Das verschuldete Selbst
Narrativer Umgang mit Privatinsolvenz. Habilitationsschrift
Seit dem 1. 1. 1999 ist in Deutschland die Restschuldbefreiung von privaten Schulden gesetzlich möglich. Die Insolvenzordnung sieht hierfür ein pädagogisches Programm vor, mit dem sich die Überschuldeten als "redlich" (InsO
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Produktinformationen zu „Das verschuldete Selbst “
Seit dem 1. 1. 1999 ist in Deutschland die Restschuldbefreiung von privaten Schulden gesetzlich möglich. Die Insolvenzordnung sieht hierfür ein pädagogisches Programm vor, mit dem sich die Überschuldeten als "redlich" (InsO
1) und somit der finanziellen Schuldbefreiung würdig erweisen. Was aber macht Redlichkeit im Kontext von Verschuldung aus? Die geforderten Haltungen zeigen eine neoliberale Prägung: Selbstaktivierung, Selbstauskunft, Eigenverantwortlichkeit. Anhand von narrationsanalytisch ausgewerteten Interviews mit Verschuldeten zeigt die Autorin, wie diese Anforderungen und damit die Schuld an den Schulden internalisiert werden. Mit der Untersuchung des Erzählens als diskursiv anschlussfähiger Akt der Selbstkonstitution leistet das Buch nicht zuletzt einen methodologischen Beitrag zur empirischen Subjektivierungsforschung.
1) und somit der finanziellen Schuldbefreiung würdig erweisen. Was aber macht Redlichkeit im Kontext von Verschuldung aus? Die geforderten Haltungen zeigen eine neoliberale Prägung: Selbstaktivierung, Selbstauskunft, Eigenverantwortlichkeit. Anhand von narrationsanalytisch ausgewerteten Interviews mit Verschuldeten zeigt die Autorin, wie diese Anforderungen und damit die Schuld an den Schulden internalisiert werden. Mit der Untersuchung des Erzählens als diskursiv anschlussfähiger Akt der Selbstkonstitution leistet das Buch nicht zuletzt einen methodologischen Beitrag zur empirischen Subjektivierungsforschung.
Klappentext zu „Das verschuldete Selbst “
Seit dem 1. 1. 1999 ist in Deutschland die Restschuldbefreiung von privaten Schulden gesetzlich möglich. Die Insolvenzordnung sieht hierfür ein pädagogisches Programm vor, mit dem sich die Überschuldeten als "redlich" (InsO §1) und somit der finanziellen Schuldbefreiung würdig erweisen. Was aber macht Redlichkeit im Kontext von Verschuldung aus? Die geforderten Haltungen zeigen eine neoliberale Prägung: Selbstaktivierung, Selbstauskunft, Eigenverantwortlichkeit. Anhand von narrationsanalytisch ausgewerteten Interviews mit Verschuldeten zeigt die Autorin, wie diese Anforderungen und damit die Schuld an den Schulden internalisiert werden. Mit der Untersuchung des Erzählens als diskursiv anschlussfähiger Akt der Selbstkonstitution leistet das Buch nicht zuletzt einen methodologischen Beitrag zur empirischen Subjektivierungsforschung.
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Das verschuldete Selbst “
1. Einleitung"Schulden muss man doch zurückzahlen." Diesen Satz legt der Wirt-schaftsethnologe David Graeber auf den ersten Seiten seiner umfangrei-chen Studie zur Geschichte der Verschuldung - provokant betitelt mit "Schulden. Die ersten 5000 Jahre" (2012) - einer engagierten jungen An-wältin in den Mund, mit der er auf einer Gartenparty ein Gespräch über die Finanzkrise, den Internationalen Währungsfonds und die Möglichkeit eines Schuldenschnittes für Entwicklungsländer begann. Seine Selbstver-ständlichkeit bezieht der Satz über die Rückzahlungspflicht aus der scheinbar unumstößlichen Verbindlichkeit von Schulden und Schuld: Wer seinen finanziellen Verbindlichkeiten nicht nachkommt und vertragsbrüchig wird, wird schuldig im juristischen wie im moralischen Sinn. Während Graeber in seinem Buch historisch argumentiert, dass und warum Schulden durchaus nicht immer zurückzuzahlen sind, möchte ich im Folgenden der Frage nachgehen, was geschieht, wenn eine Privatperson ihre Schulden nicht zurückzahlt. Wie wirkt sich ökonomische Zahlungsunfähigkeit auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Schuldnern und Schuldnerinnen aus, was konstituiert ein verschuldetes Selbst? Rechtlich ist die Restschuldbefreiung in Deutschland seit 1999 möglich. Wenn aber aus der ökonomischen Transaktion der Schuldhaftigkeit auch ein moralischer Schuldzustand her-vorgeht, was geschieht bei einer finanziellen Entschuldung mit dieser Schuld?Schuldenfragen, Schuldverhältnisse und das verschuldete SelbstMein Forschungsanliegen lässt sich mit der Frage nach Ökonomie, Bedeutung und Praxis von Verschuldung umreißen, wie sie Schuldner/-innen in narrativen Interviews dargestellt haben. Wenn der ökonomische Alltag fragil und prekär wird, wie es vor allem, aber nicht erst seit der 2007 ausgebrochenen Finanz- und Schuldenkrise für Millionen von Menschen auch in Deutschland der Fall ist, erfahren Schulden eine besondere Aufmerksamkeit: Sie werden zum Maßstab der Lebensbewältigung und zum Muster der Selbst- und
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Fremdwahrnehmung. Rechnen, weiteres Leihen, Umschichten, Abstottern, Sparen und Verzichten bestimmen den Rhythmus des Alltags und der Teilhabe an Gesellschaft. Schulden vereinen individuelle wirtschaftliche Gegebenheiten mit Bedürfnissen, Möglichkeiten und Wünschen des Selbst. Als solche werden sie zum Fluchtpunkt moralischer Vorstellungen, denn Schulden und Schuld teilen sich einen "gemeinsamen semantischen Hallraum" (Suter 2016: 8).Dieser "Hallraum" ist diskursiv verfasst: Schuldendiskurse formen den Selbstentwurf des Subjekts (mit), gestalten die Vorstellung von ökonomi-scher Normalität und sozialer Inklusion und nehmen maßgeblich Einfluss auf die Verfasstheit des verschuldeten Selbst. Zwar gehen Verschuldete sowohl mit monetären Außenständen als auch mit moralischen Schuldzu-weisungen unterschiedlich um, gemeinsam ist ihnen jedoch ein verhältnis-mäßig hoher Aufwand, den sie sowohl im alltäglichen Wirtschaften sowie identitätspolitisch betreiben (müssen), um Schulden und Schuld zu erklä-ren, zu rechtfertigen oder abzustreiten. Dies trifft vor allem auf Schuld-ner/-innen zu, die vor oder in einem Verbraucherinsolvenzverfahren ste-hen, also qua Gesetz von ihren wirtschaftlichen Restschulden befreit werden wollen. Wie wird hier eine moralische Entschuldung auf der Ebene des Subjekts verhandelt? Denn auch wer von der Pflicht der Rückzahlung befreit ist, zum Beispiel durch die Privatinsolvenz, muss ihr doch "in seinem Verhalten, seiner Einstellung, seinem Bewegungsspielraum, Projekten, (im) eigenen subjektiven Engagement und der für die Arbeitssuche gewidmeten Zeit Rechnung tragen" (Lazzarato 2012: 94-95). Versteht man Schuld als Verletzung einer rechtlichen, sozialen oder moralischen Ordnung und kann diese gestörte Ordnung durch bestimmte Verhaltensweisen (auch) der Selbstschädigung wiederhergestellt werden (vgl. Horn 2007: Sp. 227-232), dann stehen diese Praktiken, Argumentationen und Denkweisen der Wiedergutmachung im Mittelpunkt meines Interesses.Ergänzen
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Inhaltsverzeichnis zu „Das verschuldete Selbst “
Inhalt1. Einleitung 7Schuldenfragen, Schuldverhältnisse und das verschuldete Selbst 7Empirische Subjektivierungsforschung 17Geschichte und Kontext der Ver- und Überschuldung in der Bundesrepublik Deutschland 282.Soziale und kulturelle Aspekte des Kredit- und Schuldenwesens 49Pluralisierung und Differenzierung im historischen Schulden- und Kreditwesen 52Vieldeutiges Schulden- und Kreditverständnis in traditionalen und Übergangsgesellschaften 58Schulden und Subjekte in Ethnografien neoliberaler Gesellschaften 623.Verschuldung erforschen: Methodik der Datenerhebung 67Wege ins soziale Feld der Verschuldung 69Interviews 73Verschriftlichung 76Codierung 78Asymmetrien im Feld 794.Narrationsanalyse als kulturwissenschaftliche Methode: Datenauswertung 90Poetics of Folklore: Erzählen als kulturelle Leistung 91Alltägliches Erzählen 95Funktionen des Erzählens 103Formen des Erzählens 108Narrativer Habitus 121Narrative Identität 1275.Schuldengeschichten und der narrative Habitus der Rechtfertigung 131Erfolgsgeschichten 133Vergleichsgeschichten als soziale Positionierung 184Versachlichen als Bewältigungsstrategie 229Beziehungsgeschichten 252Sprechen über Scheitern 265Schweigemuster 297Wünsche und Hoffnungen: "ein ganz normales Leben" 308Die ethische Narrativitätsthese: die Moral der Geschichte 3126.Subjektivierungsformate in Schuldendiskursen 328Zur Entstehungsgeschichte der Insolvenzordnung: moderner Schuldturm vs. kritische Verbraucher/-innen 330Die Verbraucherinsolvenz in Deutschland: ein Rechtsdiskurs und seine soziale Wirksamkeit 334Imperative des medialen Schuldendiskurses 3607.Der Ich-Effekt der Schuldenerzählungen: Zusammenfassung und Ergebnisse 376Schulden- und Schuldverhältnisse als Ausdruck einer neoliberal verfassten Gesellschaft 379Ver- und Entschuldungskultur als Umgang mit sozialen Problemen 393Literatur 397Gedruckte und online publizierte Sekundärliteratur mit ausgewiesenen Autoren und Autorinnen 397Internetquellen (ohne ausgewiesene Autoren und Autorinnen)
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444Anhang 445Transkriptionszeichen 445Interviews und zugehörige Biogramme 445Dank 447
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Autoren-Porträt von Silke Meyer
Silke Meyer ist assoziierte Professorin für Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck.
Bibliographische Angaben
- Autor: Silke Meyer
- 2017, 447 Seiten, Maße: 14,2 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593506882
- ISBN-13: 9783593506883
- Erscheinungsdatum: 05.05.2017
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