird, dass er ihm eine Geliebte ausgespannt hat! Diese Knigin - eine kluge Frau zweifellos, aber borniert und gefangen in ihrem eifernden Glauben und ohne die Fhigkeit, einmal den Blick nach vorn zu schicken, und ihren frmmelnden Beratern allzu ergeben! Und am schlimmsten natrlich sein Erzfeind, der Chef einer neu gegrndeten kirchlichen Behrde, die sich Inquisition nennt und nach Ketzern jagt.
Weg, nichts als weg! Zuerst nach Cordoba, zu seinem Bruder. Und dann an einen anderen Knigshof, wo man vorurteilsfreier ist und vielleicht endlich ein offenes Ohr haben wird fr ihn, wo man die unglaublichen Angebote, die er zu unterbreiten hat, endlich verstehen wird.
Als er Santa F, die riesige Zeltstadt vor den Toren des eroberten Granada, endlich verlassen hatte, wieder um eine Illusion rmer, htte er am liebsten auf den Boden gespuckt vor Zorn und Abscheu. Nein, sie verdienten ihn nicht.
Vier Meilen von Santa F entfernt liegt ein verlassener Weiler namens Pinos Puente. Dort fhrt eine alte rmische Wasserleitung, nun als steinerne Brcke genutzt, in dreifachem Bogen ber eine Schlucht.
Der Nebel umwallt ihn. Und gerade als er auf diese Brcke reitet, hrt er hinter sich jagenden Hufschlag. Ein Pferd nhert sich in vollem Galopp.
Einen Augenblick berkommt ihn rasende Angst. Die Inquisition! Nun, da er im Zorn vom Hof geschieden ist, hat bestimmt die Knigin ihre schtzende Hand von ihm abgezogen, hat ihn dem furchtbaren Thomas de Torquemada zum Fra vorgeworfen! Schlielich fand die Kommission von Salamanca, dass seine Ideen in bedenklicher Nhe zur Ketzerei standen. Keine Chance zu entfliehen, mit einem trostlos dahintrottenden Maultier. Aber eigentlich - warum sollten sie ihn hetzen? Sie finden ihn doch berall.
Er wendet. Was bleibt ihm brig.
Aus den Nebelschwaden taucht der Reiter auf. Er trgt die schwarze Uniform und die hohen Reitstiefel eines Alguacil, eines kniglichen Amtsdieners.
"Seor Cristbal Coln?"
"Der bin ich."
Der Mann springt aus dem Sattel, keuchend vom schnellen Ritt. "Doa Isabel, von Gottes Gnaden Knigin von Kastilien, befiehlt Euch hiermit durch mich, unverzglich umzukehren und vor Ihrer Majestt zu erscheinen!"
Sie holt mich zurck?
Also nicht die Inquisition, denkt er, und in ihm steigt ein wildes Gefhl des Triumphes auf. Gott ist gerecht! -
Am 17. August unterschreiben die Majestten Isabella und Ferdinand von Kastilien einen Vertrag mit Christoph Columbus, der als "Capitulaciones" in die Geschichte eingeht. Das Wort heit zwar korrekt bersetzt "Vergleich" - aber wenn wir es genau nehmen und als "Kapitulation" bezeichnen, liegen wir gar nicht so falsch. Kapituliert haben die Majestten vor den Forderungen des Seefahrers.
Ein neues Kapitel der Weltgeschichte wird aufgeschlagen.
Viele Tren und kein Schlssel
Wer ist dieser Mann, den wir unter so vielen Namen kennen? Der im Italienischen Cristoforo Colombo genannt wird, im Portugiesischen Cristovao Colom, im Spanischen Cristobal Coln und im Lateinischen Christophorus Columbus - also wer ist Christoph Columbus, wie er gemeinhin bei uns heit?
Jeder kennt den Entdecker Amerikas aus dem Schulbuch. Und es ist noch nicht so lange her, dass die Welt das fnfhundertjhrige Jubilum dieses Ereignisses feierte - und meinte, lngst auch das letzte Detail ber den Mann herausgefunden zu haben, der dies leistete.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen ber die Person dieses Mannes berhaupt nichts. Es gibt nicht einmal ein verbrgtes Portrt von ihm. Alles, was da so durch die Vielzahl der biografischen Beschreibungen seines Lebens geistert, ist erst viel spter "nachempfunden" worden.
Wohl kaum eine bedeutende Persnlichkeit der Geschichte hat sich derartig ber ihr eigenes Leben ausgeschwiegen wie dieser rtselhafte Entdecker. Und durch die wenigen uerungen, die es von ihm gibt, hat er die Verwirrung nur noch verstrkt. Man ist geradezu versucht anzunehmen, dass er, der Admiral Columbus, uns absichtlich in die Irre fhren will. -
Weit klaffen die Meinungen ber Herkunft und Charakter, ber Beweggrnde und Ziele dieses Mannes auseinander, dessen hartnckiger und besessener Wille Europa das Tor zur Neuen Welt aufgetan hat. Ich als Autorin, die immer von diesem Mann fasziniert war, fhle mich herausgefordert, die Facetten dieser schillernden Persnlichkeit aufzufinden und zu deuten, und ich will versuchen, "meinen" Columbus zu entwerfen. Es ergibt sich ein schlssiges Bild - bei allen Unwgbarkeiten dieser rtselhaften Gestalt.
Hier also meine Spurensuche.
Es gibt ein Computerspiel namens "Myst", das mich immer sehr fasziniert hat. Es ist eine sthetisch reizvolle und anregende Reise auf der Suche nach einem Weg zu einem bestimmten Ziel. Immer wieder gert man an geheimnisvolle Pforten, die man auf irgendeine Weise zu ffnen versuchen muss.
Manchmal fhrt der Pfad weiter, aber oft sind es auch Irrwege oder Sackgassen, und man muss umkehren und eine andere Strae, einen anderen Ansatz versuchen. Und immer ist dann noch die Frage, ob man auch den richtigen Schlssel zur Pforte besitzt.
In dieser Weise wollen wir in diesem Buch versuchen, den Schlssel fr diesen rtselhaften Mann zu finden, die richtige Tr, durch die wir gehen knnen, um den Columbus vorzustellen, dessen Leben, Taten und Charaktereigenschaften ein Ganzes bilden. Ungereimtheiten und Fragen werden bis zum Schluss bleiben - sowohl bei ihm als auch bei der Frau, die die groe Liebe seines Lebens war.
Das Spiel beginnt: Wer war dieser Mann wirklich? Wo stammt er her? Was werden wir entdecken?
Bis vor wenigen Jahren war sich die Forschung einig darin, dass Columbus aus Genua in Norditalien stammt, und jeder ist dieser "Erkenntnis" gern gefolgt. In seinem Testament schreibt der Admiral nmlich, er sei "genuesischer Herkunft". Wenn er es denn selbst sagt! Die Genueser durchstbern also ihre Archive, und siehe da, sogar ein Geburtshaus kann man vorweisen! Cristoforo soll der fnfte Sohn eines Wollkmmers gewesen sein, also eines kleinen Handwerkers, 1451 geboren und bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr in der Werkstatt seines Vaters beschftigt. Und dann ging er zur See... Das galt als erwiesen. Sofort errichtet man ihm ein Denkmal und ist stolz. Der "groe Sohn der Stadt"!
Dem widerspricht jedoch dies und jenes.
Zum Beispiel die wenigen Selbstzeugnisse dieses Mannes. Da gibt es einen Brief, in dem er von sich behauptet: "Von klein auf segelte ich ber die Meere..." Also mit zwanzig ist bestimmt nicht "von klein auf", denke ich.
In einem anderen Brief aus dem Jahre 1502 schreibt er, er segele seit 40 Jahren. Was bei einem angenommenen Geburtsdatum von 1451 also bedeutet, dass er mit elf Jahren zur See gegangen sein muss. Das hrt sich schon realistischer an als die Annahme, dass dieser perfekte, mit allen Wassern gewaschene Seemann, dieser erfahrene Navigator und Kenner des Ozeans sozusagen als Quereinsteiger "ber den zweiten Bildungsweg" Kapitn geworden sein knnte.
Und da gibt es noch ein paar andere kluge Leute, die etwas herausgefunden haben. Der fnfte Sohn des genuesischen Wollkmmers wre seinem Stand entsprechend ungebildet gewesen: Schulen fr Kinder von Handwerkern gab es nicht - also msste Columbus angeblich Lesen und Schreiben erst in seiner "Zweitkarriere" gelernt haben. Das erregte schon immer Kopfschtteln unter den Experten.
Ein Spezialist fr alte Handschriften an der Universitt von Barcelona, der Provinzhauptstadt von Katalonien, hat nun neuerdings die Handschrift von Columbus analysiert - eine Handschrift, die ganz unverwechselbar ist und die auch ich inzwischen wiedererkennen wrde unter vielen anderen: die weit geschwungenen Bgen, die klare Abgrenzung der Wrter gegeneinander, przise und filigran, die arroganten, sorgsam platzierten Grobuchstaben - eine imponierende Schrift.
Der Experte hat sie mit anderen Schriftproben aus der Zeit verglichen - und er hat den Stil genau unter die Lupe genommen.
Fr ihn ist eindeutig klar: Columbus schreibt so wortreich und ausdrucksstark, so flssig und variabel, wie das nur jemand kann, der von Kindheit an mit der Kunst des Schreibens vertraut war. Und wenn er in Eile war, formte er das "h" wie eine Acht. Das ist typisch fr den Schreibstil in Katalonien zu der Zeit.
Nun war der Ehrgeiz der Katalanen geweckt. Ein Columbusdenkmal hatten sie ja schon immer - der Seefahrer steht auf hoher Sule am Hafen Barcelonas und schaut gebieterisch bers Meer. Ein zweiter Gelehrter der Stadt, Professor fr forensische Linguistik, kommt neuerdings ins Spiel. (Forensische Linguistik bedeutet gerichtsmedizinisch auswertbare Sprachkunde.) Angenommen, jemand schreibt in einer ihm von Haus aus fremden Sprache: Anhand einer Computeranalyse, bei der nach immer wiederkehrenden Wrtern, Redewendungen oder kleinen Fehlern innerhalb eines Textes gesucht wird, kann man inzwischen ziemlich genau feststellen, woher er tatschlich stammt, welche Muttersprache der Schreiber spricht.
Und siehe da: Alles weist darauf hin, dass Columbus aus Katalonien kommt, aus einem Ort in der Nhe von Barcelona - zumal da ihn auch nie jemand ein einziges Wort Italienisch hat sprechen hren!
Und damit versagt der Schlssel in der Pforte zu Genua. Wir knnen die schne norditalienische Hafenstadt bei unserer Suche nach der Herkunft unseres Helden guten Gewissens auen vor lassen. Die Tr Genua bleibt zu.
Katalonien. Das sieht also zunchst einmal gut aus. Und unser Pfad fhrt uns zu einer Pforte, wo man Herzklopfen bekommen kann, so dicht dran knnten wir jetzt vielleicht sein: In einem kleinen katalanischen Dorf namens Tarroja, in der Nhe von Barcelona, erzhlt man sich seit Generationen, dass hier und nur hier die Wiege des Seefahrers gestanden hat! Es gab einen Pfarrer in dem Ort und der machte dem Vernehmen nach eine sensationelle Entdeckung in seinen Kirchenbchern. Er lud zunchst einen einzelnen Historiker ein, der seinen Fund in Augenschein nahm. Der schien fasziniert, wollte aber zunchst nichts verraten. Es htte ja auch ein Irrtum sein knnen. Fachkollegen sollten ran. Die gesamte Elite der Zunft soll mit ihm nach Tarroja reisen.
Aber dies ereignete sich im Jahr 1936. Und bevor die aufs uerste gespannten Wissenschaftler den geheimnisvollen Fund in Augenschein nehmen konnten, brach der Spanische Brgerkrieg aus. Die Kirche wurde in Brand gesteckt. Der Pfarrer kam in den Flammen um - und das gesamte Archiv mit ihm.
Also die nchste Tr, die wir nicht ffnen knnen.
Ersparen wir uns die Umwege ber Griechenland, Korsika, ber das Baskenland oder gar Armenien - berall dort glaubt irgendwer, untrgliche Anzeichen dafr gefunden zu haben, dass Columbus bei ihnen heimisch war. Diese Tren werden sich nicht ffnen lassen, fhren uns nicht zu ihm. Diese Pfade brauchen wir nicht zu beschreiten.
Der nchste Weg fhrt uns bers Meer. Wir landen auf Mallorca.
Dort ist eine hochinteressante Entdeckung gemacht worden, von einem Heimatforscher - ein fachlich kaum ausgebildeter Mann, einer von jenen, ber die "studierte" Wissenschaftler so gern die Nase rmpfen und die manchmal, gerade weil sie andere Methoden anwenden als die herkmmlichen, mehr herauskriegen als sie, die "Experten".
Ein inzwischen nicht mehr existierender Ort auf der Mittelmeerinsel hie nmlich: Genoba - was die spanische Variante des italienischen Genua ist.
Zunchst zucken wir mit den Achseln und sagen: gut und schn, ein Zufall. Was soll das bedeuten? Wenn wir uns aber klar machen, dass auf Mallorca Katalanisch gesprochen wird, dann sieht das im Licht der sprachwissenschaftlichen Forschungen aus Barcelona schon ganz anders aus!
Die mallorquinische Sprnase - er kannte brigens die Arbeiten der Sprachwissenschaftler nicht! - weist auerdem darauf hin, dass Columbus sich selbst meistens als "El Almirant" bezeichnet, das ist die katalanische Variante von "Admiral". Und er hat entdeckt, dass auf von dem Seefahrer gezeichneten Karten bekannte Inseln mit ihren katalanischen Namen eingetragen sind.
Jetzt also wird es spannend. Dass Columbus als Meister der Verschleierung sich in seinem Testament als von genuesischer Herkunft bezeichnet - ich wrde sagen, das sieht ihm hnlich. Natrlich hat er damit gerechnet, dass alle auf die Stadt in Italien tippen.
Dreht sich der Schlssel im Schloss? Werden wir fndig? Zumindest knnten wir hier ein wenig verweilen und versuchen, ob wir mithilfe anderer "Werkzeuge" ganz aufschlieen knnen. Denn ein Geburtsort und eine Sprachzuweisung machen ja noch nicht die ganze Herkunft des Mannes aus.
Bleibt die Frage: Warum schweigt er selbst so hartnckig - oder fhrt uns, falls er etwas sagt, an der Nase herum?
Dafr gibt es verschiedene mgliche Grnde.
Aber setzen wir unsere Suche ein bisschen spter weiter fort.
Vielleicht finden wir ja ein Werkzeug zum Knacken der Tr in unserer nchsten Szene.
Eine reine Geldfrage
Was hat Isabel - oder, wie wir sagen, Isabella, Knigin von Kastilien - bewogen, unseren Mann so eilig zurckholen zu lassen?
Die viel beschftigte Knigin, Siegerin ber die Mauren und Regentin beider durch Heirat vereinten Lnder Kastilien und Aragon (ihr Gemahl spielt eigentlich nur die zweite Geige), hat in Privataudienz einen Minister empfangen, und nach diesem Gesprch unter vier Augen hat sich das Blatt fr Columbus gewendet.
Der Minister heit Luis Santangel und ist von Haus aus ein superreicher Bankier und einer der mchtigsten Mnner am Hof. Wir knnen seinen Arbeitsbereich heute am ehesten mit dem eines Chefs der Finanzen beschreiben. Seine Titel klingen auf Spanisch sehr hoheitsvoll: Santangel ist Escarbano de racion (in etwa: Kanzler) und Contado mayor (Generalzahlmeister). Aber das hindert Isabella nicht daran, diesen Herren, der dringend um ein Gesprch ersucht hat, erst ein bisschen zappeln zu lassen. Sie kann ihn nmlich nicht leiden und dafr gibt es mehr als eine Ursache. Zum einen, weil er ein Gnstling ihres Gemahls ist, also zu dem Teil des Hofes gehrt, den sie mit "angeheiratet" hat und dem sie aus unterschiedlichen Grnden misstraut. Und zum anderen seine Herkunft... Aber diese Knigin kann sich zwar Gefhle leisten, aber sie ist viel zu sehr gewiefte Politikerin, um sich von ihnen steuern zu lassen.
Ungeduldig geht Santangel also im Vorzimmer auf und ab, eine groe, schwarz gewandete, schwarzlockige, schwarzbrtige Gestalt, sein Rcken ist leicht gebeugt, und seine Hnde, an denen groe Ringe blitzen, hlt er hinterm Rcken verschrnkt. Das goldene Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trgt, ist mit Edelsteinen besetzt.
Er hat sich mit seinen Freunden beraten, und alle sind sich einig: Man darf diesen Coln nicht wegschicken! Aber dann erfuhr er zu seinem Entsetzen: Der Mann war inzwischen schon aufgebrochen! Gefahr im Verzug! Schnell zur Knigin! Und nun geht er schon fast eine Stunde hier im Vorraum auf und ab.
Dieses Santa F, diese Befestigung vor den Toren Granadas, von wo aus die Knigin die Stadt belagert hat - wie er diese Ansammlung von Zelten und Zweightten hasst, wie er dieses Heerlager, umgeben von Palisaden und Grben, ohne Hygiene, ohne Komfort verabscheut! Ohne weiteres htten die Majestten nach dem Sieg ber die Mauren am 2. Januar in Granada ein Quartier nehmen knnen. Aber statt nach dem triumphalen Einzug in die Stadt nun dort zu bleiben und es sich im Alhambrapalast, im Luxus der vertriebenen muslimischen Herrscher, wohl sein zu lassen, war Isabella hierher zurckgekehrt - (Ferdinand, ihr Gemahl, war inzwischen ohnehin wieder auf der Jagd). Sie vertrat den Standpunkt, dass es Gott nicht wohlgefllig sei, wenn sie diesen Ort verlassen wrde, bevor nicht der Letzte der Ritter, Kmpfer und Soldaten von hier heimwrts gekehrt sei in sein Heimatland, denn viele hatten geholfen, die "Heiden" mit zu bekmpfen. Eine Frau mit eisernem Pflichtbewusstsein.
Und so geht nun Santangel in diesem aus rohen Brettern errichteten Raum hin und her, statt Tren gibt es nur Vorhnge, das Kohlebecken schwelt, statt zu wrmen, und die Feldsthle sind unbequem.
Endlich. Ein Schreiber schlgt den schweren Wollvorhang zurck. "Ihre Majestt lsst bitten."
Santangel strafft sich.
Isabella von Kastilien sitzt hinter ihrem Schreibtisch und unterzeichnet Dokumente, die ihr ein zweiter Schreiber vorlegt. Santangel geht auf die Knie und wartet, dass sie ihm das Zeichen gibt, sich zu erheben, und er wei schon, dass sie ihn wieder eine Weile da unten lassen wird.
In dem trben Licht, das sich durch die geraffte Zeltplane am Fenster seinen Weg bahnt, sieht ihr Gesicht unter dem weien Schleiertuch, das sie wie immer trgt, noch kalkiger und ungesnder aus: aufgedunsene Wangen, ein Doppelkinn, der stets missmutig verzogene Mund. Isabella wei: Sie ist so reizlos, dass es die Mhe nicht wert ist, sich hinter Schminkknsten zu verstecken. Sie ist ja auch nicht wegen ihrer Schnheit zur mchtigsten Frau der iberischen Halbinsel geworden...
Endlich: eine knappe Bewegung der molligen kniglichen Hand. Man darf sich erheben und nher treten. Die blaugrauen Augen - ebenfalls ungeschminkt, klein, fast wimpernlos - mustern ihr Gegenber mit dem blichen Ausdruck von Missmut. Und dann die Stimme, unerwartet klangvoll und klar: "Es muss eine sehr dringliche Angelegenheit sein, Contado mayor, wenn Ihr so auf einem Gesprch besteht."
"Doa Isabel - Cristobal Coln ist abgereist."
"Nun", sagt die Majestt gelassen, "das wundert mich nicht. Wir waren ja nun wirklich dabei, seine Angelegenheit wohlwollend zu prfen. Und da kommt er mit den Forderungen eines Wahnwitzigen daher und macht alles kaputt. Der Seefahrer ist ein Narr, und es gibt Leute, die das schon immer gesagt haben."
Ja, Euer Gemahl, denkt Santangel, und aus verschiedenen Grnden. Und Groinquisitor Torquemada - aber der wird noch etwas ganz anderes ber den Fremden gesagt haben!
"Und die Ausschsse von Philosophen und Geistlichen waren immer voller Misstrauen und voller Einwnde."
Santangel wei, dass man bei dieser Frau ohne Umschweife zur Sache kommen muss. Brimborium imponiert ihr nicht. Wie auch immer sie ausschaut und wie auch immer sie sich gibt - Isabella ist eine khle Rechnerin.
"Majestt!", beginnt er. "Der Vorschlag des Coln, nmlich den Osten zu entdecken, indem er nach Westen segelt, wrde der Krone, wenn er denn erfolgreich ist, mit einem Schlag aus all den Geldverlegenheiten helfen, in die dieser heilige Krieg gegen die Mauren das Land gestrzt hat. Und ich und mein Haus wren bereit, zu investieren."
Die Knigin schweigt einen Augenblick. Dann sagt sie: "Nehmt Platz, Contado mayor. Haltet Vortrag."
Santangel atmet tief durch. Er wei, er wird gewinnen. Er beginnt. "Wenn Coln erfolgreich ist, wenn er als Erster nach Indien gelangt, hat Spanien endlich den Konkurrenten Portugal vom Hals. Goldstrme werden alsbald die leeren Kassen des Landes fllen. Und all die jungen Hidalgos, die armen adligen Herren, die nach dem Sieg ber die Mauren keine Chance mehr haben, ihren Wunsch nach weiterem, neuem Ruhm zu befriedigen..."Isabella macht eine ungeduldige Handbewegung. "Das alles wei ich wohl. Deshalb war ich ja auch geneigt, dem Abenteuer zuzustimmen. Aber Ihr selbst habt dem Hof ja eine Kalkulation vorgelegt, nicht wahr?" Sie blttert pro forma in den Papieren auf ihrem Schreibtisch.
Das war ein strategisches Element dieses Krieges gegen die Mauren - die Mauren, jene arabischen Muslime, die seit Jahrhunderten im Sden der Halbinsel ihr von Wissenschaften, Knsten, Reichtum und Prosperitt berquellendes Reich errichtet hatten. Nun sind sie besiegt, diese "Unglubigen", von Spaniens Boden vertrieben...
Der Reiter guckt grimmig zwischen den wedelnden Ohren seines Reittiers nach vorn, ins neblige Nichts. Aus der Traum vom Miteinander der Religionen, den frhere Generationen noch hegten. Und ebenfalls aus sein Traum, bers grne Meer der Dunkelheit zu segeln.
Wie er so dahinzieht durch das verwstete Gebiet, ein Mann, viel zu gro und zu schlaksig fr das kleine Muli, das Barett tief in die Stirn gezogen, den Kopf gesenkt, die Hnde in den Lederhandschuhen lssig am Zgel, zwei schwere Satteltaschen, gefllt mit Bchern und Landkarten, auf der Kruppe des Tiers festgezurrt (seine ganze Habe!), da gleicht er wahrhaftig einem Ritter von der traurigen Gestalt, wie ihn Cervantes zweihundert Jahre spter in der Figur des Don Quichote verewigen wird. Ein komischer Kauz, ein Verlorener, ein Schwrmer.
Aber lassen wir uns nicht tuschen! Wenn wir nher hinsehen, werden wir bemerken: Dieser Mann in der Mitte seines Lebens, weihaarig schon trotz seiner vierzig Jahre, mit den seltsam verschleierten und gleichzeitig forschenden Augen von der unbestimmten Farbe des Meeres, er ist in diesem Augenblick alles andere als melancholisch und resigniert.
Er kocht vor Zorn und gekrnktem Stolz.
So dicht schien er am Ziel, so nah daran, seine Vision zu verwirklichen! Dass seine eigenen Forderungen ihm die Absage eingetragen haben, das will er nicht begreifen, auch wenn seine Freunde es ihm immer wieder hnderingend klar zu machen versuchten. Denn allen anderen erschien malos, was fr Bedingungen er den Majestten diktieren wollte - nur fr ihn waren diese Dinge eine Selbstverstndlichkeit...
Aber vielleicht ist dieser sein Auszug auch eine Flucht? Musste er nicht frchten, dass man hinter seine Maske blicken knnte? Denn in diesem Spanien des Jahres 1492 ist die Gefahr fr ihn grer denn je. Nun, wo das junge Groreich seinen ueren Feind bezwungen hat, wendet es sich mit aller Schrfe gegen jene, die der Vorstellung von "reinbltigen Christen" nicht entsprechen. Der Mann wei sehr genau: Wenn man seinen Stammbaum durchforsten wrde, wenn man nach den sieben christlichen Generationen suchen wrde, die einem die "limpieza de sangre", die "Reinheit des Bluts" genannte Bescheinigung eintragen, wrde man sehr bald entdecken, dass es bei ihm da gewisse Schwierigkeiten gibt.
Und seine Vertrauten am Hof waren noch dazu ein Umgang, der ihn verdchtig machte...
Der Mann zieht seinen Mantel fester um die Schultern. Arrogantes, hochnsiges Pack! Geizig durch und durch, ohne Fantasie, ohne Vorstellungskraft und Visionen!
Dieser Knig - ein dmmlicher Schrzenjger, der es ihm auf ewig bel nehmen wird, dass er ihm eine Geliebte ausgespannt hat! Diese Knigin - eine kluge Frau zweifellos, aber borniert und gefangen in ihrem eifernden Glauben und ohne die Fhigkeit, einmal den Blick nach vorn zu schicken, und ihren frmmelnden Beratern allzu ergeben! Und am schlimmsten natrlich sein Erzfeind, der Chef einer neu gegrndeten kirchlichen Behrde, die sich Inquisition nennt und nach Ketzern jagt.
Weg, nichts als weg! Zuerst nach Cordoba, zu seinem Bruder. Und dann an einen anderen Knigshof, wo man vorurteilsfreier ist und vielleicht endlich ein offenes Ohr haben wird fr ihn, wo man die unglaublichen Angebote, die er zu unterbreiten hat, endlich verstehen wird.
Als er Santa F, die riesige Zeltstadt vor den Toren des eroberten Granada, endlich verlassen hatte, wieder um eine Illusion rmer, htte er am liebsten auf den Boden gespuckt vor Zorn und Abscheu. Nein, sie verdienten ihn nicht.
Vier Meilen von Santa F entfernt liegt ein verlassener Weiler namens Pinos Puente. Dort fhrt eine alte rmische Wasserleitung, nun als steinerne Brcke genutzt, in dreifachem Bogen ber eine Schlucht.
Der Nebel umwallt ihn. Und gerade als er auf diese Brcke reitet, hrt er hinter sich jagenden Hufschlag. Ein Pferd nhert sich in vollem Galopp.
Einen Augenblick berkommt ihn rasende Angst. Die Inquisition! Nun, da er im Zorn vom Hof geschieden ist, hat bestimmt die Knigin ihre schtzende Hand von ihm abgezogen, hat ihn dem furchtbaren Thomas de Torquemada zum Fra vorgeworfen! Schlielich fand die Kommission von Salamanca, dass seine Ideen in bedenklicher Nhe zur Ketzerei standen. Keine Chance zu entfliehen, mit einem trostlos dahintrottenden Maultier. Aber eigentlich - warum sollten sie ihn hetzen? Sie finden ihn doch berall.
Er wendet. Was bleibt ihm brig.
Aus den Nebelschwaden taucht der Reiter auf. Er trgt die schwarze Uniform und die hohen Reitstiefel eines Alguacil, eines kniglichen Amtsdieners.
"Seor Cristbal Coln?"
"Der bin ich."
Der Mann springt aus dem Sattel, keuchend vom schnellen Ritt. "Doa Isabel, von Gottes Gnaden Knigin von Kastilien, befiehlt Euch hiermit durch mich, unverzglich umzukehren und vor Ihrer Majestt zu erscheinen!"
Sie holt mich zurck?
Also nicht die Inquisition, denkt er, und in ihm steigt ein wildes Gefhl des Triumphes auf. Gott ist gerecht! -
Am 17. August unterschreiben die Majestten Isabella und Ferdinand von Kastilien einen Vertrag mit Christoph Columbus, der als "Capitulaciones" in die Geschichte eingeht. Das Wort heit zwar korrekt bersetzt "Vergleich" - aber wenn wir es genau nehmen und als "Kapitulation" bezeichnen, liegen wir gar nicht so falsch. Kapituliert haben die Majestten vor den Forderungen des Seefahrers.
Ein neues Kapitel der Weltgeschichte wird aufgeschlagen.
Viele Tren und kein Schlssel
Wer ist dieser Mann, den wir unter so vielen Namen kennen? Der im Italienischen Cristoforo Colombo genannt wird, im Portugiesischen Cristovao Colom, im Spanischen Cristobal Coln und im Lateinischen Christophorus Columbus - also wer ist Christoph Columbus, wie er gemeinhin bei uns heit?
Jeder kennt den Entdecker Amerikas aus dem Schulbuch. Und es ist noch nicht so lange her, dass die Welt das fnfhundertjhrige Jubilum dieses Ereignisses feierte - und meinte, lngst auch das letzte Detail ber den Mann herausgefunden zu haben, der dies leistete.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen ber die Person dieses Mannes berhaupt nichts. Es gibt nicht einmal ein verbrgtes Portrt von ihm. Alles, was da so durch die Vielzahl der biografischen Beschreibungen seines Lebens geistert, ist erst viel spter "nachempfunden" worden.
Wohl kaum eine bedeutende Persnlichkeit der Geschichte hat sich derartig ber ihr eigenes Leben ausgeschwiegen wie dieser rtselhafte Entdecker. Und durch die wenigen uerungen, die es von ihm gibt, hat er die Verwirrung nur noch verstrkt. Man ist geradezu versucht anzunehmen, dass er, der Admiral Columbus, uns absichtlich in die Irre fhren will. -
Weit klaffen die Meinungen ber Herkunft und Charakter, ber Beweggrnde und Ziele dieses Mannes auseinander, dessen hartnckiger und besessener Wille Europa das Tor zur Neuen Welt aufgetan hat. Ich als Autorin, die immer von diesem Mann fasziniert war, fhle mich herausgefordert, die Facetten dieser schillernden Persnlichkeit aufzufinden und zu deuten, und ich will versuchen, "meinen" Columbus zu entwerfen. Es ergibt sich ein schlssiges Bild - bei allen Unwgbarkeiten dieser rtselhaften Gestalt.
Hier also meine Spurensuche.
Es gibt ein Computerspiel namens "Myst", das mich immer sehr fasziniert hat. Es ist eine sthetisch reizvolle und anregende Reise auf der Suche nach einem Weg zu einem bestimmten Ziel. Immer wieder gert man an geheimnisvolle Pforten, die man auf irgendeine Weise zu ffnen versuchen muss.
Manchmal fhrt der Pfad weiter, aber oft sind es auch Irrwege oder Sackgassen, und man muss umkehren und eine andere Strae, einen anderen Ansatz versuchen. Und immer ist dann noch die Frage, ob man auch den richtigen Schlssel zur Pforte besitzt.
In dieser Weise wollen wir in diesem Buch versuchen, den Schlssel fr diesen rtselhaften Mann zu finden, die richtige Tr, durch die wir gehen knnen, um den Columbus vorzustellen, dessen Leben, Taten und Charaktereigenschaften ein Ganzes bilden. Ungereimtheiten und Fragen werden bis zum Schluss bleiben - sowohl bei ihm als auch bei der Frau, die die groe Liebe seines Lebens war.
Das Spiel beginnt: Wer war dieser Mann wirklich? Wo stammt er her? Was werden wir entdecken?
Bis vor wenigen Jahren war sich die Forschung einig darin, dass Columbus aus Genua in Norditalien stammt, und jeder ist dieser "Erkenntnis" gern gefolgt. In seinem Testament schreibt der Admiral nmlich, er sei "genuesischer Herkunft". Wenn er es denn selbst sagt! Die Genueser durchstbern also ihre Archive, und siehe da, sogar ein Geburtshaus kann man vorweisen! Cristoforo soll der fnfte Sohn eines Wollkmmers gewesen sein, also eines kleinen Handwerkers, 1451 geboren und bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr in der Werkstatt seines Vaters beschftigt. Und dann ging er zur See... Das galt als erwiesen. Sofort errichtet man ihm ein Denkmal und ist stolz. Der "groe Sohn der Stadt"!
Dem widerspricht jedoch dies und jenes.
Zum Beispiel die wenigen Selbstzeugnisse dieses Mannes. Da gibt es einen Brief, in dem er von sich behauptet: "Von klein auf segelte ich ber die Meere..." Also mit zwanzig ist bestimmt nicht "von klein auf", denke ich.
In einem anderen Brief aus dem Jahre 1502 schreibt er, er segele seit 40 Jahren. Was bei einem angenommenen Geburtsdatum von 1451 also bedeutet, dass er mit elf Jahren zur See gegangen sein muss. Das hrt sich schon realistischer an als die Annahme, dass dieser perfekte, mit allen Wassern gewaschene Seemann, dieser erfahrene Navigator und Kenner des Ozeans sozusagen als Quereinsteiger "ber den zweiten Bildungsweg" Kapitn geworden sein knnte.
Und da gibt es noch ein paar andere kluge Leute, die etwas herausgefunden haben. Der fnfte Sohn des genuesischen Wollkmmers wre seinem Stand entsprechend ungebildet gewesen: Schulen fr Kinder von Handwerkern gab es nicht - also msste Columbus angeblich Lesen und Schreiben erst in seiner "Zweitkarriere" gelernt haben. Das erregte schon immer Kopfschtteln unter den Experten.
Ein Spezialist fr alte Handschriften an der Universitt von Barcelona, der Provinzhauptstadt von Katalonien, hat nun neuerdings die Handschrift von Columbus analysiert - eine Handschrift, die ganz unverwechselbar ist und die auch ich inzwischen wiedererkennen wrde unter vielen anderen: die weit geschwungenen Bgen, die klare Abgrenzung der Wrter gegeneinander, przise und filigran, die arroganten, sorgsam platzierten Grobuchstaben - eine imponierende Schrift.
Der Experte hat sie mit anderen Schriftproben aus der Zeit verglichen - und er hat den Stil genau unter die Lupe genommen.
Fr ihn ist eindeutig klar: Columbus schreibt so wortreich und ausdrucksstark, so flssig und variabel, wie das nur jemand kann, der von Kindheit an mit der Kunst des Schreibens vertraut war. Und wenn er in Eile war, formte er das "h" wie eine Acht. Das ist typisch fr den Schreibstil in Katalonien zu der Zeit.
Nun war der Ehrgeiz der Katalanen geweckt. Ein Columbusdenkmal hatten sie ja schon immer - der Seefahrer steht auf hoher Sule am Hafen Barcelonas und schaut gebieterisch bers Meer. Ein zweiter Gelehrter der Stadt, Professor fr forensische Linguistik, kommt neuerdings ins Spiel. (Forensische Linguistik bedeutet gerichtsmedizinisch auswertbare Sprachkunde.) Angenommen, jemand schreibt in einer ihm von Haus aus fremden Sprache: Anhand einer Computeranalyse, bei der nach immer wiederkehrenden Wrtern, Redewendungen oder kleinen Fehlern innerhalb eines Textes gesucht wird, kann man inzwischen ziemlich genau feststellen, woher er tatschlich stammt, welche Muttersprache der Schreiber spricht.
Und siehe da: Alles weist darauf hin, dass Columbus aus Katalonien kommt, aus einem Ort in der Nhe von Barcelona - zumal da ihn auch nie jemand ein einziges Wort Italienisch hat sprechen hren!
Und damit versagt der Schlssel in der Pforte zu Genua. Wir knnen die schne norditalienische Hafenstadt bei unserer Suche nach der Herkunft unseres Helden guten Gewissens auen vor lassen. Die Tr Genua bleibt zu.
Katalonien. Das sieht also zunchst einmal gut aus. Und unser Pfad fhrt uns zu einer Pforte, wo man Herzklopfen bekommen kann, so dicht dran knnten wir jetzt vielleicht sein: In einem kleinen katalanischen Dorf namens Tarroja, in der Nhe von Barcelona, erzhlt man sich seit Generationen, dass hier und nur hier die Wiege des Seefahrers gestanden hat! Es gab einen Pfarrer in dem Ort und der machte dem Vernehmen nach eine sensationelle Entdeckung in seinen Kirchenbchern. Er lud zunchst einen einzelnen Historiker ein, der seinen Fund in Augenschein nahm. Der schien fasziniert, wollte aber zunchst nichts verraten. Es htte ja auch ein Irrtum sein knnen. Fachkollegen sollten ran. Die gesamte Elite der Zunft soll mit ihm nach Tarroja reisen.
Aber dies ereignete sich im Jahr 1936. Und bevor die aufs uerste gespannten Wissenschaftler den geheimnisvollen Fund in Augenschein nehmen konnten, brach der Spanische Brgerkrieg aus. Die Kirche wurde in Brand gesteckt. Der Pfarrer kam in den Flammen um - und das gesamte Archiv mit ihm.
Also die nchste Tr, die wir nicht ffnen knnen.
Ersparen wir uns die Umwege ber Griechenland, Korsika, ber das Baskenland oder gar Armenien - berall dort glaubt irgendwer, untrgliche Anzeichen dafr gefunden zu haben, dass Columbus bei ihnen heimisch war. Diese Tren werden sich nicht ffnen lassen, fhren uns nicht zu ihm. Diese Pfade brauchen wir nicht zu beschreiten.
Der nchste Weg fhrt uns bers Meer. Wir landen auf Mallorca.
Dort ist eine hochinteressante Entdeckung gemacht worden, von einem Heimatforscher - ein fachlich kaum ausgebildeter Mann, einer von jenen, ber die "studierte" Wissenschaftler so gern die Nase rmpfen und die manchmal, gerade weil sie andere Methoden anwenden als die herkmmlichen, mehr herauskriegen als sie, die "Experten".
Ein inzwischen nicht mehr existierender Ort auf der Mittelmeerinsel hie nmlich: Genoba - was die spanische Variante des italienischen Genua ist.
Zunchst zucken wir mit den Achseln und sagen: gut und schn, ein Zufall. Was soll das bedeuten? Wenn wir uns aber klar machen, dass auf Mallorca Katalanisch gesprochen wird, dann sieht das im Licht der sprachwissenschaftlichen Forschungen aus Barcelona schon ganz anders aus!
Die mallorquinische Sprnase - er kannte brigens die Arbeiten der Sprachwissenschaftler nicht! - weist auerdem darauf hin, dass Columbus sich selbst meistens als "El Almirant" bezeichnet, das ist die katalanische Variante von "Admiral". Und er hat entdeckt, dass auf von dem Seefahrer gezeichneten Karten bekannte Inseln mit ihren katalanischen Namen eingetragen sind.
Jetzt also wird es spannend. Dass Columbus als Meister der Verschleierung sich in seinem Testament als von genuesischer Herkunft bezeichnet - ich wrde sagen, das sieht ihm hnlich. Natrlich hat er damit gerechnet, dass alle auf die Stadt in Italien tippen.
Dreht sich der Schlssel im Schloss? Werden wir fndig? Zumindest knnten wir hier ein wenig verweilen und versuchen, ob wir mithilfe anderer "Werkzeuge" ganz aufschlieen knnen. Denn ein Geburtsort und eine Sprachzuweisung machen ja noch nicht die ganze Herkunft des Mannes aus.
Bleibt die Frage: Warum schweigt er selbst so hartnckig - oder fhrt uns, falls er etwas sagt, an der Nase herum?
Dafr gibt es verschiedene mgliche Grnde.
Aber setzen wir unsere Suche ein bisschen spter weiter fort.
Vielleicht finden wir ja ein Werkzeug zum Knacken der Tr in unserer nchsten Szene.
Eine reine Geldfrage
Was hat Isabel - oder, wie wir sagen, Isabella, Knigin von Kastilien - bewogen, unseren Mann so eilig zurckholen zu lassen?
Die viel beschftigte Knigin, Siegerin ber die Mauren und Regentin beider durch Heirat vereinten Lnder Kastilien und Aragon (ihr Gemahl spielt eigentlich nur die zweite Geige), hat in Privataudienz einen Minister empfangen, und nach diesem Gesprch unter vier Augen hat sich das Blatt fr Columbus gewendet.
Der Minister heit Luis Santangel und ist von Haus aus ein superreicher Bankier und einer der mchtigsten Mnner am Hof. Wir knnen seinen Arbeitsbereich heute am ehesten mit dem eines Chefs der Finanzen beschreiben. Seine Titel klingen auf Spanisch sehr hoheitsvoll: Santangel ist Escarbano de racion (in etwa: Kanzler) und Contado mayor (Generalzahlmeister). Aber das hindert Isabella nicht daran, diesen Herren, der dringend um ein Gesprch ersucht hat, erst ein bisschen zappeln zu lassen. Sie kann ihn nmlich nicht leiden und dafr gibt es mehr als eine Ursache. Zum einen, weil er ein Gnstling ihres Gemahls ist, also zu dem Teil des Hofes gehrt, den sie mit "angeheiratet" hat und dem sie aus unterschiedlichen Grnden misstraut. Und zum anderen seine Herkunft... Aber diese Knigin kann sich zwar Gefhle leisten, aber sie ist viel zu sehr gewiefte Politikerin, um sich von ihnen steuern zu lassen.
Ungeduldig geht Santangel also im Vorzimmer auf und ab, eine groe, schwarz gewandete, schwarzlockige, schwarzbrtige Gestalt, sein Rcken ist leicht gebeugt, und seine Hnde, an denen groe Ringe blitzen, hlt er hinterm Rcken verschrnkt. Das goldene Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trgt, ist mit Edelsteinen besetzt.
Er hat sich mit seinen Freunden beraten, und alle sind sich einig: Man darf diesen Coln nicht wegschicken! Aber dann erfuhr er zu seinem Entsetzen: Der Mann war inzwischen schon aufgebrochen! Gefahr im Verzug! Schnell zur Knigin! Und nun geht er schon fast eine Stunde hier im Vorraum auf und ab.
Dieses Santa F, diese Befestigung vor den Toren Granadas, von wo aus die Knigin die Stadt belagert hat - wie er diese Ansammlung von Zelten und Zweightten hasst, wie er dieses Heerlager, umgeben von Palisaden und Grben, ohne Hygiene, ohne Komfort verabscheut! Ohne weiteres htten die Majestten nach dem Sieg ber die Mauren am 2. Januar in Granada ein Quartier nehmen knnen. Aber statt nach dem triumphalen Einzug in die Stadt nun dort zu bleiben und es sich im Alhambrapalast, im Luxus der vertriebenen muslimischen Herrscher, wohl sein zu lassen, war Isabella hierher zurckgekehrt - (Ferdinand, ihr Gemahl, war inzwischen ohnehin wieder auf der Jagd). Sie vertrat den Standpunkt, dass es Gott nicht wohlgefllig sei, wenn sie diesen Ort verlassen wrde, bevor nicht der Letzte der Ritter, Kmpfer und Soldaten von hier heimwrts gekehrt sei in sein Heimatland, denn viele hatten geholfen, die "Heiden" mit zu bekmpfen. Eine Frau mit eisernem Pflichtbewusstsein.
Und so geht nun Santangel in diesem aus rohen Brettern errichteten Raum hin und her, statt Tren gibt es nur Vorhnge, das Kohlebecken schwelt, statt zu wrmen, und die Feldsthle sind unbequem.
Endlich. Ein Schreiber schlgt den schweren Wollvorhang zurck. "Ihre Majestt lsst bitten."
Santangel strafft sich.
Isabella von Kastilien sitzt hinter ihrem Schreibtisch und unterzeichnet Dokumente, die ihr ein zweiter Schreiber vorlegt. Santangel geht auf die Knie und wartet, dass sie ihm das Zeichen gibt, sich zu erheben, und er wei schon, dass sie ihn wieder eine Weile da unten lassen wird.
In dem trben Licht, das sich durch die geraffte Zeltplane am Fenster seinen Weg bahnt, sieht ihr Gesicht unter dem weien Schleiertuch, das sie wie immer trgt, noch kalkiger und ungesnder aus: aufgedunsene Wangen, ein Doppelkinn, der stets missmutig verzogene Mund. Isabella wei: Sie ist so reizlos, dass es die Mhe nicht wert ist, sich hinter Schminkknsten zu verstecken. Sie ist ja auch nicht wegen ihrer Schnheit zur mchtigsten Frau der iberischen Halbinsel geworden...
Endlich: eine knappe Bewegung der molligen kniglichen Hand. Man darf sich erheben und nher treten. Die blaugrauen Augen - ebenfalls ungeschminkt, klein, fast wimpernlos - mustern ihr Gegenber mit dem blichen Ausdruck von Missmut. Und dann die Stimme, unerwartet klangvoll und klar: "Es muss eine sehr dringliche Angelegenheit sein, Contado mayor, wenn Ihr so auf einem Gesprch besteht."
"Doa Isabel - Cristobal Coln ist abgereist."
"Nun", sagt die Majestt gelassen, "das wundert mich nicht. Wir waren ja nun wirklich dabei, seine Angelegenheit wohlwollend zu prfen. Und da kommt er mit den Forderungen eines Wahnwitzigen daher und macht alles kaputt. Der Seefahrer ist ein Narr, und es gibt Leute, die das schon immer gesagt haben."
Ja, Euer Gemahl, denkt Santangel, und aus verschiedenen Grnden. Und Groinquisitor Torquemada - aber der wird noch etwas ganz anderes ber den Fremden gesagt haben!
"Und die Ausschsse von Philosophen und Geistlichen waren immer voller Misstrauen und voller Einwnde."
Santangel wei, dass man bei dieser Frau ohne Umschweife zur Sache kommen muss. Brimborium imponiert ihr nicht. Wie auch immer sie ausschaut und wie auch immer sie sich gibt - Isabella ist eine khle Rechnerin.
"Majestt!", beginnt er. "Der Vorschlag des Coln, nmlich den Osten zu entdecken, indem er nach Westen segelt, wrde der Krone, wenn er denn erfolgreich ist, mit einem Schlag aus all den Geldverlegenheiten helfen, in die dieser heilige Krieg gegen die Mauren das Land gestrzt hat. Und ich und mein Haus wren bereit, zu investieren."
Die Knigin schweigt einen Augenblick. Dann sagt sie: "Nehmt Platz, Contado mayor. Haltet Vortrag."
Santangel atmet tief durch. Er wei, er wird gewinnen. Er beginnt. "Wenn Coln erfolgreich ist, wenn er als Erster nach Indien gelangt, hat Spanien endlich den Konkurrenten Portugal vom Hals. Goldstrme werden alsbald die leeren Kassen des Landes fllen. Und all die jungen Hidalgos, die armen adligen Herren, die nach dem Sieg ber die Mauren keine Chance mehr haben, ihren Wunsch nach weiterem, neuem Ruhm zu befriedigen..."Isabella macht eine ungeduldige Handbewegung. "Das alles wei ich wohl. Deshalb war ich ja auch geneigt, dem Abenteuer zuzustimmen. Aber Ihr selbst habt dem Hof ja eine Kalkulation vorgelegt, nicht wahr?" Sie blttert pro forma in den Papieren auf ihrem Schreibtisch.
... weniger
Autoren-Porträt von Waldtraut Lewin
Waldtraut Lewin, geboren 1937, studierte Germanistik und Theaterwissenschaft in Berlin und arbeitete als Opernübersetzerin, Dramaturgin und Regisseurin zunächst am Landestheater Halle und dann am Volkstheater Rostock. Seit 1978 lebt sie als freischaffende Autorin von Romanen, Hörspielen und Drehbüchern, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Waldtraut Lewin
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2006, 281 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570303209
- ISBN-13: 9783570303207
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