Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens
Roman. Deutsche Erstausgabe
Das furiose Fantasy-Epos von einer dunklen Anderswelt!
Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu...
Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu...
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Produktinformationen zu „Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens “
Das furiose Fantasy-Epos von einer dunklen Anderswelt!
Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu messen, sammeln sich rings um sein Reich gewaltige Mächte weltlicher und magischer Natur. Da bricht der Sturm des Verderbens los und droht nicht nur Lether, sondern einen ganzen Kontinent in den Untergang zu reißen ...
Ein Meisterwerk von unübertroffener mythologischer Tiefe!
Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu messen, sammeln sich rings um sein Reich gewaltige Mächte weltlicher und magischer Natur. Da bricht der Sturm des Verderbens los und droht nicht nur Lether, sondern einen ganzen Kontinent in den Untergang zu reißen ...
Ein Meisterwerk von unübertroffener mythologischer Tiefe!
Klappentext zu „Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens “
Das furiose Fantasy-Epos von einer dunklen Anderswelt!Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu messen, sammeln sich rings um sein Reich gewaltige Mächte weltlicher und magischer Natur. Da bricht der Sturm des Verderbens los und droht nicht nur Lether, sondern einen ganzen Kontinent in den Untergang zu reißen ...
Ein Meisterwerk von unübertroffener mythologischer Tiefe!
Lese-Probe zu „Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens “
Im Sturm des Verderbens - Das Spiel der Götter 13 von Steven Erikson Ins Deutsche übertragen von Tim Straetmann
Buch eins
Knöchelchen der Seele
Wir streben danach
Die Bestie anzugreifen
Die in unseren Seelen kauert
Aber diese kreatur ist rein
Und scheuen Blickes
Und sie beobachtet unsere rasenden verbrechen
Geduckt aus dem käfig
Unserer Grausamkeit heraus
Um meinetwillen und
eures Schicksals willen werde ich
in diesen Händen
Die Gnade des tieres annehmen und
Zerbrochene träume bessern -
Freiheit, lange Zeit
Ungefesselt und ungebunden -
Die Bestie wird töten, wenn ich morde
im Sündenerlass
Bediente sich eine Liste unbemerkter Unterschiede
Dieser Hände
Unentschuldigte Freiheit
Seht, wie sauber
Dieses Blut verglichen mit eurem ist
Das todesgrinsen
eures bestialischen Zähnefletschens beeinträchtigt
Die Züge eures Gesichtes
Das ist es, was uns unterscheidet
in unseren Seelen
Meine Bestie und ich, aneinandergekettet
Wie wir es sein müssen,
Wer führt und wer geführt wird,
Diese Frage wird tatsächlich niemals
Den Anmutigen und Unschuldigen gestellt
Hund in einer Gasse
Bekenntnisse
Tibal Feredict
Kapitel eins
ein kiel und ein halber rumpf waren noch von dem Wrack übrig,
in dem wir Schiffbrüchigen uns versammelten, und der Sturm der
vergangenen nacht hing wie Sprühregen in der Luft, als wir in das
Bett aus gebogenen rippen hinunterkrochen.
... mehr
ich hörte viele gemurmelte Gebete, sah Hände hin und her zucken,
um dies oder jenes abzuwehren, wie es das Bedürfnis einer
jeden Seele ist, deren Unterhaltung mit der Angst bereits in der
kindheit begonnen hat, und hätte ich mich an meine erinnern
können, wäre mir wohl auch in den Sinn gekommen, auf diese
Weise vor dem entsetzen zu fliehen.
Unter den gegebenen Umständen konnte ich jedoch nur auf die
krebsschalenernte aus winzigen Skeletten hinunterblicken - auf
die geschwänzten kobolde mit ihren menschenähnlichen Gesichtern,
ihren Falkenkrallen und allen Arten von seltsamen verschönerungen,
die den hellen, sonnigen Alptraum bis ins Detail perfekt
ausgestalteten.
es ist kein Wunder, dass ich an jenem tag dem Meer abgeschworen
habe. Der Sturm und das zerbrochene Schiff hatten einen
höchst unheiligen Schwarm an die oberfläche getrieben - und
ach, zweifellos gab es noch viel mehr, die diese verdammte insel
umkreisten.
Also war ich es, der schließlich ein überaus unappetitliches
Durcheinander von sich gab. »ich vermute, nicht alle kobolde
können fliegen.«
trotzdem war das doch wohl kaum ein ausreichender Grund,
um mir die Augen auszudrücken, oder?
Blinder Tobor vom Finger
Tja, also das da drüben, meine Freunde, das ist mal eine wirklich
schöne Frau.«
»Wenn du sie so magst.«
»nun, warum sollte ich nicht, du verdammter Grabwühler? Die Sache
ist die - und so ist es doch eigentlich immer: Seht euch bloß mal den
hoffnungslosen Halsabschneider an, der bei ihr ist. So was kapiere ich
nicht. Sie könnte jeden hier drin haben. Sie könnte sogar mich haben.
Aber nein, sie hockt da drüben neben diesem hinkenden, einarmigen,
einohrigen, einäugigen und nasenlosen Hirtenhund. ich meine, wenn
wir schon über Hässlichkeit reden.«
Der dritte Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte, blickte ihn
verstohlen von der Seite an, betrachtete die an ein vogelnest erinnernden
Haare, die wie Steuerruder abstehenden ohren, die vorquellenden
Augen sowie die scheckigen Flecken - narben von Brandwunden - in
einem Gesicht, das ihn an einen zerquetschten kürbis erinnerte; kurz
und von der Seite her, dieser Blick - und dann schaute Gurgelschlitzer
schnell wieder weg. Schließlich wollte er auf keinen Fall ein weiteres Mal
in dieses trällernde, unheimliche Gelächter ausbrechen, bei dem jeder,
der sich in Hörweite befand, zu erstarren schien.
Früher hat sich mein Lachen nie so angehört. Aber jetzt, jetzt jagt das verdammte
Geräusch sogar mir selbst Angst ein. nun, er hatte ein paar ölige
Flammen schlucken müssen, und die hatten schlimme Sachen mit seinem
kehlkopf angestellt. Der Schaden war nur zu hören, wenn er lachte,
und wie er sich erinnerte, hatte es in den Monaten, die auf den ... ganzen
Kram gefolgt waren, wenig Grund zur Heiterkeit gegeben.
»Da ist der inhaber dieser Schenke«, bemerkte totstink.
es war leicht, über alles und jeden zu sprechen, da hier niemand außer
ihnen Malazanisch verstand.
»Ja, das ist noch einer, der runde Augen kriegt, wenn er sie anschaut«,
sagte Sergeant Balsam höhnisch grinsend. »Und mit wem sitzt sie da?
Hol mich der vermummte, aber ich kapier das alles nicht.«
totstink beugte sich langsam über den tisch und füllte sorgfältig
seinen krug wieder auf. »es geht um das Fass, das geliefert werden soll.
Brullygs Fass. Sieht ganz so aus, als hätten der Hübsche und das tote
Schätzchen da drüben sich freiwillig gemeldet.«
Balsams Glotzaugen traten noch ein bisschen weiter aus ihren Höhlen.
»Die ist nicht tot! Aber ich sag dir, was tot ist, totstink - der in einer
Pfütze ersoffene Wurm zwischen deinen Beinen, der ist tot!«
Gurgelschlitzer beäugte den korporal. »Wenn du sie so magst«, hatte
totstink gesagt. ein halb ersticktes gurgelndes Geräusch entfleuchte
ihm, das seine beiden kameraden zusammenzucken ließ.
»Was gibt es da zu lachen, im namen des vermummten?«, wollte Balsam
wissen. »Lass es einfach - und das ist ein Befehl.«
Gurgelschlitzer biss sich kräftig auf die Zunge. tränen verschleierten
ihm den Blick, als der Schmerz in seinem Schädel hin und her flitzte
wie ein kieselstein in einem eimer. er schüttelte stumm den kopf. Lachen?
Ich doch nicht.
Der Sergeant starrte totstink wieder düster an. »tot? Für mich sieht
sie nicht besonders tot aus.«
»vertrau mir«, erwiderte der korporal, nachdem er einen kräftigen
Schluck genommen hatte. er rülpste. »is' schon klar, sie passt auf, dass
es keiner merkt, aber die Frau da drüben ist schon vor einiger Zeit gestorben.«
Balsam saß über den tisch gebeugt da, kratzte sich den verfilzten
Haarschopf. Schuppen rieselten herunter und landeten wie Farbkleckse
auf dem dunklen Holz der tischplatte. »Bei den Göttern hienieden«,
flüsterte er. »vielleicht ... vielleicht sollte irgendjemand ... ich weiß ja
nicht ... aber vielleicht ... sollte jemand ... es ihr mal sagen?«
totstinks größtenteils haarlose Brauen schoben sich in die Höhe.
»entschuldigt, werte Dame, aber ihr habt einen teint, für den man
sterben könnte - und ich vermute, genau das habt ihr bereits getan.«
ein weiteres krächzen von Gurgelschlitzer.
»Stimmt es, werte Dame«, fuhr der korporal fort, »dass eine perfekte
Frisur und ein teures Make-up einfach alles überdecken können?«
ein abgewürgtes Quieken von Gurgelschlitzer.
köpfe drehten sich in ihre richtung.
totstink genehmigte sich einen weiteren Schluck. Das thema begann
ihm Spaß zu machen. »Lustig, ihr seht gar nicht aus, als wärt ihr tot.«
Das schrille Lachen brach sich explosiv Bahn.
Als es wieder erstarb, herrschte im Schankraum plötzlich Stille, wenn
man von dem Geräusch absah, das ein krug verursachte, der über eine
tischplatte rollte, über die kante fiel und scheppernd auf den Boden prallte.
Balsam starrte totstink düster an. »Das warst du. Du machst einfach
immer weiter und weiter. noch ein Wort, korporal, und du bist gleich
toter als sie.«
»Was ist das für ein Geruch?«, fragte totstink. »oh, ja, richtig. Die
essenz der Fäulnis.«
Balsams Wangen blähten sich, und sein Gesicht nahm einen merkwürdigen,
purpurnen Farbton an. Seine gelblichen Augen sahen aus, als
wären sie kurz davor, aus den Höhlen zu springen.
Gurgelschlitzer versuchte, die Augen zuzukneifen, aber das Bild wollte
nicht aus seinem kopf verschwinden. er kreischte hinter vorgehaltenen
Händen. Schaute sich hilflos bettelnd um.
Alle Aufmerksamkeit war nun auf sie gerichtet; niemand sprach mehr.
Selbst die schöne Frau, die mit dem verstümmelten tölpel eingelaufen
war, und der tölpel selbst - dessen eines Auge unter einem strengen
Stirnrunzeln hervorblinzelte - hatten aufgehört zu sprechen; sie standen
beiderseits des Bierfasses, das der Gastwirt herausgebracht hatte. Und
auch der Wirt selbst sagte nichts, sondern starrte Gurgelschlitzer nur
mit offenem Mund an.
»nun«, bemerkte totstink, »da geht unser Ansehen als böse Jungs dahin.
Gurgelchen hier stößt Lockrufe aus - man kann nur hoffen, dass es
hier auf der insel keine truthähne gibt. Und du Sergeant, siehst aus, als
würde dein kopf gleich wie'n knaller explodieren.«
»es war dein Fehler, du blöder kerl!«, zischte Balsam.
»Wohl kaum. Wie du sehen kannst, bin ich ruhig. Wenn auch ein
bisschen beschämt über meine Begleitung, leider.«
»Schön, dann schieben wir dich ab. Beim vermummten, Gilani ist
ein verdammt viel hübscherer Anblick als du -«
»Ja, aber die ist zufällig lebendig, Sergeant. Also ganz und gar nicht
dein typ.«
»ich wusste es nicht!«
»nun, das ist ein überaus jämmerliches eingeständnis, findest du
nicht auch?«
»Hör auf«, mischte Gurgelschlitzer sich schließlich ein. »ich hätte es
auch nicht sagen können, totstink.« er deutete mit einem Finger auf
den korporal. »noch ein Beweis mehr, dass du ein verdammter totenbeschwörer
bist. Jetzt mach nicht so ein entsetztes Gesicht, das kaufen
wir dir nicht mehr ab. Du hast gewusst, dass sie tot ist, weil du sie
riechen kannst - du kannst den Gestank der toten riechen, wie's dein
name schon sagt. tatsächlich würde ich fast wetten, dass genau das der
Grund ist, warum tapferer Zahn dir diesen namen gegeben hat - dem
entgeht nie was, stimmt's?«
Die Geräuschkulisse um sie herum lebte langsam wieder auf, begleitet
von mehr als nur einer Handvoll abwehrenden Gesten und dem mehrstimmigen
Scharren von Stühlen, die durch den Dreck zurückgeschoben
wurden, als einige Stammgäste sich verstohlen durch die vordertür
verdrückten.
totstink trank noch mehr Bier. Und sagte nichts mehr.
Die tote Frau und ihr Begleiter gingen nach draußen; Letzterer mühte
sich hinkend ab, das Fass auf einer Schulter zu balancieren.
Balsam gab ein undeutliches Geräusch von sich. »Da gehen sie hin.
Wieder mal typisch, oder? Ausgerechnet, wenn wir nicht vollzählig sind.«
»Darüber brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen, Sergeant«,
sagte totstink. »es ist alles unter kontrolle. obwohl ... wenn
der inhaber auf die idee kommt, ihnen zu folgen ...«
Gurgelschlitzer schnaubte. »Wenn er das tut, wird er es bedauern.«
er stand auf, rückte seinen regenumhang zurecht. »ihr habt Glück, ihr
beide. ihr könnt hier sitzen und dafür sorgen, dass eure Ärsche immer
fetter werden. Da draußen ist's nämlich verdammt kalt, versteht ihr?«
»ich mache mir notizen über diese ganze Aufsässigkeit«, knurrte Balsam.
er tippte sich an die Schläfe. »Hier drin.«
»nun, das ist mal eine erleichterung«, sagte Gurgelschlitzer. Dann
verließ er die Schenke.
triller Brullyg, tyrann des Forts der Zweiten Jungfrau und Möchtegernkönig
der insel, lümmelte im hochlehnigen Sessel des ehemaligen Gefängnis-
Präfekten herum und starrte unter zwei dichten Brauen hervor
düster zu den beiden Fremden am tisch neben der tür. Sie spielten mal
wieder eines ihrer verdammten Spiele. Mit Fingerknochen, einer länglichen
hölzernen Schüssel und gespaltenen krähenfedern.
»Zwei Hüpfer bringen mir einen kehrer«, sagte der eine von ihnen,
obwohl Brullyg sich dessen nicht ganz sicher war - eine Sprache heimlich
zu lernen, war keine leichte Sache, aber er war schon immer gut
in Sprachen gewesen. triller, Letherii, tiste edur, Fent, die Handelssprache
oder die der Meckros. Und jetzt Spritzer von diesem ... diesem Malazanisch.
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Sie hatten sie ihm genommen,
ebenso mühelos, wie sie ihm sein Messer und seine kriegsaxt genommen
hatten. Fremde, die ganz ruhig in den Hafen gesegelt waren - es waren
nicht so viele an Bord gewesen, als dass man sich hätte große Sorgen machen
müssen. So hatte es zumindest den Anschein gehabt. Außerdem hatte
es zum damaligen Zeitpunkt genügend anderen Ärger gegeben, mit dem
er sich herumschlagen musste. ein Meer voller eisberge, die sich der insel
schnell genähert hatten und viel bedrohlicher als jede Flotte und jede Armee
gewesen waren. Sie hatten gesagt, sie könnten sich darum kümmern -
und er war ein ertrinkender gewesen, der zum letzten Mal untergeht.
Der Möchtegern-könig der insel, zermalmt und zerquetscht unter
gefühllosem eis. Dieser Wahrheit ins Auge zu sehen, war in etwa so gewesen,
als hätten Drachenklauen sein Segel zerfetzt. nach allem, was er getan hatte ...
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. er fragte sich mittlerweile, ob
diese Malazaner das eis mitgebracht hatten. ob sie es auf der wilden
jahreszeitlichen Strömung losgeschickt hatten, so dass sie kurz davor
ankommen und ihre Hilfe anbieten konnten, um die Bedrohung abzuwenden.
Brullyg erinnerte sich, dass er ihnen nicht einmal geglaubt
hatte, aber die verzweiflung hatte mit ihrer eigenen Stimme gesprochen.
»Macht das, und ihr werdet so lange ihr wollt königliche Gäste sein.« Bei
diesem Angebot hatten sie gelächelt.
Ich bin ein Idiot. Und schlimmer noch.
Und jetzt herrschten zwei armselige trupps über ihn und jeden verdammten
einwohner dieser insel, und es gab nichts, was er dagegen tun
konnte. Außer dafür zu sorgen, dass niemand die Wahrheit erfährt. Und
das wird mit jedem Tag ein bisschen schwieriger.
»Der kehrer ist im trog, nimm dir'n knöchelchen und das war's dann
wohl«, sagte der andere Soldat.
Möglicherweise.
»er ist weggerutscht, als du geatmet hast - ich hab's gesehen, du bescheißt!«
»ich hab nicht geatmet.«
»oh ja, richtig, du bist ja auch ein verdammter kadaver, beim vermummten,
was?«
»nein. ich hab nur nicht geatmet, als du gesagt hast, ich hätte geatmet.
Schau, er ist im trog, oder willst du das etwa abstreiten?«
»Lass mich das mal aus der nähe anschauen. Ha! nein, ist er nicht!«
»Du hast gerade geseufzt und ihn bewegt, verdammt!«
»ich hab nicht geseufzt.«
»klar, und du bist auch nicht am verlieren, was?«
»nur weil ich verliere, heißt das noch lange nicht, dass ich genau da
geseufzt hab. Aber schau, er ist nicht im trog.«
»Warte mal ‘nen Moment, während ich atme ...«
»Dann werde ich seufzen!«
»Sieger atmen. verlierer seufzen. von daher bin ich der Sieger.«
»Aber sicher, für dich ist bescheißen so natürlich wie atmen, ja?«
Brullyg löste den Blick von den beiden Soldaten neben der tür und
richtete seine Aufmerksamkeit auf den dritten im Zimmer. Die dritte.
Beim Hexenzirkel, sie war eine Schönheit. Diese dunkle, märchenhafte
Haut ... und diese leicht schräg gestellten Augen, die geradezu einladend
leuchteten - verdammt sollte er sein, alle Geheimnisse der Welt lagen in
diesen Augen. Und dieser Mund! Diese Lippen! Wenn er doch nur die
anderen beiden loswerden und ihr vielleicht die beiden gemeinen Messer
unauffällig wegnehmen könnte, tja, dann würde er diese Geheimnisse
auf genau die Art und Weise entdecken, wie sie es von ihm wollte.
Ich bin der König der Insel. Schon bald. Noch eine Woche, und wenn bis
dahin keine der schlampigen Töchter der toten Königin auftaucht, fällt alles
mir zu. König der Insel. Beinahe. Aber ich bin nahe genug dran, um den Titel
zu benutzen, klar. Und welche Frau würde das armselige Soldatenleben
wohl nicht für das weiche, warme Bett einer königlichen Ersten Konkubine
aufgeben? Klar, das ist eine Sitte der Letherii, aber als König kann ich meine
eigenen Regeln aufstellen. Und wenn's dem Hexenzirkel nicht gefällt - nun,
da sind immer noch die Klippen.
einer der beiden Malazaner am tisch sagte: »Sei vorsichtig, Masan,
er macht schon wieder dieses Gesicht.«
Die Frau namens Masan Gilani streckte sich auf ihrem Stuhl wie eine
katze, hob ihre glatten, ganz und gar nicht dürren Arme in einem Bogen,
der ihre großen Brüste in runde Bälle verwandelte, über denen sich
das abgetragene Gewebe ihres Hemdes spannte. »Solange er mit dem falschen
Hirn denkt, Läppchen, ist alles in bester ordnung.« Dann lehnte
sie sich zurück, streckte die vollkommenen Beine aus.
»Wir sollten ihm wieder eine Hure bringen«, sagte der Mann namens
Läppchen, während er die Fingerknöchelchen in einem kleinen Ledersäckchen
verstaute.
»nein«, sagte Masan Gilani. »totstink konnte schon die letzte nur
mit Mühe wiederbeleben.«
Aber das ist nicht der wahre Grund, stimmt's? Brullyg lächelte. Nein,
du willst mich für dich. Außerdem bin ich normalerweise nicht so. Ich hatte
ein paar ... Enttäuschungen zu verarbeiten. Das ist alles. Sein Lächeln
verblasste. Sie benutzen wirklich andauernd ihre Hände beim Sprechen.
Machen alle möglichen Gesten. Merkwürdige Leute, diese Malazaner. er
räusperte sich und sagte auf Letherii, auf diese langsame Weise, die sie
anscheinend brauchten: »ich würde gerne mal wieder einen Spaziergang
machen. Meine Beine brauchen Bewegung.« eine Geste zu Masan Gilani,
die ihm mit einem wissenden Lächeln antwortete, das ihn tief unten
entflammte - so sehr, dass er auf seinem Sessel herumrutschte. »Mein
volk muss mich sehen, versteht ihr? Wenn sie erst einmal anfangen, verdacht
zu schöpfen - nun, wenn irgendjemand weiß, wie ein Hausarrest
aussieht, dann die Bürger des Forts der Zweiten Jungfrau.«
Läppchen antwortete ihm auf Letherii mit einem schrecklichen Akzent:
»Du kriegst dein Bier, wenn heute nacht kommt, ja? Am besten
willst du hier drauf warten. Wir gehen mit dir heute nacht.«
Wie's eine Konkubine in irgendeinem Hafen mit ihrem verhätschelten
Hündchen machen würde. Ist das nicht toll? Und wenn ich ein Bein hebe
und dich anpisse, Läppchen - was dann?
Diese Soldaten hier flößten ihm keine Angst ein. Das tat der andere
trupp - derjenige, der immer noch auf der anderen Seite der insel war.
Der mit dem dürren kleinen stummen Mädchen. Sie hatte so eine Art,
wie aus dem nichts aufzutauchen. Aus einem Lichtwirbel - er fragte
sich, was wohl die triller-Hexen von diesem pfiffigen trick halten würden.
Läppchen - oder Masan Gilani oder Galt, es spielte keine rolle,
wer - musste lediglich ihren namen rufen.
Sünd.
Die war wirklich grässlich, und dabei war noch nicht mal eine kralle
zu sehen. er vermutete, dass er den ganzen Zirkel brauchen würde, um
sie loszuwerden. Am liebsten unter großen verlusten. Schließlich hatte
der Hexenzirkel so eine Art, den gewählten Herrschern der triller auf
die Pelle zu rücken. Und sie sind unterwegs, wie Raben zu einem Kadaver,
nichts als Spucke und Gekicher. Natürlich können sie nicht fliegen. Sie können
nicht mal schwimmen. Nein, sie brauchen Boote, um die Meerenge zu
überqueren - unter der Voraussetzung, dass der Finger jetzt nicht ein einziges
Durcheinander aus Eis ist, wonach es von hier aus aussieht.
Der Soldat namens Galt stand von seinem Stuhl auf, zuckte zusammen,
als hätte er dabei einen stechenden Schmerz im kreuz gespürt, und
schlenderte dann gemächlich dorthin, wo der am höchsten geschätzte
Besitz des Präfekten an der Wand hing - oder, genauer gesagt, eine ganze
Wand einnahm. vom Alter verblichen - und in der linken unteren
ecke voller Blutflecken, die vom armen Präfekten stammten - zeigte der
Wandteppich die erste Landung der Letherii, auch wenn es in Wirklichkeit
nicht die erste Landung der kolonisten war. Die Flotte war irgendwo
gegenüber des Fingers in Sichtweite der küste gekommen. einige
Fent waren mit ihren kanus hinausgefahren, um mit den Fremden kontakt
aufzunehmen. ein Austausch von Geschenken war schiefgegangen,
was zu einem Gemetzel an den männlichen Fent und der anschließenden
versklavung der Frauen und kinder des Dorfes geführt hatte. Drei weitere
Siedlungen hatten das gleiche Schicksal erlitten. Die nächsten vier,
weiter südlich an der küste, waren rasch aufgegeben worden.
Die Flotte hatte schließlich die Halbinsel Sadon an der nordküste
der verdränger-See umrundet und war dann am Lenth-Arm vorbei und
in die Bucht von Gedry gesegelt. Die Stadt Gedry war dort gegründet
worden, wo die erste Landung stattgefunden hatte, an der Mündung
des Lether. Dieser Wandteppich, der locker tausend Jahre alt war, war
Beweis genug. in diesen tagen herrschte die allgemeine Überzeugung,
dass die Landung dort stattgefunden hatte, wo die Hauptstadt selbst
lag, ein gutes Stück flussaufwärts. Merkwürdig, wie die vergangenheit
verändert wurde, damit sie zur Gegenwart passte. eine erkenntnis, die
Brullyg nutzen konnte, wenn er erst einmal könig war. Die triller waren
ein gescheitertes volk, vom Schicksal dazu bestimmt, nichts als tragödien
und mitleiderregende Dinge zu erfahren. Sie waren Wächter des
Gestades - aber unfähig, es vor dem Hunger der unermüdlichen See zu
schützen. All das musste ... geändert werden.
Die Letherii hatten niederlagen erlitten. viele. ihre Geschichte in
diesem Land war blutig, und es war eine Geschichte voll verrat, Lügen
und herzloser Grausamkeiten. Die nun alle als glorreich und heldenhaft
betrachtet wurden.
So muss ein Volk sich selbst sehen. So müssen wir Triller uns sehen. Ein
blendend helles Leuchtfeuer an diesem dunklen Gestade. Wenn ich erst König
bin ...
»Seht euch dieses verdammte Ding mal an«, sagte Galt. »Die Schrift
da an den rändern - das könnte ehrlii sein.«
»ist es aber nicht«, murmelte Läppchen. er hatte einen seiner Dolche
auseinandergenommen; auf dem tisch vor ihm lagen der knauf,
ein paar nieten und Bolzen, ein hölzerner, lederumwickelter Griff, ein
geschlitztes Heft und die klinge mit dem erl. es schien, als wüsste der
Soldat nicht so recht, wie er das alles wieder zusammensetzen sollte.
»ein paar von den Buchstaben ...«
»ehrlii und Letherii stammen von der gleichen Sprache ab«, sagte
Läppchen.
Galt sah ihn misstrauisch an. »Woher weißt du das?«
»ich weiß es nicht, du idiot. Man hat es mir erzählt.«
»Wer?«
»ich glaube, ebron. oder Scherbe. Was spielt das für eine rolle?
Jemand, der solche Dinge weiß, das ist alles. Beim vermummten, du
machst mir kopfschmerzen. Und schau dir nur den Schlamassel hier
an.«
»ist das mein Messer?«
»Das war es.«
Brullyg sah, wie Läppchen den kopf ein wenig zur Seite neigte. Dann
sagte der Soldat: »Schritte am unteren ende der treppe.« Bei diesen
Worten begannen seine Hände sich so schnell zu bewegen, dass sie zu
verschwimmen schienen, und noch während Galt auf die tür zuging,
drehte Läppchen den knauf fest und warf das Messer in richtung seines
kameraden. Der es mit einer Hand auffing, ohne auch nur einen Schritt
langsamer zu gehen.
Brullyg lehnte sich in seinem Sessel zurück.
Masan Gilani stand auf und zog die bösartig aussehenden Messer
mit den langen klingen aus den Scheiden an ihren Hüften. »ich wollte,
ich wäre mit meinem eigenen trupp hier«, sagte sie und machte einen
Schritt auf Brullyg zu.
»rühr dich nicht von der Stelle«, murmelte sie.
er nickte mit trockenem Mund.
»Wahrscheinlich ist es die Bierlieferung«, sagte Läppchen von der einen
Seite der tür, während Galt sie entriegelte und weit genug aufschob,
dass er durch den Spalt spähen konnte.
»Schon klar, aber die Stiefel klingen falsch.«
»nicht nach dem üblichen sabbernden alten knacker und seinem Sohn?«
»Ganz und gar nicht.«
»na schön.« Läppchen griff unter den tisch und brachte eine Armbrust
zum vorschein. eine wirklich fremdländische Waffe, ganz aus
Stahl - oder zumindest aus etwas, das letheriischem Stahl sehr ähnelte.
Die Schnur war so dick wie der Daumen eines Mannes, und der Bolzen,
der in der nut lag, hatte eine x-förmige Spitze, die einen letheriischen
Schild durchbohren mochte, als wäre er aus Birkenrinde. Der Soldat
spannte die Armbrust, in dem er den Haken zurückkurbelte und irgendwie
arretierte. Dann schob er sich an der Wand entlang in die ecke.
Galt wich zurück, als die Schritte auf der treppe näher kamen. er
machte ein paar Handbewegungen, die Masan Gilani mit einem undeutlichen
Brummen beantwortete, und dann hörte Brullyg, wie hinter
ihm Stoff zerriss - einen Augenblick später spürte er die Spitze eines
Messers zwischen seinen Schulterblättern. Sie hatte das Messer durch
die verdammte Sessellehne gestoßen. Sie beugte sich vor. »Sei nett und
dumm, Brullyg. Wir kennen die beiden, und wir können uns vorstellen,
weswegen sie hier sind.«
nachdem Galt einen Blick nach hinten auf Masan Gilani geworfen
und einmal genickt hatte, trat er an die tür und öffnete sie weit. »oho«,
sagte er gedehnt in seinem schrecklichen Letherii, »wenn das nicht dieser
kapitän ist und ihr erster Maat. Geld ist wohl ausgegangen zu schnell?
Wie kommt ihr das Bier bringt?«
ein heftiges knurren von draußen. »Was hat er gesagt, kapitän?«
»Was auch immer, er hat es auf jeden Fall schlecht gesagt.« eine Frau.
Und diese Stimme - Brullyg runzelte die Stirn. Diese Stimme hatte er
schon einmal gehört. Die Messerspitze grub sich ein bisschen tiefer in
sein rückgrat.
»Wir bringen triller Brullyg sein Bier«, fuhr die Frau fort.
»Das ist schön«, sagte Galt. »Wir sehen, dass es zu ihm kommt.«
»triller Brullyg ist ein alter Freund von mir. ich will ihn sprechen.«
»er ist beschäftigt.«
»Womit?«
»Denken.«
»triller Brullyg? Das bezweifle ich jetzt aber wirklich - und wer bist
du überhaupt, im namen des Abtrünnigen? Du bist kein Letherii, und
du und diese Freunde von dir, die in der Schenke rumhängen, nun ja,
niemand von euch war als Gefangener hier. ich habe mich umgehört. ihr
seid von dem merkwürdigen Schiff, das in der Bucht vor Anker liegt.«
»tja, kapitän, das ist ganz einfach. Wir sind gekommen für all das eis
geht. Und so Brullyg hier belohnt uns. Wir Gäste. königliche Gäste. Jetzt
leisten wir Gesellschaft. er lächelt die ganze Zeit nett. Wir auch nett.«
»nette idioten, glaube ich«, sagte der Mann draußen grummelnd -
vermutlich der erste Maat des kapitäns. »Aber allmählich wird mein
Arm müde - also geh zur Seite, und lass mich das verdammte Ding
reinbringen.«
Galt warf einen Blick über die Schulter nach hinten, auf Masan Gilani,
die auf Malazanisch sagte: »Warum schaust du mich an? ich bin nur
hier, um dafür zu sorgen, dass diesem Mann auch weiterhin die Zunge
raushängt.«
Brullyg leckte sich Schweißperlen von den Lippen. Warum klappt es
immer noch, obwohl ich es weiß? Bin ich tatsächlich so blöd? »Lasst sie rein«,
sagte er leise. »Dann kann ich sie beruhigen und wieder wegschicken.«
Galt sah erneut Masan Gilani an, und obwohl sie nichts sagte, mussten
sie sich doch irgendwie verständigt haben, denn er zuckte plötzlich
die Schultern und trat zurück. »kommt das Bier.«
Brullyg sah zwei Gestalten das Zimmer betreten. Die vordere war
Skorgen kagan, der Hübsche. Was bedeutete ... ja. Der Möchtegernkönig
lächelte. »Shurq elalle. Du bist nicht einen tag älter geworden,
seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Und Skorgen - stell das Fass
ab, bevor du dir die Schulter ausrenkst und der Liste deiner Gebrechen
hinzufügen musst, dass du schief bist. Stich das verdammte Ding an,
dann können wir alle was trinken. oh«, fügte er hinzu, als er sah, dass
die beiden Piraten die Soldaten erst jetzt richtig wahrnahmen - wobei
Skorgen fast vor Schreck hochgeschnellt wäre, als er Läppchen in der
ecke entdeckte, der die Armbrust nun angelegt hatte -, »das sind ein
paar von meinen königlichen Gästen. An der tür: Galt. in der ecke:
Läppchen. Und dieses Liebchen hier mit einer Hand hinter meiner Sessellehne
ist Masan Gilani.«
Shurq elalle nahm sich einen der Stühle unweit der tür und zog ihn
so weit, dass er Brullyg gegenüberstand. nachdem sie sich hingesetzt
hatte, schlug sie die Beine übereinander und verschränkte die Hände in
ihrem Schoß. »Brullyg, du halbverrückter betrügerischer Geizhals von
einem Dreckskerl. Wenn du allein wärst, würde ich dir auf der Stelle
deinen schwabbeligen Hals zudrücken.«
»ich kann nicht behaupten, dass deine Feindseligkeit mich erschüttert«,
antwortete Brullyg, der die Anwesenheit seiner malazanischen
Leibwächter plötzlich als sehr beruhigend empfand. »Aber weißt du, es
war nie so schlimm oder hässlich, wie du geglaubt hast. Du hast mir nur
nie Gelegenheit gegeben, es zu erklären ...«
Shurqs Lächeln war gleichermaßen schön wie düster. »Ach, Brullyg,
du warst doch nie jemand, der irgendwas erklärt hat.«
»ein Mann verändert sich.«
»Da wärst du der erste.«
© Weltbild
ich hörte viele gemurmelte Gebete, sah Hände hin und her zucken,
um dies oder jenes abzuwehren, wie es das Bedürfnis einer
jeden Seele ist, deren Unterhaltung mit der Angst bereits in der
kindheit begonnen hat, und hätte ich mich an meine erinnern
können, wäre mir wohl auch in den Sinn gekommen, auf diese
Weise vor dem entsetzen zu fliehen.
Unter den gegebenen Umständen konnte ich jedoch nur auf die
krebsschalenernte aus winzigen Skeletten hinunterblicken - auf
die geschwänzten kobolde mit ihren menschenähnlichen Gesichtern,
ihren Falkenkrallen und allen Arten von seltsamen verschönerungen,
die den hellen, sonnigen Alptraum bis ins Detail perfekt
ausgestalteten.
es ist kein Wunder, dass ich an jenem tag dem Meer abgeschworen
habe. Der Sturm und das zerbrochene Schiff hatten einen
höchst unheiligen Schwarm an die oberfläche getrieben - und
ach, zweifellos gab es noch viel mehr, die diese verdammte insel
umkreisten.
Also war ich es, der schließlich ein überaus unappetitliches
Durcheinander von sich gab. »ich vermute, nicht alle kobolde
können fliegen.«
trotzdem war das doch wohl kaum ein ausreichender Grund,
um mir die Augen auszudrücken, oder?
Blinder Tobor vom Finger
Tja, also das da drüben, meine Freunde, das ist mal eine wirklich
schöne Frau.«
»Wenn du sie so magst.«
»nun, warum sollte ich nicht, du verdammter Grabwühler? Die Sache
ist die - und so ist es doch eigentlich immer: Seht euch bloß mal den
hoffnungslosen Halsabschneider an, der bei ihr ist. So was kapiere ich
nicht. Sie könnte jeden hier drin haben. Sie könnte sogar mich haben.
Aber nein, sie hockt da drüben neben diesem hinkenden, einarmigen,
einohrigen, einäugigen und nasenlosen Hirtenhund. ich meine, wenn
wir schon über Hässlichkeit reden.«
Der dritte Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte, blickte ihn
verstohlen von der Seite an, betrachtete die an ein vogelnest erinnernden
Haare, die wie Steuerruder abstehenden ohren, die vorquellenden
Augen sowie die scheckigen Flecken - narben von Brandwunden - in
einem Gesicht, das ihn an einen zerquetschten kürbis erinnerte; kurz
und von der Seite her, dieser Blick - und dann schaute Gurgelschlitzer
schnell wieder weg. Schließlich wollte er auf keinen Fall ein weiteres Mal
in dieses trällernde, unheimliche Gelächter ausbrechen, bei dem jeder,
der sich in Hörweite befand, zu erstarren schien.
Früher hat sich mein Lachen nie so angehört. Aber jetzt, jetzt jagt das verdammte
Geräusch sogar mir selbst Angst ein. nun, er hatte ein paar ölige
Flammen schlucken müssen, und die hatten schlimme Sachen mit seinem
kehlkopf angestellt. Der Schaden war nur zu hören, wenn er lachte,
und wie er sich erinnerte, hatte es in den Monaten, die auf den ... ganzen
Kram gefolgt waren, wenig Grund zur Heiterkeit gegeben.
»Da ist der inhaber dieser Schenke«, bemerkte totstink.
es war leicht, über alles und jeden zu sprechen, da hier niemand außer
ihnen Malazanisch verstand.
»Ja, das ist noch einer, der runde Augen kriegt, wenn er sie anschaut«,
sagte Sergeant Balsam höhnisch grinsend. »Und mit wem sitzt sie da?
Hol mich der vermummte, aber ich kapier das alles nicht.«
totstink beugte sich langsam über den tisch und füllte sorgfältig
seinen krug wieder auf. »es geht um das Fass, das geliefert werden soll.
Brullygs Fass. Sieht ganz so aus, als hätten der Hübsche und das tote
Schätzchen da drüben sich freiwillig gemeldet.«
Balsams Glotzaugen traten noch ein bisschen weiter aus ihren Höhlen.
»Die ist nicht tot! Aber ich sag dir, was tot ist, totstink - der in einer
Pfütze ersoffene Wurm zwischen deinen Beinen, der ist tot!«
Gurgelschlitzer beäugte den korporal. »Wenn du sie so magst«, hatte
totstink gesagt. ein halb ersticktes gurgelndes Geräusch entfleuchte
ihm, das seine beiden kameraden zusammenzucken ließ.
»Was gibt es da zu lachen, im namen des vermummten?«, wollte Balsam
wissen. »Lass es einfach - und das ist ein Befehl.«
Gurgelschlitzer biss sich kräftig auf die Zunge. tränen verschleierten
ihm den Blick, als der Schmerz in seinem Schädel hin und her flitzte
wie ein kieselstein in einem eimer. er schüttelte stumm den kopf. Lachen?
Ich doch nicht.
Der Sergeant starrte totstink wieder düster an. »tot? Für mich sieht
sie nicht besonders tot aus.«
»vertrau mir«, erwiderte der korporal, nachdem er einen kräftigen
Schluck genommen hatte. er rülpste. »is' schon klar, sie passt auf, dass
es keiner merkt, aber die Frau da drüben ist schon vor einiger Zeit gestorben.«
Balsam saß über den tisch gebeugt da, kratzte sich den verfilzten
Haarschopf. Schuppen rieselten herunter und landeten wie Farbkleckse
auf dem dunklen Holz der tischplatte. »Bei den Göttern hienieden«,
flüsterte er. »vielleicht ... vielleicht sollte irgendjemand ... ich weiß ja
nicht ... aber vielleicht ... sollte jemand ... es ihr mal sagen?«
totstinks größtenteils haarlose Brauen schoben sich in die Höhe.
»entschuldigt, werte Dame, aber ihr habt einen teint, für den man
sterben könnte - und ich vermute, genau das habt ihr bereits getan.«
ein weiteres krächzen von Gurgelschlitzer.
»Stimmt es, werte Dame«, fuhr der korporal fort, »dass eine perfekte
Frisur und ein teures Make-up einfach alles überdecken können?«
ein abgewürgtes Quieken von Gurgelschlitzer.
köpfe drehten sich in ihre richtung.
totstink genehmigte sich einen weiteren Schluck. Das thema begann
ihm Spaß zu machen. »Lustig, ihr seht gar nicht aus, als wärt ihr tot.«
Das schrille Lachen brach sich explosiv Bahn.
Als es wieder erstarb, herrschte im Schankraum plötzlich Stille, wenn
man von dem Geräusch absah, das ein krug verursachte, der über eine
tischplatte rollte, über die kante fiel und scheppernd auf den Boden prallte.
Balsam starrte totstink düster an. »Das warst du. Du machst einfach
immer weiter und weiter. noch ein Wort, korporal, und du bist gleich
toter als sie.«
»Was ist das für ein Geruch?«, fragte totstink. »oh, ja, richtig. Die
essenz der Fäulnis.«
Balsams Wangen blähten sich, und sein Gesicht nahm einen merkwürdigen,
purpurnen Farbton an. Seine gelblichen Augen sahen aus, als
wären sie kurz davor, aus den Höhlen zu springen.
Gurgelschlitzer versuchte, die Augen zuzukneifen, aber das Bild wollte
nicht aus seinem kopf verschwinden. er kreischte hinter vorgehaltenen
Händen. Schaute sich hilflos bettelnd um.
Alle Aufmerksamkeit war nun auf sie gerichtet; niemand sprach mehr.
Selbst die schöne Frau, die mit dem verstümmelten tölpel eingelaufen
war, und der tölpel selbst - dessen eines Auge unter einem strengen
Stirnrunzeln hervorblinzelte - hatten aufgehört zu sprechen; sie standen
beiderseits des Bierfasses, das der Gastwirt herausgebracht hatte. Und
auch der Wirt selbst sagte nichts, sondern starrte Gurgelschlitzer nur
mit offenem Mund an.
»nun«, bemerkte totstink, »da geht unser Ansehen als böse Jungs dahin.
Gurgelchen hier stößt Lockrufe aus - man kann nur hoffen, dass es
hier auf der insel keine truthähne gibt. Und du Sergeant, siehst aus, als
würde dein kopf gleich wie'n knaller explodieren.«
»es war dein Fehler, du blöder kerl!«, zischte Balsam.
»Wohl kaum. Wie du sehen kannst, bin ich ruhig. Wenn auch ein
bisschen beschämt über meine Begleitung, leider.«
»Schön, dann schieben wir dich ab. Beim vermummten, Gilani ist
ein verdammt viel hübscherer Anblick als du -«
»Ja, aber die ist zufällig lebendig, Sergeant. Also ganz und gar nicht
dein typ.«
»ich wusste es nicht!«
»nun, das ist ein überaus jämmerliches eingeständnis, findest du
nicht auch?«
»Hör auf«, mischte Gurgelschlitzer sich schließlich ein. »ich hätte es
auch nicht sagen können, totstink.« er deutete mit einem Finger auf
den korporal. »noch ein Beweis mehr, dass du ein verdammter totenbeschwörer
bist. Jetzt mach nicht so ein entsetztes Gesicht, das kaufen
wir dir nicht mehr ab. Du hast gewusst, dass sie tot ist, weil du sie
riechen kannst - du kannst den Gestank der toten riechen, wie's dein
name schon sagt. tatsächlich würde ich fast wetten, dass genau das der
Grund ist, warum tapferer Zahn dir diesen namen gegeben hat - dem
entgeht nie was, stimmt's?«
Die Geräuschkulisse um sie herum lebte langsam wieder auf, begleitet
von mehr als nur einer Handvoll abwehrenden Gesten und dem mehrstimmigen
Scharren von Stühlen, die durch den Dreck zurückgeschoben
wurden, als einige Stammgäste sich verstohlen durch die vordertür
verdrückten.
totstink trank noch mehr Bier. Und sagte nichts mehr.
Die tote Frau und ihr Begleiter gingen nach draußen; Letzterer mühte
sich hinkend ab, das Fass auf einer Schulter zu balancieren.
Balsam gab ein undeutliches Geräusch von sich. »Da gehen sie hin.
Wieder mal typisch, oder? Ausgerechnet, wenn wir nicht vollzählig sind.«
»Darüber brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen, Sergeant«,
sagte totstink. »es ist alles unter kontrolle. obwohl ... wenn
der inhaber auf die idee kommt, ihnen zu folgen ...«
Gurgelschlitzer schnaubte. »Wenn er das tut, wird er es bedauern.«
er stand auf, rückte seinen regenumhang zurecht. »ihr habt Glück, ihr
beide. ihr könnt hier sitzen und dafür sorgen, dass eure Ärsche immer
fetter werden. Da draußen ist's nämlich verdammt kalt, versteht ihr?«
»ich mache mir notizen über diese ganze Aufsässigkeit«, knurrte Balsam.
er tippte sich an die Schläfe. »Hier drin.«
»nun, das ist mal eine erleichterung«, sagte Gurgelschlitzer. Dann
verließ er die Schenke.
triller Brullyg, tyrann des Forts der Zweiten Jungfrau und Möchtegernkönig
der insel, lümmelte im hochlehnigen Sessel des ehemaligen Gefängnis-
Präfekten herum und starrte unter zwei dichten Brauen hervor
düster zu den beiden Fremden am tisch neben der tür. Sie spielten mal
wieder eines ihrer verdammten Spiele. Mit Fingerknochen, einer länglichen
hölzernen Schüssel und gespaltenen krähenfedern.
»Zwei Hüpfer bringen mir einen kehrer«, sagte der eine von ihnen,
obwohl Brullyg sich dessen nicht ganz sicher war - eine Sprache heimlich
zu lernen, war keine leichte Sache, aber er war schon immer gut
in Sprachen gewesen. triller, Letherii, tiste edur, Fent, die Handelssprache
oder die der Meckros. Und jetzt Spritzer von diesem ... diesem Malazanisch.
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Sie hatten sie ihm genommen,
ebenso mühelos, wie sie ihm sein Messer und seine kriegsaxt genommen
hatten. Fremde, die ganz ruhig in den Hafen gesegelt waren - es waren
nicht so viele an Bord gewesen, als dass man sich hätte große Sorgen machen
müssen. So hatte es zumindest den Anschein gehabt. Außerdem hatte
es zum damaligen Zeitpunkt genügend anderen Ärger gegeben, mit dem
er sich herumschlagen musste. ein Meer voller eisberge, die sich der insel
schnell genähert hatten und viel bedrohlicher als jede Flotte und jede Armee
gewesen waren. Sie hatten gesagt, sie könnten sich darum kümmern -
und er war ein ertrinkender gewesen, der zum letzten Mal untergeht.
Der Möchtegern-könig der insel, zermalmt und zerquetscht unter
gefühllosem eis. Dieser Wahrheit ins Auge zu sehen, war in etwa so gewesen,
als hätten Drachenklauen sein Segel zerfetzt. nach allem, was er getan hatte ...
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. er fragte sich mittlerweile, ob
diese Malazaner das eis mitgebracht hatten. ob sie es auf der wilden
jahreszeitlichen Strömung losgeschickt hatten, so dass sie kurz davor
ankommen und ihre Hilfe anbieten konnten, um die Bedrohung abzuwenden.
Brullyg erinnerte sich, dass er ihnen nicht einmal geglaubt
hatte, aber die verzweiflung hatte mit ihrer eigenen Stimme gesprochen.
»Macht das, und ihr werdet so lange ihr wollt königliche Gäste sein.« Bei
diesem Angebot hatten sie gelächelt.
Ich bin ein Idiot. Und schlimmer noch.
Und jetzt herrschten zwei armselige trupps über ihn und jeden verdammten
einwohner dieser insel, und es gab nichts, was er dagegen tun
konnte. Außer dafür zu sorgen, dass niemand die Wahrheit erfährt. Und
das wird mit jedem Tag ein bisschen schwieriger.
»Der kehrer ist im trog, nimm dir'n knöchelchen und das war's dann
wohl«, sagte der andere Soldat.
Möglicherweise.
»er ist weggerutscht, als du geatmet hast - ich hab's gesehen, du bescheißt!«
»ich hab nicht geatmet.«
»oh ja, richtig, du bist ja auch ein verdammter kadaver, beim vermummten,
was?«
»nein. ich hab nur nicht geatmet, als du gesagt hast, ich hätte geatmet.
Schau, er ist im trog, oder willst du das etwa abstreiten?«
»Lass mich das mal aus der nähe anschauen. Ha! nein, ist er nicht!«
»Du hast gerade geseufzt und ihn bewegt, verdammt!«
»ich hab nicht geseufzt.«
»klar, und du bist auch nicht am verlieren, was?«
»nur weil ich verliere, heißt das noch lange nicht, dass ich genau da
geseufzt hab. Aber schau, er ist nicht im trog.«
»Warte mal ‘nen Moment, während ich atme ...«
»Dann werde ich seufzen!«
»Sieger atmen. verlierer seufzen. von daher bin ich der Sieger.«
»Aber sicher, für dich ist bescheißen so natürlich wie atmen, ja?«
Brullyg löste den Blick von den beiden Soldaten neben der tür und
richtete seine Aufmerksamkeit auf den dritten im Zimmer. Die dritte.
Beim Hexenzirkel, sie war eine Schönheit. Diese dunkle, märchenhafte
Haut ... und diese leicht schräg gestellten Augen, die geradezu einladend
leuchteten - verdammt sollte er sein, alle Geheimnisse der Welt lagen in
diesen Augen. Und dieser Mund! Diese Lippen! Wenn er doch nur die
anderen beiden loswerden und ihr vielleicht die beiden gemeinen Messer
unauffällig wegnehmen könnte, tja, dann würde er diese Geheimnisse
auf genau die Art und Weise entdecken, wie sie es von ihm wollte.
Ich bin der König der Insel. Schon bald. Noch eine Woche, und wenn bis
dahin keine der schlampigen Töchter der toten Königin auftaucht, fällt alles
mir zu. König der Insel. Beinahe. Aber ich bin nahe genug dran, um den Titel
zu benutzen, klar. Und welche Frau würde das armselige Soldatenleben
wohl nicht für das weiche, warme Bett einer königlichen Ersten Konkubine
aufgeben? Klar, das ist eine Sitte der Letherii, aber als König kann ich meine
eigenen Regeln aufstellen. Und wenn's dem Hexenzirkel nicht gefällt - nun,
da sind immer noch die Klippen.
einer der beiden Malazaner am tisch sagte: »Sei vorsichtig, Masan,
er macht schon wieder dieses Gesicht.«
Die Frau namens Masan Gilani streckte sich auf ihrem Stuhl wie eine
katze, hob ihre glatten, ganz und gar nicht dürren Arme in einem Bogen,
der ihre großen Brüste in runde Bälle verwandelte, über denen sich
das abgetragene Gewebe ihres Hemdes spannte. »Solange er mit dem falschen
Hirn denkt, Läppchen, ist alles in bester ordnung.« Dann lehnte
sie sich zurück, streckte die vollkommenen Beine aus.
»Wir sollten ihm wieder eine Hure bringen«, sagte der Mann namens
Läppchen, während er die Fingerknöchelchen in einem kleinen Ledersäckchen
verstaute.
»nein«, sagte Masan Gilani. »totstink konnte schon die letzte nur
mit Mühe wiederbeleben.«
Aber das ist nicht der wahre Grund, stimmt's? Brullyg lächelte. Nein,
du willst mich für dich. Außerdem bin ich normalerweise nicht so. Ich hatte
ein paar ... Enttäuschungen zu verarbeiten. Das ist alles. Sein Lächeln
verblasste. Sie benutzen wirklich andauernd ihre Hände beim Sprechen.
Machen alle möglichen Gesten. Merkwürdige Leute, diese Malazaner. er
räusperte sich und sagte auf Letherii, auf diese langsame Weise, die sie
anscheinend brauchten: »ich würde gerne mal wieder einen Spaziergang
machen. Meine Beine brauchen Bewegung.« eine Geste zu Masan Gilani,
die ihm mit einem wissenden Lächeln antwortete, das ihn tief unten
entflammte - so sehr, dass er auf seinem Sessel herumrutschte. »Mein
volk muss mich sehen, versteht ihr? Wenn sie erst einmal anfangen, verdacht
zu schöpfen - nun, wenn irgendjemand weiß, wie ein Hausarrest
aussieht, dann die Bürger des Forts der Zweiten Jungfrau.«
Läppchen antwortete ihm auf Letherii mit einem schrecklichen Akzent:
»Du kriegst dein Bier, wenn heute nacht kommt, ja? Am besten
willst du hier drauf warten. Wir gehen mit dir heute nacht.«
Wie's eine Konkubine in irgendeinem Hafen mit ihrem verhätschelten
Hündchen machen würde. Ist das nicht toll? Und wenn ich ein Bein hebe
und dich anpisse, Läppchen - was dann?
Diese Soldaten hier flößten ihm keine Angst ein. Das tat der andere
trupp - derjenige, der immer noch auf der anderen Seite der insel war.
Der mit dem dürren kleinen stummen Mädchen. Sie hatte so eine Art,
wie aus dem nichts aufzutauchen. Aus einem Lichtwirbel - er fragte
sich, was wohl die triller-Hexen von diesem pfiffigen trick halten würden.
Läppchen - oder Masan Gilani oder Galt, es spielte keine rolle,
wer - musste lediglich ihren namen rufen.
Sünd.
Die war wirklich grässlich, und dabei war noch nicht mal eine kralle
zu sehen. er vermutete, dass er den ganzen Zirkel brauchen würde, um
sie loszuwerden. Am liebsten unter großen verlusten. Schließlich hatte
der Hexenzirkel so eine Art, den gewählten Herrschern der triller auf
die Pelle zu rücken. Und sie sind unterwegs, wie Raben zu einem Kadaver,
nichts als Spucke und Gekicher. Natürlich können sie nicht fliegen. Sie können
nicht mal schwimmen. Nein, sie brauchen Boote, um die Meerenge zu
überqueren - unter der Voraussetzung, dass der Finger jetzt nicht ein einziges
Durcheinander aus Eis ist, wonach es von hier aus aussieht.
Der Soldat namens Galt stand von seinem Stuhl auf, zuckte zusammen,
als hätte er dabei einen stechenden Schmerz im kreuz gespürt, und
schlenderte dann gemächlich dorthin, wo der am höchsten geschätzte
Besitz des Präfekten an der Wand hing - oder, genauer gesagt, eine ganze
Wand einnahm. vom Alter verblichen - und in der linken unteren
ecke voller Blutflecken, die vom armen Präfekten stammten - zeigte der
Wandteppich die erste Landung der Letherii, auch wenn es in Wirklichkeit
nicht die erste Landung der kolonisten war. Die Flotte war irgendwo
gegenüber des Fingers in Sichtweite der küste gekommen. einige
Fent waren mit ihren kanus hinausgefahren, um mit den Fremden kontakt
aufzunehmen. ein Austausch von Geschenken war schiefgegangen,
was zu einem Gemetzel an den männlichen Fent und der anschließenden
versklavung der Frauen und kinder des Dorfes geführt hatte. Drei weitere
Siedlungen hatten das gleiche Schicksal erlitten. Die nächsten vier,
weiter südlich an der küste, waren rasch aufgegeben worden.
Die Flotte hatte schließlich die Halbinsel Sadon an der nordküste
der verdränger-See umrundet und war dann am Lenth-Arm vorbei und
in die Bucht von Gedry gesegelt. Die Stadt Gedry war dort gegründet
worden, wo die erste Landung stattgefunden hatte, an der Mündung
des Lether. Dieser Wandteppich, der locker tausend Jahre alt war, war
Beweis genug. in diesen tagen herrschte die allgemeine Überzeugung,
dass die Landung dort stattgefunden hatte, wo die Hauptstadt selbst
lag, ein gutes Stück flussaufwärts. Merkwürdig, wie die vergangenheit
verändert wurde, damit sie zur Gegenwart passte. eine erkenntnis, die
Brullyg nutzen konnte, wenn er erst einmal könig war. Die triller waren
ein gescheitertes volk, vom Schicksal dazu bestimmt, nichts als tragödien
und mitleiderregende Dinge zu erfahren. Sie waren Wächter des
Gestades - aber unfähig, es vor dem Hunger der unermüdlichen See zu
schützen. All das musste ... geändert werden.
Die Letherii hatten niederlagen erlitten. viele. ihre Geschichte in
diesem Land war blutig, und es war eine Geschichte voll verrat, Lügen
und herzloser Grausamkeiten. Die nun alle als glorreich und heldenhaft
betrachtet wurden.
So muss ein Volk sich selbst sehen. So müssen wir Triller uns sehen. Ein
blendend helles Leuchtfeuer an diesem dunklen Gestade. Wenn ich erst König
bin ...
»Seht euch dieses verdammte Ding mal an«, sagte Galt. »Die Schrift
da an den rändern - das könnte ehrlii sein.«
»ist es aber nicht«, murmelte Läppchen. er hatte einen seiner Dolche
auseinandergenommen; auf dem tisch vor ihm lagen der knauf,
ein paar nieten und Bolzen, ein hölzerner, lederumwickelter Griff, ein
geschlitztes Heft und die klinge mit dem erl. es schien, als wüsste der
Soldat nicht so recht, wie er das alles wieder zusammensetzen sollte.
»ein paar von den Buchstaben ...«
»ehrlii und Letherii stammen von der gleichen Sprache ab«, sagte
Läppchen.
Galt sah ihn misstrauisch an. »Woher weißt du das?«
»ich weiß es nicht, du idiot. Man hat es mir erzählt.«
»Wer?«
»ich glaube, ebron. oder Scherbe. Was spielt das für eine rolle?
Jemand, der solche Dinge weiß, das ist alles. Beim vermummten, du
machst mir kopfschmerzen. Und schau dir nur den Schlamassel hier
an.«
»ist das mein Messer?«
»Das war es.«
Brullyg sah, wie Läppchen den kopf ein wenig zur Seite neigte. Dann
sagte der Soldat: »Schritte am unteren ende der treppe.« Bei diesen
Worten begannen seine Hände sich so schnell zu bewegen, dass sie zu
verschwimmen schienen, und noch während Galt auf die tür zuging,
drehte Läppchen den knauf fest und warf das Messer in richtung seines
kameraden. Der es mit einer Hand auffing, ohne auch nur einen Schritt
langsamer zu gehen.
Brullyg lehnte sich in seinem Sessel zurück.
Masan Gilani stand auf und zog die bösartig aussehenden Messer
mit den langen klingen aus den Scheiden an ihren Hüften. »ich wollte,
ich wäre mit meinem eigenen trupp hier«, sagte sie und machte einen
Schritt auf Brullyg zu.
»rühr dich nicht von der Stelle«, murmelte sie.
er nickte mit trockenem Mund.
»Wahrscheinlich ist es die Bierlieferung«, sagte Läppchen von der einen
Seite der tür, während Galt sie entriegelte und weit genug aufschob,
dass er durch den Spalt spähen konnte.
»Schon klar, aber die Stiefel klingen falsch.«
»nicht nach dem üblichen sabbernden alten knacker und seinem Sohn?«
»Ganz und gar nicht.«
»na schön.« Läppchen griff unter den tisch und brachte eine Armbrust
zum vorschein. eine wirklich fremdländische Waffe, ganz aus
Stahl - oder zumindest aus etwas, das letheriischem Stahl sehr ähnelte.
Die Schnur war so dick wie der Daumen eines Mannes, und der Bolzen,
der in der nut lag, hatte eine x-förmige Spitze, die einen letheriischen
Schild durchbohren mochte, als wäre er aus Birkenrinde. Der Soldat
spannte die Armbrust, in dem er den Haken zurückkurbelte und irgendwie
arretierte. Dann schob er sich an der Wand entlang in die ecke.
Galt wich zurück, als die Schritte auf der treppe näher kamen. er
machte ein paar Handbewegungen, die Masan Gilani mit einem undeutlichen
Brummen beantwortete, und dann hörte Brullyg, wie hinter
ihm Stoff zerriss - einen Augenblick später spürte er die Spitze eines
Messers zwischen seinen Schulterblättern. Sie hatte das Messer durch
die verdammte Sessellehne gestoßen. Sie beugte sich vor. »Sei nett und
dumm, Brullyg. Wir kennen die beiden, und wir können uns vorstellen,
weswegen sie hier sind.«
nachdem Galt einen Blick nach hinten auf Masan Gilani geworfen
und einmal genickt hatte, trat er an die tür und öffnete sie weit. »oho«,
sagte er gedehnt in seinem schrecklichen Letherii, »wenn das nicht dieser
kapitän ist und ihr erster Maat. Geld ist wohl ausgegangen zu schnell?
Wie kommt ihr das Bier bringt?«
ein heftiges knurren von draußen. »Was hat er gesagt, kapitän?«
»Was auch immer, er hat es auf jeden Fall schlecht gesagt.« eine Frau.
Und diese Stimme - Brullyg runzelte die Stirn. Diese Stimme hatte er
schon einmal gehört. Die Messerspitze grub sich ein bisschen tiefer in
sein rückgrat.
»Wir bringen triller Brullyg sein Bier«, fuhr die Frau fort.
»Das ist schön«, sagte Galt. »Wir sehen, dass es zu ihm kommt.«
»triller Brullyg ist ein alter Freund von mir. ich will ihn sprechen.«
»er ist beschäftigt.«
»Womit?«
»Denken.«
»triller Brullyg? Das bezweifle ich jetzt aber wirklich - und wer bist
du überhaupt, im namen des Abtrünnigen? Du bist kein Letherii, und
du und diese Freunde von dir, die in der Schenke rumhängen, nun ja,
niemand von euch war als Gefangener hier. ich habe mich umgehört. ihr
seid von dem merkwürdigen Schiff, das in der Bucht vor Anker liegt.«
»tja, kapitän, das ist ganz einfach. Wir sind gekommen für all das eis
geht. Und so Brullyg hier belohnt uns. Wir Gäste. königliche Gäste. Jetzt
leisten wir Gesellschaft. er lächelt die ganze Zeit nett. Wir auch nett.«
»nette idioten, glaube ich«, sagte der Mann draußen grummelnd -
vermutlich der erste Maat des kapitäns. »Aber allmählich wird mein
Arm müde - also geh zur Seite, und lass mich das verdammte Ding
reinbringen.«
Galt warf einen Blick über die Schulter nach hinten, auf Masan Gilani,
die auf Malazanisch sagte: »Warum schaust du mich an? ich bin nur
hier, um dafür zu sorgen, dass diesem Mann auch weiterhin die Zunge
raushängt.«
Brullyg leckte sich Schweißperlen von den Lippen. Warum klappt es
immer noch, obwohl ich es weiß? Bin ich tatsächlich so blöd? »Lasst sie rein«,
sagte er leise. »Dann kann ich sie beruhigen und wieder wegschicken.«
Galt sah erneut Masan Gilani an, und obwohl sie nichts sagte, mussten
sie sich doch irgendwie verständigt haben, denn er zuckte plötzlich
die Schultern und trat zurück. »kommt das Bier.«
Brullyg sah zwei Gestalten das Zimmer betreten. Die vordere war
Skorgen kagan, der Hübsche. Was bedeutete ... ja. Der Möchtegernkönig
lächelte. »Shurq elalle. Du bist nicht einen tag älter geworden,
seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Und Skorgen - stell das Fass
ab, bevor du dir die Schulter ausrenkst und der Liste deiner Gebrechen
hinzufügen musst, dass du schief bist. Stich das verdammte Ding an,
dann können wir alle was trinken. oh«, fügte er hinzu, als er sah, dass
die beiden Piraten die Soldaten erst jetzt richtig wahrnahmen - wobei
Skorgen fast vor Schreck hochgeschnellt wäre, als er Läppchen in der
ecke entdeckte, der die Armbrust nun angelegt hatte -, »das sind ein
paar von meinen königlichen Gästen. An der tür: Galt. in der ecke:
Läppchen. Und dieses Liebchen hier mit einer Hand hinter meiner Sessellehne
ist Masan Gilani.«
Shurq elalle nahm sich einen der Stühle unweit der tür und zog ihn
so weit, dass er Brullyg gegenüberstand. nachdem sie sich hingesetzt
hatte, schlug sie die Beine übereinander und verschränkte die Hände in
ihrem Schoß. »Brullyg, du halbverrückter betrügerischer Geizhals von
einem Dreckskerl. Wenn du allein wärst, würde ich dir auf der Stelle
deinen schwabbeligen Hals zudrücken.«
»ich kann nicht behaupten, dass deine Feindseligkeit mich erschüttert«,
antwortete Brullyg, der die Anwesenheit seiner malazanischen
Leibwächter plötzlich als sehr beruhigend empfand. »Aber weißt du, es
war nie so schlimm oder hässlich, wie du geglaubt hast. Du hast mir nur
nie Gelegenheit gegeben, es zu erklären ...«
Shurqs Lächeln war gleichermaßen schön wie düster. »Ach, Brullyg,
du warst doch nie jemand, der irgendwas erklärt hat.«
»ein Mann verändert sich.«
»Da wärst du der erste.«
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Autoren-Porträt von Steven Erikson
Steven Erikson, geb. in Kanada, Anthropologe und Archäologe, lebt seit vielen Jahren in der Nähe von London.
Bibliographische Angaben
- Autor: Steven Erikson
- 2010, 826 Seiten, Maße: 13,6 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Tim Straetmann
- Übersetzer: Tim Straetmann
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442265576
- ISBN-13: 9783442265572
Rezension zu „Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens “
"Steven Erikson ist ein exzellenter Autor! Er hat einen gewaltigen Rahmen erschaffen, in dem sich komplexe Geschehnisse abspielen, und die werden obendrein unglaublich spannend erzählt!"
Kommentar zu "Das Spiel der Götter Band 13: Im Sturm des Verderbens"
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