Das Geflecht
Thriller. Originalausgabe
Ein stillgelegtes Bergwerk: perfekt für eine Party der anderen Art. Doch dann stürzen zwei der Jugendlichen in einen Schacht. Und dort unten lebt etwas, von dem niemand weiß.
Nur eine Frau kann sie retten: Tia Traveen, eine blinde...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch (Kartoniert)
9.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Geflecht “
Ein stillgelegtes Bergwerk: perfekt für eine Party der anderen Art. Doch dann stürzen zwei der Jugendlichen in einen Schacht. Und dort unten lebt etwas, von dem niemand weiß.
Nur eine Frau kann sie retten: Tia Traveen, eine blinde Höhlenforscherin mit besonderen Fähigkeiten.
Klappentext zu „Das Geflecht “
Es lebt. Es wächst. Es tötet.Ein stillgelegtes Bergwerk: für Justin und seine Freunde der perfekte Ort, eine verbotene Party zu feiern. Was als Spaß begann, endet in einem Albtraum. Zwei der jungen Draufgänger stürzen in einen tiefen, engen Schacht.
Nur eine Frau kann sie retten: Tia Traveen ist Höhlenforscherin, eine der besten - und sie ist blind. Doch kaum hat sie sich in die Tiefe abgeseilt, stürzt hinter ihr der Schachteingang ein.
In dem finsteren Labyrinth beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn dort unten wächst etwas Tödliches. Und irgendjemand setzt alles daran, dass keiner überlebt, um davon zu erzählen.
Es lebt. Es wächst. Es tötet.
Ein stillgelegtes Bergwerk: für Justin und seine Freunde der perfekte Ort, eine verbotene Party zu feiern. Was als Spaß begann, endet in einem Albtraum. Zwei der jungen Draufgänger stürzen in einen tiefen, engen Schacht.
Nur eine Frau kann sie retten: Tia Traveen ist Höhlenforscherin, eine der besten - und sie ist blind. Doch kaum hat sie sich in die Tiefe abgeseilt, stürzt hinter ihr der Schachteingang ein.
In dem finsteren Labyrinth beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn dort unten wächst etwas Tödliches. Und irgendjemand setzt alles daran, dass keiner überlebt, um davon zu erzählen.
Ein stillgelegtes Bergwerk: für Justin und seine Freunde der perfekte Ort, eine verbotene Party zu feiern. Was als Spaß begann, endet in einem Albtraum. Zwei der jungen Draufgänger stürzen in einen tiefen, engen Schacht.
Nur eine Frau kann sie retten: Tia Traveen ist Höhlenforscherin, eine der besten - und sie ist blind. Doch kaum hat sie sich in die Tiefe abgeseilt, stürzt hinter ihr der Schachteingang ein.
In dem finsteren Labyrinth beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn dort unten wächst etwas Tödliches. Und irgendjemand setzt alles daran, dass keiner überlebt, um davon zu erzählen.
Lese-Probe zu „Das Geflecht “
Das Geflecht von Andreas Laudan•••19:30•••TIA•••
... mehr
Die Felswand war so steil, dass sie nahezu senkrecht zur Decke hinaufführte. Ihre zerklüftete Oberfläche fühlte sich spröde an. Die zahlreichen Vorsprünge, die aus dem Gestein ragten, hätten einen unerfahrenen Kletterer leicht zu tödlichen Fehlern verleitet, denn sie schienen sich als Trittstufen geradezu anzubieten. Doch Tia Traveen wusste, dass der Hang mit Kalktuff bedeckt war, einem trügerischen Material, durchsetzt von Millionen feiner Bläschen und Hohlräume. Jeder Vorsprung, an dem sie sich festklammerte, konnte zu feinem Staub zerbröseln, jede Felszacke unter ihren Füßen wegbrechen.
Während sie auf halber Höhe an der Klippe hing, ertastete sie mit äußerster Vorsicht die Umgebung, stets bemüht, ihr Gewicht nicht allzu plötzlich zu verlagern. Sie fand einen Felsspalt, etwa eine Armlänge über ihrem Kopf, und prüfte seine Stabilität, indem sie die Ränder mit dem Fingerknöchel abklopfte. Dann erst zog sie einen Klemmkeil aus dem Gürtel, drückte ihn in den Spalt und ließ ihn einrasten.
«Wie kommst du voran ?», fragte eine vertraute Stimme an ihrem linken Ohr. Sie drang aus dem Headset, das Tia wie üblich unter ihrem Helm trug. Leon, ihr Partner, stand nur sechs Meter unter ihr am Fuß der Felswand, doch es war einfacher, sich per Funk zu unterhalten, als ständig hinauf- und hinabzurufen.
«Ganz gut», antwortete Tia, während sie das Sicherungsseil durch die Schlaufe des Klemmkeils zog. «Im Grunde ein simpler Vorstieg - nichts, was ich nicht schon hundertmal gemacht hätte. Nur die Beschaffenheit der Wand erschwert die Sache.
Der Kalkstein ist beinahe so löchrig wie dieses ‹Basler Brot› heute Mittag.»
Leon lachte. «Tut mir leid, dass dir die Landesküche nicht zusagt! Wenn du willst, gehen wir heute Abend ins Hotelrestaurant und lassen uns zur Feier des Tages mit internationalen Spezialitäten bedienen.»
«Das wäre toll! Aber schauen wir erst mal, ob es überhaupt etwas zu feiern gibt.»
Tia ertastete den nächsten Felsvorsprung, prüfte seine Tragfähigkeit und zog sich eine Handbreit aufwärts. Die Nische knapp unter der Decke, auf die sie zusteuerte, war nicht mehr weit entfernt.
Wenn ich tatsächlich ein Exemplar des Pseudoskorpions finde, dachte sie, wäre das eine Feier wert. Am besten ein Weibchen - was sich leider erst im Labor nachweisen lassen würde.
Der winzige Pseudoskorpion, ein wenige Millimeter großes Tier, war bisher nur hier im Hölloch gefunden worden, dem zweitgrößten Höhlensystem Europas. Nach wie vor galt er als wissenschaftliche Sensation - und das einzige bislang geborgene Exemplar, das im Genfer Naturkundemuseum in Alkohol schwamm, war ein Männchen.
Tia befestigte eben den nächsten Keil, als ihr sensibles Gehör Schritte in einiger Entfernung ortete. Offenbar näherten sich mehrere Menschen der unterirdischen Halle, die abseits der öffentlichen Führungswege lag.
«Wir bekommen Gesellschaft», meldete Leon.
«Ich hör's. Wahrscheinlich Abenteuer-Touristen auf Abwegen.»
Selbst aus dieser Höhe konnte Tia die Geräusche der Besucher wahrnehmen: Ein Scharren von unzweckmäßigen Straßenschuhen, Rascheln von Polyesterstoff, leises Gemurmel und das feine Sirren einer tragbaren LED-Leuchte.
«Hallo !», begrüßte Leon die Fremden.
«Salü !», gab einer von ihnen salopp zurück. «Na, was macht ihr hier? »
«Nur 'ne kleine Klettertour», sagte Leon. Tia erriet, dass er seine Lampe hob und zu ihr hinaufdeutete. Die Touristen - sie schätzte, dass es vier oder fünf junge Männer waren - brachen in lautes Johlen und Pfeifen aus.
«Wow! Sexy!»
Tia verdrehte die Augen. Der Kommentar bezog sich wohl auf ihren Höhlenanzug, eine Spezialanfertigung, die Arme und Beine frei ließ und für sehende Augen am ehesten mit einem einteiligen Badeanzug vergleichbar war.
«Hoi Maitli!», rief einer der jungen Leute in breitem Schweizerdeutsch zu ihr nach oben. «Wozu brauchsch denn ein Seil ? Hier kann man auch ohne kräxle!»
Ihr blutigen Anfänger bestimmt nicht!, dachte Tia.
«Einer der Kerle scheint dir nachklettern zu wollen», informierte Leon sie.
«Um Himmels willen!» Tia erschrak. «Sag ihm, dass er sein Leben riskiert, wenn er hier ohne Seil und Haken hochsteigt!»
Undeutliches Stimmengewirr drang zu Tia herauf. Sie hörte den jungen Mann lachen.
«Zwecklos», meldete Leon schließlich. «Der Kerl lässt sich nicht abhalten. Er wettet sogar, dass er ohne Seil schneller oben ist als du.»
«Aber das ist doch Wahnsinn!»
Tia zog das Sicherungsseil durch die Schlaufe des Klemmkeils und lauschte angespannt. Unter sich hörte sie nun deutlich das Schnaufen des jungen Mannes, der mit der Geschwindigkeit eines Affen den steilen Abhang erkletterte. Tia roch seinen Schweiß, der mit seiner Körperwärme zu ihr heraufstieg. Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig, schlank, athletisch gebaut.
Eine gewisse Erfahrung besaß er ohne Zweifel, wahrscheinlich im Sportklettern über Tage, aber mit den besonderen Bedingungen in einer Höhle kannte er sich nicht aus - sonst wäre er kaum so leichtsinnig gewesen.
«Hoi!», rief er ihr zu, als er auf gleicher Höhe angekommen war. «Ich bin Daniel. Wie heißt du?»
Doch Tia schien die Situation zu absurd für Plaudereien.
«Du riskierst dein Leben!», versuchte sie ihm klarzumachen. «Der Hang besteht aus Kalktuff! Das Zeug kann leicht wegbrechen - verstehst du?»
Aber der Junge lachte und kletterte weiter. Offenbar hatte er den Hohlraum in der Felswand entdeckt, auf den Tia zusteuerte, eine traubenförmige Kaverne knapp unterhalb der Decke.
«Pass auf!», schrie sie.
Doch es war schon zu spät. Daniel hatte den Fuß auf einen terrassenförmigen Sims gesetzt, der mit einem trockenen Knirschen zerbrach. Eine Lawine aus Geröll regnete hinab. Der junge Mann schrie erschrocken auf, verlor den Halt und rutschte ein Stück an der Klippe herab.
Tia sprang das Herz in die Kehle. Zwar konnte sie nichts sehen, doch ihre übrigen Sinne waren binnen einer Schrecksekunde bis zum Äußersten geschärft, registrierten jedes Geräusch, jeden Luftzug, jede Erschütterung des Gesteins. Sie konnte sich die Situation ohne Mühe ausmalen: Daniel hing mit beiden Händen an irgendeinem brüchigen Vorsprung. Wenn er losließ, würde er sechs Meter tief stürzen - genug, um sich sämtliche Knochen zu brechen.
«Hilfe!»
Seine Stimme war etwa zwei Meter entfernt und bebte vor Todesangst.
So ein verdammter Idiot!, dachte Tia.
«Er kann jeden Moment abstürzen!», drang Leons erregte Stimme an ihr Ohr. «Was tun wir denn jetzt? Soll ich raufkommen?»
«Nein, bleib, wo du bist!», befahl Tia. «Ich werde versuchen, zu ihm rüberzuklettern und ihn an unsere Sicherheitsleine zu hängen.»
«Sei bloß vorsichtig! Genau zwischen euch ist eine Spalte in der Wand!»
«Ich weiß», bestätigte Tia, die bereits einen Arm ausgestreckt und die Verwerfung im Fels ertastet hatte. Es würde gefährlich werden - auch für sie. Vorsichtig schob sie sich zur Seite, überquerte einen schmalen Grat und suchte nach einer geeigneten Stelle für den nächsten Klemmkeil.
«Schnell!», schrie Daniel, dessen Stimme vor Panik flatterte. «Ich kann mich nicht mehr halten!»
«Es geht nicht schneller!», gab Tia ärgerlich zurück.
Hättest du es nicht so eilig gehabt, dachte sie, dann müsste ich jetzt nicht meinen Hals für dich riskieren!
Sie setzte den Keil, zog das Seil durch die Schlaufe und schob sich zentimeterweise weiter nach rechts. Als sie endlich den Felsvorsprung ertasten konnte, an dem der junge Mann sich festklammerte, verflog ihr Ärger und machte einer Welle des Mitgefühls Platz. Daniels Hände waren schweißnass, und seine Unterarme bebten unter der Anstrengung, das Gewicht seines Körpers zu tragen.
«Bitte!», stieß er hervor, mehr ein gepresstes Keuchen als ein Schrei.
«Keine Angst ! Ich bin ja da.» Tia trat mit den Zehenspitzen auf einen schmalen Steinhöcker und hoffte inständig, dass er nicht wegbrechen würde. Mit der freien Hand tastete sie über den Körper des Jungen, der wie erwartet kein Klettergeschirr trug. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als den Karabiner in seine Gürtelschnalle zu klinken.
«Halt still!»
Einige schrecklich lange Sekunden mühte sie sich, bis es ihr gelang, den Karabiner einzuhaken.
«Leon?», sagte sie aufatmend ins Mikrofon. «Greif dir die Jungs da unten! Sie sollen alle die Sicherheitsleine festhalten.» «Okay!»
Tia wartete, bis das Seil unter ihren Händen fest gespannt war. Dann tastete sie nach Daniels Gesicht und strich ihm tröstend über die Wange.
«Es kann nichts mehr passieren! Lass los!»
Sie erriet, dass er sie ungläubig anstarrte.
«Lass los, Daniel!», rief einer seiner Kameraden von unten.
Es dauerte eine Weile, bis der Junge sich überwinden konnte, seinen Halt an der Wand aufzugeben. Als er endlich losließ und einen halben Meter hinabstürzte, schrie er schrill, ohne sich beherrschen zu können. Doch das Seil fing ihn auf.
«Alles klar!», meldete Tia an Leon. «Lasst ihn runter, aber schön langsam! Ich komme nach.»
Wenige Minuten später standen alle wohlbehalten am Fuß der Felswand: Tia, Leon, Daniel und seine vier Begleiter. Die jungen Männer schwiegen betreten, während ihr geretteter Anführer sichtlich nach Worten rang.
«Merci», brachte er schließlich hervor.
«Lass dir das eine Lehre sein!», mahnte Tia ernst.
«Ich versprech's», sagte Daniel beschämt.
«Es ist wohl besser, wenn ihr jetzt geht. Und beim nächsten Mal solltet ihr vorsichtiger sein.»
Die jungen Leute wandten sich gehorsam zum Gehen. Zweifellos saß der Schreck ihnen noch in den Gliedern, und sie wagten keinen Widerspruch. Lediglich Daniel hatte sich nicht vom Fleck gerührt.
«Er hält dir die Hand hin», raunte Leon Tia zu.
«Oh.» Tia hob die ihre und tastete unsicher in der Luft. «Sie kann es nicht sehen», erklärte Leon dem Schweizer. «Wie?», murmelte dieser entgeistert.
«Ich bin blind», erklärte Tia, fand endlich seine Hand und drückte sie. Da sie fühlte, dass er sie noch immer anstarrte, wandte sie sich demonstrativ ab und begann, die Riemen ihres Klettergurts nachzuziehen. Endlich verrieten tappende Schritte, dass Daniel sich seinen Kameraden anschloss und die Halle verließ.
«Die waren garantiert ohne Lizenz hier», meinte Leon, als sie sich außer Hörweite entfernt hatten.
Tia nickte. «War ich sehr unfreundlich?»
«Nein, es war gut so! Für meinen Geschmack hat der Kerl dich ein wenig zu aufmerksam gemustert.»
«Na ja, immerhin habe ich ihm den Hals gerettet!»
«Und ich dachte schon, gleich fragt er noch nach deiner Telefonnummer.»
Tia lachte.
«Was ist nun mit der Nische da oben?», fragte Leon. «Neuer Versuch?»
«Gerne ! Hast du denn noch Geduld dafür?»
Leon seufzte. «Du weißt doch: Für dich tu ich alles.»
...
Copyright (c) 2012 by Rowohlt Verlag GmbH
Die Felswand war so steil, dass sie nahezu senkrecht zur Decke hinaufführte. Ihre zerklüftete Oberfläche fühlte sich spröde an. Die zahlreichen Vorsprünge, die aus dem Gestein ragten, hätten einen unerfahrenen Kletterer leicht zu tödlichen Fehlern verleitet, denn sie schienen sich als Trittstufen geradezu anzubieten. Doch Tia Traveen wusste, dass der Hang mit Kalktuff bedeckt war, einem trügerischen Material, durchsetzt von Millionen feiner Bläschen und Hohlräume. Jeder Vorsprung, an dem sie sich festklammerte, konnte zu feinem Staub zerbröseln, jede Felszacke unter ihren Füßen wegbrechen.
Während sie auf halber Höhe an der Klippe hing, ertastete sie mit äußerster Vorsicht die Umgebung, stets bemüht, ihr Gewicht nicht allzu plötzlich zu verlagern. Sie fand einen Felsspalt, etwa eine Armlänge über ihrem Kopf, und prüfte seine Stabilität, indem sie die Ränder mit dem Fingerknöchel abklopfte. Dann erst zog sie einen Klemmkeil aus dem Gürtel, drückte ihn in den Spalt und ließ ihn einrasten.
«Wie kommst du voran ?», fragte eine vertraute Stimme an ihrem linken Ohr. Sie drang aus dem Headset, das Tia wie üblich unter ihrem Helm trug. Leon, ihr Partner, stand nur sechs Meter unter ihr am Fuß der Felswand, doch es war einfacher, sich per Funk zu unterhalten, als ständig hinauf- und hinabzurufen.
«Ganz gut», antwortete Tia, während sie das Sicherungsseil durch die Schlaufe des Klemmkeils zog. «Im Grunde ein simpler Vorstieg - nichts, was ich nicht schon hundertmal gemacht hätte. Nur die Beschaffenheit der Wand erschwert die Sache.
Der Kalkstein ist beinahe so löchrig wie dieses ‹Basler Brot› heute Mittag.»
Leon lachte. «Tut mir leid, dass dir die Landesküche nicht zusagt! Wenn du willst, gehen wir heute Abend ins Hotelrestaurant und lassen uns zur Feier des Tages mit internationalen Spezialitäten bedienen.»
«Das wäre toll! Aber schauen wir erst mal, ob es überhaupt etwas zu feiern gibt.»
Tia ertastete den nächsten Felsvorsprung, prüfte seine Tragfähigkeit und zog sich eine Handbreit aufwärts. Die Nische knapp unter der Decke, auf die sie zusteuerte, war nicht mehr weit entfernt.
Wenn ich tatsächlich ein Exemplar des Pseudoskorpions finde, dachte sie, wäre das eine Feier wert. Am besten ein Weibchen - was sich leider erst im Labor nachweisen lassen würde.
Der winzige Pseudoskorpion, ein wenige Millimeter großes Tier, war bisher nur hier im Hölloch gefunden worden, dem zweitgrößten Höhlensystem Europas. Nach wie vor galt er als wissenschaftliche Sensation - und das einzige bislang geborgene Exemplar, das im Genfer Naturkundemuseum in Alkohol schwamm, war ein Männchen.
Tia befestigte eben den nächsten Keil, als ihr sensibles Gehör Schritte in einiger Entfernung ortete. Offenbar näherten sich mehrere Menschen der unterirdischen Halle, die abseits der öffentlichen Führungswege lag.
«Wir bekommen Gesellschaft», meldete Leon.
«Ich hör's. Wahrscheinlich Abenteuer-Touristen auf Abwegen.»
Selbst aus dieser Höhe konnte Tia die Geräusche der Besucher wahrnehmen: Ein Scharren von unzweckmäßigen Straßenschuhen, Rascheln von Polyesterstoff, leises Gemurmel und das feine Sirren einer tragbaren LED-Leuchte.
«Hallo !», begrüßte Leon die Fremden.
«Salü !», gab einer von ihnen salopp zurück. «Na, was macht ihr hier? »
«Nur 'ne kleine Klettertour», sagte Leon. Tia erriet, dass er seine Lampe hob und zu ihr hinaufdeutete. Die Touristen - sie schätzte, dass es vier oder fünf junge Männer waren - brachen in lautes Johlen und Pfeifen aus.
«Wow! Sexy!»
Tia verdrehte die Augen. Der Kommentar bezog sich wohl auf ihren Höhlenanzug, eine Spezialanfertigung, die Arme und Beine frei ließ und für sehende Augen am ehesten mit einem einteiligen Badeanzug vergleichbar war.
«Hoi Maitli!», rief einer der jungen Leute in breitem Schweizerdeutsch zu ihr nach oben. «Wozu brauchsch denn ein Seil ? Hier kann man auch ohne kräxle!»
Ihr blutigen Anfänger bestimmt nicht!, dachte Tia.
«Einer der Kerle scheint dir nachklettern zu wollen», informierte Leon sie.
«Um Himmels willen!» Tia erschrak. «Sag ihm, dass er sein Leben riskiert, wenn er hier ohne Seil und Haken hochsteigt!»
Undeutliches Stimmengewirr drang zu Tia herauf. Sie hörte den jungen Mann lachen.
«Zwecklos», meldete Leon schließlich. «Der Kerl lässt sich nicht abhalten. Er wettet sogar, dass er ohne Seil schneller oben ist als du.»
«Aber das ist doch Wahnsinn!»
Tia zog das Sicherungsseil durch die Schlaufe des Klemmkeils und lauschte angespannt. Unter sich hörte sie nun deutlich das Schnaufen des jungen Mannes, der mit der Geschwindigkeit eines Affen den steilen Abhang erkletterte. Tia roch seinen Schweiß, der mit seiner Körperwärme zu ihr heraufstieg. Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig, schlank, athletisch gebaut.
Eine gewisse Erfahrung besaß er ohne Zweifel, wahrscheinlich im Sportklettern über Tage, aber mit den besonderen Bedingungen in einer Höhle kannte er sich nicht aus - sonst wäre er kaum so leichtsinnig gewesen.
«Hoi!», rief er ihr zu, als er auf gleicher Höhe angekommen war. «Ich bin Daniel. Wie heißt du?»
Doch Tia schien die Situation zu absurd für Plaudereien.
«Du riskierst dein Leben!», versuchte sie ihm klarzumachen. «Der Hang besteht aus Kalktuff! Das Zeug kann leicht wegbrechen - verstehst du?»
Aber der Junge lachte und kletterte weiter. Offenbar hatte er den Hohlraum in der Felswand entdeckt, auf den Tia zusteuerte, eine traubenförmige Kaverne knapp unterhalb der Decke.
«Pass auf!», schrie sie.
Doch es war schon zu spät. Daniel hatte den Fuß auf einen terrassenförmigen Sims gesetzt, der mit einem trockenen Knirschen zerbrach. Eine Lawine aus Geröll regnete hinab. Der junge Mann schrie erschrocken auf, verlor den Halt und rutschte ein Stück an der Klippe herab.
Tia sprang das Herz in die Kehle. Zwar konnte sie nichts sehen, doch ihre übrigen Sinne waren binnen einer Schrecksekunde bis zum Äußersten geschärft, registrierten jedes Geräusch, jeden Luftzug, jede Erschütterung des Gesteins. Sie konnte sich die Situation ohne Mühe ausmalen: Daniel hing mit beiden Händen an irgendeinem brüchigen Vorsprung. Wenn er losließ, würde er sechs Meter tief stürzen - genug, um sich sämtliche Knochen zu brechen.
«Hilfe!»
Seine Stimme war etwa zwei Meter entfernt und bebte vor Todesangst.
So ein verdammter Idiot!, dachte Tia.
«Er kann jeden Moment abstürzen!», drang Leons erregte Stimme an ihr Ohr. «Was tun wir denn jetzt? Soll ich raufkommen?»
«Nein, bleib, wo du bist!», befahl Tia. «Ich werde versuchen, zu ihm rüberzuklettern und ihn an unsere Sicherheitsleine zu hängen.»
«Sei bloß vorsichtig! Genau zwischen euch ist eine Spalte in der Wand!»
«Ich weiß», bestätigte Tia, die bereits einen Arm ausgestreckt und die Verwerfung im Fels ertastet hatte. Es würde gefährlich werden - auch für sie. Vorsichtig schob sie sich zur Seite, überquerte einen schmalen Grat und suchte nach einer geeigneten Stelle für den nächsten Klemmkeil.
«Schnell!», schrie Daniel, dessen Stimme vor Panik flatterte. «Ich kann mich nicht mehr halten!»
«Es geht nicht schneller!», gab Tia ärgerlich zurück.
Hättest du es nicht so eilig gehabt, dachte sie, dann müsste ich jetzt nicht meinen Hals für dich riskieren!
Sie setzte den Keil, zog das Seil durch die Schlaufe und schob sich zentimeterweise weiter nach rechts. Als sie endlich den Felsvorsprung ertasten konnte, an dem der junge Mann sich festklammerte, verflog ihr Ärger und machte einer Welle des Mitgefühls Platz. Daniels Hände waren schweißnass, und seine Unterarme bebten unter der Anstrengung, das Gewicht seines Körpers zu tragen.
«Bitte!», stieß er hervor, mehr ein gepresstes Keuchen als ein Schrei.
«Keine Angst ! Ich bin ja da.» Tia trat mit den Zehenspitzen auf einen schmalen Steinhöcker und hoffte inständig, dass er nicht wegbrechen würde. Mit der freien Hand tastete sie über den Körper des Jungen, der wie erwartet kein Klettergeschirr trug. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als den Karabiner in seine Gürtelschnalle zu klinken.
«Halt still!»
Einige schrecklich lange Sekunden mühte sie sich, bis es ihr gelang, den Karabiner einzuhaken.
«Leon?», sagte sie aufatmend ins Mikrofon. «Greif dir die Jungs da unten! Sie sollen alle die Sicherheitsleine festhalten.» «Okay!»
Tia wartete, bis das Seil unter ihren Händen fest gespannt war. Dann tastete sie nach Daniels Gesicht und strich ihm tröstend über die Wange.
«Es kann nichts mehr passieren! Lass los!»
Sie erriet, dass er sie ungläubig anstarrte.
«Lass los, Daniel!», rief einer seiner Kameraden von unten.
Es dauerte eine Weile, bis der Junge sich überwinden konnte, seinen Halt an der Wand aufzugeben. Als er endlich losließ und einen halben Meter hinabstürzte, schrie er schrill, ohne sich beherrschen zu können. Doch das Seil fing ihn auf.
«Alles klar!», meldete Tia an Leon. «Lasst ihn runter, aber schön langsam! Ich komme nach.»
Wenige Minuten später standen alle wohlbehalten am Fuß der Felswand: Tia, Leon, Daniel und seine vier Begleiter. Die jungen Männer schwiegen betreten, während ihr geretteter Anführer sichtlich nach Worten rang.
«Merci», brachte er schließlich hervor.
«Lass dir das eine Lehre sein!», mahnte Tia ernst.
«Ich versprech's», sagte Daniel beschämt.
«Es ist wohl besser, wenn ihr jetzt geht. Und beim nächsten Mal solltet ihr vorsichtiger sein.»
Die jungen Leute wandten sich gehorsam zum Gehen. Zweifellos saß der Schreck ihnen noch in den Gliedern, und sie wagten keinen Widerspruch. Lediglich Daniel hatte sich nicht vom Fleck gerührt.
«Er hält dir die Hand hin», raunte Leon Tia zu.
«Oh.» Tia hob die ihre und tastete unsicher in der Luft. «Sie kann es nicht sehen», erklärte Leon dem Schweizer. «Wie?», murmelte dieser entgeistert.
«Ich bin blind», erklärte Tia, fand endlich seine Hand und drückte sie. Da sie fühlte, dass er sie noch immer anstarrte, wandte sie sich demonstrativ ab und begann, die Riemen ihres Klettergurts nachzuziehen. Endlich verrieten tappende Schritte, dass Daniel sich seinen Kameraden anschloss und die Halle verließ.
«Die waren garantiert ohne Lizenz hier», meinte Leon, als sie sich außer Hörweite entfernt hatten.
Tia nickte. «War ich sehr unfreundlich?»
«Nein, es war gut so! Für meinen Geschmack hat der Kerl dich ein wenig zu aufmerksam gemustert.»
«Na ja, immerhin habe ich ihm den Hals gerettet!»
«Und ich dachte schon, gleich fragt er noch nach deiner Telefonnummer.»
Tia lachte.
«Was ist nun mit der Nische da oben?», fragte Leon. «Neuer Versuch?»
«Gerne ! Hast du denn noch Geduld dafür?»
Leon seufzte. «Du weißt doch: Für dich tu ich alles.»
...
Copyright (c) 2012 by Rowohlt Verlag GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Andreas Laudan
Laudan, AndreasAndreas Laudan, geboren 1967 in Lüneburg, ist promovierter Musikwissenschaftler. Neben der Musik hat er sich auch begeistert mit Philosophie, Psychologie, Geschichte und Naturwissenschaften beschäftigt. Das Romanschreiben erlaubt es ihm, seine vielfältigen Interessen gleichzeitig zu verfolgen und sein großes Wissen unterhaltsam umzusetzen. Er hat bereits den Thriller «Pharmakos» und den Wendland-Krimi «Das weiße Mädchen» veröffentlicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Laudan
- 2012, Neuausg., 366 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349925848X
- ISBN-13: 9783499258480
- Erscheinungsdatum: 02.05.2012
Kommentare zu "Das Geflecht"
0 Gebrauchte Artikel zu „Das Geflecht“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Das Geflecht".
Kommentar verfassen