Das Mädchen am Rio Paraíso
Roman
Eine Liebesgeschichte in Brasilien
Nach dem überwältigenden Erfolg von "Der Duft der Kaffeeblüte" nun endlich der neue große Roman von Ana Veloso!
Eine junge Frau wacht aus der...
Nach dem überwältigenden Erfolg von "Der Duft der Kaffeeblüte" nun endlich der neue große Roman von Ana Veloso!
Eine junge Frau wacht aus der...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Mädchen am Rio Paraíso “
Eine Liebesgeschichte in Brasilien
Nach dem überwältigenden Erfolg von "Der Duft der Kaffeeblüte" nun endlich der neue große Roman von Ana Veloso!
Eine junge Frau wacht aus der Bewusstlosigkeit auf. Sie weiß nicht, wo sie sich befindet. Sie weiß nicht, wie sie an diesen fremden Ort gekommen ist. Und sie weiß nicht, wer sie ist.
Südbrasilien, 1826: Der Gaucho Raúl Almeida, der das schwer verletzte Mädchen an der Uferböschung des Rio Paraíso gefunden hat, ist kaum weniger ratlos. Zunächst aber gilt es, die Verletzungen der blonden, fremdländischen Schönheit, die alle nur "Menina" nennen, zu heilen. Und niemand in Almeidas Haus stellt eine Verbindung her zu einem Mordfall, über den die lokalen Zeitungen berichten.
Klappentext zu „Das Mädchen am Rio Paraíso “
Südbrasilien, 1826: Am Ufer des Rio Paraíso findet der Gaucho Raúl Almeida ein schwerverletztes Mädchen. Als sie erwacht, weiß sie weder, wo sie sich befindet noch wer sie ist - und sie versteht seine Sprache nicht. Raúl vermutet, dass sie eine Deutsche aus einem der Einwandererdörfer sein könnte. Dort wurde ein Mann umgebracht, und dessen Frau ist seitdem verschwunden. In Raúl regt sich ein schrecklicher Verdacht ... Wer ist die schöne Fremde wirklich?
Südbrasilien, 1826: Am Ufer des Rio Paraíso findet der Gaucho Raúl Almeida ein schwerverletztes Mädchen. Als sie erwacht, weiß sie weder, wo sie sich befindet noch wer sie ist – und sie versteht seine Sprache nicht. Raúl vermutet, dass sie eine Deutsche aus einem der Einwandererdörfer sein könnte. Dort wurde ein Mann umgebracht, und dessen Frau ist seitdem verschwunden. In Raúl regt sich ein schrecklicher Verdacht ... Wer ist die schöne Fremde wirklich?
Lese-Probe zu „Das Mädchen am Rio Paraíso “
Das Mädchen von Rio Paraiso von Ana VelosoLESEPROBE
1
Es war zu hell.
Das Licht schmerzte. Es verursachte ein heftiges Pochen hinter ihrer Stirn. Die junge Frau schloss sofort wieder die Augen, doch die Sonnenstrahlen drangen durch ihre Lider und quälten ihr Hirn mit wilden Mustern in Gelb- und Orangetönen. Ihr wurde schlecht davon. Sie drehte den Kopf von der linken auf die rechte Seite und hoffte, dass der Schmerz und die Übelkeit sich legen würden. Sie verharrte einige Minuten reglos in dieser Stellung, aber es wurde nicht besser. Stattdessen gesellte sich zu dem Kopfweh nun auch ein schlechtes Gewissen. So hell wie es in dem Zimmer war, musste es bereits Mittag sein. Warum, um Gottes willen, lag sie um diese Zeit noch im Bett? Bevor sie darauf eine Antwort fand, erlöste ein unruhiger Schlaf sie von dem hämmernden Schmerz.
Einige Stunden später schlug die junge Frau erneut die Augen auf. Das Licht war weniger grell, und auch das grässliche Pochen in ihrem Schädel hatte sich ein wenig gelegt. Dafür verspürte sie jetzt einen unerträglichen Durst. Ihr Mund fühlte sich so trocken an, dass die Zunge am Gaumen festklebte. Sie brauchte dringend ein Glas Wasser. Sie versuchte sich zu erheben, doch es gelang ihr nicht. Nach nur wenigen Zentimetern, die sie ihren Oberkörper aufgerappelt hatte, fiel sie erschöpft in die Kissen zurück. Also blieb sie liegen und hoffte darauf, dass irgendwann jemand nach ihr sah. Vielleicht sollte sie sich bemerkbar machen? Sie hob zu einem Rufen an, merkte jedoch sofort, dass kaum mehr als ein leises Krächzen aus ihrer Kehle drang. Ihr blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Im Liegen und ohne allzu sehr den Kopf zu bewegen, sah sie sich in dem Raum um. Sie war sich sicher, dass sie ihn nie zuvor gesehen hatte. Wo war sie?
Zwischen drei mächtigen schwarzen Holzbalken war die Decke weiß
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getüncht. Die Wände des Zimmers, oder das, was sie aus ihrer Position davon erkennen konnte, waren glatt und weiß. Kein Fachwerk. Kein Bild. Nicht einmal ein Kruzifix war da zu sehen. Das Sprossenfenster war einen Spaltbreit hochgeschoben. Vorhänge gab es keine. Einzig die Fensterläden hätten Schutz vor unerwünschten Blicken und Licht bieten können, wären sie denn geschlossen gewesen. So jedoch schien die Sonne in den schmucklosen Raum. Sie stand schon schräg, und ein Strahl fiel auf eine schlichte Kommode, auf der sich ein Krug sowie eine Waschschüssel aus Emaille befanden. Oh Gott, könnte sie es doch nur schaffen, aufzustehen und die wenigen Schritte zu dem Wasserkrug zu gehen! Der Durst brachte sie um!
Ihr kamen die Tränen. Doch bevor die junge Frau sich vollständig ihrer Verzweiflung hingeben konnte, betrat plötzlich eine dicke dunkelhäutige Frau das Zimmer. Sie lachte und entblößte dabei ihr Zahnfleisch. Es war bläulich und nicht rosa, wie ihr eigenes. Der jungen Frau war ein bisschen mulmig zumute. Sie hatte schon von Schwarzen gehört und gelesen, aber noch nie eine leibhaftige Negerin so nah vor sich gehabt. War sie etwa in Afrika gelandet? Aber nein, die Schwarze trug ja ein ordentliches Baumwollkleid und eine gestärkte Schürze darüber. Eine Wilde aus dem Busch war sie ganz sicher nicht.
Die Dicke plapperte unaufhörlich. Dann setzte sie sich auf die Bettkante, sah der jungen Frau in die Augen und sprach sie direkt an. Sie hatte eine wohlklingende Stimme, und ihr Tonfall war freundlich. Die junge Frau begann sich etwas zu entspannen, obwohl sie kein Wort verstand. Bei all ihrer beunruhigenden Fremdartigkeit hatte die Schwarze auch etwas Mütterliches an sich. Sie hatte sofort erkannt, wonach die unge Frau am meisten gierte: Wasser.
Die Ältere hielt ihr das Glas an die Lippen und hob es so, dass sie nur winzige Schlückchen trinken konnte. Nach kurzer Zeit war das Glas leer. Die Schwarze stand auf, sagte etwas zu der jungen Frau, streichelte ihre Hand und verließ den Raum. Als sie durch die Tür ging, bemerkte die Jüngere, dass die andere keine Schuhe trug. Das fand sie äußerst merkwürdig. Dieser Gedanke lenkte sie für einen Moment von der Tatsache ab, dass sie weiterhin so durstig war, dass sie einen ganzen Eimer Wasser auf einmal hätte leeren können. Dann schlief sie wieder ein.
Als sie, zum dritten Mal an diesem Tag, aufwachte, saß die Schwarze auf einem Stuhl neben ihrem Bett. Sie blickte besorgt drein, lächelte ihrer Patientin aber aufmunternd zu. Erneut redete sie mit ihr, doch die junge Frau verstand nichts davon. Erst als die Schwarze mit dem Finger auf sich selbst zeigte und »Teresa« sagte, begriff die junge Frau. Dann zeigte die Frau auf sie und hob fragend die Schultern. Sie wollte offenbar ihren Namen wissen. Die Jüngere blieb stumm.
Die junge Frau wirkte nachdenklich, dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. Tränen traten in ihre Augen. Die Schwarze tätschelte ihr beruhigend die Wange. Was für eine Schnapsidee von ihr, Teresa, das arme Kind zum Sprechen bringen zu wollen! Das Mädchen hatte sicher seine Stimme noch gar nicht wiedergefunden.
Die junge Frau öffnete erst den Mund, als die Ältere einen kleinen Löffel mit Milchreis davorhielt, um sie zu füttern. Der Duft löste angenehme Gefühle in ihr aus, aber sie hätte nicht zu erklären vermocht, an was genau er sie erinnerte. Und die schönen Empfindungen hielten auch nicht lange an. Schnell wurden sie wieder von den Fragen abgelöst, die sie schon seit dem Aufwachen quälten. Was war passiert? Wo befand sie sich? Wer war diese Person?
Und vor allem: Wer war sie selber?
© Knaur Verlag, 2008
Ihr kamen die Tränen. Doch bevor die junge Frau sich vollständig ihrer Verzweiflung hingeben konnte, betrat plötzlich eine dicke dunkelhäutige Frau das Zimmer. Sie lachte und entblößte dabei ihr Zahnfleisch. Es war bläulich und nicht rosa, wie ihr eigenes. Der jungen Frau war ein bisschen mulmig zumute. Sie hatte schon von Schwarzen gehört und gelesen, aber noch nie eine leibhaftige Negerin so nah vor sich gehabt. War sie etwa in Afrika gelandet? Aber nein, die Schwarze trug ja ein ordentliches Baumwollkleid und eine gestärkte Schürze darüber. Eine Wilde aus dem Busch war sie ganz sicher nicht.
Die Dicke plapperte unaufhörlich. Dann setzte sie sich auf die Bettkante, sah der jungen Frau in die Augen und sprach sie direkt an. Sie hatte eine wohlklingende Stimme, und ihr Tonfall war freundlich. Die junge Frau begann sich etwas zu entspannen, obwohl sie kein Wort verstand. Bei all ihrer beunruhigenden Fremdartigkeit hatte die Schwarze auch etwas Mütterliches an sich. Sie hatte sofort erkannt, wonach die unge Frau am meisten gierte: Wasser.
Die Ältere hielt ihr das Glas an die Lippen und hob es so, dass sie nur winzige Schlückchen trinken konnte. Nach kurzer Zeit war das Glas leer. Die Schwarze stand auf, sagte etwas zu der jungen Frau, streichelte ihre Hand und verließ den Raum. Als sie durch die Tür ging, bemerkte die Jüngere, dass die andere keine Schuhe trug. Das fand sie äußerst merkwürdig. Dieser Gedanke lenkte sie für einen Moment von der Tatsache ab, dass sie weiterhin so durstig war, dass sie einen ganzen Eimer Wasser auf einmal hätte leeren können. Dann schlief sie wieder ein.
Als sie, zum dritten Mal an diesem Tag, aufwachte, saß die Schwarze auf einem Stuhl neben ihrem Bett. Sie blickte besorgt drein, lächelte ihrer Patientin aber aufmunternd zu. Erneut redete sie mit ihr, doch die junge Frau verstand nichts davon. Erst als die Schwarze mit dem Finger auf sich selbst zeigte und »Teresa« sagte, begriff die junge Frau. Dann zeigte die Frau auf sie und hob fragend die Schultern. Sie wollte offenbar ihren Namen wissen. Die Jüngere blieb stumm.
Die junge Frau wirkte nachdenklich, dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. Tränen traten in ihre Augen. Die Schwarze tätschelte ihr beruhigend die Wange. Was für eine Schnapsidee von ihr, Teresa, das arme Kind zum Sprechen bringen zu wollen! Das Mädchen hatte sicher seine Stimme noch gar nicht wiedergefunden.
Die junge Frau öffnete erst den Mund, als die Ältere einen kleinen Löffel mit Milchreis davorhielt, um sie zu füttern. Der Duft löste angenehme Gefühle in ihr aus, aber sie hätte nicht zu erklären vermocht, an was genau er sie erinnerte. Und die schönen Empfindungen hielten auch nicht lange an. Schnell wurden sie wieder von den Fragen abgelöst, die sie schon seit dem Aufwachen quälten. Was war passiert? Wo befand sie sich? Wer war diese Person?
Und vor allem: Wer war sie selber?
© Knaur Verlag, 2008
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Autoren-Porträt von Ana Veloso
Ana Veloso, 1964 geboren, ist Romanistin und lebte viele Jahre in Rio de Janeiro. Bereits ihr erster Roman, "Der Duft der Kaffeeblüte", war ein großer Erfolg. Ana Veloso lebt als Journalistin und Autorin in Hamburg.
Autoren-Interview mit Ana Veloso
Interview mit Ana Veloso Im Jahr 1826: Klara, die Heldin Ihres Romans, wird schwer verletzt am Ufer des brasilianischen Rio Paraíso aufgefunden. Im Hause des Gaucho Raúl Almeida wird sie gepflegt, doch kann sie sich zunächst nicht erinnern, was ihr widerfahren ist. Wie würden Sie den Prozess beschreiben, den Klara durchläuft, während ihre Erinnerung langsam wiederkehrt?
Zuerst kehren Erinnerungen an Sinneswahrnehmungen zurück, etwa an Düfte, die bestimmte Gefühle in Klara wecken. Doch in der ihr vollkommen fremden Umgebung kann sie diese Eindrücke nicht richtig einordnen, so dass sie sehr verwirrt reagiert. Allmählich entsinnt sie sich dann auch konkreter Vorkommnisse aus ihrer – ferneren – Vergangenheit, die sich ihr aber ebenfalls nicht ganz erschließen. Diese kleinen Erinnerungsfetzen sind wie Teile eines Puzzles, deren Platz man noch nicht gefunden hat und die isoliert wenig Sinn ergeben. Nach und nach füllt Klara aber die Lücken in ihrem Erinnerungspuzzle, wobei die jüngsten Ereignisse nur sehr zögerlich zum Vorschein kommen. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass Klara sich unbewusst davor fürchtet, die Tragödie, die zu ihrem Aufenthalt bei Raúl Almeida geführt hat, selbst verschuldet zu haben.
Dunkle Geheimnisse lasten auf Klaras Vergangenheit. Ihr Verlobter Hannes hat sie misshandelt, im vierten Monat der Schwangerschaft hat sie ein Kind verloren. Schafft sie es, sich der ganzen Wahrheit zu stellen?
Klara schließt ihre Gedächtnislücken peu à peu, wenngleich ein wenig widerstrebend. Zu groß ist ihre Angst vor der eigenen Schuld, die sie auch in Raúls Verhalten zu erkennen glaubt. Dennoch will sie unbedingt wissen, was geschehen ist; ja, sie muss es wissen, um wieder mit sich ins Reine zu kommen. Allerdings gelingt es ihr erst dann, den
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genauen Hergang des Unglücks zu rekonstruieren, als sie wieder am Ort des Geschehens ist.
Als Klara sich an die Geschichte ihrer Ehe erinnert, wagt sie zunächst nicht, sie Raúl zu berichten. Warum schafft sie es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ihm zu vertrauen?
Einer der Gründe ist der, dass Raúls Wesen so spröde ist: Der Mann jagt ihr Angst ein. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Klaras Portugiesisch ist anfangs noch sehr fragmentarisch, und sie befürchtet, den komplizierten Sachverhalt nicht adäquat wiedergeben zu können. Und dann wäre da noch ihre Angst vor den eigenen Erinnerungslücken... Was, wenn sie sich tatsächlich als Mörderin entpuppen sollte?
Raúl Almeida wird immer mehr zur entscheidenden Figur in Klaras Leben. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Raúl ist ein Einzelgänger, der geprägt ist von seiner Umgebung: Die einsame Weite der Pampa findet ihre Entsprechung in seinem kompromisslosen und zugleich großzügigen Wesen. Der klassische Fall von „harte Schale, weicher Kern“…
Klaras Wesen und ihr Handeln sind stark von ihren Träumen, ihrem Bild einer glücklichen Zukunft bestimmt. Würden Sie zustimmen, dass diese Träume gleichermaßen die Wurzel ihres Unglücks wie ihres Glücks sind?
Nicht ganz. Klaras Traum von einer Zukunft, die nicht länger von materiellen Entbehrungen gezeichnet ist, hat sich ja in Brasilien zunächst erfüllt. Ihre emotionale Misere hingegen hat ganz konkrete Ursachen, die in dieser Form nicht absehbar waren: Die Verkettung unglücklicher Umstände – die Invalidität ihres Mannes, dessen zunehmende Verbitterung und, daraus resultierend, die Misshandlungen, denen Klara ausgesetzt ist – hätte sich genauso gut in der alten Heimat abspielen und auch jeder anderen Frau zustoßen können.
Klara stammt aus dem Hunsrück. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es regelrechte Auswanderungswellen von Europa nach Südamerika. Welche Gründe hatten die Menschen damals für einen solchen Schritt, und welche Rolle spielt diese Entwicklung für die Geschichte, die Sie hier erzählen?
Für die meisten Auswanderer war Armut der Grund für den Weg ins Exil. Das ferne Brasilien stellte sich ihnen als eine Art Schlaraffenland dar, in dem es niemals friert und in dem der Boden so fruchtbar ist, dass einem die Früchte der Erde förmlich vor die Füße fallen. Die unrealistischen Vorstellungen wurden von der brasilianischen Regierung noch geschürt, die, zumindest zu Beginn des 19. Jahrhunderts, massiv und mit zahlreichen Vergünstigungen um Einwanderer warb.
Doch es kamen nicht nur verarmte Bauern, die fleißig und willig waren, das Land zu bearbeiten. Immer mehr nutzten die europäischen Staaten die Gelegenheit, um unliebsame Zeitgenossen loszuwerden, Straftäter etwa, die auch in Brasilien nicht sonderlich erwünscht waren. Das Ergebnis war, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Einwanderer längst nicht so überschwänglich begrüßt wurden wie die Pioniere – und die Neuankömmlinge kaum bessere Lebensbedingungen vorfanden als daheim.
In meinem Roman fällt die Handlung in die allerersten Jahre der Einwanderung von Deutschen nach Brasilien. Die Neuankömmlinge wurden sehr freundlich aufgenommen, aber es erwartete sie auch extrem viel Arbeit – und das in einem Land, mit dessen Klima und Pflanzen sie nicht vertraut waren. Sie waren im Dschungel auf sich selbst gestellt, was nicht nur körperliche Mühsal bedeutete, sondern psychisch schwer zu verkraften war. Viele litten unter schlimmem Heimweh. Diese Einsamkeit und das Gefühl der Entwurzelung tragen in meinem Roman entscheidend zu der Entwicklung der Charaktere und der Handlung bei.
Sie selbst lebten viele Jahre in Brasilien. Was verbindet das heutige Brasilien mit dem von damals? Und welche Ihrer eigenen Eindrücke sind in den Roman eingeflossen?
Das östliche Südbrasilien – mein Roman spielt im Bundesstaat Rio Grande do Sul – war vor 180 Jahren der Schauplatz zahlreicher Grenzkriege zwischen Argentinien, Brasilien und Uruguay. Fernab der Grenzen muss es sehr dünn besiedelt gewesen sein, mit Urwäldern in Küstennähe und weitläufigen Ebenen im Binnenland. Heute ist es eine der friedlichsten und wohlhabendsten Regionen Südamerikas.
Die Geschichte seiner Besiedlung spiegelt sich deutlich wider in Orts- und Familiennamen, die oftmals deutscher Herkunft sind. Auch viele der älteren Leute sprechen noch „Hunsrickisch“, ein Gemisch aus antiquiertem Deutsch und eingedeutschten portugiesischen Wörtern. Wenn man dort über abgelegene kleine Dörfer fährt, ist es gar nicht so schwer sich vorzustellen, wie die ersten Einwanderer dort so gelebt haben.
Ich selbst habe lange Zeit in Rio de Janeiro verbracht, was aber mit Südbrasilien kaum vergleichbar ist. Es herrschen andere klimatische Gegebenheiten, und die Bevölkerungsstruktur ist eine ganz andere. Im Süden hat es zum Beispiel kaum schwarze Sklaven gegeben, so dass bis heute weniger dunkelhäutige Menschen dort leben als in Rio. Damit einhergehend hat der Süden auch einen ganz anderen kulturellen Hintergrund. Es gibt dort wahrscheinlich mehr deutsche Gesangvereine als Sambaschulen.
Meine eigenen Eindrücke fließen natürlich immer in meine Romane ein. Besonders die sinnlichen Wahrnehmungen, die man vor Ort hat, sollen für Lebendigkeit sorgen: der Geschmack von tropischem Obst; das Gefühl, das schwüle Hitze auf der Haut hinterlässt; oder auch der Klang einer sich im Wind wiegenden Palme – all das sind Dinge, die man selbst erleben muss und die in keinem Geschichtsbuch erwähnt werden.
Bereits Ihr Debüt „Der Duft der Kaffeeblüte“ war ein Bestseller. Hatten Sie damit gerechnet? Und wie hat sich Ihr Leben durch diesen Erfolg verändert?
Nein, damit hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Ich freue mich nach wie vor riesig darüber, ansonsten hat dieser Erfolg aber keine nennenswerte Veränderung in meinem Leben bewirkt. Wenn Sie auf die finanzielle Situation anspielen: Es war nicht gerade die „Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär“-Geschichte. Ich habe in meinem früheren Beruf als Redakteurin nicht schlecht gelebt, und als Schriftstellerin habe ich nun das Glück, meinen Lebensstandard und -stil beibehalten zu können – was mehr ist, als die meisten Schreiber in Deutschland von sich behaupten können. Darüber hinaus ist es natürlich wunderbar, selbstständig und vollkommen unabhängig von Bürozeiten o.ä. arbeiten zu können. Manchmal ist es allerdings auch ein wenig einsam, dann vermisse ich Betriebsfeste und Weihnachtsfeiern…
Sie deuten in Ihrer Schlussbemerkung an, dass Ihr nächster Roman seine Leser auf die andere Seite des Erdballs entführen wird. Können Sie hierzu noch ein bisschen mehr verraten?
Mein vierter Roman wird in Indien spielen, genauer gesagt in Goa, das 451 Jahre lang eine Kolonie Portugals war. Ich bleibe also dem portugiesischen Kulturkreis treu, erschließe aber eine ganz neue Welt an sinnlichen Eindrücken. Denken Sie an Pfeffer, Zimt und Nelken, an Edelsteine und Goldgeschmeide, an Tigerjagden und Elefantenritte, an Elfenbein und Rosenholz…
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, Literaturtest.
Als Klara sich an die Geschichte ihrer Ehe erinnert, wagt sie zunächst nicht, sie Raúl zu berichten. Warum schafft sie es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ihm zu vertrauen?
Einer der Gründe ist der, dass Raúls Wesen so spröde ist: Der Mann jagt ihr Angst ein. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Klaras Portugiesisch ist anfangs noch sehr fragmentarisch, und sie befürchtet, den komplizierten Sachverhalt nicht adäquat wiedergeben zu können. Und dann wäre da noch ihre Angst vor den eigenen Erinnerungslücken... Was, wenn sie sich tatsächlich als Mörderin entpuppen sollte?
Raúl Almeida wird immer mehr zur entscheidenden Figur in Klaras Leben. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Raúl ist ein Einzelgänger, der geprägt ist von seiner Umgebung: Die einsame Weite der Pampa findet ihre Entsprechung in seinem kompromisslosen und zugleich großzügigen Wesen. Der klassische Fall von „harte Schale, weicher Kern“…
Klaras Wesen und ihr Handeln sind stark von ihren Träumen, ihrem Bild einer glücklichen Zukunft bestimmt. Würden Sie zustimmen, dass diese Träume gleichermaßen die Wurzel ihres Unglücks wie ihres Glücks sind?
Nicht ganz. Klaras Traum von einer Zukunft, die nicht länger von materiellen Entbehrungen gezeichnet ist, hat sich ja in Brasilien zunächst erfüllt. Ihre emotionale Misere hingegen hat ganz konkrete Ursachen, die in dieser Form nicht absehbar waren: Die Verkettung unglücklicher Umstände – die Invalidität ihres Mannes, dessen zunehmende Verbitterung und, daraus resultierend, die Misshandlungen, denen Klara ausgesetzt ist – hätte sich genauso gut in der alten Heimat abspielen und auch jeder anderen Frau zustoßen können.
Klara stammt aus dem Hunsrück. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es regelrechte Auswanderungswellen von Europa nach Südamerika. Welche Gründe hatten die Menschen damals für einen solchen Schritt, und welche Rolle spielt diese Entwicklung für die Geschichte, die Sie hier erzählen?
Für die meisten Auswanderer war Armut der Grund für den Weg ins Exil. Das ferne Brasilien stellte sich ihnen als eine Art Schlaraffenland dar, in dem es niemals friert und in dem der Boden so fruchtbar ist, dass einem die Früchte der Erde förmlich vor die Füße fallen. Die unrealistischen Vorstellungen wurden von der brasilianischen Regierung noch geschürt, die, zumindest zu Beginn des 19. Jahrhunderts, massiv und mit zahlreichen Vergünstigungen um Einwanderer warb.
Doch es kamen nicht nur verarmte Bauern, die fleißig und willig waren, das Land zu bearbeiten. Immer mehr nutzten die europäischen Staaten die Gelegenheit, um unliebsame Zeitgenossen loszuwerden, Straftäter etwa, die auch in Brasilien nicht sonderlich erwünscht waren. Das Ergebnis war, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Einwanderer längst nicht so überschwänglich begrüßt wurden wie die Pioniere – und die Neuankömmlinge kaum bessere Lebensbedingungen vorfanden als daheim.
In meinem Roman fällt die Handlung in die allerersten Jahre der Einwanderung von Deutschen nach Brasilien. Die Neuankömmlinge wurden sehr freundlich aufgenommen, aber es erwartete sie auch extrem viel Arbeit – und das in einem Land, mit dessen Klima und Pflanzen sie nicht vertraut waren. Sie waren im Dschungel auf sich selbst gestellt, was nicht nur körperliche Mühsal bedeutete, sondern psychisch schwer zu verkraften war. Viele litten unter schlimmem Heimweh. Diese Einsamkeit und das Gefühl der Entwurzelung tragen in meinem Roman entscheidend zu der Entwicklung der Charaktere und der Handlung bei.
Sie selbst lebten viele Jahre in Brasilien. Was verbindet das heutige Brasilien mit dem von damals? Und welche Ihrer eigenen Eindrücke sind in den Roman eingeflossen?
Das östliche Südbrasilien – mein Roman spielt im Bundesstaat Rio Grande do Sul – war vor 180 Jahren der Schauplatz zahlreicher Grenzkriege zwischen Argentinien, Brasilien und Uruguay. Fernab der Grenzen muss es sehr dünn besiedelt gewesen sein, mit Urwäldern in Küstennähe und weitläufigen Ebenen im Binnenland. Heute ist es eine der friedlichsten und wohlhabendsten Regionen Südamerikas.
Die Geschichte seiner Besiedlung spiegelt sich deutlich wider in Orts- und Familiennamen, die oftmals deutscher Herkunft sind. Auch viele der älteren Leute sprechen noch „Hunsrickisch“, ein Gemisch aus antiquiertem Deutsch und eingedeutschten portugiesischen Wörtern. Wenn man dort über abgelegene kleine Dörfer fährt, ist es gar nicht so schwer sich vorzustellen, wie die ersten Einwanderer dort so gelebt haben.
Ich selbst habe lange Zeit in Rio de Janeiro verbracht, was aber mit Südbrasilien kaum vergleichbar ist. Es herrschen andere klimatische Gegebenheiten, und die Bevölkerungsstruktur ist eine ganz andere. Im Süden hat es zum Beispiel kaum schwarze Sklaven gegeben, so dass bis heute weniger dunkelhäutige Menschen dort leben als in Rio. Damit einhergehend hat der Süden auch einen ganz anderen kulturellen Hintergrund. Es gibt dort wahrscheinlich mehr deutsche Gesangvereine als Sambaschulen.
Meine eigenen Eindrücke fließen natürlich immer in meine Romane ein. Besonders die sinnlichen Wahrnehmungen, die man vor Ort hat, sollen für Lebendigkeit sorgen: der Geschmack von tropischem Obst; das Gefühl, das schwüle Hitze auf der Haut hinterlässt; oder auch der Klang einer sich im Wind wiegenden Palme – all das sind Dinge, die man selbst erleben muss und die in keinem Geschichtsbuch erwähnt werden.
Bereits Ihr Debüt „Der Duft der Kaffeeblüte“ war ein Bestseller. Hatten Sie damit gerechnet? Und wie hat sich Ihr Leben durch diesen Erfolg verändert?
Nein, damit hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Ich freue mich nach wie vor riesig darüber, ansonsten hat dieser Erfolg aber keine nennenswerte Veränderung in meinem Leben bewirkt. Wenn Sie auf die finanzielle Situation anspielen: Es war nicht gerade die „Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär“-Geschichte. Ich habe in meinem früheren Beruf als Redakteurin nicht schlecht gelebt, und als Schriftstellerin habe ich nun das Glück, meinen Lebensstandard und -stil beibehalten zu können – was mehr ist, als die meisten Schreiber in Deutschland von sich behaupten können. Darüber hinaus ist es natürlich wunderbar, selbstständig und vollkommen unabhängig von Bürozeiten o.ä. arbeiten zu können. Manchmal ist es allerdings auch ein wenig einsam, dann vermisse ich Betriebsfeste und Weihnachtsfeiern…
Sie deuten in Ihrer Schlussbemerkung an, dass Ihr nächster Roman seine Leser auf die andere Seite des Erdballs entführen wird. Können Sie hierzu noch ein bisschen mehr verraten?
Mein vierter Roman wird in Indien spielen, genauer gesagt in Goa, das 451 Jahre lang eine Kolonie Portugals war. Ich bleibe also dem portugiesischen Kulturkreis treu, erschließe aber eine ganz neue Welt an sinnlichen Eindrücken. Denken Sie an Pfeffer, Zimt und Nelken, an Edelsteine und Goldgeschmeide, an Tigerjagden und Elefantenritte, an Elfenbein und Rosenholz…
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, Literaturtest.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Ana Veloso
- 2009, 544 Seiten, Maße: 14 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426663406
- ISBN-13: 9783426663400
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