Dein Blut für alle Ewigkeit Highland Vampir 3
Sie ist das Kind einer Liebe, die über den Tod hinausreichte: Eines Tages muss die junge Reese Howland erfahren, dass sie ein Halbvampir ist. Nach dem Tod ihrer Mutter macht sie sich auf die Suche nach ihrem Vampir-Vater, den sie nie kennengelernt...
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Produktinformationen zu „Dein Blut für alle Ewigkeit Highland Vampir 3 “
Sie ist das Kind einer Liebe, die über den Tod hinausreichte: Eines Tages muss die junge Reese Howland erfahren, dass sie ein Halbvampir ist. Nach dem Tod ihrer Mutter macht sie sich auf die Suche nach ihrem Vampir-Vater, den sie nie kennengelernt hat. Und tatsächlich findet sie ihn: Oscar Howland, der in einer Hütte in den schottischen Highlands haust. Oscar würde sie am liebsten sofort wieder zu den Menschen schicken. Doch Reese ist entschlossen, ihn nicht noch einmal zu verlieren. Alles könnte ganz einfach sein, wäre da nicht Shawn, den Reese in Inverness kennen- und liebengelernt hat. Denn Shawn hat einen sehr speziellen Beruf: Er ist Vampirjäger.
Klappentext zu „Dein Blut für alle Ewigkeit Highland Vampir 3 “
Reese Howland ist immer schon ein wenig anders gewesen als andere Mädchen: Sie liebt die Nacht und die Kälte, genießt blutige Steaks und kann Männern nicht viel abgewinnen. Ihren Vater, der als Feuerwehrmann bei einem Unfall ums Leben kam, hat sie nie kennengelernt. Gemeinsam mit ihrer Mutter lebt sie in Aberdeen und sorgt als Bibliothekarin für den Lebensunterhalt. Doch eines Tages erfährt Reese die schockierende Wahrheit: Auf dem Totenbett gesteht ihr ihre Mutter, dass sie ein Halbvampir ist, Kind der großen Liebe zwischen ihrer menschlichen Mutter und ihrem Vater, der nach seinem Tod zum Vampir wurde und die Mutter noch ein letztes Mal besuchte. Nach dem Tod der Mutter macht sich Reese auf die Suche nach dem verlorenen Vater - und findet ihn in den schottischen Highlands, wo er als Vampir in einer Berghütte versteckt sein Dasein fristet. Wild entschlossen, ihn nie wieder zu verlassen, zieht Reese bei ihm ein. Doch auf ihrer Reise hat sie zum ersten Mal einen Mann getroffen, der ihr Herz erobert hat. Doch Shawn, der Mann ihrer Träume, hat einen gefährlichen Beruf - er ist Vampirjäger. Hin und her gerissen zwischen dem eben erst wiedergefundenen Vater und dem Geliebten, fasst Reese einen ebenso verwegenen wie gefährlichen Plan ...
Lese-Probe zu „Dein Blut für alle Ewigkeit Highland Vampir 3 “
Dein Blut für alle Ewigkeit von Carrie MacAlistair1
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Die Nacht war neblig und kalt, von den Bäumen tropfte Feuchtigkeit auf den von modrigem Laub bedeckten Waldboden. Doch der schmalen dunklen Gestalt, die sich mit festen und sicheren Schritten ihren Weg zwischen den Stämmen hindurch bahnte, schien das unfreundliche Wetter nichts auszumachen, obwohl die Nässe ihre Kleidung längst durchdrungen hatte.
In der Tat liebte Reese Howland diese dunklen Stunden, wenn Mensch und Tier schliefen und sie ganz allein auf der Welt zu sein schien. Von jeher spürte die junge Frau, dass sie anders war als die anderen Menschen. Schon als Kind hatte sie die Nacht weit mehr geliebt als den Tag, sodass sie oftmals unausgeschlafen zur Schule gegangen war.
Aber das war nicht das einzige Merkmal ihres ›Andersseins‹. Bereits ihre Mitschüler hatten sie gemieden; eine richtige Freundin hatte Reese nie gehabt. Lange hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, woran das liegen mochte, doch nun, im Alter von fünfundzwanzig Jahren, nahm sie ihr Schicksal ergeben hin.
Es war nicht so, dass Reese unter ihrer Einsamkeit litt. Im Gegenteil, sie genoss es, allein zu sein und ungestört ihren Gedanken nachzugehen. Der Blick in den Spiegel sagte ihr, wie hübsch sie mit dem blassen, von rabenschwarzem Haar umrahmten Gesicht aussah, und um ihre schlanke Figur mussten sie viele Frauen beneiden.
Reese erreichte den Waldsaum mit leichtem Bedauern. Sie wäre am liebsten wieder zurückgegangen, um noch weiter die kalte, feuchte, nach Erde und Vergänglichkeit riechende Luft einatmen zu können.
Doch zu Hause wartete Reeses Mutter Barbra, die nicht einschlafen konnte, solange Reese von ihren seltsamen nächtlichen Spaziergängen nicht zurück war.
Nach einem letzten bedauernden Blick zum Wald, der wie eine schwarze, undurchdringliche Mauer vor ihr stand, stieg Reese in ihren Kleinwagen und startete den Motor. Gemächlich legte sie die kurze Strecke zu dem kleinen verschlafenen Vorort von Aberdeen zurück, in dem sie mit ihrer verwitweten Mutter lebte.
Hinter Barbras Schlafzimmerfenster brannte wie üblich noch Licht. Reese hatte keine Eile, ins warme Haus zu gelangen. Die Nachtkälte spürte sie kaum.
»Bist du es, Reese?«, drang die Stimme ihrer Mutter gedämpft von der angelehnten Tür in den Hausflur hinaus.
Reese wartete nicht, bis sie ihren klammen, wadenlangen schwarzen Wollmantel abgelegt hatte, sondern gab der Schlafzimmertür einen leichten Schubs, bis diese weit genug geöffnet war, um eintreten zu können.
»Natürlich bin ich es, Mom.« Reese lächelte spöttisch. »Wer sollte es um diese Zeit wohl sonst sein?«
»Das ist es ja gerade!«, rief Barbra und richtete sich auf; dabei rutschte das Buch, in dem sie gelesen hatte, mit einem dumpfen Laut zu Boden. Barbra trug ein selbst gehäkeltes rosa Bettjäckchen, und über den Rand ihrer Lesebrille bedachte sie ihre Tochter mit einem tadelnden Blick. »Es ist weit nach Mitternacht, und in wenigen Stunden musst du wieder aufstehen. Mir ist nicht wohl dabei, dich zu nächtlicher Stunde irgendwo da draußen zu wissen, wo dir jederzeit irgendwelches Gesindel auflauern könnte. Hast du denn gar keine Angst?«
Gedankenverloren knöpfte Reese ihren Mantel auf. Nein, sie fürchtete sich weder vor der Dunkelheit noch vor sogenanntem ›Gesindel‹.
Auch diese Eigenart konnten die Menschen in ihrer Umgebung nicht verstehen.
»Gute Nacht, Mom«, sagte sie zu ihrer verstohlen gähnenden Mutter. »Es wäre mir lieber, wenn du dir meinetwegen nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen würdest.«
»Es wäre mir lieber, wenn ich mir deinetwegen keine Sorgen mehr machen müsste«, konterte Barbra, zog die geblümte Steppdecke höher und löschte das Licht.
Reese entgegnete nichts mehr auf diesen Vorwurf, sondern schloss leise die Schlafzimmertür ihrer Mutter und schlüpfte aus dem schweren Mantel. Obwohl sie einen arbeitsreichen Tag hinter sich hatte, war sie noch nicht müde - wie jede Nacht um diese Uhrzeit. Erst in den frühen Morgenstunden kam erfahrungsgemäß die Müdigkeit, aber bis dahin waren es noch mindestens drei Stunden.
Im Obergeschoss des Hauses befand sich Reeses kleines Reich - Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad. Im Grunde genommen lebte sie gern mit ihrer Mutter zusammen. Manchmal fühlte sie sich zwar allzu argwöhnisch von ihr beobachtet, aber im Allgemeinen kamen die beiden Frauen gut miteinander aus.
Wie gewöhnlich trug Reese schwarze Kleidung, von der Barbra behauptete, ihre Tochter würde darin wie eine Witwe aussehen; aber Reese liebte die Farbe Schwarz, die auch in ihrer Wohnung dominierte.
Im Wohnzimmer legte Reese eine CD mit mystischen Klängen in den Player, dann trat sie zu der Wand, an die Dutzende verblichene Fotos ihres Vaters geheftet waren. Oscar Howland war ein gut aussehender Mann gewesen, der als Feuerwehrmann gearbeitet hatte, bis er bei einem Einsatz ums Leben gekommen war. Reese war damals erst ein Jahr alt gewesen und konnte sich an ihn nicht erinnern. Sie bedauerte, Oscar nie kennengelernt zu haben. Das schwarze Haar und die hohe Gestalt hatte sie eindeutig von ihm geerbt, ebenso wie die dunklen Augen, während Barbra klein, mittelblond und mollig war.
Oscar war Reeses Held, war es immer gewesen. Oftmals stellte sie sich vor, dass er nur versehentlich für tot erklärt worden war und sich nach seiner schönen Tochter sehnte.
Sphärische Harfenklänge wehten durch den kleinen Wohnraum. Reese setzte sich in ihren Lieblingssessel mit dem schwarzen Kunstfellüberwurf und fragte sich einmal mehr, wieso sie so war, wie sie war.
Bereits im Kindergarten hatten die anderen Kinder Abstand von ihr gehalten. Nicht, dass sich Reese den Kontakt mit den anderen Gleichaltrigen gewünscht hätte, aber es war auffallend gewesen. So auffallend, dass eine der Erzieherinnen Barbra einmal vorsichtig gefragt hatte, ob mit dem Kind etwas nicht stimmen würde. Zufällig hatte Reese den kurzen Dialog verfolgt. Barbra hatte schroff geantwortet, dass ihre Tochter halt etwas ganz Besonderes sei.
Reese hingegen hatte sich nie für etwas Besonderes gehalten. Aber natürlich war ihr in späteren Jahren bewusst geworden, dass sie sich in vielen Dingen von anderen Menschen unterschied. In der Schule hatte sie stets allein in der Bank gesessen, und auch in den Pausen hatte niemand mit ihr spielen wollen. Sie war einfach das »komische Mädchen«, das immer nur düster vor sich hin starrte und kaum ein Wort sprach.
Dabei war Reese eine erstaunlich gute Schülerin gewesen. Niemals hatte sie für eine Klassenarbeit lernen müssen; ein flüchtiges Überfliegen des Lernstoffs hatte ihr immer genügt, um als Klassenbeste dazustehen.
Schon immer war Reeses Haut extrem hell gewesen; ihre Mutter machte die sonnenarmen schottischen Jahreszeiten dafür verantwortlich. Ein Schularzt jedoch hatte auf einen anderen Grund getippt und das Blut des Mädchens untersuchen lassen. Wie sich herausstellte, litt Reese an einer Blutarmut. Der Arzt verordnete ihr ein blutbildendes Präparat und gab Barbra den Tipp, ihrer Tochter hin und wieder ein Stück rohe Leber zu geben, das würde die Blutbildung fördern.
Reese erinnerte sich noch gut an den entsetzten Gesichtsausdruck ihrer Mutter. Damals war Reese elf Jahre alt gewesen, und merkwürdigerweise hatte die Aussicht, rohes Fleisch zu essen, sie vollkommen fasziniert. Schon auf dem Rückweg von der Arztpraxis hatte sie Barbra gedrängt, zum nächsten Metzger zu gehen.
Wenig begeistert hatte sich diese gefügt und mit spitzen Fingern das kleine Fleischpäckchen über die Theke gezogen. Aufgeregt war Reese auf dem Heimweg neben ihrer Mutter hergehüpft, als könne sie es kaum erwarten, den Geschmack von roher, blutender Leber zu probieren.
Zu Barbras Entsetzen biss Reese daheim herzhaft in das Fleisch. Es schmeckte noch besser, als sie es sich erträumt hatte. Danach fühlte sie eine unbekannte Kraft in sich aufsteigen - seitdem bestand Reese auf ihre wöchentliche Ration Leber, wobei es ihr herzlich egal war, von welcher Tierart sie stammte. Barbra hatte sich längst daran gewöhnt, Steaks für Reese nur leicht anzubraten, sodass sie noch blutig auf dem Teller landeten.
Allerdings hatte sich Reeses heller Teint trotz der ungewöhnlichen Nahrung nicht verändert; ihre Haut war hell wie bei einem Gespenst. Reese fand nichts Ungewöhnliches daran - im Gegenteil, ihr gefiel der Kontrast zu den dunklen Haaren und ihrer schwarzen Kleidung. Da konnten sie andere Menschen anstarren, solange sie wollten, Reese warf dann stolz den Kopf in den Nacken und das hüftlange dicke Haar über die Schulter.
Ihren ganz besonderen Reiz entdeckten auch bald die Männer, doch Reeses Beziehungen waren nie über eine kurzlebige Affäre hinausgegangen. Immer dann, wenn der erste erotische Reiz verflogen war und den Männer Reeses seltsames Verhalten vermehrt auffiel, machten sie rasch einen Rückzieher. Auf Dauer wollte niemand etwas mit der ›gestörten‹ Howland zu tun haben.
Reese nahm es mit einem gleichgültigen Schulterzucken auf, wenn sie wieder einmal von einem dieser Typen verlassen wurde. Sie war nie in einen von ihnen verliebt gewesen, hatte nur den Hunger ihres Körpers stillen wollen. Und überhaupt - eigentlich war sie immer ganz froh, wenn sie wieder Single war und das Alleinsein genießen durfte.
Während ihrer Studienzeit hatte Reese entsetzlich darunter gelitten, mit drei weiteren Mädchen ein Zimmer teilen zu müssen. Die anderen steckten ständig die Köpfe zusammen und tuschelten über Jungs, Mode, doofe Dozenten und attraktive Popstars. Auch hier hatten die anderen schnell gemerkt, dass Reese nicht zu ihnen passte und auch gar nicht dazugehören wollte. Wenn die anderen Mädchen am Wochenende hinunter in die Stadt gingen, blieb Reese zurück und steckte ihre Nase in ein Buch. Ihre Lieblingsthemen umfassten Geschichten über Mythen, Sagen, Dämonen und Untote. Einmal hatte eine Zimmerkameradin gemeint, diese Art von Lesestoff würde zu Reese passen. Diese nahm die Worte allerdings als Kompliment und nicht als Spott auf.
Die Liebe zu Büchern war geblieben, und so hatte Reese sich nach ihrem Studium in der städtischen Bibliothek von Aberdeen um eine Stelle beworben. Sie hatte diese Stelle aufgrund ihres exzellenten Examens problemlos bekommen und liebte die Arbeit in den hohen stillen Räumen der Bibliothek, wo es nach altem Papier, Staub und Bohnerwachs roch.
Nur gelegentlich - so wie in dieser Nacht - wurde Reese von Zweifeln geplagt. Wieso war sie anders als andere Menschen? Wieso waren ihre Sinne besser ausgeprägt, warum zog sie die Stille und Dunkelheit der Nacht dem hellen, lauten Tag vor? Reese lebte zwar zurückgezogen, dennoch entging ihr nicht, wie sich ihre Mitmenschen verhielten.
Viele Frauen in ihrem Alter waren verheiratet und hatten Kinder - all dies war niemals Reeses Traum gewesen, auch wenn Barbra meinte, ihre Tochter sei lediglich ein Spätzünder.
Manchmal hatte Reese den Eindruck, dass ihre Mutter ihr etwas verheimlichte und genau wusste, weshalb ihre Tochter eine Außenseiterin war. Doch wenn Reese sie darauf ansprach, verneinte sie stets; dabei vermied sie jedoch jeglichen Augenkontakt.
Die letzten Harfenklänge waren verklungen, als Reese sich erhob, um noch einmal vor dem Schlafengehen die Bilder ihres Vaters zu betrachten. Er war als stolzer Feuerwehrmann zu sehen, im Kreise seiner Kollegen oder neben einem der offiziellen Aberdeener Löschfahrzeuge. Es gab Fotos von Oscar als Jüngling, Bräutigam und sogar als Kind. Auf dem Hochzeitsfoto stand er strahlend neben seiner kleinen, rundlichen Braut, deren weißes Kleid um die Hüften ein wenig spannte. Barbra hatte ihrer Tochter einmal verraten, dass sie ihr Brautkleid aus Eitelkeit eine Nummer zu klein gekauft hatte; doch ihrem Zukünftigem war dies gar nicht aufgefallen, da er so glücklich darüber gewesen war, seine geliebte Barbra endlich über die Schwelle der gemeinsamen Wohnung zu tragen.
Irgendwann war Reese aufgefallen, dass es zwar unzählige Bilder von Oscar und ihr selbst gab, aber keine einzige Aufnahme, auf der Vater und Tochter gemeinsam zu sehen waren. Doch dafür hatte Barbra eine plausible Erklärung parat gehabt: Angeblich hatte es sich nie ergeben; die meisten Fotos von Reese hatte Oscar selbst geschossen.
An diese Aussage musste sich Reese nun wieder einmal erinnern, und stärker denn je spürte sie, dass ihre Mutter offenbar ein Geheimnis hütete.
Sie wandte ihren Blick ab, schob die schwarze Tüllgardine etwas zur Seite und spähte hinaus in die Dunkelheit. Obwohl die Straße nur spärlich beleuchtet war, konnte Reese die Umrisse der geparkten Autos scharf erkennen. Auch dies war ein Phänomen, das sie nachdenklich machte. Sie konnte nachts so gut sehen wie eine Katze, und mit jedem Jahr vertiefte sich die Sehschärfe.
Schließlich schob Reese den Vorhang zurück und ging hinüber zu ihrem Schlafzimmer. Dass sie dafür kein Licht anzuschalten brauchte, um sich zurechtzufinden, war sie gewohnt. Richtig müde war sie noch immer nicht, aber wenn sie nicht bald zu Bett ging, würde sie verschlafen. Ihr Vorgesetzter Mr Kenneth war zwar ein verständnisvoller Mitmensch, aber Reese wollte seine Geduld nicht überstrapazieren. Häufig hatte er sie bereits dabei ertappt, wie sie - versteckt hinter einem geöffneten Buch - verstohlen gähnte oder sich die müden Augen rieb. Reese konnte sich nicht erlauben, ihren Job zu verlieren, denn sie musste ihre Mutter finanziell unterstützen. Das war sie Barbra schuldig, die ihr Kind allein und unter großen Entbehrungen großgezogen hatte.
...
Copyright der Originalausgabe © 2012 by Carrie MacAlistair,
vertreten durch Medienbüro München
Die Nacht war neblig und kalt, von den Bäumen tropfte Feuchtigkeit auf den von modrigem Laub bedeckten Waldboden. Doch der schmalen dunklen Gestalt, die sich mit festen und sicheren Schritten ihren Weg zwischen den Stämmen hindurch bahnte, schien das unfreundliche Wetter nichts auszumachen, obwohl die Nässe ihre Kleidung längst durchdrungen hatte.
In der Tat liebte Reese Howland diese dunklen Stunden, wenn Mensch und Tier schliefen und sie ganz allein auf der Welt zu sein schien. Von jeher spürte die junge Frau, dass sie anders war als die anderen Menschen. Schon als Kind hatte sie die Nacht weit mehr geliebt als den Tag, sodass sie oftmals unausgeschlafen zur Schule gegangen war.
Aber das war nicht das einzige Merkmal ihres ›Andersseins‹. Bereits ihre Mitschüler hatten sie gemieden; eine richtige Freundin hatte Reese nie gehabt. Lange hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, woran das liegen mochte, doch nun, im Alter von fünfundzwanzig Jahren, nahm sie ihr Schicksal ergeben hin.
Es war nicht so, dass Reese unter ihrer Einsamkeit litt. Im Gegenteil, sie genoss es, allein zu sein und ungestört ihren Gedanken nachzugehen. Der Blick in den Spiegel sagte ihr, wie hübsch sie mit dem blassen, von rabenschwarzem Haar umrahmten Gesicht aussah, und um ihre schlanke Figur mussten sie viele Frauen beneiden.
Reese erreichte den Waldsaum mit leichtem Bedauern. Sie wäre am liebsten wieder zurückgegangen, um noch weiter die kalte, feuchte, nach Erde und Vergänglichkeit riechende Luft einatmen zu können.
Doch zu Hause wartete Reeses Mutter Barbra, die nicht einschlafen konnte, solange Reese von ihren seltsamen nächtlichen Spaziergängen nicht zurück war.
Nach einem letzten bedauernden Blick zum Wald, der wie eine schwarze, undurchdringliche Mauer vor ihr stand, stieg Reese in ihren Kleinwagen und startete den Motor. Gemächlich legte sie die kurze Strecke zu dem kleinen verschlafenen Vorort von Aberdeen zurück, in dem sie mit ihrer verwitweten Mutter lebte.
Hinter Barbras Schlafzimmerfenster brannte wie üblich noch Licht. Reese hatte keine Eile, ins warme Haus zu gelangen. Die Nachtkälte spürte sie kaum.
»Bist du es, Reese?«, drang die Stimme ihrer Mutter gedämpft von der angelehnten Tür in den Hausflur hinaus.
Reese wartete nicht, bis sie ihren klammen, wadenlangen schwarzen Wollmantel abgelegt hatte, sondern gab der Schlafzimmertür einen leichten Schubs, bis diese weit genug geöffnet war, um eintreten zu können.
»Natürlich bin ich es, Mom.« Reese lächelte spöttisch. »Wer sollte es um diese Zeit wohl sonst sein?«
»Das ist es ja gerade!«, rief Barbra und richtete sich auf; dabei rutschte das Buch, in dem sie gelesen hatte, mit einem dumpfen Laut zu Boden. Barbra trug ein selbst gehäkeltes rosa Bettjäckchen, und über den Rand ihrer Lesebrille bedachte sie ihre Tochter mit einem tadelnden Blick. »Es ist weit nach Mitternacht, und in wenigen Stunden musst du wieder aufstehen. Mir ist nicht wohl dabei, dich zu nächtlicher Stunde irgendwo da draußen zu wissen, wo dir jederzeit irgendwelches Gesindel auflauern könnte. Hast du denn gar keine Angst?«
Gedankenverloren knöpfte Reese ihren Mantel auf. Nein, sie fürchtete sich weder vor der Dunkelheit noch vor sogenanntem ›Gesindel‹.
Auch diese Eigenart konnten die Menschen in ihrer Umgebung nicht verstehen.
»Gute Nacht, Mom«, sagte sie zu ihrer verstohlen gähnenden Mutter. »Es wäre mir lieber, wenn du dir meinetwegen nicht mehr die Nächte um die Ohren schlagen würdest.«
»Es wäre mir lieber, wenn ich mir deinetwegen keine Sorgen mehr machen müsste«, konterte Barbra, zog die geblümte Steppdecke höher und löschte das Licht.
Reese entgegnete nichts mehr auf diesen Vorwurf, sondern schloss leise die Schlafzimmertür ihrer Mutter und schlüpfte aus dem schweren Mantel. Obwohl sie einen arbeitsreichen Tag hinter sich hatte, war sie noch nicht müde - wie jede Nacht um diese Uhrzeit. Erst in den frühen Morgenstunden kam erfahrungsgemäß die Müdigkeit, aber bis dahin waren es noch mindestens drei Stunden.
Im Obergeschoss des Hauses befand sich Reeses kleines Reich - Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad. Im Grunde genommen lebte sie gern mit ihrer Mutter zusammen. Manchmal fühlte sie sich zwar allzu argwöhnisch von ihr beobachtet, aber im Allgemeinen kamen die beiden Frauen gut miteinander aus.
Wie gewöhnlich trug Reese schwarze Kleidung, von der Barbra behauptete, ihre Tochter würde darin wie eine Witwe aussehen; aber Reese liebte die Farbe Schwarz, die auch in ihrer Wohnung dominierte.
Im Wohnzimmer legte Reese eine CD mit mystischen Klängen in den Player, dann trat sie zu der Wand, an die Dutzende verblichene Fotos ihres Vaters geheftet waren. Oscar Howland war ein gut aussehender Mann gewesen, der als Feuerwehrmann gearbeitet hatte, bis er bei einem Einsatz ums Leben gekommen war. Reese war damals erst ein Jahr alt gewesen und konnte sich an ihn nicht erinnern. Sie bedauerte, Oscar nie kennengelernt zu haben. Das schwarze Haar und die hohe Gestalt hatte sie eindeutig von ihm geerbt, ebenso wie die dunklen Augen, während Barbra klein, mittelblond und mollig war.
Oscar war Reeses Held, war es immer gewesen. Oftmals stellte sie sich vor, dass er nur versehentlich für tot erklärt worden war und sich nach seiner schönen Tochter sehnte.
Sphärische Harfenklänge wehten durch den kleinen Wohnraum. Reese setzte sich in ihren Lieblingssessel mit dem schwarzen Kunstfellüberwurf und fragte sich einmal mehr, wieso sie so war, wie sie war.
Bereits im Kindergarten hatten die anderen Kinder Abstand von ihr gehalten. Nicht, dass sich Reese den Kontakt mit den anderen Gleichaltrigen gewünscht hätte, aber es war auffallend gewesen. So auffallend, dass eine der Erzieherinnen Barbra einmal vorsichtig gefragt hatte, ob mit dem Kind etwas nicht stimmen würde. Zufällig hatte Reese den kurzen Dialog verfolgt. Barbra hatte schroff geantwortet, dass ihre Tochter halt etwas ganz Besonderes sei.
Reese hingegen hatte sich nie für etwas Besonderes gehalten. Aber natürlich war ihr in späteren Jahren bewusst geworden, dass sie sich in vielen Dingen von anderen Menschen unterschied. In der Schule hatte sie stets allein in der Bank gesessen, und auch in den Pausen hatte niemand mit ihr spielen wollen. Sie war einfach das »komische Mädchen«, das immer nur düster vor sich hin starrte und kaum ein Wort sprach.
Dabei war Reese eine erstaunlich gute Schülerin gewesen. Niemals hatte sie für eine Klassenarbeit lernen müssen; ein flüchtiges Überfliegen des Lernstoffs hatte ihr immer genügt, um als Klassenbeste dazustehen.
Schon immer war Reeses Haut extrem hell gewesen; ihre Mutter machte die sonnenarmen schottischen Jahreszeiten dafür verantwortlich. Ein Schularzt jedoch hatte auf einen anderen Grund getippt und das Blut des Mädchens untersuchen lassen. Wie sich herausstellte, litt Reese an einer Blutarmut. Der Arzt verordnete ihr ein blutbildendes Präparat und gab Barbra den Tipp, ihrer Tochter hin und wieder ein Stück rohe Leber zu geben, das würde die Blutbildung fördern.
Reese erinnerte sich noch gut an den entsetzten Gesichtsausdruck ihrer Mutter. Damals war Reese elf Jahre alt gewesen, und merkwürdigerweise hatte die Aussicht, rohes Fleisch zu essen, sie vollkommen fasziniert. Schon auf dem Rückweg von der Arztpraxis hatte sie Barbra gedrängt, zum nächsten Metzger zu gehen.
Wenig begeistert hatte sich diese gefügt und mit spitzen Fingern das kleine Fleischpäckchen über die Theke gezogen. Aufgeregt war Reese auf dem Heimweg neben ihrer Mutter hergehüpft, als könne sie es kaum erwarten, den Geschmack von roher, blutender Leber zu probieren.
Zu Barbras Entsetzen biss Reese daheim herzhaft in das Fleisch. Es schmeckte noch besser, als sie es sich erträumt hatte. Danach fühlte sie eine unbekannte Kraft in sich aufsteigen - seitdem bestand Reese auf ihre wöchentliche Ration Leber, wobei es ihr herzlich egal war, von welcher Tierart sie stammte. Barbra hatte sich längst daran gewöhnt, Steaks für Reese nur leicht anzubraten, sodass sie noch blutig auf dem Teller landeten.
Allerdings hatte sich Reeses heller Teint trotz der ungewöhnlichen Nahrung nicht verändert; ihre Haut war hell wie bei einem Gespenst. Reese fand nichts Ungewöhnliches daran - im Gegenteil, ihr gefiel der Kontrast zu den dunklen Haaren und ihrer schwarzen Kleidung. Da konnten sie andere Menschen anstarren, solange sie wollten, Reese warf dann stolz den Kopf in den Nacken und das hüftlange dicke Haar über die Schulter.
Ihren ganz besonderen Reiz entdeckten auch bald die Männer, doch Reeses Beziehungen waren nie über eine kurzlebige Affäre hinausgegangen. Immer dann, wenn der erste erotische Reiz verflogen war und den Männer Reeses seltsames Verhalten vermehrt auffiel, machten sie rasch einen Rückzieher. Auf Dauer wollte niemand etwas mit der ›gestörten‹ Howland zu tun haben.
Reese nahm es mit einem gleichgültigen Schulterzucken auf, wenn sie wieder einmal von einem dieser Typen verlassen wurde. Sie war nie in einen von ihnen verliebt gewesen, hatte nur den Hunger ihres Körpers stillen wollen. Und überhaupt - eigentlich war sie immer ganz froh, wenn sie wieder Single war und das Alleinsein genießen durfte.
Während ihrer Studienzeit hatte Reese entsetzlich darunter gelitten, mit drei weiteren Mädchen ein Zimmer teilen zu müssen. Die anderen steckten ständig die Köpfe zusammen und tuschelten über Jungs, Mode, doofe Dozenten und attraktive Popstars. Auch hier hatten die anderen schnell gemerkt, dass Reese nicht zu ihnen passte und auch gar nicht dazugehören wollte. Wenn die anderen Mädchen am Wochenende hinunter in die Stadt gingen, blieb Reese zurück und steckte ihre Nase in ein Buch. Ihre Lieblingsthemen umfassten Geschichten über Mythen, Sagen, Dämonen und Untote. Einmal hatte eine Zimmerkameradin gemeint, diese Art von Lesestoff würde zu Reese passen. Diese nahm die Worte allerdings als Kompliment und nicht als Spott auf.
Die Liebe zu Büchern war geblieben, und so hatte Reese sich nach ihrem Studium in der städtischen Bibliothek von Aberdeen um eine Stelle beworben. Sie hatte diese Stelle aufgrund ihres exzellenten Examens problemlos bekommen und liebte die Arbeit in den hohen stillen Räumen der Bibliothek, wo es nach altem Papier, Staub und Bohnerwachs roch.
Nur gelegentlich - so wie in dieser Nacht - wurde Reese von Zweifeln geplagt. Wieso war sie anders als andere Menschen? Wieso waren ihre Sinne besser ausgeprägt, warum zog sie die Stille und Dunkelheit der Nacht dem hellen, lauten Tag vor? Reese lebte zwar zurückgezogen, dennoch entging ihr nicht, wie sich ihre Mitmenschen verhielten.
Viele Frauen in ihrem Alter waren verheiratet und hatten Kinder - all dies war niemals Reeses Traum gewesen, auch wenn Barbra meinte, ihre Tochter sei lediglich ein Spätzünder.
Manchmal hatte Reese den Eindruck, dass ihre Mutter ihr etwas verheimlichte und genau wusste, weshalb ihre Tochter eine Außenseiterin war. Doch wenn Reese sie darauf ansprach, verneinte sie stets; dabei vermied sie jedoch jeglichen Augenkontakt.
Die letzten Harfenklänge waren verklungen, als Reese sich erhob, um noch einmal vor dem Schlafengehen die Bilder ihres Vaters zu betrachten. Er war als stolzer Feuerwehrmann zu sehen, im Kreise seiner Kollegen oder neben einem der offiziellen Aberdeener Löschfahrzeuge. Es gab Fotos von Oscar als Jüngling, Bräutigam und sogar als Kind. Auf dem Hochzeitsfoto stand er strahlend neben seiner kleinen, rundlichen Braut, deren weißes Kleid um die Hüften ein wenig spannte. Barbra hatte ihrer Tochter einmal verraten, dass sie ihr Brautkleid aus Eitelkeit eine Nummer zu klein gekauft hatte; doch ihrem Zukünftigem war dies gar nicht aufgefallen, da er so glücklich darüber gewesen war, seine geliebte Barbra endlich über die Schwelle der gemeinsamen Wohnung zu tragen.
Irgendwann war Reese aufgefallen, dass es zwar unzählige Bilder von Oscar und ihr selbst gab, aber keine einzige Aufnahme, auf der Vater und Tochter gemeinsam zu sehen waren. Doch dafür hatte Barbra eine plausible Erklärung parat gehabt: Angeblich hatte es sich nie ergeben; die meisten Fotos von Reese hatte Oscar selbst geschossen.
An diese Aussage musste sich Reese nun wieder einmal erinnern, und stärker denn je spürte sie, dass ihre Mutter offenbar ein Geheimnis hütete.
Sie wandte ihren Blick ab, schob die schwarze Tüllgardine etwas zur Seite und spähte hinaus in die Dunkelheit. Obwohl die Straße nur spärlich beleuchtet war, konnte Reese die Umrisse der geparkten Autos scharf erkennen. Auch dies war ein Phänomen, das sie nachdenklich machte. Sie konnte nachts so gut sehen wie eine Katze, und mit jedem Jahr vertiefte sich die Sehschärfe.
Schließlich schob Reese den Vorhang zurück und ging hinüber zu ihrem Schlafzimmer. Dass sie dafür kein Licht anzuschalten brauchte, um sich zurechtzufinden, war sie gewohnt. Richtig müde war sie noch immer nicht, aber wenn sie nicht bald zu Bett ging, würde sie verschlafen. Ihr Vorgesetzter Mr Kenneth war zwar ein verständnisvoller Mitmensch, aber Reese wollte seine Geduld nicht überstrapazieren. Häufig hatte er sie bereits dabei ertappt, wie sie - versteckt hinter einem geöffneten Buch - verstohlen gähnte oder sich die müden Augen rieb. Reese konnte sich nicht erlauben, ihren Job zu verlieren, denn sie musste ihre Mutter finanziell unterstützen. Das war sie Barbra schuldig, die ihr Kind allein und unter großen Entbehrungen großgezogen hatte.
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Copyright der Originalausgabe © 2012 by Carrie MacAlistair,
vertreten durch Medienbüro München
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Autoren-Porträt von Carrie MacAlistair
Carrie MacAlistair , Jahrgang 1955, fiel schon in jungen Jahren durch ihre fantasievollen Geschichten auf. Zunächst arbeitete sie jedoch als Arzthelferin und veröffentlichte erste Kurzromane in verschiedenen Wochenzeitschriften sowie diverse Romanserien. Seit 2000 ist Carrie MacAlistair hauptberuflich als Autorin tätig. Ihr Vampirroman "Kuss der Unendlichkeit" erschien 2011 als Weltbild Premiere und wurde ein großer Erfolg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Carrie MacAlistair
- 2012, 1, 368 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863651715
- ISBN-13: 9783863651718
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