Das Mädchen und die Herzogin
Das Weib sei dem Manne untertan - Herzogin Sabinas Leben wird auf grausame Weise von diesem Spruch geprägt.
...
Das Weib sei dem Manne untertan - Herzogin Sabinas Leben wird auf grausame Weise von diesem Spruch geprägt.
Schon am Tag der prunkvollen Hochzeit ahnt Prinzessin Sabina, dass ihre Ehe nicht glücklich wird, denn ihr Gatte, Herzog Ulrich von Wirtembert, ist jähzornig und gewalttätig. Sabina erträgt demütig ihre Bestimmung, bis Ulrich einen Mord begeht. Sabina ist Zeugin der Bluttat und muss fliehen. Doch sie bangt um das Leben ihrer Kinder.
Und noch eine andere Frau teilt das Schicksal der Fürstin: Das Bauernmädchen Maria, die sich Ulrich mit Gewalt zur Geliebten nimmt. Haben die Frauen eine Chance, ihrem harten Los zu entkommen?
DasMädchen und die Herzogin von Astrid Fritz
LESEPROBE
Sabina glitt vom Pferd. Nicht nur vonder eisigen Winterluft waren ihre Wangen gerötet. Sie hatte tatsächlich dasWettrennen, drüben in den verschneiten Isarauen, gewonnen - gegen ihre BrüderWilhelm und Ludwig, die beide als hervorragende Reiter galten. Zufriedenklopfte sie den Hals des Rappen, dann überließ sie das Tier dem Stallknecht. «Undwo bleibt der versprochene silberne Armreif?» Sie lächelte triumphierend in dieRunde.
«Ich fürchte, lieber Wilhelm», Ludwigließ sich vom Pferd helfen und schüttelte sich den Schnee aus dem Haar, «vor unsererSchwester dürfen wir das Maul nicht mehr so groß aufreißen. Diese Wette habenwir schmachvoll verloren.» Er war mit seinen dreizehn Jahren ein aufgeweckter, vergnügterBursche, allerdings recht faul und bequem bei allem, was nichts mit Reiten oderWeidwerk zu tun hatte. Der Vater hatte ihn einst zum Geistlichen bestimmt unddamit einen jahrelangen Kampf heraufbeschworen, schließlich stand Ludwig derSinn nach allem andern, nur nicht nach Entsagung und Gebet. Jetzt bückte ersich nach einer Handvoll Schnee und warf den Ballen seinem älteren Bruder an denKopf.
«Du Tollhäusler!» Wilhelm griff sich andie Schläfe. «Soll ich dir eine Tracht Prügel anschmieren? Oder hast duvergessen, wer hier der Herzog ist?»
Sabina unterdrückte ein Lachen. WilhelmHerzog von Baiern! Da musste noch ein gehöriges Quantum an männlicher Reifehinzukommen, wollte man ihm die Herrscherwürde abnehmen. Aber im Grunde warWilhelm ein braver Kerl, und schließlich blieben ihm ja noch drei Jahre bis zurVolljährigkeit und damit zu seinem Regierungsantritt. Sie sah den Pferden undKnechten nach, deren Tritte auf dem weichen weißen Teppich kaum zu hören waren.Die ganze Nacht hindurch hatte es geschneit, und nun spannte sich ein leuchtendblauer Himmel über München. Wie sie solche klaren Wintertage liebte!
Unschlüssig blieben ihre Brüder auf demPlatz zwischen Marstall und der Neuveste stehen, demmodernen, prunkvollen Stadtschloss mit allen Errungenschaften der neuen Zeit,wo sie nach Herzog Albrechts Tod ihren Wohnsitz genommen hatten. Nach WilhelmsWillen sollte der Alte Hof nunmehr als Wohnburg für Verwandte und Gäste dienen.Und Gäste würden sie in den nächsten Tagen zuhauf bekommen. Wahrscheinlichwaren an diesem Morgen Canzler und Hofmeisterrechtschaffen in Harnisch geraten, als ihnen zu Ohren kam, dass der Thronfolgerwenige Tage vor dem großen Leichenbegängnis seines Vaters mit den Geschwisternin die Isarauen entflohen war. Sabina verstand ohnehin nicht, wie dieRegimentsräte, die für den minderjährigen Herzog die Regierungsgeschäfteführten, die offizielle Trauerfeier so lange hatten hinausschieben können. Bishinein in diesen bitterkalten Winter! Denn bereits im letzten März war der Baiernfürst verschieden, zehn Monate lag sein Tod nunzurück. Zehn Monate, in denen sich für die HerzoginwitweTrauer und Schmerz endlich zu einem erträglichen Maß gemindert hatten - jetztaber würde diese Totenfeier alles wieder aufwühlen.
Als ob Ludwig ihre Gedanken gelesenhätte, fragte er sie: «Kümmerst du dich um unsere Mutter? Mach doch eine Schlittenpartiemit ihr, im Doppelhirsch, unserem neuen Prunkschlitten.»
Sie nickte. Der Ostwind, der plötzlichaufkam, fuhr ihr eisig in die Glieder. Sie zog sich den pelzbesetzten Reitrock engerum die kräftigen Schultern. In der dicken Winterkleidung und ihrer Pelzkappehatte sie etwas von einem jungen Mann; nicht umsonst bedachte man sie imSchloss neuerdings mit dem Necknamen «Sabina Fortissima».
Drüben am Haupttor herrschte inzwischendie Geschäftigkeit eines Ameisenhaufens. Volle Wagen und Karren fuhren hinein,leere hinaus. Seit Wochen schon wurde in den Wäldern Holz geschlagen undgeschossen, was vor Armbrust und Büchse kam, wurde Vieh gemästet undgeschlachtet, wurden die Fische aus den Weihern und Flüssen gezogen und in den StällenEier gesammelt, um sie in Essig zu legen, und ohne Murren kamen die Bauersleuteihren Frondiensten nach. Tag und Nacht stand neuerdings das Gesinde in denHofküchen und briet und buk, schmorte und kochte, während sich die Keller undVorratskammern bis unter die Decken füllten. Doch würde bei diesem Eis undSchnee überhaupt jemand anreisen?
Letztendlich war Sabina das völligeinerlei. Für sie gab es nur eine einzige Frage: Würde er kommen, der Mann, dem sieseit über zehn Jahren versprochen war, den sie indes noch niemals von Angesichtzu Angesicht gesehen hatte? Wie oft schon hatten die bairischen Unterhändlersein Kommen angekündigt, doch wer nicht erschien, war Herzog Ulrich, den ihrkaiserlicher Oheim zu seinem sechzehnten Lebensjahr vorzeitig für mündigerklärt und damit zum Herrn über Wirtemberg gemachthatte. Auf jenem Reichstag vor bald sechs Jahren, wo dann auch hochoffiziellihre Heiratsabrede verlautbart worden war. Von diesem Tag an hatte HerzogUlrich zwar dem künftigen Schwiegervater ab und an ein Fass Neckarweingeschickt und im Gegenzug dazu aus München feinstes Salz bekommen. Aber sieselbst, die Braut, war dabei nicht einmal mit einem Gruß bedacht worden,geschweige denn mit einem Geschenk.
Und was sollte sie von einem Bräutigamhalten, der nicht einmal zur Bestattung ihres Vaters erschienen war, derstattdessen lediglich seinen Canzler nach Münchengesandt hatte, um in hohlen Worten sein Beileid bekunden zu lassen? Und das,obwohl Sabina nur wenige Wochen später, mit dem sechzehnten Geburtstag, ihr Heiratsaltererreichte und Ulrich sein Versprechen hätte einlösen müssen! Auch dies war nunschon wieder etliche Monate her, und selbst die Mahnungen der bairischen Hofcanzlei nach Stuttgart hatten nichts genutzt. Sabina stieß mit dem Fuß ineine Schneewehe, dass es staubte. Es gab nur eine einzige Erklärung: Ulrich vonWirtemberg wollte sie gar nicht zur Frau. ( )
© RowohltVerlag
Astrid Fritz kennt die Gegend, in deren spannende und manchmal düstere Geschichte sie abtaucht, um sie dem Leser bildhaft näher zu bringen. Sie wurde 1959 in Pforzheim geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Waiblingen bei Stuttgart, wo sie als freiberufliche Texterin und Autorin arbeitet. Nach dem Studium von Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg war sie Fachzeitschriftenredakteurin, danach Schulungsreferentin und technische Redakteurin für ein Freiburger Softwarehaus. Für drei Jahre verließ sie mit der Familie die heimatlichen Gefilde, um in Chile für eine deutsch-chilenische Wochenzeitung zu schreiben. In dieser Zeit wurde ihre Tochter geboren, und sie stellte das erste Romanmanuskript fertig.
Astrid Fritz hat, wie in den meisten ihrer Romane, historische Fakten zu Grunde gelegt und diese mit Leben gefüllt. Gründliche Recherchen und hohe Erzählkunst bewirken, dass ihre Geschichten dem Leser Appetit machen auf immer mehr Historie.
- Autor: Astrid Fritz
- 2007, 1, 508 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828991114
- ISBN-13: 9783828991118
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Das Mädchen und die Herzogin".
Kommentar verfassen