Das Cottage am Tara Hill
"Liz Ryan spricht das Herz ihrer Leserinnen an."
Sunday Times
Lauren und Saive sind beste Freundinnen. Nach der Uni gehen sie getrennte Wege, schwören sich aber, immer füreinander da zu sein. Nun braucht Saive Laurens Hilfe. Und Lauren...
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Lauren und Saive sind beste Freundinnen. Nach der Uni gehen sie getrennte Wege, schwören sich aber, immer füreinander da zu sein. Nun braucht Saive Laurens Hilfe. Und Lauren...
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Produktinformationen zu „Das Cottage am Tara Hill “
"Liz Ryan spricht das Herz ihrer Leserinnen an."
Sunday Times
Lauren und Saive sind beste Freundinnen. Nach der Uni gehen sie getrennte Wege, schwören sich aber, immer füreinander da zu sein. Nun braucht Saive Laurens Hilfe. Und Lauren lässt ihr Stadtleben zurück, um in Saives Cottage am Fuße des Tara Hill zu ziehen.
Sunday Times
Lauren und Saive sind beste Freundinnen. Nach der Uni gehen sie getrennte Wege, schwören sich aber, immer füreinander da zu sein. Nun braucht Saive Laurens Hilfe. Und Lauren lässt ihr Stadtleben zurück, um in Saives Cottage am Fuße des Tara Hill zu ziehen.
Lese-Probe zu „Das Cottage am Tara Hill “
Das Cottage am Tara Hill von Liz RyanJanuar
Lola.
Lola Cola.
Lo-la Co-la!
Ta-ta-ta!
Lauren Kilroy musterte stirnrunzelnd ihren Ferragamo-Schuh. Nein, das war noch nichts. Neuer Versuch.
Lo ... la ... Co ... la ... Alo ... ha ... Sich wiegende Tänzerinnen, Palmen und hawaiianische Musik.
Wie abgedroschen, wie langweilig.
Sie war einfach noch nicht voll auf der Höhe, genau deshalb saß sie jetzt hier. Normalerweise brachten Lauren keine zehn Pferde ins Wartezimmer eines Arztes. Schon gar nicht in eines, das so altmodisch und schäbig war wie das von Dr. Mallon, hier in diesem heruntergekommenen Vorort. Draußen auf der Straße zerstach vermutlich gerade irgendein arbeitsloser Bengel die Reifen ihres BMW. Nicht mal ein vernünftiges Klatschmagazin gab es, um sich mit Neuigkeiten über die Beckhams abzulenken. Dr. Mallons Patienten bevorzugten biedere Hausfrauenblättchen, National Geographics und zerfledderte Postillen über Pferderennsport. Ein Pferderennen war für Lauren etwas, das auf der Leopardstown-Rennbahn in Dublin im Hintergrund lief, während sie im VIP-Zelt die Kunden ihrer Werbeagentur empfing und bewirtete. Um die Pferde selbst machte sie einen großen Bogen, aus Furcht um ihre Designerkostüme. Wer konnte denn schon garantieren, dass so ein Biest einem nicht den Ärmel abbeißen würde?
Nach Champagner und Kundenempfang war ihr heute überhaupt nicht zumute. Mittags hatte sie anlässlich einer neuen Kampagne bei Guilbaud's ein Essen für vierundsechzig Teilnehmer ausrichten müssen. Dabei wäre sie am liebsten nach Hause gefahren, um unter ihre teure Bettwäsche zu schlüpfen und sich gründlich auszuschlafen. Am liebsten wochen-, monate-, jahrelang.
Sie unterdrückte ein Gähnen und versuchte, sich von neuem auf die Lola-Kampagne zu konzentrieren. Doch wie sollte man in dieser furchtbaren Umgebung einen klaren
... mehr
Gedanken fassen, eingekeilt zwischen zwei schrecklichen kleinen Jungs? Der eine schniefte und kratzte ständig an sich herum, während der andere laufend an seiner sichtlich genervten, ungepflegten Mutter herumzupfte. Nach einem Blick auf ihre Uhr musste Lauren den spontanen Reflex unterdrücken, aufzustehen, in Dr. Mallons Sprechzimmer zu stürmen und zu fragen, ob er sich gefälligst ein bisschen beeilen könne. Es war zwanzig vor sieben, und um 19:50 Uhr war sie mit Jordan im Foyer des Gate Theatre verabredet. Auf Tschechows »Möwe«, von ihr aus auch auf seine Drossel oder Elster, hatte sie zwar nicht die geringste Lust, aber bei Premieren musste man sich sehen lassen, ob es einem nun passte oder -
»Mrs. O' S haughnessy? «
Dr. Mallon steckte den Kopf durch die Tür, die Frau stand auf und bugsierte ihre nervtötenden Kinder ins Sprechzimmer. Gut. Blieben nur noch sie und ein mäusegesichtiger Mann, der ihr vorhin die Tür zur Praxis aufgehalten hatte. Da Lauren als Erste das Wartezimmer betreten hatte, war sie also vor ihm an der Reihe.
Auf dem Kaminsims tickte eine Uhr, die zwölf Minuten nachging, was Lauren zu der ungeduldigen Überlegung veranlasste, warum Dr. Mallon - oder seine beleibte, kurzatmige Ehefrau - dieses angestaubte viktorianische Haus nicht endlich einmal renovieren ließ. Seit sie vor dreißig Jahren als Kind zum ersten Mal hier gewesen war, waren offenbar nicht einmal die Zeitschriften ausgewechselt worden. Der Teppich jedenfalls war noch der alte, ebenso die gestreifte Seidentapete und die Kiste mit dem Kinderspielzeug. Mit den altmodischen Holzpuzzles und den angegilbten Puppen, das wusste sogar Lauren, würde man bei den Kindern von heute jedoch nur wenig Begeisterung hervorrufen.
Ansonsten wusste sie herzlich wenig über Kinder, nur, dass sie keine wollte und ohnehin keine Zeit dafür gehabt hätte. Nicht mal, wenn Jordan - na ja. Jordan führte sein Leben, sie führte ihres, und das passte ihnen beiden ganz gut in den Kram. Er wäre entsetzt, wenn er sie jetzt hier sähe, und würde entgeistert fragen, warum sie nicht zu einem »richtigen« Arzt am noblen Fitzwilliam Square gegangen sei. Zu einem Arzt im Armani-Anzug, mit großformatiger moderner Kunst im Empfangsbereich und einem Jaguar vor der Haustür. Dr. Mallon trug Strickjacke und Cordhosen und hatte nicht einmal eine Sprechstundenhilfe.
Aber Dr. Mallon hatte ihrer Schwester das Leben gerettet. Caoimhe wäre längst tot, wenn er damals, als sie fünf Wochen alt war, nicht gleich erkannt hätte, dass sich bei ihr eine Hirnhautentzündung anbahnte. Heute ist sie siebenundzwanzig, und in Laurens Familie war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass alle zu Dr. Mallon gingen. Wobei, allzu lange dürfte er wohl nicht mehr praktizieren, dachte Lauren. Er ist bestimmt weit über sechzig. Wenn er erst im Ruhestand ist, können wir uns endlich alle neue, moderne Ärzte suchen, mit Plasmabildschirmen im Wartezimmer, auf denen Trickfilme laufen. Mutter natürlich nicht. Die wird es fertigbringen, wieder so einen Methusalem ausfindig zu machen, der nahtlos an Dr. Mallons Wirken anknüpft. Papa geht ohnehin nie zum Arzt. Aber Caoimhe und ich sind dann endlich aus dieser lebenslangen Loyalität entlassen. Dr. Mallon mag ein guter Arzt sein, und er wird schon kurieren, was auch immer mit mir nicht stimmen mag, aber seine besten Zeiten hat er hinter sich.
So fühle ich mich momentan aber auch. Ich will nicht ins Theater. Wenn Jordan die Eintrittskarten nicht schon besorgt hätte, würde ich ihn anrufen und ihm sagen -
»Lauren? «
Erschrocken riss sie den Kopf hoch, der zu ihrer Bestürzung nach vorne gesackt war. Sie war im Begriff gewesen, einzudösen. Beschämt stand sie auf, strich sich den Rock glatt und folgte Dr. Mallon ins Sprechzimmer. Sie hatte es eilig. Im Übrigen wäre es ihr, obwohl sie das nie offen zur Sprache gebracht hätte, wesentlich lieber gewesen, wenn Dr. Mallon sie »Miss Kilroy« genannt hätte, zumindest im Beisein anderer, wie es sich bei einer Frau von zweiunddreißig Jahren gehörte, die dazu noch überaus erfolgreich in der Werbung tätig war.
Dr. Mallons Sprechzimmer war ebenso altmodisch und vom Zahn der Zeit benagt wie das Wartezimmer. Neben einem alten Ledersofa und einem Orientteppich mit Fransen befand sich darin ein massiver Eichenschrank mit Messinggriffen, der vor braunen Pappordnern förmlich überquoll. Das Computerzeitalter war an dem alten Hausarzt offenbar spurlos vorübergegangen. Lauren musste einen unwilligen Seufzer unterdrücken.
»Bitte, nimm Platz.«
Der Arzt deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, wobei seine Armbanduhr, ein klassisches Modell mit römischen Ziffern, ihm das hagere Handgelenk hinabrutschte. Sein noch immer volles Haar war mittlerweile schlohweiß. Wenn er lächelte, zog sich ein dichtes Gespinst von Falten über sein Gesicht, und seine einst kobaltblauen Augen schienen eigenartig verblasst. Keine Frage, er war alt geworden. Nachdem er umständlich und recht schwerfällig hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte, warf er einen Blick auf die handschriftliche Akte, die aufgeschlagen vor ihm lag. Er setzte an, etwas zu sagen, schien dann aber seine Meinung zu ändern und lächelte Lauren an.
»Also«, sagte er mit freundlicher Stimme, »wie geht es dir?« »Keine Ahnung«, antwortete sie. »Genau das möchte ich ja von Ihnen wissen.«
Er nickte, rührte jedoch die Akte vor sich nicht an. Sie enthielt vermutlich die Ergebnisse der Blutuntersuchung, deretwegen er sie zehn Tage zuvor herbestellt hatte. Die Blutuntersuchung, die eine Erklärung dafür liefern würde, warum sie sich mit zweiunddreißig eher fühlte wie achtundneunzig. Vermutlich Stress, hatte er gesagt, nicht selten bei Menschen, die vierzehn Stunden am Tag arbeiteten und dann loshetzten, um Squash zu spielen oder Flüge nach New York zu erwischen. Auch Blutarmut kam in Betracht. Die ließe sich mit Eisen beheben sowie mit »vernünftigen Mahlzeiten«, bestehend aus Kohl und Leber; aber nicht aus der Mikrowelle oder hastig in irgendeinem Restaurant heruntergeschlungen, sondern schonend und natürlich zubereitet. Dr. Mallon war ein großer Verfechter des Natürlichen. Lauren wäre lieber verhungert, als auch nur einen Bissen Kohl oder Leber zu sich zu nehmen. Sie sah den Arzt nun direkt an.
»Sind meine Ergebnisse da?«
Eine ganz simple Frage, bei der sie jedoch ein leises Unbehagen beschlich. Herrje, wenn ihr nun tatsächlich etwas fehlte! Doch Dr. Mallon hatte letzte Woche, nachdem er sie untersucht hatte, nicht übermäßig beunruhigt gewirkt. Er hatte ihr lediglich einen langatmigen und ziemlich nervtötenden Vortrag über ihre »Generation« gehalten, die einen zu hektischen Lebenswandel führte, sich unvernünftig ernährte und deren weibliche Vertreter allesamt ein »neurotisches« Verhältnis zu ihrem Gewicht hatten. Dabei hatte Lauren noch nie eine Diät gemacht, zumindest nicht bewusst, da sie ohnehin selten dazu kam, überhaupt eine Mahlzeit zu beenden. Und bei 1,70 m Körpergröße waren ihre zweiundfünfzig Kilo - so hatte sie es einer Zeitschriftentabelle entnommen - völlig im Rahmen des Üblichen.
Dr. Mallon seufzte leise und lächelte wieder. Sein Lächeln schürte ihren Verdacht, er würde ihr nun gleich die Hand tätscheln und den guten Rat geben, sich etwas mehr Schlaf zu gönnen. Mit Vergnügen, wenn das irgendwie ginge!
»Ja, sie liegen mir jetzt vor. Aber erst würde mich interessieren, wie läuft es so bei der Arbeit?«
»Hektisch«, erwiderte sie ziemlich kurz angebunden. »Aber das habe ich Ihnen ja schon letzte Woche erzählt, so ist es da immer ... ich arbeite gerade an einer neuen Kampagne für einen kalorienarmen Soft-Drink, die können Sie ab April im Fernsehen bewundern, falls ich bis dahin den verflixten Jingle hinbekommen haben sollte.«
Und endlich hier rauskann, um es ins Theater zu schaffen, dachte sie. Eher unwahrscheinlich, wenn er jetzt über meine Arbeit sprechen will. Ich komme zu spät, Jordan wird sauer sein, wir können erst nach dem ersten Akt hinein - Herrgott, Dr. Mallon, kommen Sie bitte zur Sache, verschreiben Sie mir irgendwas und lassen Sie mich gehen!
»Im April«, wiederholte er aufreizend bedächtig. »Hm. Verstehe. Und deine Eltern? Die kleine Caoimhe? Alle wohlauf?«
Also wirklich! »Ja, danke, es geht allen sehr gut.«
Er musterte sie milde, aber auch ein wenig fragend, als wolle er noch etwas aus ihr herauskitzeln. Doch was ihre Eltern betraf, hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Jeden zweiten Sonntag traf sie sich mit ihnen in einem Hotel in Howth zum Mittagessen. Ein grässliches Hotel, aber sie hatte zähneknirschend klein beigeben müssen, nachdem die beiden in einem ungleich nobleren, kostspieligeren Restaurant in der Dubliner Innenstadt kaum etwas von den edlen, raffinierten Gerichten angerührt hatten. Das Brathähnchen mit Kartoffeln in Howth aßen sie wenigstens, was den Vorteil hatte, dass sie meistens mit Kauen beschäftigt waren und weniger Zeit für die Konversation blieb.
Seit drei Jahren lud sie die Eltern gewissenhaft nach Howth ein - außer, sie war auf Reisen oder musste am Wochenende arbeiten -, und sie wollte nicht darüber nachdenken, geschweige denn reden; zu stumpfsinnig, zu monoton, zu öde war dieses immer gleiche Ritual. Ihre Eltern, Eoin und Betty, liebten feste Rituale. Also lächelte sie Dr. Mallon nur an, und er nickte wieder langsam.
»Schön. Und dein - äh - Freund? Wie heißt er noch, Joe?«
Lauren zuckte zusammen. Joe? Dr. Mallon brachte es fertig, ihren Liebsten nach einem ordinären Proleten klingen zu lassen.
»Jordan. Jordan White. Auch er erfreut sich bester Gesundheit, danke.«
»Freut mich zu hören. Hilf mir auf die Sprünge, was macht er noch gleich beruflich?«
Sie lassen nach, Doktor, aber gewaltig, dachte sie. Das haben Sie mich vor Ewigkeiten schon mal gefragt, und ich habe es Ihnen gesagt, vor fünf Jahren, als Sie mir die Pille verschrieben haben. Wenigstens schwanger kann ich nicht sein, ein Trost ... aber auch nicht krank, sonst würden Sie nicht so herumschwafeln, sondern mich auf der Stelle ins Krankenhaus schicken.
Halb erleichtert, halb unwillig beantwortete sie seine Frage. »Jordan ist Richter. Richter für Strafrecht.«
»Ah, ja. Richtig. Wusste ich doch, dass es etwas war, das ihn zeitlich stark in Anspruch nimmt.«
Lauren warf Dr. Mallon einen scharfen Blick zu. Was wollen Sie damit sagen, alter Mann? Dass Sie wissen, dass Jordan verheiratet und zweifacher Vater ist und deswegen wenig Zeit hat?
Nun, selbst wenn dem so ist, geht Sie das gar nichts an. Außerdem habe ich selbst viel zu tun. Und überhaupt, bei Frauen in meinem Alter spricht man gewöhnlich vom »Partner«, wenn es um Männer geht, nicht vom »Freund«.
Entnervt warf sie zum zweiten Mal einen Blick auf die Uhr.
»Dr. Mallon, tut mir sehr leid, aber ich habe es heute Abend wirklich wahnsinnig eilig. Könnten wir nicht vielleicht einfach - verstehen Sie-? «
Ein wenig schuldbewusst, schließlich meinte er es ja nur gut, ließ sie ihre ausgestreckten Zeigefinger rasch umeinanderkreisen, als Aufforderung, nun endlich zur Sache zu kommen. Tatsächlich nahm er seine Brille vom Tisch, setzte sie auf und gri nach ihrer Akte.
»Ja, Lauren, selbstverständlich. Entschuldige, falls ich dich aufhalte, aber ich kenne deine Eltern jetzt schon so lange, und Caoimhe liegt mir, wie du weißt, seit eh und je ganz besonders am Herzen.«
Ja, Caoimhe hatte ihm viel zu verdanken, und es war verständlich, dass er sich stets nach ihr erkundigte. Aber vielleicht könnten wir Jordan jetzt mal außen vor lassen und weitermachen?
Dr. Mallon überflog stirnrunzelnd die Akte, legte sie wieder hin- Herrgott! -, faltete die Hände, dachte kurz nach und ergriff dann endlich das Wort.
»Ehe wir über die Ergebnisse deiner Blutuntersuchung sprechen, Lauren, darf ich dich etwas Persönliches fragen?«
»Nun, äh - wieso nicht, wenn es von Belang ist.«
Das müsste doch als Fingerzeig genügen, dachte sie. Aber er schien sich nicht hetzen lassen zu wollen. Jordan würde toben, wenn sie zu spät kam.
Dr. Mallon räusperte sich. »Dein - äh - na ja - Freund da. Wie lange bist du jetzt mit ihm zusammen?«
»Fünf Jahre. Steht in Ihren Unterlagen. Wegen meiner Empfängnisverhütung, meine ich.«
»Ja, stimmt ... Du hast recht. Ungewöhnlich, dass eine junge Frau heutzutage so lange mit demselben Partner zusammen ist! Und, äh, du bist ihm auch treu geblieben, ja?«
Lauren runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? »Ja, natürlich. Jordan und ich -«
»Lass mich raten! Ihr wollt heiraten?«
Dr. Mallon sah sie nun fast eifrig an, und Lauren wich zurück. »Nein. Auf keinen Fall. Wir sind auch so sehr glücklich miteinander.«
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des alten Arztes. Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an.
»Wirklich? Bist du dir da sicher, Lauren?«
Ja, hundert Prozent sicher. Langsam wurde sie wütend. »Ja, ganz sicher! Warum wollen Sie das wissen?«
»Weil ... weil es mich freuen würde, wenn sich dieser Mann nach fünf Jahren fest an dich binden würde. Wenn er dazu in der Lage wäre. Aber ich habe den Eindruck, dass er das nicht kann. Habe ich da recht, Lauren? Korrigiere mich bitte, falls ich mich irre.«
Ein wenig aus dem Tritt gebracht durch die eigenartige Wendung, die das Gespräch nahm, sah Lauren den Arzt verwirrt an. Ruhig fragte er erneut: »Irre ich mich oder nicht?«
Im Stillen verwünschte sie Dr. Mallons offenbar hellseherische Fähigkeiten. »Nein. Sie irren sich nicht. Das - das ist bloß kein Problem für uns, so sieht es aus.«
Dr. Mallon setzte seine Brille ab und rieb sich kurz mit beiden Händen über die Wurzel seiner höckrigen Nase.
»Dann wird es bald ein Problem werden, Lauren. So leid es mir tut, dir das mitteilen zu müssen, aber du hast Hepatitis.«
Hepatitis? Wie bitte? Sie hatte mal etwas darüber in der Zeitung gelesen, konnte sich aber an nichts Genaues erinnern. Sie fühlte sich wie betäubt. Spürte, wie ihr auf einmal eiskalt wurde.
Trotz allem, was Dr. Mallon für Caoimhe getan hatte, kamen ihr nun Zweifel an dem alten Arzt. Wie kam er darauf, dass sie tatsächlich an einer richtigen Krankheit leiden könnte? Ihr fehlte nichts weiter, sie musste sich nur mal gründlich ausschlafen und vielleicht ein paar Vitamine einnehmen, dann würde es ihr bald wieder gutgehen. Reglos saß sie da und starrte ihn an. Ihr Trotz regte sich.
»Dr. Mallon, ich glaube, da liegt ein Irrtum vor. Ich bin nur ein bisschen übermüdet, mehr nicht.«
»Ja. Ich weiß. Heutzutage klagen viele Menschen über chronische Müdigkeit. Das ist sehr verbreitet. Nur gibt es in deinem Fall einen Grund dafür. Diesen Laborergebnissen zufolge hast du Hepatitis.«
Einen Moment lang lehnte sich Lauren verwirrt zurück, ehe es ihr langsam zu dämmern begann und sie hysterisch auflachte.
»Ach! Jetzt verstehe ich! Einer der Jungs im Büro hatte letzten Sommer Hepatitis, nachdem er im Urlaub in Rio irgendwas Falsches getrunken hatte! Ich wusste gar nicht, dass das ansteckend ist, und außerdem geht es ihm schon viel besser -«
Lauren begriff endlich, warum Dr. Mallon sie nach ihrer Beziehung gefragt hatte, und war unendlich erleichtert. Er hatte nur wissen wollen, ob sie noch mit einem anderen Mann außer Jordan geschlafen hatte, mit anderen Worten, er dachte, sie wäre mit ihrem Kollegen Paul im Bett gewesen.
Aber er kannte Paul ja gar nicht und konnte auch nichts von seiner Hepatitis wissen - welche war es noch genau? Anscheinend gab es unterschiedliche Typen von Hepatitis, und Paul hatte nur eine leichte gehabt. Jedenfalls hatten sie keinen engeren körperlichen Kontakt gehabt, geschweige denn Sex. Kurz gesagt, Dr. Mallon litt unter Hirngespinsten.
Er betrachtete sie schweigend, wollte offenbar warten, bis der Schock ein wenig nachgelassen hatte. Aber über den war sie längst hinweg. Die Diagnose war falsch.
Seufzend stand er auf und schob die Hände in die Taschen seiner rehbraunen Strickjacke. »Lauren, ich weiß, dass du darauf heute nicht gefasst warst. Aber es ist meine traurige Pflicht, dir zu sagen, dass du Hepatitis C hast, eine sehr ernste Form dieser Krankheit. Sie greift die Leber an, und ich werde dich an einen Hepatologen überweisen müssen. An einen Spezialisten.«
Nun sprang sie ihrerseits auf und fuhr den Arzt mit schriller Stimme an. »Aber das kann nicht sein! Sie müssen sich irren! Wie hätte ich denn Hepatitis bekommen sollen? Ich war in keinem Land, wo man sich so was holt, ich war mit keinem Mann im Bett außer Jordan -«
»Nein. Ich kenne dich lange genug, um dir in diesem Punkt zu glauben. Aber - Lauren, ich vermute stark, Jordan hat mit jemand anderem außer dir geschlafen.«
Ihr wurde schwindelig, der Raum um sie herum geriet ins Kippen.
»J - Jordan? Aber er -«
»Er ist verheiratet. Bitte sei ehrlich zu mir, Lauren. Es stimmt, er ist verheiratet, oder?«
Eine Sekunde lang verschlug es ihr die Sprache. »J - ja, das ist er, aber er schläft nicht mehr mit seiner Frau! Sie führen getrennte Leben, seit Jahren schon, bleiben nur zusammen wegen -«
»Ich weiß. Wegen der Kinder. Weißt du zufällig, wann das jüngste geboren wurde?«
»Vor sieben Jahren, zwei Jahre bevor ich ihn kennenlernte!« Dagegen, dass sie inzwischen regelrecht schrie, konnte sie nichts tun.
»Und seither hatten sie kein weiteres Kind?«
»Nein!«
»Weißt du das mit Sicherheit?«
»Natürlich!«
Dr. Mallon seufzte. »Dann hat seine Frau womöglich aus einem anderen Grund eine Bluttransfusion erhalten. Tut mir leid, dir das so unverblümt sagen zu müssen, aber er ist die einzige in Frage kommende Infektionsquelle, die ich seit Erhalt dieser Ergebnisse habe ausmachen können. Du hast nie eine Transfusion erhalten, und ich denke, es hätte in der Zeitung gestanden, falls Richter White aus irgendeinem Grund eine Blutspende benötigt hätte.«
»Dr. Mallon, Sie wissen nicht alles über jeden Menschen in meinem Leben.«
»Nein. Aber ich habe ein sorgsames Auge auf meine Patienten, in mehr als einer Hinsicht. Auf dich habe ich ein Auge, seit du auf der Welt bist, auch wenn du das nicht immer gemerkt hast. Du kannst manchmal ein wenig- schwierig sein.«
Verzweifelt um Fassung ringend, ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. »Dr. Mallon, ich - ich weiß nicht genau, was hier vorgeht. Mir ist es einfach schleierhaft, wie ich mich mit Hepatitis angesteckt haben soll. Aber wenn Sie sicher über den Befund sind, möchte ich gern, dass Sie mir bitte alles haarklein erklären. Welche Art genau ist es, was muss ich tun, um gesund zu werden?«
Auch er nahm wieder Platz und schlug einen betont milden Tonfall an, als hätte er es mit einem verängstigten, unvernünftigen Kind zu tun. »Es handelt sich um Hepatitis C, die, wie schon gesagt, die Leber angreift. Wir werden weitere Tests durchführen müssen, um zu bestimmen, wie schlimm deine schon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Falls der Schaden noch begrenzt ist, stehen deine Chancen gar nicht mal schlecht. Womöglich könntest du sogar noch einige Monate arbeiten, in Teilzeit -«
Teilzeit? Einige Monate? Lauren suchte Halt an der Schreibtischkante, ließ den Kopf sinken. Ihr war schwindelig, Übelkeit stieg in ihr auf.
»Möchtest du ein Glas Wasser? Soll ich das Fenster öffnen?« Besorgt streckte der Arzt ihr die Hand entgegen, sie wich jedoch zurück.
»Nein, ich -» Sie bekam keine Luft mehr, hatte das Gefühl, jemand drückte ihr die Kehle zu. Nach einer Weile flüsterte...
Übersetzung: Ulrike Thiesmeyer
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
»Mrs. O' S haughnessy? «
Dr. Mallon steckte den Kopf durch die Tür, die Frau stand auf und bugsierte ihre nervtötenden Kinder ins Sprechzimmer. Gut. Blieben nur noch sie und ein mäusegesichtiger Mann, der ihr vorhin die Tür zur Praxis aufgehalten hatte. Da Lauren als Erste das Wartezimmer betreten hatte, war sie also vor ihm an der Reihe.
Auf dem Kaminsims tickte eine Uhr, die zwölf Minuten nachging, was Lauren zu der ungeduldigen Überlegung veranlasste, warum Dr. Mallon - oder seine beleibte, kurzatmige Ehefrau - dieses angestaubte viktorianische Haus nicht endlich einmal renovieren ließ. Seit sie vor dreißig Jahren als Kind zum ersten Mal hier gewesen war, waren offenbar nicht einmal die Zeitschriften ausgewechselt worden. Der Teppich jedenfalls war noch der alte, ebenso die gestreifte Seidentapete und die Kiste mit dem Kinderspielzeug. Mit den altmodischen Holzpuzzles und den angegilbten Puppen, das wusste sogar Lauren, würde man bei den Kindern von heute jedoch nur wenig Begeisterung hervorrufen.
Ansonsten wusste sie herzlich wenig über Kinder, nur, dass sie keine wollte und ohnehin keine Zeit dafür gehabt hätte. Nicht mal, wenn Jordan - na ja. Jordan führte sein Leben, sie führte ihres, und das passte ihnen beiden ganz gut in den Kram. Er wäre entsetzt, wenn er sie jetzt hier sähe, und würde entgeistert fragen, warum sie nicht zu einem »richtigen« Arzt am noblen Fitzwilliam Square gegangen sei. Zu einem Arzt im Armani-Anzug, mit großformatiger moderner Kunst im Empfangsbereich und einem Jaguar vor der Haustür. Dr. Mallon trug Strickjacke und Cordhosen und hatte nicht einmal eine Sprechstundenhilfe.
Aber Dr. Mallon hatte ihrer Schwester das Leben gerettet. Caoimhe wäre längst tot, wenn er damals, als sie fünf Wochen alt war, nicht gleich erkannt hätte, dass sich bei ihr eine Hirnhautentzündung anbahnte. Heute ist sie siebenundzwanzig, und in Laurens Familie war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass alle zu Dr. Mallon gingen. Wobei, allzu lange dürfte er wohl nicht mehr praktizieren, dachte Lauren. Er ist bestimmt weit über sechzig. Wenn er erst im Ruhestand ist, können wir uns endlich alle neue, moderne Ärzte suchen, mit Plasmabildschirmen im Wartezimmer, auf denen Trickfilme laufen. Mutter natürlich nicht. Die wird es fertigbringen, wieder so einen Methusalem ausfindig zu machen, der nahtlos an Dr. Mallons Wirken anknüpft. Papa geht ohnehin nie zum Arzt. Aber Caoimhe und ich sind dann endlich aus dieser lebenslangen Loyalität entlassen. Dr. Mallon mag ein guter Arzt sein, und er wird schon kurieren, was auch immer mit mir nicht stimmen mag, aber seine besten Zeiten hat er hinter sich.
So fühle ich mich momentan aber auch. Ich will nicht ins Theater. Wenn Jordan die Eintrittskarten nicht schon besorgt hätte, würde ich ihn anrufen und ihm sagen -
»Lauren? «
Erschrocken riss sie den Kopf hoch, der zu ihrer Bestürzung nach vorne gesackt war. Sie war im Begriff gewesen, einzudösen. Beschämt stand sie auf, strich sich den Rock glatt und folgte Dr. Mallon ins Sprechzimmer. Sie hatte es eilig. Im Übrigen wäre es ihr, obwohl sie das nie offen zur Sprache gebracht hätte, wesentlich lieber gewesen, wenn Dr. Mallon sie »Miss Kilroy« genannt hätte, zumindest im Beisein anderer, wie es sich bei einer Frau von zweiunddreißig Jahren gehörte, die dazu noch überaus erfolgreich in der Werbung tätig war.
Dr. Mallons Sprechzimmer war ebenso altmodisch und vom Zahn der Zeit benagt wie das Wartezimmer. Neben einem alten Ledersofa und einem Orientteppich mit Fransen befand sich darin ein massiver Eichenschrank mit Messinggriffen, der vor braunen Pappordnern förmlich überquoll. Das Computerzeitalter war an dem alten Hausarzt offenbar spurlos vorübergegangen. Lauren musste einen unwilligen Seufzer unterdrücken.
»Bitte, nimm Platz.«
Der Arzt deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, wobei seine Armbanduhr, ein klassisches Modell mit römischen Ziffern, ihm das hagere Handgelenk hinabrutschte. Sein noch immer volles Haar war mittlerweile schlohweiß. Wenn er lächelte, zog sich ein dichtes Gespinst von Falten über sein Gesicht, und seine einst kobaltblauen Augen schienen eigenartig verblasst. Keine Frage, er war alt geworden. Nachdem er umständlich und recht schwerfällig hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte, warf er einen Blick auf die handschriftliche Akte, die aufgeschlagen vor ihm lag. Er setzte an, etwas zu sagen, schien dann aber seine Meinung zu ändern und lächelte Lauren an.
»Also«, sagte er mit freundlicher Stimme, »wie geht es dir?« »Keine Ahnung«, antwortete sie. »Genau das möchte ich ja von Ihnen wissen.«
Er nickte, rührte jedoch die Akte vor sich nicht an. Sie enthielt vermutlich die Ergebnisse der Blutuntersuchung, deretwegen er sie zehn Tage zuvor herbestellt hatte. Die Blutuntersuchung, die eine Erklärung dafür liefern würde, warum sie sich mit zweiunddreißig eher fühlte wie achtundneunzig. Vermutlich Stress, hatte er gesagt, nicht selten bei Menschen, die vierzehn Stunden am Tag arbeiteten und dann loshetzten, um Squash zu spielen oder Flüge nach New York zu erwischen. Auch Blutarmut kam in Betracht. Die ließe sich mit Eisen beheben sowie mit »vernünftigen Mahlzeiten«, bestehend aus Kohl und Leber; aber nicht aus der Mikrowelle oder hastig in irgendeinem Restaurant heruntergeschlungen, sondern schonend und natürlich zubereitet. Dr. Mallon war ein großer Verfechter des Natürlichen. Lauren wäre lieber verhungert, als auch nur einen Bissen Kohl oder Leber zu sich zu nehmen. Sie sah den Arzt nun direkt an.
»Sind meine Ergebnisse da?«
Eine ganz simple Frage, bei der sie jedoch ein leises Unbehagen beschlich. Herrje, wenn ihr nun tatsächlich etwas fehlte! Doch Dr. Mallon hatte letzte Woche, nachdem er sie untersucht hatte, nicht übermäßig beunruhigt gewirkt. Er hatte ihr lediglich einen langatmigen und ziemlich nervtötenden Vortrag über ihre »Generation« gehalten, die einen zu hektischen Lebenswandel führte, sich unvernünftig ernährte und deren weibliche Vertreter allesamt ein »neurotisches« Verhältnis zu ihrem Gewicht hatten. Dabei hatte Lauren noch nie eine Diät gemacht, zumindest nicht bewusst, da sie ohnehin selten dazu kam, überhaupt eine Mahlzeit zu beenden. Und bei 1,70 m Körpergröße waren ihre zweiundfünfzig Kilo - so hatte sie es einer Zeitschriftentabelle entnommen - völlig im Rahmen des Üblichen.
Dr. Mallon seufzte leise und lächelte wieder. Sein Lächeln schürte ihren Verdacht, er würde ihr nun gleich die Hand tätscheln und den guten Rat geben, sich etwas mehr Schlaf zu gönnen. Mit Vergnügen, wenn das irgendwie ginge!
»Ja, sie liegen mir jetzt vor. Aber erst würde mich interessieren, wie läuft es so bei der Arbeit?«
»Hektisch«, erwiderte sie ziemlich kurz angebunden. »Aber das habe ich Ihnen ja schon letzte Woche erzählt, so ist es da immer ... ich arbeite gerade an einer neuen Kampagne für einen kalorienarmen Soft-Drink, die können Sie ab April im Fernsehen bewundern, falls ich bis dahin den verflixten Jingle hinbekommen haben sollte.«
Und endlich hier rauskann, um es ins Theater zu schaffen, dachte sie. Eher unwahrscheinlich, wenn er jetzt über meine Arbeit sprechen will. Ich komme zu spät, Jordan wird sauer sein, wir können erst nach dem ersten Akt hinein - Herrgott, Dr. Mallon, kommen Sie bitte zur Sache, verschreiben Sie mir irgendwas und lassen Sie mich gehen!
»Im April«, wiederholte er aufreizend bedächtig. »Hm. Verstehe. Und deine Eltern? Die kleine Caoimhe? Alle wohlauf?«
Also wirklich! »Ja, danke, es geht allen sehr gut.«
Er musterte sie milde, aber auch ein wenig fragend, als wolle er noch etwas aus ihr herauskitzeln. Doch was ihre Eltern betraf, hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Jeden zweiten Sonntag traf sie sich mit ihnen in einem Hotel in Howth zum Mittagessen. Ein grässliches Hotel, aber sie hatte zähneknirschend klein beigeben müssen, nachdem die beiden in einem ungleich nobleren, kostspieligeren Restaurant in der Dubliner Innenstadt kaum etwas von den edlen, raffinierten Gerichten angerührt hatten. Das Brathähnchen mit Kartoffeln in Howth aßen sie wenigstens, was den Vorteil hatte, dass sie meistens mit Kauen beschäftigt waren und weniger Zeit für die Konversation blieb.
Seit drei Jahren lud sie die Eltern gewissenhaft nach Howth ein - außer, sie war auf Reisen oder musste am Wochenende arbeiten -, und sie wollte nicht darüber nachdenken, geschweige denn reden; zu stumpfsinnig, zu monoton, zu öde war dieses immer gleiche Ritual. Ihre Eltern, Eoin und Betty, liebten feste Rituale. Also lächelte sie Dr. Mallon nur an, und er nickte wieder langsam.
»Schön. Und dein - äh - Freund? Wie heißt er noch, Joe?«
Lauren zuckte zusammen. Joe? Dr. Mallon brachte es fertig, ihren Liebsten nach einem ordinären Proleten klingen zu lassen.
»Jordan. Jordan White. Auch er erfreut sich bester Gesundheit, danke.«
»Freut mich zu hören. Hilf mir auf die Sprünge, was macht er noch gleich beruflich?«
Sie lassen nach, Doktor, aber gewaltig, dachte sie. Das haben Sie mich vor Ewigkeiten schon mal gefragt, und ich habe es Ihnen gesagt, vor fünf Jahren, als Sie mir die Pille verschrieben haben. Wenigstens schwanger kann ich nicht sein, ein Trost ... aber auch nicht krank, sonst würden Sie nicht so herumschwafeln, sondern mich auf der Stelle ins Krankenhaus schicken.
Halb erleichtert, halb unwillig beantwortete sie seine Frage. »Jordan ist Richter. Richter für Strafrecht.«
»Ah, ja. Richtig. Wusste ich doch, dass es etwas war, das ihn zeitlich stark in Anspruch nimmt.«
Lauren warf Dr. Mallon einen scharfen Blick zu. Was wollen Sie damit sagen, alter Mann? Dass Sie wissen, dass Jordan verheiratet und zweifacher Vater ist und deswegen wenig Zeit hat?
Nun, selbst wenn dem so ist, geht Sie das gar nichts an. Außerdem habe ich selbst viel zu tun. Und überhaupt, bei Frauen in meinem Alter spricht man gewöhnlich vom »Partner«, wenn es um Männer geht, nicht vom »Freund«.
Entnervt warf sie zum zweiten Mal einen Blick auf die Uhr.
»Dr. Mallon, tut mir sehr leid, aber ich habe es heute Abend wirklich wahnsinnig eilig. Könnten wir nicht vielleicht einfach - verstehen Sie-? «
Ein wenig schuldbewusst, schließlich meinte er es ja nur gut, ließ sie ihre ausgestreckten Zeigefinger rasch umeinanderkreisen, als Aufforderung, nun endlich zur Sache zu kommen. Tatsächlich nahm er seine Brille vom Tisch, setzte sie auf und gri nach ihrer Akte.
»Ja, Lauren, selbstverständlich. Entschuldige, falls ich dich aufhalte, aber ich kenne deine Eltern jetzt schon so lange, und Caoimhe liegt mir, wie du weißt, seit eh und je ganz besonders am Herzen.«
Ja, Caoimhe hatte ihm viel zu verdanken, und es war verständlich, dass er sich stets nach ihr erkundigte. Aber vielleicht könnten wir Jordan jetzt mal außen vor lassen und weitermachen?
Dr. Mallon überflog stirnrunzelnd die Akte, legte sie wieder hin- Herrgott! -, faltete die Hände, dachte kurz nach und ergriff dann endlich das Wort.
»Ehe wir über die Ergebnisse deiner Blutuntersuchung sprechen, Lauren, darf ich dich etwas Persönliches fragen?«
»Nun, äh - wieso nicht, wenn es von Belang ist.«
Das müsste doch als Fingerzeig genügen, dachte sie. Aber er schien sich nicht hetzen lassen zu wollen. Jordan würde toben, wenn sie zu spät kam.
Dr. Mallon räusperte sich. »Dein - äh - na ja - Freund da. Wie lange bist du jetzt mit ihm zusammen?«
»Fünf Jahre. Steht in Ihren Unterlagen. Wegen meiner Empfängnisverhütung, meine ich.«
»Ja, stimmt ... Du hast recht. Ungewöhnlich, dass eine junge Frau heutzutage so lange mit demselben Partner zusammen ist! Und, äh, du bist ihm auch treu geblieben, ja?«
Lauren runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? »Ja, natürlich. Jordan und ich -«
»Lass mich raten! Ihr wollt heiraten?«
Dr. Mallon sah sie nun fast eifrig an, und Lauren wich zurück. »Nein. Auf keinen Fall. Wir sind auch so sehr glücklich miteinander.«
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des alten Arztes. Er beugte sich vor und sah sie eindringlich an.
»Wirklich? Bist du dir da sicher, Lauren?«
Ja, hundert Prozent sicher. Langsam wurde sie wütend. »Ja, ganz sicher! Warum wollen Sie das wissen?«
»Weil ... weil es mich freuen würde, wenn sich dieser Mann nach fünf Jahren fest an dich binden würde. Wenn er dazu in der Lage wäre. Aber ich habe den Eindruck, dass er das nicht kann. Habe ich da recht, Lauren? Korrigiere mich bitte, falls ich mich irre.«
Ein wenig aus dem Tritt gebracht durch die eigenartige Wendung, die das Gespräch nahm, sah Lauren den Arzt verwirrt an. Ruhig fragte er erneut: »Irre ich mich oder nicht?«
Im Stillen verwünschte sie Dr. Mallons offenbar hellseherische Fähigkeiten. »Nein. Sie irren sich nicht. Das - das ist bloß kein Problem für uns, so sieht es aus.«
Dr. Mallon setzte seine Brille ab und rieb sich kurz mit beiden Händen über die Wurzel seiner höckrigen Nase.
»Dann wird es bald ein Problem werden, Lauren. So leid es mir tut, dir das mitteilen zu müssen, aber du hast Hepatitis.«
Hepatitis? Wie bitte? Sie hatte mal etwas darüber in der Zeitung gelesen, konnte sich aber an nichts Genaues erinnern. Sie fühlte sich wie betäubt. Spürte, wie ihr auf einmal eiskalt wurde.
Trotz allem, was Dr. Mallon für Caoimhe getan hatte, kamen ihr nun Zweifel an dem alten Arzt. Wie kam er darauf, dass sie tatsächlich an einer richtigen Krankheit leiden könnte? Ihr fehlte nichts weiter, sie musste sich nur mal gründlich ausschlafen und vielleicht ein paar Vitamine einnehmen, dann würde es ihr bald wieder gutgehen. Reglos saß sie da und starrte ihn an. Ihr Trotz regte sich.
»Dr. Mallon, ich glaube, da liegt ein Irrtum vor. Ich bin nur ein bisschen übermüdet, mehr nicht.«
»Ja. Ich weiß. Heutzutage klagen viele Menschen über chronische Müdigkeit. Das ist sehr verbreitet. Nur gibt es in deinem Fall einen Grund dafür. Diesen Laborergebnissen zufolge hast du Hepatitis.«
Einen Moment lang lehnte sich Lauren verwirrt zurück, ehe es ihr langsam zu dämmern begann und sie hysterisch auflachte.
»Ach! Jetzt verstehe ich! Einer der Jungs im Büro hatte letzten Sommer Hepatitis, nachdem er im Urlaub in Rio irgendwas Falsches getrunken hatte! Ich wusste gar nicht, dass das ansteckend ist, und außerdem geht es ihm schon viel besser -«
Lauren begriff endlich, warum Dr. Mallon sie nach ihrer Beziehung gefragt hatte, und war unendlich erleichtert. Er hatte nur wissen wollen, ob sie noch mit einem anderen Mann außer Jordan geschlafen hatte, mit anderen Worten, er dachte, sie wäre mit ihrem Kollegen Paul im Bett gewesen.
Aber er kannte Paul ja gar nicht und konnte auch nichts von seiner Hepatitis wissen - welche war es noch genau? Anscheinend gab es unterschiedliche Typen von Hepatitis, und Paul hatte nur eine leichte gehabt. Jedenfalls hatten sie keinen engeren körperlichen Kontakt gehabt, geschweige denn Sex. Kurz gesagt, Dr. Mallon litt unter Hirngespinsten.
Er betrachtete sie schweigend, wollte offenbar warten, bis der Schock ein wenig nachgelassen hatte. Aber über den war sie längst hinweg. Die Diagnose war falsch.
Seufzend stand er auf und schob die Hände in die Taschen seiner rehbraunen Strickjacke. »Lauren, ich weiß, dass du darauf heute nicht gefasst warst. Aber es ist meine traurige Pflicht, dir zu sagen, dass du Hepatitis C hast, eine sehr ernste Form dieser Krankheit. Sie greift die Leber an, und ich werde dich an einen Hepatologen überweisen müssen. An einen Spezialisten.«
Nun sprang sie ihrerseits auf und fuhr den Arzt mit schriller Stimme an. »Aber das kann nicht sein! Sie müssen sich irren! Wie hätte ich denn Hepatitis bekommen sollen? Ich war in keinem Land, wo man sich so was holt, ich war mit keinem Mann im Bett außer Jordan -«
»Nein. Ich kenne dich lange genug, um dir in diesem Punkt zu glauben. Aber - Lauren, ich vermute stark, Jordan hat mit jemand anderem außer dir geschlafen.«
Ihr wurde schwindelig, der Raum um sie herum geriet ins Kippen.
»J - Jordan? Aber er -«
»Er ist verheiratet. Bitte sei ehrlich zu mir, Lauren. Es stimmt, er ist verheiratet, oder?«
Eine Sekunde lang verschlug es ihr die Sprache. »J - ja, das ist er, aber er schläft nicht mehr mit seiner Frau! Sie führen getrennte Leben, seit Jahren schon, bleiben nur zusammen wegen -«
»Ich weiß. Wegen der Kinder. Weißt du zufällig, wann das jüngste geboren wurde?«
»Vor sieben Jahren, zwei Jahre bevor ich ihn kennenlernte!« Dagegen, dass sie inzwischen regelrecht schrie, konnte sie nichts tun.
»Und seither hatten sie kein weiteres Kind?«
»Nein!«
»Weißt du das mit Sicherheit?«
»Natürlich!«
Dr. Mallon seufzte. »Dann hat seine Frau womöglich aus einem anderen Grund eine Bluttransfusion erhalten. Tut mir leid, dir das so unverblümt sagen zu müssen, aber er ist die einzige in Frage kommende Infektionsquelle, die ich seit Erhalt dieser Ergebnisse habe ausmachen können. Du hast nie eine Transfusion erhalten, und ich denke, es hätte in der Zeitung gestanden, falls Richter White aus irgendeinem Grund eine Blutspende benötigt hätte.«
»Dr. Mallon, Sie wissen nicht alles über jeden Menschen in meinem Leben.«
»Nein. Aber ich habe ein sorgsames Auge auf meine Patienten, in mehr als einer Hinsicht. Auf dich habe ich ein Auge, seit du auf der Welt bist, auch wenn du das nicht immer gemerkt hast. Du kannst manchmal ein wenig- schwierig sein.«
Verzweifelt um Fassung ringend, ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. »Dr. Mallon, ich - ich weiß nicht genau, was hier vorgeht. Mir ist es einfach schleierhaft, wie ich mich mit Hepatitis angesteckt haben soll. Aber wenn Sie sicher über den Befund sind, möchte ich gern, dass Sie mir bitte alles haarklein erklären. Welche Art genau ist es, was muss ich tun, um gesund zu werden?«
Auch er nahm wieder Platz und schlug einen betont milden Tonfall an, als hätte er es mit einem verängstigten, unvernünftigen Kind zu tun. »Es handelt sich um Hepatitis C, die, wie schon gesagt, die Leber angreift. Wir werden weitere Tests durchführen müssen, um zu bestimmen, wie schlimm deine schon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Falls der Schaden noch begrenzt ist, stehen deine Chancen gar nicht mal schlecht. Womöglich könntest du sogar noch einige Monate arbeiten, in Teilzeit -«
Teilzeit? Einige Monate? Lauren suchte Halt an der Schreibtischkante, ließ den Kopf sinken. Ihr war schwindelig, Übelkeit stieg in ihr auf.
»Möchtest du ein Glas Wasser? Soll ich das Fenster öffnen?« Besorgt streckte der Arzt ihr die Hand entgegen, sie wich jedoch zurück.
»Nein, ich -» Sie bekam keine Luft mehr, hatte das Gefühl, jemand drückte ihr die Kehle zu. Nach einer Weile flüsterte...
Übersetzung: Ulrike Thiesmeyer
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Autoren-Porträt von Liz Ryan
Liz Ryan ist in ihrer irischen Heimat eine bekannte Autorin von Unterhaltungsromanen. Ihre Karriere begann sie als Kolumnistin und Radiojournalistin. Sie hat bisher sechs Romane veröffentlicht, die in Irland alle zu Bestsellern wurden. Die Autorin lebt abwechselnd in Irland und Südfrankreich.
Bibliographische Angaben
- Autor: Liz Ryan
- 542 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386800601X
- ISBN-13: 9783868006018
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