Dem Himmel so fern
Roman
Eine Geschichte, die unter die Haut geht!<br /><br />Sie sind ein Traumpaar: Emilia, die kluge Anwältin, Jack, der Teilhaber einer angesehenen Kanzlei. Doch der Verlust ihrer kleinen Tochter verändert Emilia. Plötzlich kann sie...
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Produktinformationen zu „Dem Himmel so fern “
Eine Geschichte, die unter die Haut geht!<br />
<br />Sie sind ein Traumpaar: Emilia, die kluge Anwältin, Jack, der Teilhaber einer angesehenen Kanzlei. Doch der Verlust ihrer kleinen Tochter verändert Emilia. Plötzlich kann sie keine Kinder mehr ertragen. Schon gar nicht ihren altklugen fünfjährigen Stiefsohn William. Warum kapieren er und sein Vater nicht, dass Selbstmitleid ein Fulltimejob ist?<br />Eine Geschichte, die unter die Haut geht: voller Leben und großer Gefühle.<br />
<br />Emilia hat sich immer für eine zielstrebige, fröhliche Frau gehalten. Alles flog ihr zu: das Studium in Harvard, Jack, der ihretwegen sogar seine Familie verließ. Doch durch die Trauer um ihre Tochter Isabel verliert Emilia den Boden unter den Füßen. Sie verwandelt sich in einen selbstmitleidigen Trauerkloß und lässt sich von ihrem oberschlauen Stiefsohn den letzten Nerv rauben. Nicht nur, dass der Fünfjährige alle Fremdwörter richtig aussprechen kann, er will auch Isabels Wiege bei eBay verkaufen, da diese ja nutzlos sei. Emilia ist drauf und dran, Vater und Sohn den Kampf anzusagen. Und wieder ist es William, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht ...<br />
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Klappentext zu „Dem Himmel so fern “
Sie sind ein Traumpaar: Emilia, die kluge Anwältin, Jack, der Teilhaber einer angesehenen Kanzlei. Doch der Verlust ihrer kleinen Tochter verändert Emilia. Plötzlich kann sie keine Kinder mehr ertragen. Schon gar nicht ihren altklugen fünfjährigen Stiefsohn William. Warum kapieren er und sein Vater nicht, dass Selbstmitleid ein Fulltimejob ist?Eine Geschichte, die unter die Haut geht: voller Leben und großer Gefühle.
Emilia hat sich immer für eine zielstrebige, fröhliche Frau gehalten. Alles flog ihr zu: das Studium in Harvard, Jack, der ihretwegen sogar seine Familie verließ. Doch durch die Trauer um ihre Tochter Isabel verliert Emilia den Boden unter den Füßen. Sie verwandelt sich in einen selbstmitleidigen Trauerkloß und lässt sich von ihrem oberschlauen Stiefsohn den letzten Nerv rauben. Nicht nur, dass der Fünfjährige alle Fremdwörter richtig aussprechen kann, er will auch Isabels Wiege bei eBay verkaufen, da diese ja nutzlos sei. Emilia ist drauf und dran, Vater und Sohn den Kampf anzusagen. Und wieder ist es William, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht ...
Sie sind ein Traumpaar: Emilia, die kluge Anwältin, Jack, der Teilhaber einer angesehenen Kanzlei. Doch der Verlust ihrer kleinen Tochter verändert Emilia. Plötzlich kann sie keine Kinder mehr ertragen. Schon gar nicht ihren altklugen fünfjährigen Stiefsohn William. Warum kapieren er und sein Vater nicht, dass Selbstmitleid ein Fulltimejob ist?
Eine Geschichte, die unter die Haut geht: voller Leben und großer Gefühle.
Emilia hat sich immer für eine zielstrebige, fröhliche Frau gehalten. Alles flog ihr zu: das Studium in Harvard, Jack, der ihretwegen sogar seine Familie verließ. Doch durch die Trauer um ihre Tochter Isabel verliert Emilia den Boden unter den Füßen. Sie verwandelt sich in einen selbstmitleidigen Trauerkloß und lässt sich von ihrem oberschlauen Stiefsohn den letzten Nerv rauben. Nicht nur, dass der Fünfjährige alle Fremdwörter richtig aussprechen kann, er will auch Isabels Wiege bei eBay verkaufen, da diese ja nutzlos sei. Emilia ist drauf und dran, Vater und Sohn den Kampf anzusagen. Und wieder ist es William, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht ...
Eine Geschichte, die unter die Haut geht: voller Leben und großer Gefühle.
Emilia hat sich immer für eine zielstrebige, fröhliche Frau gehalten. Alles flog ihr zu: das Studium in Harvard, Jack, der ihretwegen sogar seine Familie verließ. Doch durch die Trauer um ihre Tochter Isabel verliert Emilia den Boden unter den Füßen. Sie verwandelt sich in einen selbstmitleidigen Trauerkloß und lässt sich von ihrem oberschlauen Stiefsohn den letzten Nerv rauben. Nicht nur, dass der Fünfjährige alle Fremdwörter richtig aussprechen kann, er will auch Isabels Wiege bei eBay verkaufen, da diese ja nutzlos sei. Emilia ist drauf und dran, Vater und Sohn den Kampf anzusagen. Und wieder ist es William, der ihr einen Strich durch die Rechnung macht ...
Lese-Probe zu „Dem Himmel so fern “
Mit eingezogenem Kopf und z gigen Schritten schaffe ich es meistens, den Spielplatz an der Einundachtzigsten Stra e zu passieren. Im Aufzug wappne ich mich bereits und behalte den gro en Messingpfeil im Auge, wenn er vom siebten in den sechsten, f nften, vierten Stock hinunterwandert. Manchmal h lt der Aufzug, und einer meiner Nachbarn steigt ein, dann bleibt mir nichts anderes brig, als den Panzer abzulegen, hinter dem ich mich verschanzt habe, und mich h flich zu geben. Wenn es sich um einen der J ngeren handelt, wie den Gitarrenspieler mit dem roten Pferdeschwanz und dem pickeligen Gesicht oder den Filmproduzenten mit den zerknitterten Jeans und der speckigen Lederjacke, reicht ein kurzes Kopfnicken. Die lteren verlangen schon etwas mehr Aufmerksamkeit. Bei den Damen mit den Betonfrisuren und den demonstrativ unkonventionellen Garderoben - violette R cke, die unter schwarzen, wollenen Capes hervorlugen - ist Smalltalk angesagt, ber das Wetter oder die durchgewetzte Stelle auf dem Orientteppich in der Eingangshalle oder ber den Leitartikel im Kulturteil der Tageszeitung. Es ist fast nicht zu ertragen. Sehen sie denn nicht, dass ich besch ftigt bin? Kapieren sie nicht, dass zwanghaftes Selbstmitleid einen voll und ganz in Anspruch nimmt? Wissen sie nicht, dass der Eingang zum Park direkt neben dem Spielplatz auf der Einundachtzigsten Stra e liegt und dass ich, wenn ich nicht hundertprozentig vorbereitet bin, wenn ich nicht v llig abschalte und alle Ger usche au er meinem eigenen Atem ausblende, dass ich dann garantiert vor dem Spielplatztor zusammenbreche, w hrend die schrillen Kinderstimmen mir das Trommelfell zerrei en? K nnen diese reichen Bankierswitwen mit ihren Unterschriftenlisten und ihren volumin sen Tod's-Handtaschen nicht begreifen, dass ich es nicht am Spielplatz vorbei und in den Park schaffe, wenn ich mich von ihnen und ihrem Geschw tz ablenken lasse, ber den Wahlbetrug der Republikaner oder ber Mrs. Katz von Nummer 2B, die letzten Dienstagabend
... mehr
Anthony, den neuen Portier, schlafend hinter seinem Tresen erwischt hat? Ahnen sie nicht, dass sie mich mit ihren penetranten Stimmen und ihren ungeduldig klopfenden Lucite-Spazierst cken, w hrend sie auf meine Antwort warten, daran hindern, an den einzigen Ort in der Stadt zu gelangen, an dem ich mich halbwegs entspannen kann? Dass sie mich dazu n tigen, stattdessen die Durchgangsstra e an der Neunundsiebzigsten zu nehmen, mich bis zur East Side an der verru ten Mauer entlangzudr cken und die Auspuffgase der Linienbusse einzuatmen? Oder schlimmer noch, dass sie mich zwingen, mit dem Taxi zu fahren?
Diesmal bleibt der Aufzug Gott sei Dank bis ins Erdgeschoss leer.
"Einen angenehmen Spaziergang, Mrs. Woolf", sagt Ivan, w hrend er mir die T r aufh lt.
Das macht er seit dem Tag unserer Hochzeit. Anfangs habe ich versucht, ihm zu erkl ren, dass ich immer noch Ms. Greenleaf bin. Ich wei genau, dass Ivan mich verstanden hat. Er ist schlie lich kein Idiot. Er l chelte, nickte und sagte: "Selbstverst ndlich, Ms. Greenleaf", nur um mich am n chsten Tag wieder mit "Guten Morgen, Mrs. Woolf" zu gr en. Aber das war noch vergleichsweise harmlos. Damals, als ich gerade bei Jack eingezogen war, hatte ich irgendwas gemurmelt wie: "Nein, nein, nennen Sie mich doch Emilia." Ivan hatte es nicht einmal ber sich gebracht, zu l cheln oder zu nicken. Er starrte mich nur durch seine dicken Brillengl ser an und sch ttelte den Kopf, wie ein Lehrer, der entt uscht dar ber war, dass ich meine Hausaufgaben vergessen oder, schlimmer noch, mich ihm gegen ber unfl tig ausgedr ckt hatte. "Nein, Ms. Greenleaf", war das Einzige, was er sagte. Nicht etwa: "Das kann ich nicht" oder "Das w re mir unangenehm". Nur einfach: "Nein, Ms. Greenleaf." Denn nat rlich w rde er niemals jemanden aus dem Haus mit Vornamen anreden, so etwas war einfach undenkbar, und es ihm anzubieten, zeugte von Instinktlosigkeit.
Heute l chle ich, nicke zum Gru und marschiere zur T r hinaus - ber die Stra e und in den Park.
Der Februar ist der l ngste Monat des Jahres.
Der Winter dauert nun schon so lange, und es scheint, als w rde der Fr hling nie kommen. Der Himmel ist grau und mit dicken Wolken verhangen, die Sorte Wolken, die die Stadt zu bedrohen scheinen, die keinen Weihnachtspostkartenschnee bringen und auch keinen reinigenden Schauer kalten, sauberen Regens, sondern peitschende Tropfen, scharf wie Nadeln, die den Schnee sofort schmelzen lassen, sodass das, was vom Himmel herunterkommt, sich anf hlt wie gelbgrauer Matsch. Die Gehwege sind ges umt von schwarz ger nderten Schneehaufen, und bei jedem Schritt vom Bordstein l uft man Gefahr, bis zu den Kn cheln in eiskaltem Wasser zu versinken. Normalerweise verkrieche ich mich in dieser Zeit zu Hause; ich z nde ein Feuer im Kamin an, schl pfe in wollene Socken, wickle mich in Chenilledecken, lese zum x-ten Mal Jane Austen und hoffe inst ndig, dass die dunklen Tage schneller vergehen. Aber dieses Jahr kann ich es gar nicht erwarten, dass der Februar endlich anf ngt. Ich sehne mich nach der d steren Trostlosigkeit New Yorks im Februar. Dieses Jahr brauche ich den Februar. Schon jetzt, Ende Januar, ist es, als sp rte die Stadt meine Schwermut und bem hte sich, mir ihr Mitgef hl zu bezeugen. Die B ume im Park wirken mehr als kahl; sie recken ihre leblosen ste in den tr ben Himmel, als h tten sie nicht nur ihr Laub, sondern auch alle Hoffnung auf neues Gr n verloren. Das Gras ist so verfault und niedergetreten, dass nur noch ein d nner, eisiger, von Hundekot durchsetzter Sumpf brig geblieben ist. Der Reitweg und der Fu g ngerweg am Reservoir entlang sind matschig und voller tiefer L cher, berall ragen knorrige Wurzeln aus dem Boden, Stolpersteine f r die in Fleece-Jacken geh llten Jogger.
Aber auf dem Diana-Ross-Spielplatz wimmelt es von Kindern. New Yorker Kinder spielen bei jedem Wetter drau en, weil ihre M tter und Kinderm dchen die vier W nde noch der ger umigsten Wohnungen nicht lange ertragen. Selbst wenn die Schaukeln so nass sind, dass keine wasserdichte Schneehose Schutz bietet, wenn der teure Mulchbelag steinhart gefroren ist, wenn das letzte St ck Metall der garantiert verletzungsgefahrlosen Spielger te so kalt ist, dass jede rosafarbene Kinderzunge daran kleben bleibt, bis ein unersch tterliches dominikanisches Kinderm dchen den Rest seines hei en Starbucks-Kaffees opfert, um den Ungl cksraben aus seiner misslichen Lage zu befreien - selbst dann sind die Kleinen drau en und erf llen den Park mit Kreischen und Lachen. Ich beschleunige meine Schritte, falle in einen schwerf lligen Trott, sp re die berfl ssigen Pfunde auf meinen H ften, sp re meine Knochen, die bei jedem Schritt schmerzen.
Erst wenn die Kinderstimmen leiser werden und sich mit den anderen Hintergrundger uschen im Park vermischen, halte ich keuchend inne und gehe dann langsamer weiter. Im Sommer klingt es im Central Park, als sei man auf dem Land - wenn man hinnimmt, dass sich in das Vogelgezwitscher das Surren von Skateboardr dern und die Musik peruanischer Fl tenspieler mischt, die Andenmelodien la Simon & Garfunkel darbieten. Im Fr hling, wenn die Kirschb ume in voller Bl te stehen und die H gel um Sheep Meadow herum mit gelben Narzissen bedeckt sind, ist es keine Kunst, den Central Park zu lieben. Auch nicht im Sommer, wenn es im Shakespeare Garden von Bl ten und Hochzeitsgesellschaften nur so wimmelt und man keine zwei Schritte gehen kann, ohne ber ein Asternbeet oder einen Frisbee spielenden Hund zu stolpern. Aber im Winter, da flattern die Tauben um kahle Ulmen und scharen sich um einsame alte Damen, die mit ihren Papiert ten mit Brotresten auf den B nken der Promenade sitzen; im Winter geh rt der Park denjenigen, die ihn wirklich lieben, denjenigen, die keine Glyciniengirlanden brauchen, denen die schneeschweren Robinien, die schlammbedeckten H gel und das Rauschen des Windes in den kahlen sten gen gen. Was die dreihundertvierzig Hektar des Central Park vor allem auszeichnet, ist, dass sie einem jederzeit Zuflucht gew hren. Fr hling und Sommer mit ihren karnevalesken Pastellfarben und der Herbst mit seinen leuchtenden Rot- und Oranget nen sind nur glitzerndes Blendwerk.
Ich biege nach Norden ab, auf den Weg, der um den See herumf hrt. An einem Spielplatz muss ich noch vorbei, aber der liegt weit genug von meiner Strecke entfernt, sodass ich den Blick von dem riesigen h lzernen Kletterger st und der rot-gelben Rutsche abwenden kann. Die M tter mit ihren Babyjoggern sind in der Regel fr her unterwegs, und wenn ich Gl ck habe, werde ich heute verschont. Vergangenen Mittwoch bin ich ein paar Stunden fr her losgegangen, um mich mit einer Freundin zu treffen, die meinte, ein morgendlicher Bummel durch ein paar Schuhl den w rde mich aus meiner Lethargie rei en und in eine Frau zur ckverwandeln, mit der sie was anfangen k nne. So hat Mindy sich nat rlich nicht ausgedr ckt. Mindy sagte, ihr Mann h tte ihr Manolo-Blahnik-Schuhe zum Geburtstag geschenkt, und zwar in der Gr e, die zu haben sie ihm vorgeflunkert hatte, und nun wolle sie sich in dem Laden erkundigen, ob sie die Schuhe auch in Gr e zweiundvierzig h tten.
An dem Tag bin ich ganzen Scharen von frischgebackenen M ttern begegnet, die vor ihren dreir drigen Kinderwagen hockten, den von der Schwangerschaft noch gut gepolsterten Hintern rausgestreckt, die H nde um die Lenkstange gekrallt, und sich dann streckten und dehnten, den Blick verz ckt auf ihre warm eingepackten, quiekenden und lachenden oder schlafenden Spr sslinge gerichtet, die in den Siebenhundertf nfzig-Dollar-Joggern lagen, "Bugaboo Frogs", wie der, der bei uns im Hausflur neben dem kleinen Tisch mit den k nstlichen Orchideen steht, der Bugaboo aus dunkelblauem Denim, dessen Anblick mir jedes Mal den Magen umdreht, wenn ich auf den Aufzug warte. Wie abgesprochen machten diese jungen M tter ihre bungen neben den Kinderwagen, und keine einzige sagte ein Wort, als ich vor ihnen stehen blieb und st hnte, als h tte mir jemand eine Faust in die Magengrube gerammt. Sie schauten erst einander, dann wieder mich an, doch keine sagte etwas, weder als ich anfing zu weinen, noch als ich mich umdrehte und davonlief, den Weg zur ckrannte, am ersten Spielplatz vorbei und dann am zweiten und weiter in den Central Park West.
Heute habe ich Gl ck. Die M tter sind zu Hause geblieben, oder sie sitzen nach ihrer Morgengymnastik irgendwo bei einem Caff latte zusammen. Erst auf dem Reitweg auf der East Side entdecke ich eine. Sie l uft so schnell an mir vorbei, dass ich kaum Zeit habe, ihre festen Wadenmuskeln in den gl nzenden, pinkfarbenen, farblich zu ihren Ohrensch tzern passenden Leggings wahrzunehmen. Die Babys in ihrem Zwillingswagen huschen als winzige, lilafarbene B ndel und rosige Nasen an mir vorbei. Zu schnell, um mir mehr als einen klitzekleinen Stich zu versetzen.
Als ich den Park durchquert habe und sicher an der Neunzigsten Stra e ankomme, werfe ich einen Blick auf meine Uhr. Mist. Ich bin mal wieder viel zu sp t dran, mir bleiben nur noch f nf Minuten, um bis zur Neunundzwanzigsten und dann r ber zur Lexington Avenue zu laufen. Ich gehe so schnell ich kann, halte mir den Leib, weil ich Seitenstechen habe. Mit der anderen Hand versuche ich, meinen langen Mantel zuzuhalten, der mir um die Beine flattert. Ich kann ihn inzwischen wieder zukn pfen, aber es sieht schauderhaft aus, denn so dick, wie ich geworden bin, spannt der Stoff ber meinem Bauch, und es sieht aus, als w rden die Kn pfe jeden Moment abspringen. Zwar bin ich nicht eitel genug, um mir einen neuen Wintermantel zu kaufen - ich denke nicht daran, mehrere hundert Dollar f r ein Kleidungsst ck auszugeben, das ich garantiert in einem Monat nicht mehr brauchen werde -, aber so stilbewusst bin ich dann doch, dass ich den Mantel lieber offen lasse und mir einen langen, dicken Schal umbinde, um mich gegen die K lte zu sch tzen.
Erst als ich die wei en Absperrz une und die Blumenk bel umkurvt, dem Wachmann meinen Ausweis gezeigt und den Metalldetektor passiert habe, f llt mir - vor den Aufz gen von einem Fu auf den anderen tretend - wieder ein, dass ich f r genau diesen Fall meine Uhr um eine Viertelstunde vorgestellt habe, damit ich nicht schon wieder zu sp t komme und Carolyn nicht schon wieder einen Grund hat, Jack anzurufen und sich bei ihm ber meine Nachl ssigkeit gegen ber allem, was ihr heilig ist, zu beschweren. Ich sp re, wie ich zusammensacke, so als w ren meine Aufregung und mein schlechtes Gewissen das Einzige gewesen, was mich aufrecht gehalten hat. Als der Aufzug kommt, bin ich auf Mausgr e geschrumpft - ein D umling im "Y"-Haus der Zweiundneunzigsten Stra e.
Ein paar Frauen folgen mir in den Aufzug. Zwei sind schwanger, eine tr gt ihr Baby in einem schwarzen, ledernen "Baby Bj rn"-Tragesitz vor dem Bauch. Die Letzte schiebt einen Bugaboo-Kinderwagen, exakt das Modell, das in meinem Flur steht. Und das Verr ckteste an der Sache ist, dass ich, die Expertin im Kartographieren eines kinderlosen Central Park, auf dem Weg in die H hle des L wen bin. Mein Fu marsch endet im Kindergarten des j dischen Kulturzentrums, dem sogenannten "Y".
Im Central Park h tte mich die Konfrontation mit dieser geballten Demonstration von Fruchtbarkeit v llig aus dem Gleis geworfen. Der Central Park ist mein Refugium, und die Invasion der Babybrigade treibt mich zur Wei glut und zur Verzweiflung. Im Kindergarten dagegen bin ich ein gewisses Ma an Kummer gewohnt. Dort habe ich mich noch nie besonders wohl gef hlt. Und dass ich im Aufzug beim Anblick eines rosigen, milchtrunkenen S uglings einen Heulkrampf kriege, geh rt praktisch zum Programm.
Die Frauen im Aufzug nehmen meine Anwesenheit mit der Andeutung eines Nickens zur Kenntnis, demselben Nicken, das ich den j ngeren meiner Nachbarn zuteil werden lasse. Ich erwidere ihr Desinteresse und hefte meinen Blick auf die erleuchteten Ziffern ber der T r, die unseren Aufstieg in den f nften Stock des Geb udes anzeigen.
Der Korridor des Kindergartens ist wie immer mit bunten Kinderbildern dekoriert, die sich mit jedem j dischen Feiertag ndern. Zurzeit feiern wir Tu bi Schewat, und die Kinder haben alle m gliche Arten von B umen gezeichnet. Alles an diesem Korridor k ndet von der vorbildlichen p dagogischen Betreuung, deren der Kindergarten sich r hmt. Man sieht, dass die Kinder hier mit Geduld und Hingabe unterrichtet werden, dass ihre Kreativit t unterst tzt und gef rdert wird und dass der Kindergarten im Bereich bildnerisches Gestalten ber ein Budget zu verf gen scheint, das jenes der School of Visual Arts in den Schatten stellt. Ich berfliege die Bilder, um zu sehen, ob William auch eins gemalt hat. Er ist ein begabter Zeichner f r sein Alter, der kleine William. Er hat die zarten, geschickten Finger seiner Mutter geerbt. Meistens malt er Bilder vom Meer: Fische und Kraken, Haie mit vielen Z hnen und Mur nen. Sein neuestes Werk h ngt neben der T r zu seinem Gruppenraum. Offenbar ist William der Einzige, der kein Bild vom Neujahr der B ume gemalt hat. Zuerst denke ich, er hat blo das ganze Blatt mit roter Malkreide voll gekritzelt, aber als ich n her herangehe, entdecke ich am unteren Rand einen regenbogenfarbenen Papageienfisch. Der Papageienfisch liegt auf der Seite, weil ein Schwertfisch ihm ein Loch in den Bauch gebohrt hat. Das rote Gekritzel ist Blut, das aus den Wunden des Fisches spritzt. Vielleicht ist das Bild als Allegorie gedacht, und der Papageienfisch soll symbolisieren, wie es den Juden erginge, wenn sie ihre Beziehung zum Land verl ren. Aber vermutlich wohl eher nicht.
Ich nehme Williams Anorak und M tze vom Haken und warte darauf, dass die T r zum roten Raum sich ffnet. In diesem Jahr geh rt William zur roten Gruppe. Letztes Jahr war er noch in der blauen, und davor in der orangenen. Orange hat ihm am besten gefallen, wie er uns immer wieder erkl rt. Offenbar ist Orange eine besonders interessante Farbe. Viele von Williams Lieblingsdingen sind orange. Apfelsinen geh ren nicht dazu. Viel zu banal. Nicht dass William etwas gegen Obst h tte. Zum Beispiel isst er gern Kumquats, vor allem eingelegte. Aber zu den orangenen Dingen, die er liebt, geh ren Paella mit Safran, Monarchfalter, die Oranier in Nordirland und die Oranier der Syracuse University, und vor allem die leuchtend orangefarbenen Leitkegel. Au erdem diskutiert er gern ber die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Dromaeosauriden, vor allem beim Dromaeosaurus und Velociraptor, ferner dar ber, wie sein pers nlicher D mon aussehen w rde (wie die Katze von Will Parry, nat rlich), und ob Pluto zum Kuiper-G rtel gez hlt werden sollte oder nicht. (William ist dagegen. Er meint, es w re Diebstahl. William findet, da Pluto seit seiner Entdeckung durch Clyde Tombaugh am 18.Februar 1930 als Planet gilt, soll er es auch bleiben.) William ist f nf Jahre alt, aber manchmal redet er wie ein zwergw chsiger Zweiundsechzigj hriger. Mit seinen Bemerkungen erntet er berall Bewunderung, alle sind von seiner Fr hreife entz ckt.
Alle au er mir. Ich finde William unertr glich.
Was muss man f r ein Mensch sein, um einem unschuldigen Kind gegen ber so zu empfinden? Einem Kind, das einen korrigiert, wenn man das Wort "chamois" falsch ausspricht, das einem den Body-Mass-Index ausrechnet, w hrend man gerade ein St ck Schokoladentorte verschlingt, das jeden Versuch, ihm eine Freude zu bereiten, mit einem sp ttischen Grinsen abschmettert, das eher einem pickelgesichtigen Halbstarken anstehen w rde als einem pausb ckigen Vorschulkind? Ich bin die Erwachsene und sollte wohl in der Lage sein, dieses Kind zu lieben - trotz seiner Eigenarten und trotz der Schuldgef hle, die mich plagen, weil ich seine Familie zerst rt habe.Ich ffne Williams Butterbrotdose und kippe die Essensreste in den M lleimer, mit angehaltenem Atem - es riecht nach saurer Milch und Plastik. Einen Augenblick zu sp t bemerke ich, dass die M tter mich beobachten. Irgendeine von ihnen wird Carolyn garantiert br hwarm berichten, dass ich die Reste weggeworfen habe, ohne vorher genau zu berpr fen, was William brig gelassen hat. Ein weiterer Beweis f r meine Unzuverl ssigkeit. Zuf llig begegne ich dem Blick der Mutter mit dem Tragesitz. Ich err te, sie dagegen nicht. Sie wendet sich ab und schmiegt ihre Wange gegen den Kopf des Babys. Ich sp re die weiche Haut des Babys an meiner Wange, das flaumige Haar an meinen Lippen, den zarten Puls unter der Fontanelle. Ich blinzle eine Tr ne fort und tue so, als w rde ich Williams blutr nstige Zeichnung eingehend betrachten.
Diesmal bleibt der Aufzug Gott sei Dank bis ins Erdgeschoss leer.
"Einen angenehmen Spaziergang, Mrs. Woolf", sagt Ivan, w hrend er mir die T r aufh lt.
Das macht er seit dem Tag unserer Hochzeit. Anfangs habe ich versucht, ihm zu erkl ren, dass ich immer noch Ms. Greenleaf bin. Ich wei genau, dass Ivan mich verstanden hat. Er ist schlie lich kein Idiot. Er l chelte, nickte und sagte: "Selbstverst ndlich, Ms. Greenleaf", nur um mich am n chsten Tag wieder mit "Guten Morgen, Mrs. Woolf" zu gr en. Aber das war noch vergleichsweise harmlos. Damals, als ich gerade bei Jack eingezogen war, hatte ich irgendwas gemurmelt wie: "Nein, nein, nennen Sie mich doch Emilia." Ivan hatte es nicht einmal ber sich gebracht, zu l cheln oder zu nicken. Er starrte mich nur durch seine dicken Brillengl ser an und sch ttelte den Kopf, wie ein Lehrer, der entt uscht dar ber war, dass ich meine Hausaufgaben vergessen oder, schlimmer noch, mich ihm gegen ber unfl tig ausgedr ckt hatte. "Nein, Ms. Greenleaf", war das Einzige, was er sagte. Nicht etwa: "Das kann ich nicht" oder "Das w re mir unangenehm". Nur einfach: "Nein, Ms. Greenleaf." Denn nat rlich w rde er niemals jemanden aus dem Haus mit Vornamen anreden, so etwas war einfach undenkbar, und es ihm anzubieten, zeugte von Instinktlosigkeit.
Heute l chle ich, nicke zum Gru und marschiere zur T r hinaus - ber die Stra e und in den Park.
Der Februar ist der l ngste Monat des Jahres.
Der Winter dauert nun schon so lange, und es scheint, als w rde der Fr hling nie kommen. Der Himmel ist grau und mit dicken Wolken verhangen, die Sorte Wolken, die die Stadt zu bedrohen scheinen, die keinen Weihnachtspostkartenschnee bringen und auch keinen reinigenden Schauer kalten, sauberen Regens, sondern peitschende Tropfen, scharf wie Nadeln, die den Schnee sofort schmelzen lassen, sodass das, was vom Himmel herunterkommt, sich anf hlt wie gelbgrauer Matsch. Die Gehwege sind ges umt von schwarz ger nderten Schneehaufen, und bei jedem Schritt vom Bordstein l uft man Gefahr, bis zu den Kn cheln in eiskaltem Wasser zu versinken. Normalerweise verkrieche ich mich in dieser Zeit zu Hause; ich z nde ein Feuer im Kamin an, schl pfe in wollene Socken, wickle mich in Chenilledecken, lese zum x-ten Mal Jane Austen und hoffe inst ndig, dass die dunklen Tage schneller vergehen. Aber dieses Jahr kann ich es gar nicht erwarten, dass der Februar endlich anf ngt. Ich sehne mich nach der d steren Trostlosigkeit New Yorks im Februar. Dieses Jahr brauche ich den Februar. Schon jetzt, Ende Januar, ist es, als sp rte die Stadt meine Schwermut und bem hte sich, mir ihr Mitgef hl zu bezeugen. Die B ume im Park wirken mehr als kahl; sie recken ihre leblosen ste in den tr ben Himmel, als h tten sie nicht nur ihr Laub, sondern auch alle Hoffnung auf neues Gr n verloren. Das Gras ist so verfault und niedergetreten, dass nur noch ein d nner, eisiger, von Hundekot durchsetzter Sumpf brig geblieben ist. Der Reitweg und der Fu g ngerweg am Reservoir entlang sind matschig und voller tiefer L cher, berall ragen knorrige Wurzeln aus dem Boden, Stolpersteine f r die in Fleece-Jacken geh llten Jogger.
Aber auf dem Diana-Ross-Spielplatz wimmelt es von Kindern. New Yorker Kinder spielen bei jedem Wetter drau en, weil ihre M tter und Kinderm dchen die vier W nde noch der ger umigsten Wohnungen nicht lange ertragen. Selbst wenn die Schaukeln so nass sind, dass keine wasserdichte Schneehose Schutz bietet, wenn der teure Mulchbelag steinhart gefroren ist, wenn das letzte St ck Metall der garantiert verletzungsgefahrlosen Spielger te so kalt ist, dass jede rosafarbene Kinderzunge daran kleben bleibt, bis ein unersch tterliches dominikanisches Kinderm dchen den Rest seines hei en Starbucks-Kaffees opfert, um den Ungl cksraben aus seiner misslichen Lage zu befreien - selbst dann sind die Kleinen drau en und erf llen den Park mit Kreischen und Lachen. Ich beschleunige meine Schritte, falle in einen schwerf lligen Trott, sp re die berfl ssigen Pfunde auf meinen H ften, sp re meine Knochen, die bei jedem Schritt schmerzen.
Erst wenn die Kinderstimmen leiser werden und sich mit den anderen Hintergrundger uschen im Park vermischen, halte ich keuchend inne und gehe dann langsamer weiter. Im Sommer klingt es im Central Park, als sei man auf dem Land - wenn man hinnimmt, dass sich in das Vogelgezwitscher das Surren von Skateboardr dern und die Musik peruanischer Fl tenspieler mischt, die Andenmelodien la Simon & Garfunkel darbieten. Im Fr hling, wenn die Kirschb ume in voller Bl te stehen und die H gel um Sheep Meadow herum mit gelben Narzissen bedeckt sind, ist es keine Kunst, den Central Park zu lieben. Auch nicht im Sommer, wenn es im Shakespeare Garden von Bl ten und Hochzeitsgesellschaften nur so wimmelt und man keine zwei Schritte gehen kann, ohne ber ein Asternbeet oder einen Frisbee spielenden Hund zu stolpern. Aber im Winter, da flattern die Tauben um kahle Ulmen und scharen sich um einsame alte Damen, die mit ihren Papiert ten mit Brotresten auf den B nken der Promenade sitzen; im Winter geh rt der Park denjenigen, die ihn wirklich lieben, denjenigen, die keine Glyciniengirlanden brauchen, denen die schneeschweren Robinien, die schlammbedeckten H gel und das Rauschen des Windes in den kahlen sten gen gen. Was die dreihundertvierzig Hektar des Central Park vor allem auszeichnet, ist, dass sie einem jederzeit Zuflucht gew hren. Fr hling und Sommer mit ihren karnevalesken Pastellfarben und der Herbst mit seinen leuchtenden Rot- und Oranget nen sind nur glitzerndes Blendwerk.
Ich biege nach Norden ab, auf den Weg, der um den See herumf hrt. An einem Spielplatz muss ich noch vorbei, aber der liegt weit genug von meiner Strecke entfernt, sodass ich den Blick von dem riesigen h lzernen Kletterger st und der rot-gelben Rutsche abwenden kann. Die M tter mit ihren Babyjoggern sind in der Regel fr her unterwegs, und wenn ich Gl ck habe, werde ich heute verschont. Vergangenen Mittwoch bin ich ein paar Stunden fr her losgegangen, um mich mit einer Freundin zu treffen, die meinte, ein morgendlicher Bummel durch ein paar Schuhl den w rde mich aus meiner Lethargie rei en und in eine Frau zur ckverwandeln, mit der sie was anfangen k nne. So hat Mindy sich nat rlich nicht ausgedr ckt. Mindy sagte, ihr Mann h tte ihr Manolo-Blahnik-Schuhe zum Geburtstag geschenkt, und zwar in der Gr e, die zu haben sie ihm vorgeflunkert hatte, und nun wolle sie sich in dem Laden erkundigen, ob sie die Schuhe auch in Gr e zweiundvierzig h tten.
An dem Tag bin ich ganzen Scharen von frischgebackenen M ttern begegnet, die vor ihren dreir drigen Kinderwagen hockten, den von der Schwangerschaft noch gut gepolsterten Hintern rausgestreckt, die H nde um die Lenkstange gekrallt, und sich dann streckten und dehnten, den Blick verz ckt auf ihre warm eingepackten, quiekenden und lachenden oder schlafenden Spr sslinge gerichtet, die in den Siebenhundertf nfzig-Dollar-Joggern lagen, "Bugaboo Frogs", wie der, der bei uns im Hausflur neben dem kleinen Tisch mit den k nstlichen Orchideen steht, der Bugaboo aus dunkelblauem Denim, dessen Anblick mir jedes Mal den Magen umdreht, wenn ich auf den Aufzug warte. Wie abgesprochen machten diese jungen M tter ihre bungen neben den Kinderwagen, und keine einzige sagte ein Wort, als ich vor ihnen stehen blieb und st hnte, als h tte mir jemand eine Faust in die Magengrube gerammt. Sie schauten erst einander, dann wieder mich an, doch keine sagte etwas, weder als ich anfing zu weinen, noch als ich mich umdrehte und davonlief, den Weg zur ckrannte, am ersten Spielplatz vorbei und dann am zweiten und weiter in den Central Park West.
Heute habe ich Gl ck. Die M tter sind zu Hause geblieben, oder sie sitzen nach ihrer Morgengymnastik irgendwo bei einem Caff latte zusammen. Erst auf dem Reitweg auf der East Side entdecke ich eine. Sie l uft so schnell an mir vorbei, dass ich kaum Zeit habe, ihre festen Wadenmuskeln in den gl nzenden, pinkfarbenen, farblich zu ihren Ohrensch tzern passenden Leggings wahrzunehmen. Die Babys in ihrem Zwillingswagen huschen als winzige, lilafarbene B ndel und rosige Nasen an mir vorbei. Zu schnell, um mir mehr als einen klitzekleinen Stich zu versetzen.
Als ich den Park durchquert habe und sicher an der Neunzigsten Stra e ankomme, werfe ich einen Blick auf meine Uhr. Mist. Ich bin mal wieder viel zu sp t dran, mir bleiben nur noch f nf Minuten, um bis zur Neunundzwanzigsten und dann r ber zur Lexington Avenue zu laufen. Ich gehe so schnell ich kann, halte mir den Leib, weil ich Seitenstechen habe. Mit der anderen Hand versuche ich, meinen langen Mantel zuzuhalten, der mir um die Beine flattert. Ich kann ihn inzwischen wieder zukn pfen, aber es sieht schauderhaft aus, denn so dick, wie ich geworden bin, spannt der Stoff ber meinem Bauch, und es sieht aus, als w rden die Kn pfe jeden Moment abspringen. Zwar bin ich nicht eitel genug, um mir einen neuen Wintermantel zu kaufen - ich denke nicht daran, mehrere hundert Dollar f r ein Kleidungsst ck auszugeben, das ich garantiert in einem Monat nicht mehr brauchen werde -, aber so stilbewusst bin ich dann doch, dass ich den Mantel lieber offen lasse und mir einen langen, dicken Schal umbinde, um mich gegen die K lte zu sch tzen.
Erst als ich die wei en Absperrz une und die Blumenk bel umkurvt, dem Wachmann meinen Ausweis gezeigt und den Metalldetektor passiert habe, f llt mir - vor den Aufz gen von einem Fu auf den anderen tretend - wieder ein, dass ich f r genau diesen Fall meine Uhr um eine Viertelstunde vorgestellt habe, damit ich nicht schon wieder zu sp t komme und Carolyn nicht schon wieder einen Grund hat, Jack anzurufen und sich bei ihm ber meine Nachl ssigkeit gegen ber allem, was ihr heilig ist, zu beschweren. Ich sp re, wie ich zusammensacke, so als w ren meine Aufregung und mein schlechtes Gewissen das Einzige gewesen, was mich aufrecht gehalten hat. Als der Aufzug kommt, bin ich auf Mausgr e geschrumpft - ein D umling im "Y"-Haus der Zweiundneunzigsten Stra e.
Ein paar Frauen folgen mir in den Aufzug. Zwei sind schwanger, eine tr gt ihr Baby in einem schwarzen, ledernen "Baby Bj rn"-Tragesitz vor dem Bauch. Die Letzte schiebt einen Bugaboo-Kinderwagen, exakt das Modell, das in meinem Flur steht. Und das Verr ckteste an der Sache ist, dass ich, die Expertin im Kartographieren eines kinderlosen Central Park, auf dem Weg in die H hle des L wen bin. Mein Fu marsch endet im Kindergarten des j dischen Kulturzentrums, dem sogenannten "Y".
Im Central Park h tte mich die Konfrontation mit dieser geballten Demonstration von Fruchtbarkeit v llig aus dem Gleis geworfen. Der Central Park ist mein Refugium, und die Invasion der Babybrigade treibt mich zur Wei glut und zur Verzweiflung. Im Kindergarten dagegen bin ich ein gewisses Ma an Kummer gewohnt. Dort habe ich mich noch nie besonders wohl gef hlt. Und dass ich im Aufzug beim Anblick eines rosigen, milchtrunkenen S uglings einen Heulkrampf kriege, geh rt praktisch zum Programm.
Die Frauen im Aufzug nehmen meine Anwesenheit mit der Andeutung eines Nickens zur Kenntnis, demselben Nicken, das ich den j ngeren meiner Nachbarn zuteil werden lasse. Ich erwidere ihr Desinteresse und hefte meinen Blick auf die erleuchteten Ziffern ber der T r, die unseren Aufstieg in den f nften Stock des Geb udes anzeigen.
Der Korridor des Kindergartens ist wie immer mit bunten Kinderbildern dekoriert, die sich mit jedem j dischen Feiertag ndern. Zurzeit feiern wir Tu bi Schewat, und die Kinder haben alle m gliche Arten von B umen gezeichnet. Alles an diesem Korridor k ndet von der vorbildlichen p dagogischen Betreuung, deren der Kindergarten sich r hmt. Man sieht, dass die Kinder hier mit Geduld und Hingabe unterrichtet werden, dass ihre Kreativit t unterst tzt und gef rdert wird und dass der Kindergarten im Bereich bildnerisches Gestalten ber ein Budget zu verf gen scheint, das jenes der School of Visual Arts in den Schatten stellt. Ich berfliege die Bilder, um zu sehen, ob William auch eins gemalt hat. Er ist ein begabter Zeichner f r sein Alter, der kleine William. Er hat die zarten, geschickten Finger seiner Mutter geerbt. Meistens malt er Bilder vom Meer: Fische und Kraken, Haie mit vielen Z hnen und Mur nen. Sein neuestes Werk h ngt neben der T r zu seinem Gruppenraum. Offenbar ist William der Einzige, der kein Bild vom Neujahr der B ume gemalt hat. Zuerst denke ich, er hat blo das ganze Blatt mit roter Malkreide voll gekritzelt, aber als ich n her herangehe, entdecke ich am unteren Rand einen regenbogenfarbenen Papageienfisch. Der Papageienfisch liegt auf der Seite, weil ein Schwertfisch ihm ein Loch in den Bauch gebohrt hat. Das rote Gekritzel ist Blut, das aus den Wunden des Fisches spritzt. Vielleicht ist das Bild als Allegorie gedacht, und der Papageienfisch soll symbolisieren, wie es den Juden erginge, wenn sie ihre Beziehung zum Land verl ren. Aber vermutlich wohl eher nicht.
Ich nehme Williams Anorak und M tze vom Haken und warte darauf, dass die T r zum roten Raum sich ffnet. In diesem Jahr geh rt William zur roten Gruppe. Letztes Jahr war er noch in der blauen, und davor in der orangenen. Orange hat ihm am besten gefallen, wie er uns immer wieder erkl rt. Offenbar ist Orange eine besonders interessante Farbe. Viele von Williams Lieblingsdingen sind orange. Apfelsinen geh ren nicht dazu. Viel zu banal. Nicht dass William etwas gegen Obst h tte. Zum Beispiel isst er gern Kumquats, vor allem eingelegte. Aber zu den orangenen Dingen, die er liebt, geh ren Paella mit Safran, Monarchfalter, die Oranier in Nordirland und die Oranier der Syracuse University, und vor allem die leuchtend orangefarbenen Leitkegel. Au erdem diskutiert er gern ber die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Dromaeosauriden, vor allem beim Dromaeosaurus und Velociraptor, ferner dar ber, wie sein pers nlicher D mon aussehen w rde (wie die Katze von Will Parry, nat rlich), und ob Pluto zum Kuiper-G rtel gez hlt werden sollte oder nicht. (William ist dagegen. Er meint, es w re Diebstahl. William findet, da Pluto seit seiner Entdeckung durch Clyde Tombaugh am 18.Februar 1930 als Planet gilt, soll er es auch bleiben.) William ist f nf Jahre alt, aber manchmal redet er wie ein zwergw chsiger Zweiundsechzigj hriger. Mit seinen Bemerkungen erntet er berall Bewunderung, alle sind von seiner Fr hreife entz ckt.
Alle au er mir. Ich finde William unertr glich.
Was muss man f r ein Mensch sein, um einem unschuldigen Kind gegen ber so zu empfinden? Einem Kind, das einen korrigiert, wenn man das Wort "chamois" falsch ausspricht, das einem den Body-Mass-Index ausrechnet, w hrend man gerade ein St ck Schokoladentorte verschlingt, das jeden Versuch, ihm eine Freude zu bereiten, mit einem sp ttischen Grinsen abschmettert, das eher einem pickelgesichtigen Halbstarken anstehen w rde als einem pausb ckigen Vorschulkind? Ich bin die Erwachsene und sollte wohl in der Lage sein, dieses Kind zu lieben - trotz seiner Eigenarten und trotz der Schuldgef hle, die mich plagen, weil ich seine Familie zerst rt habe.Ich ffne Williams Butterbrotdose und kippe die Essensreste in den M lleimer, mit angehaltenem Atem - es riecht nach saurer Milch und Plastik. Einen Augenblick zu sp t bemerke ich, dass die M tter mich beobachten. Irgendeine von ihnen wird Carolyn garantiert br hwarm berichten, dass ich die Reste weggeworfen habe, ohne vorher genau zu berpr fen, was William brig gelassen hat. Ein weiterer Beweis f r meine Unzuverl ssigkeit. Zuf llig begegne ich dem Blick der Mutter mit dem Tragesitz. Ich err te, sie dagegen nicht. Sie wendet sich ab und schmiegt ihre Wange gegen den Kopf des Babys. Ich sp re die weiche Haut des Babys an meiner Wange, das flaumige Haar an meinen Lippen, den zarten Puls unter der Fontanelle. Ich blinzle eine Tr ne fort und tue so, als w rde ich Williams blutr nstige Zeichnung eingehend betrachten.
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Autoren-Porträt von Ayelet Waldman
Ayelet Waldman arbeitete als Strafverteidigerin und lebt heute mit Pulitzer-Preisträger Michael Chabon und ihren drei Kindern in Berkeley, Kalifornien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ayelet Waldman
- 2007, 383 Seiten, Maße: 12,1 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Breuer, Charlotte
- Übersetzer: Charlotte Breuer
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453351843
- ISBN-13: 9783453351844
Rezension zu „Dem Himmel so fern “
»>Dem Himmel so fern< ist irrsinnig komisch, geistreich, abstrus sarkastisch - und eben auch unsagbar traurig. Wie Ayelet Waldman es schafft, mit dem einzig richtigen Ton den Leser mitten ins Herz zu treffen, ist einfach fabelhaft.«
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