Der Crash des Kapitalismus
Warum die entfesselte Marktwirtschaft scheiterte und was jetzt zu tun ist
Steht die Wirtschaft am Abgrund und wir mit ihr?
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Crash des Kapitalismus “
Steht die Wirtschaft am Abgrund und wir mit ihr?
Klappentext zu „Der Crash des Kapitalismus “
Die Finanzkrise erschüttert die Wirtschaft in einem Ausmaß, das die Welt seit 80 Jahren nicht mehr erlebt hat. Sie vernichtet Milliarden, macht Konzerne zahlungsunfähig, bedroht Arbeitsplätze und gefährdet unzählige Existenzen. Verunsicherung breitet sich aus. Panik kommt auf. Die entfesselte Marktwirtschaft ist gescheitert - mit gefährlichen Folgen für unsere Gesellschaft: Sie driftet auseinander, die Kluft zwischen Reich und Arm wächst und die Mittelschicht packt die Angst vor dem Abstieg.Der Wirtschaftsexperte Ulrich Schäfer erzählt die dramatische Geschichte vom Crash der Finanzmärkte. Packend und kenntnisreich hilft er uns, seine langfristigen Ursachen zu verstehen. Und er zeigt, was wir jetzt tun müssen, damit Wirtschaft und Gesellschaft wieder festen Boden unter die Füße bekommen.
Lese-Probe zu „Der Crash des Kapitalismus “
VorwortDie Idee für dieses Buch entstand im Frühjahr 2008, als die globale Krise in ihren Anfängen steckte. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch kein weltumspannendes Börsenbeben, keinen Crash. Im Gegenteil: Viele Experten behaupteten, das Schlimmste sei ausgestanden - schon bald würden die Turbulenzen der Vergangenheit angehören. Diejenigen, die es anders sahen, waren in der Minderheit. Wer allerdings genau hinhörte, traf auf weitsichtige Aufseher, skeptische Ökonomen und einige wenige Banker, die vor dem Schlimmsten warnten. Wenn die Dinge sich schlecht entwickelten, prophezeiten sie, drohe eine Katastrophe von globalem Ausmaß.
Die Dinge haben sich schlecht entwickelt. Sehr schlecht sogar. Im Herbst 2008 erlebten die Finanzmärkte einen Crash, wie es ihn seit 1929 nicht mehr gegeben hat. Einen Absturz, dessen Folgen rund um den Globus zu spüren sind. Und die Zeit des Niedergangs ist noch nicht zu Ende. Die Weltwirtschaft bewegt sich in eine Abwärtsspirale hinein. Es droht eine lange, schmerzhafte Rezession. Eine zweite Weltwirtschaftskrise.
Das Buch zeichnet die dramatische Entwicklung nach. Wie fing alles an? Wie ging es weiter? Und warum hat niemand etwas dagegen getan? Die Krise des Kapitalismus zeichnete sich in den neunziger Jahren zunächst in den Schwellenländern ab. Kurz nach der Jahrtausendwende, als die New Economy zusammenbrach, erreichte sie die Industrieländer. Seit dem Frühjahr 2007 erschüttert die Finanzkrise die USA, im Jahr 2008 ist daraus eine globale Krise geworden. Der Crash des Kapitalismus erklärt, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. Das Buch zeigt auf, was wir gegen den Absturz tun können. Und es gibt einen Ausblick auf das, was uns möglicherweise noch bevorsteht.
Erleben wir ein Jahrzehnt der Depression? Stürzen erst die Banken in den Abgrund - und dann wir alle? Durchleidet die Welt ein ähnliches Drama wie in den 30er-Jahren? Werden Millionen von Menschen ihren Job verlieren? Wird die Zahl der Arbeitslosen so stark ansteigen wie
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in der ersten Weltwirtschaftskrise? Ja. So kann es kommen, wenn die Regierungen versagen. Wenn die Finanzmanager versagen. Und wenn die Panik weiter um sich greift. Dieses Szenario mögen manche für überzogen halten. Doch schon als dieses Buch in den vergangenen Monaten entstanden ist, klangen manche Prognosen, die es enthielt, ziemlich absurd - und wurden doch später durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt.
Die Wirtschaft, wie wir sie kennen, ist im Herbst 2008 untergegangen. Die Welt wird künftig eine andere sein. Es wird etwas Neues entstehen. Eine andere Marktwirtschaft. Eine sozialere Marktwirtschaft. Das jedenfalls ist zu hoffen.
München, im November 2008
Ulrich Schäfer
Die Schere öffnet sich
Täglich spüren wir so die Widersprüche der entfesselten Marktwirtschaft. Wir erleben, wie der ungezügelte Kapitalismus Sieger und Verlierer schafft, wie er im Übermaß belohnt und abstraft und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Die Scheren öffnen sich.
Die Einkommensschere
Die Löhne und Gehälter der normalen Beschäftigten steigen nur noch langsam. Wenn man die Inflation berücksichtigt, hat die breite Masse in Deutschland im Jahr 2008 nicht mehr Geld in der Tasche als Anfang der neunziger Jahre, sondern weniger. Zugleich steigen die Einkünfte der Spitzengruppe rasant. Wer zum untersten Zehntel der Gesellschaft zählt, hatte 2006 im Durchschnitt 13 Prozent weniger in der Tasche als vierzehn Jahre zuvor. Wer zum reichsten Zehntel gehörte, dessen reales Nettoeinkommen ist dagegen im gleichen Zeitraum um 31 Prozent gestiegen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet. Die 650 Deutschen mit dem höchsten Vermögen verdienen nach Berechnungen des DIW im Durchschnitt 15 Millionen Euro, die 65 Reichsten der Reichen kassieren gar 48 Millionen Euro pro Jahr. Doch wenn die Ungleichheit allzu groß wird, droht die Gesellschaft zu zerreißen: Der Unmut der Zurückgelassenen wächst. Der soziale Kitt zerbröselt.
Noch größer ist der Abstand zwischen Topverdienern und Niedrigverdienern in den USA. Anfang der achtziger Jahre erhielt ein amerikanischer Firmenchef 40-mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter, Ende der neunziger Jahre war es das 400fache, und mittlerweile gibt es einzelne Manager, die 4?000-mal so viel verdienen wie ein Angestellter. Die 13?000 reichsten Familien des Landes verdienen so viel wie die 20 Millionen ärmsten Familien zusammen. Und der Irrwitz dieser riesigen Gehälter wird noch deutlicher, wenn man über die Grenzen hinausschaut: 2,7 Milliarden Menschen auf der Erde müssen mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen.
Die Vermögensschere
Drastischer noch als die Einkommen bewegen sich die Vermögen auseinander. In Deutschland konzentriert sich der Reichtum in den Händen einer kleinen Oberschicht. Die Reichen wohnen in schicken Vororten, leisten sich großzügige Villen und fahren mit noblen Limousinen über die Boulevards. In den Randbezirken sind derweil die Habenichtse unterwegs: Arbeitslose, die kaum etwas besitzen außer Schulden; Menschen, die ohne staatliche Fürsorge hungern müssten. 13 Prozent der Deutschen gelten der Bundesregierung zufolge als arm. Ohne Sozialleistungen wären es doppelt so viele.
Wie sehr die Vermögen in Deutschland auseinanderklaffen, hat das DIW errechnet. Demnach besaßen die Deutschen im Jahr 2007 die unvorstellbare Summe von 5,4 Billionen Euro. Im Durchschnitt nennt jeder 81?000 Euro sein Eigen. Doch was besagt schon der Durchschnitt? Denn fast 60 Prozent des Reichtums in Deutschland befinden sich in den Händen des obersten Zehntels der Gesellschaft. Währenddessen besitzt das unterste Zehntel praktisch keine Geld- und Sachwerte. Und es wird die Reichen niemals einholen können. Dies birgt sozialen Sprengstoff - auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen.
In den USA sind die Unterschiede noch gravierender. Und in Schwellenländern wie China, Russland oder Indien entfernt sich die Oberschicht ebenfalls immer schneller vom Rest der Gesellschaft. Addiert man das Vermögen aller 1?125 Milliardäre der Welt, die das Magazin Forbes 2008 in seiner Rangliste aufführt, kommt man auf 4,4 Billionen US-Dollar. Die 1?125 Superreichen besitzen ungefähr so viel wie die gut drei Milliarden Einwohner von Indien, Pakistan, Bangladesch, Indonesien, Thailand, Malaysia, Vietnam, den Philippinen und Afrika zusammen in einem Jahr erwirtschaften.
Die Risikoschere
Ökonomen betonen gerne, dass zu den Chancen, die der Kapitalismus bietet, als Kehrseite das Risiko gehört. Wer viel gewinnen will, muss damit leben, dass er auch viel verlieren kann. Tatsächlich sind die Risiken in der entfesselten Marktwirtschaft höchst ungleich verteilt. Wenn Topmanager einen Fehler machen, müssen sie in aller Regel nicht den Absturz fürchten. Wer in die Chefetagen einzieht, hat sich vorher meist dicke Abfindungen und eine Haftpflichtversicherung für Manager im Vertrag garantieren lassen.
Für die Fehler der Konzernführer haften weit häufiger die Beschäftigten. Weil die Spitze von Siemens nicht so genau hinschaute, als sie die Handysparte des Konzerns an das taiwanesische Unternehmen BenQ verkaufte, standen ein Jahr später 3?000 Menschen auf der Straße. Und nun zahlen für die Fehler der Bankmanager sogar alle Bürger: Der Staat rettet mit Steuermilliarden, was die Finanzkonzerne zuvor mit privaten Milliarden verloren haben. Und Millionen Menschen, die mit der Zockerei der Spekulanten nichts zu tun hatten, werden durch die globale Krise ihren Job verlieren.
Die Bildungsschere
Wer flexibel ist und gut ausgebildet, bewegt sich mit Leichtigkeit durch die globale Wirtschaft; wer aber diese Fähigkeiten nicht besitzt, bleibt schnell zurück. Wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder oft nicht mehr auf die staatliche Schule, in den staatlichen Kindergarten oder auf die staatliche Universität, sondern in private Bildungsstätten. Er kann wählen aus einem wachsenden Angebot. Leisten können sich dies meist nur diejenigen, die gut verdienen. Privatschulen verlangen schon mal 15?000 Euro Schulgeld pro Jahr. Und wer seine Kinder anschließend auf eine Eliteuniversität in Frankreich, Großbritannien oder den USA schickt, ist schnell 50?000 Euro los. Alle, die sich diese teure Ausbildung nicht leisten können, sind auf die staatlichen Schulen angewiesen, auf oft übervolle Klassen, heruntergekommene Gebäude und bisweilen demotivierte Lehrer. Denn der Staat steckt viel zu wenig Geld in die wichtigste Ressource der Zukunft: in die Bildung seiner Bürger.
Die Wachstumsschere
Die Industrieländer lagen über Jahrzehnte vorn, ihre Wirtschaftsleistung machte ein Vielfaches dessen aus, was die Schwellenländer produzierten. Doch mit dem Aufstieg von Ländern wie China, Indien oder Russland verschieben sich die Gewichte. Die Milliardenvölker aus den Aufsteigerstaaten wollen die Jobs der Industrieländer, sie wollen ihre Fabriken und ihre Unternehmen. Russen kaufen Werften in Ostdeutschland oder Baufirmen in Österreich, Chinesen erwerben Banken in London oder New York, Araber interessieren sich für europäische Flugzeugbauer und amerikanische Häfen, Inder kaufen Stahlkonzerne in Frankreich und Autohersteller in Großbritannien. Die Schwellenländer greifen nach allem, was der Stolz des Westens war. Sie pflegen dabei oft eine eigene Form des Kapitalismus: die autoritäre Spielart. Sie nutzen die Vorteile des globalen Wettbewerbs, schotten aber selbst ihre Volkswirtschaften ab. Staatliche Konzerne beherrschen in diesen Ländern die Schlüsselbranchen und sind mit der Regierung verwoben. Zugleich drängen die Staatskonzerne und Staatsfonds, die die Devisenreserven verwalten, auf den Weltmarkt. Die Schwellenländer präsentieren mit ihrem autoritären Kapitalismus einen Gegenentwurf zur liberalen Wirtschaftsordnung des Westens.
Die ratlose Politik
Als Erste haben linke und rechte Populisten die Sorgen der Bürger aufgegriffen. Wortgewandte Bauernfänger locken die Wähler mit dem Versprechen, alles anders und besser zu machen. Die simplen Lösungen, die sie anbieten, verfangen immer häufiger. Wer will schon wissen, woher die Milliarden kommen, die die Populisten für ihre Konjunktur- und Sozialprogramme benötigen? Wer hinterfragt, wie die Radikalen mit den privaten Konzernen umgehen würden, die sie verstaatlichen wollen? Und wer erkennt auf Anhieb, wie verheerend es wäre, wenn sich die Nationen voneinander abschotten würden und die Welt wieder in Handelsblöcke zerfiele?
Doch auch die klassischen Parteien reagieren inzwischen sensibel. Sie spüren die Ängste der Wähler. Bundeskanzlerin Angela Merkel, als Oppositionsführerin noch ganz dem Markt zugewandt, hat sich von ihren radikalen Reformideen längst verabschiedet. Aus der deutschen Margaret Thatcher ist eine weibliche Kopie von Willy Brandt geworden. Merkel setzt das um, was sie lange bekämpft hat: die Rückkehr des Staats. Sie verordnet, gedrängt von der SPD, einen Mindestlohn, um Postboten, Bauarbeiter oder Gebäudereiniger vor billiger Konkurrenz zu schützen. Sie billigt ein Gesetz, das deutsche Konzerne vor dem Zugriff ausländischer Investoren bewahren soll. Sie verstaatlicht die Bundesdruckerei. Und sie will auch die Finanzmärkte bändigen. "Lasst die Märkte machen, ist lange die Parole gewesen. Heute ist man zum Glück weiter", erklärt Merkel. Ähnlich denken auch die anderen Staats- und Regierungschefs in Europa. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy etwa sagt, die Globalisierung sei inzwischen "eher Bedrohung als ein Versprechen". Die Welt brauche einen "geregelten Kapitalismus". Auch Italiens Regierung unter Silvio Berlusconi, dem rechtsgerichteten Regierungschef, wendet sich gegen den "Marktfundamentalismus". Gemeinsam wollen die EU-Staaten neue, strengere Regeln für die Weltfinanzmärkte entwickeln. Angespornt werden die Europäer durch die Amerikaner, die lange den enthemmten Kapitalismus vorangetrieben haben - und Ende 2008 in die entgegengesetzte Richtung marschieren, hin zum "big government". Der neue Präsident Barack Obama hat eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik angekündigt - und eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte. "Wir stehen", sagt Obama "vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung unseres Lebens."
Doch ein überzeugendes, umfassendes Programm gegen den Absturz hat niemand parat. Verzweifelt versuchen die Regierungen, die Kräfte des Marktes einzudämmen - durch eingreifende Gesetze und halsbrecherische Rettungsaktionen, und durch ein wenig Protektionismus. Sie wollen die Wucht der Veränderungen abmildern und sind doch ratlos. Sie suchen neue Regeln, nach einem Weg, der es ermöglicht, den Markt zu zähmen, ohne ihn außer Kraft zu setzen. Denn der Kapitalismus funktioniert nur so lange, wie er von einer Mehrheit getragen wird und er nicht die Gesellschaft zerstört. Und auch die Demokratie kann nur überleben, wenn die Menschen die Ergebnisse dieser Demokratie und ihres ökonomischen Pendants, der Marktwirtschaft, als gerecht empfinden.
Doch wie könnte solch eine Alternative zur entfesselten Marktwirtschaft aussehen? Wie kann man den Kapitalismus zähmen und zugleich seine Kraft nutzen, um den Wohlstand aller zu mehren? Welcher Spielregeln bedarf es, damit Wirtschaft und Demokratie zugleich prosperieren? Darum wird sich die Debatte der nächsten Jahre drehen. Sie wird über unsere Zukunft entscheiden, über unsere Gesellschaft und unsere Staatsform. Und darum geht es auch in diesem Buch. Es erklärt, wie der Staat sich allmählich zurückgezogen und das Feld dem modernen Kapitalismus überlassen hat. Es beschreibt, wie die Marktwirtschaft ihre Blüte erlebte. Und es zeigt auf, wie es zur globalen Krise des Kapitalismus kam.
Das Buch sucht eine Antwort auf die entscheidende Frage, der sich Politiker, Bürger und Wirtschaftsführer in den nächsten Jahren stellen müssen: Was kann, was muss, was soll getan werden, damit die Marktwirtschaft sich nicht selbst zerstört? Wie muss sich der Kapitalismus wandeln, damit er überleben kann? Und wie kann eine wirklich soziale Marktwirtschaft aussehen?
Oder hat der Kapitalismus überhaupt keine Zukunft mehr?
Die Wirtschaft, wie wir sie kennen, ist im Herbst 2008 untergegangen. Die Welt wird künftig eine andere sein. Es wird etwas Neues entstehen. Eine andere Marktwirtschaft. Eine sozialere Marktwirtschaft. Das jedenfalls ist zu hoffen.
München, im November 2008
Ulrich Schäfer
Die Schere öffnet sich
Täglich spüren wir so die Widersprüche der entfesselten Marktwirtschaft. Wir erleben, wie der ungezügelte Kapitalismus Sieger und Verlierer schafft, wie er im Übermaß belohnt und abstraft und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Die Scheren öffnen sich.
Die Einkommensschere
Die Löhne und Gehälter der normalen Beschäftigten steigen nur noch langsam. Wenn man die Inflation berücksichtigt, hat die breite Masse in Deutschland im Jahr 2008 nicht mehr Geld in der Tasche als Anfang der neunziger Jahre, sondern weniger. Zugleich steigen die Einkünfte der Spitzengruppe rasant. Wer zum untersten Zehntel der Gesellschaft zählt, hatte 2006 im Durchschnitt 13 Prozent weniger in der Tasche als vierzehn Jahre zuvor. Wer zum reichsten Zehntel gehörte, dessen reales Nettoeinkommen ist dagegen im gleichen Zeitraum um 31 Prozent gestiegen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet. Die 650 Deutschen mit dem höchsten Vermögen verdienen nach Berechnungen des DIW im Durchschnitt 15 Millionen Euro, die 65 Reichsten der Reichen kassieren gar 48 Millionen Euro pro Jahr. Doch wenn die Ungleichheit allzu groß wird, droht die Gesellschaft zu zerreißen: Der Unmut der Zurückgelassenen wächst. Der soziale Kitt zerbröselt.
Noch größer ist der Abstand zwischen Topverdienern und Niedrigverdienern in den USA. Anfang der achtziger Jahre erhielt ein amerikanischer Firmenchef 40-mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter, Ende der neunziger Jahre war es das 400fache, und mittlerweile gibt es einzelne Manager, die 4?000-mal so viel verdienen wie ein Angestellter. Die 13?000 reichsten Familien des Landes verdienen so viel wie die 20 Millionen ärmsten Familien zusammen. Und der Irrwitz dieser riesigen Gehälter wird noch deutlicher, wenn man über die Grenzen hinausschaut: 2,7 Milliarden Menschen auf der Erde müssen mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen.
Die Vermögensschere
Drastischer noch als die Einkommen bewegen sich die Vermögen auseinander. In Deutschland konzentriert sich der Reichtum in den Händen einer kleinen Oberschicht. Die Reichen wohnen in schicken Vororten, leisten sich großzügige Villen und fahren mit noblen Limousinen über die Boulevards. In den Randbezirken sind derweil die Habenichtse unterwegs: Arbeitslose, die kaum etwas besitzen außer Schulden; Menschen, die ohne staatliche Fürsorge hungern müssten. 13 Prozent der Deutschen gelten der Bundesregierung zufolge als arm. Ohne Sozialleistungen wären es doppelt so viele.
Wie sehr die Vermögen in Deutschland auseinanderklaffen, hat das DIW errechnet. Demnach besaßen die Deutschen im Jahr 2007 die unvorstellbare Summe von 5,4 Billionen Euro. Im Durchschnitt nennt jeder 81?000 Euro sein Eigen. Doch was besagt schon der Durchschnitt? Denn fast 60 Prozent des Reichtums in Deutschland befinden sich in den Händen des obersten Zehntels der Gesellschaft. Währenddessen besitzt das unterste Zehntel praktisch keine Geld- und Sachwerte. Und es wird die Reichen niemals einholen können. Dies birgt sozialen Sprengstoff - auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen.
In den USA sind die Unterschiede noch gravierender. Und in Schwellenländern wie China, Russland oder Indien entfernt sich die Oberschicht ebenfalls immer schneller vom Rest der Gesellschaft. Addiert man das Vermögen aller 1?125 Milliardäre der Welt, die das Magazin Forbes 2008 in seiner Rangliste aufführt, kommt man auf 4,4 Billionen US-Dollar. Die 1?125 Superreichen besitzen ungefähr so viel wie die gut drei Milliarden Einwohner von Indien, Pakistan, Bangladesch, Indonesien, Thailand, Malaysia, Vietnam, den Philippinen und Afrika zusammen in einem Jahr erwirtschaften.
Die Risikoschere
Ökonomen betonen gerne, dass zu den Chancen, die der Kapitalismus bietet, als Kehrseite das Risiko gehört. Wer viel gewinnen will, muss damit leben, dass er auch viel verlieren kann. Tatsächlich sind die Risiken in der entfesselten Marktwirtschaft höchst ungleich verteilt. Wenn Topmanager einen Fehler machen, müssen sie in aller Regel nicht den Absturz fürchten. Wer in die Chefetagen einzieht, hat sich vorher meist dicke Abfindungen und eine Haftpflichtversicherung für Manager im Vertrag garantieren lassen.
Für die Fehler der Konzernführer haften weit häufiger die Beschäftigten. Weil die Spitze von Siemens nicht so genau hinschaute, als sie die Handysparte des Konzerns an das taiwanesische Unternehmen BenQ verkaufte, standen ein Jahr später 3?000 Menschen auf der Straße. Und nun zahlen für die Fehler der Bankmanager sogar alle Bürger: Der Staat rettet mit Steuermilliarden, was die Finanzkonzerne zuvor mit privaten Milliarden verloren haben. Und Millionen Menschen, die mit der Zockerei der Spekulanten nichts zu tun hatten, werden durch die globale Krise ihren Job verlieren.
Die Bildungsschere
Wer flexibel ist und gut ausgebildet, bewegt sich mit Leichtigkeit durch die globale Wirtschaft; wer aber diese Fähigkeiten nicht besitzt, bleibt schnell zurück. Wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder oft nicht mehr auf die staatliche Schule, in den staatlichen Kindergarten oder auf die staatliche Universität, sondern in private Bildungsstätten. Er kann wählen aus einem wachsenden Angebot. Leisten können sich dies meist nur diejenigen, die gut verdienen. Privatschulen verlangen schon mal 15?000 Euro Schulgeld pro Jahr. Und wer seine Kinder anschließend auf eine Eliteuniversität in Frankreich, Großbritannien oder den USA schickt, ist schnell 50?000 Euro los. Alle, die sich diese teure Ausbildung nicht leisten können, sind auf die staatlichen Schulen angewiesen, auf oft übervolle Klassen, heruntergekommene Gebäude und bisweilen demotivierte Lehrer. Denn der Staat steckt viel zu wenig Geld in die wichtigste Ressource der Zukunft: in die Bildung seiner Bürger.
Die Wachstumsschere
Die Industrieländer lagen über Jahrzehnte vorn, ihre Wirtschaftsleistung machte ein Vielfaches dessen aus, was die Schwellenländer produzierten. Doch mit dem Aufstieg von Ländern wie China, Indien oder Russland verschieben sich die Gewichte. Die Milliardenvölker aus den Aufsteigerstaaten wollen die Jobs der Industrieländer, sie wollen ihre Fabriken und ihre Unternehmen. Russen kaufen Werften in Ostdeutschland oder Baufirmen in Österreich, Chinesen erwerben Banken in London oder New York, Araber interessieren sich für europäische Flugzeugbauer und amerikanische Häfen, Inder kaufen Stahlkonzerne in Frankreich und Autohersteller in Großbritannien. Die Schwellenländer greifen nach allem, was der Stolz des Westens war. Sie pflegen dabei oft eine eigene Form des Kapitalismus: die autoritäre Spielart. Sie nutzen die Vorteile des globalen Wettbewerbs, schotten aber selbst ihre Volkswirtschaften ab. Staatliche Konzerne beherrschen in diesen Ländern die Schlüsselbranchen und sind mit der Regierung verwoben. Zugleich drängen die Staatskonzerne und Staatsfonds, die die Devisenreserven verwalten, auf den Weltmarkt. Die Schwellenländer präsentieren mit ihrem autoritären Kapitalismus einen Gegenentwurf zur liberalen Wirtschaftsordnung des Westens.
Die ratlose Politik
Als Erste haben linke und rechte Populisten die Sorgen der Bürger aufgegriffen. Wortgewandte Bauernfänger locken die Wähler mit dem Versprechen, alles anders und besser zu machen. Die simplen Lösungen, die sie anbieten, verfangen immer häufiger. Wer will schon wissen, woher die Milliarden kommen, die die Populisten für ihre Konjunktur- und Sozialprogramme benötigen? Wer hinterfragt, wie die Radikalen mit den privaten Konzernen umgehen würden, die sie verstaatlichen wollen? Und wer erkennt auf Anhieb, wie verheerend es wäre, wenn sich die Nationen voneinander abschotten würden und die Welt wieder in Handelsblöcke zerfiele?
Doch auch die klassischen Parteien reagieren inzwischen sensibel. Sie spüren die Ängste der Wähler. Bundeskanzlerin Angela Merkel, als Oppositionsführerin noch ganz dem Markt zugewandt, hat sich von ihren radikalen Reformideen längst verabschiedet. Aus der deutschen Margaret Thatcher ist eine weibliche Kopie von Willy Brandt geworden. Merkel setzt das um, was sie lange bekämpft hat: die Rückkehr des Staats. Sie verordnet, gedrängt von der SPD, einen Mindestlohn, um Postboten, Bauarbeiter oder Gebäudereiniger vor billiger Konkurrenz zu schützen. Sie billigt ein Gesetz, das deutsche Konzerne vor dem Zugriff ausländischer Investoren bewahren soll. Sie verstaatlicht die Bundesdruckerei. Und sie will auch die Finanzmärkte bändigen. "Lasst die Märkte machen, ist lange die Parole gewesen. Heute ist man zum Glück weiter", erklärt Merkel. Ähnlich denken auch die anderen Staats- und Regierungschefs in Europa. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy etwa sagt, die Globalisierung sei inzwischen "eher Bedrohung als ein Versprechen". Die Welt brauche einen "geregelten Kapitalismus". Auch Italiens Regierung unter Silvio Berlusconi, dem rechtsgerichteten Regierungschef, wendet sich gegen den "Marktfundamentalismus". Gemeinsam wollen die EU-Staaten neue, strengere Regeln für die Weltfinanzmärkte entwickeln. Angespornt werden die Europäer durch die Amerikaner, die lange den enthemmten Kapitalismus vorangetrieben haben - und Ende 2008 in die entgegengesetzte Richtung marschieren, hin zum "big government". Der neue Präsident Barack Obama hat eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik angekündigt - und eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte. "Wir stehen", sagt Obama "vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung unseres Lebens."
Doch ein überzeugendes, umfassendes Programm gegen den Absturz hat niemand parat. Verzweifelt versuchen die Regierungen, die Kräfte des Marktes einzudämmen - durch eingreifende Gesetze und halsbrecherische Rettungsaktionen, und durch ein wenig Protektionismus. Sie wollen die Wucht der Veränderungen abmildern und sind doch ratlos. Sie suchen neue Regeln, nach einem Weg, der es ermöglicht, den Markt zu zähmen, ohne ihn außer Kraft zu setzen. Denn der Kapitalismus funktioniert nur so lange, wie er von einer Mehrheit getragen wird und er nicht die Gesellschaft zerstört. Und auch die Demokratie kann nur überleben, wenn die Menschen die Ergebnisse dieser Demokratie und ihres ökonomischen Pendants, der Marktwirtschaft, als gerecht empfinden.
Doch wie könnte solch eine Alternative zur entfesselten Marktwirtschaft aussehen? Wie kann man den Kapitalismus zähmen und zugleich seine Kraft nutzen, um den Wohlstand aller zu mehren? Welcher Spielregeln bedarf es, damit Wirtschaft und Demokratie zugleich prosperieren? Darum wird sich die Debatte der nächsten Jahre drehen. Sie wird über unsere Zukunft entscheiden, über unsere Gesellschaft und unsere Staatsform. Und darum geht es auch in diesem Buch. Es erklärt, wie der Staat sich allmählich zurückgezogen und das Feld dem modernen Kapitalismus überlassen hat. Es beschreibt, wie die Marktwirtschaft ihre Blüte erlebte. Und es zeigt auf, wie es zur globalen Krise des Kapitalismus kam.
Das Buch sucht eine Antwort auf die entscheidende Frage, der sich Politiker, Bürger und Wirtschaftsführer in den nächsten Jahren stellen müssen: Was kann, was muss, was soll getan werden, damit die Marktwirtschaft sich nicht selbst zerstört? Wie muss sich der Kapitalismus wandeln, damit er überleben kann? Und wie kann eine wirklich soziale Marktwirtschaft aussehen?
Oder hat der Kapitalismus überhaupt keine Zukunft mehr?
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Inhaltsverzeichnis zu „Der Crash des Kapitalismus “
Aus dem Inhalt:Vorwort1.Kapitalismus am Abgrund 2.Die Vordenker des modernen Kapitalismus
3.Der Weg zur entfesselten Marktwirtschaft
4.Die Blütezeit des Kapitalismus
5.Die Krise, erster Akt: Die Schwellenländer wanken
6.Die Krise, zweiter Akt: Das Ende der New Economy
7.Die Krise, dritter Akt: Die Blase des billigen Geldes platzt
8.Der große Crash
9.Die kranke Gesellschaft
10.Die Welt im Umbruch
11.Ein Programm gegen den Absturz
12.Die nächste Krise wird kommenDanksagung
Bibliografie
Autoren-Porträt von Ulrich Schäfer
Ulrich Schäfer, geboren 1967, absolvierte nach dem Studium der Volkswirtschaft in Münster und des Journalismus in Washington D.C. eine Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Im Anschluss arbeitete er zunächst als Wirtschaftsjournalist beim Spiegel und danach bei der Süddeutschen Zeitung. Seit Anfang 2007 ist er dort Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ulrich Schäfer
- 2008, 320 Seiten, Maße: 14 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593388545
- ISBN-13: 9783593388540
Rezension zu „Der Crash des Kapitalismus “
"Ulrich Schäfers Text hat mich erwischt wie länger kein Buch mehr. Das Buch redet an den Schwächen der Politik nicht vorbei, an denen der Finanzwelt sowieso nicht. Aber es lässt auch Raum für die Chancen der Politik und macht so Mut." -- Franz Müntefering, SPD-Chef07.12.2008, Welt am Sonntag Ein Plan zur Rettung des Kapitalismus -- "Mit Sicherheit die aktuellste Bestandsaufnahme der Finanzkrise."
09.12.2008, Der Standard Ende des billigen Geldes -- "Beachtlich, wie es dem Autor gelingt, trotz der sich überschlagenden Ereignisse Hintergründe und Zusammenhänge zu liefern."
15.12.2008, Der Tagesspiegel Krise des Kapitalismus -- "'Der Crash des Kapitalismus' kommt exakt zu rechten Zeit - es ist so etwas wie das Buch zum Film ... Ulrich Schäfer hat ein spannendes, kenntnisreiches Geschichtsbuch vorgelegt, in dem entscheidende Akteure und Momente anschaulich beschrieben werden. Es reicht stellenweise an das Standardwerk des US-Ökonomen John Kenneth Galbraith, 'Der große Crash 1929', heran - größer kann das Lob kaum ausfallen."
15.12.2008, NDR Info Crash des Kapitalismus -- "Schäfer kennt sich aus, lässt Anekdoten einfließen, bringt auf den Punkt. Er kann einfach gut erklären. Gleichzeitig versteht er es, die Leser emotional zu packen."
29.12.2008, Frankfurter Allgemeine Zeitung Bücher zur Krise -- "Das inhaltsreichste, am konsequentesten gegliederte und am flüssigsten geschriebene Buch dieses Genres"
02.01.2009, Kölner Stadt-Anzeiger Der aktuellen Krise auf auf Spur -- "Das aktuellste und zur Zeit beste Lernbuch zu Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte."
05.01.2009, Wirtschaftswoche Krisenkrimi -- "Mit seinem Buch bietet Schäfer nicht nur eine spannende Chronologie der Ereignisse, die dem Leser das Gefühl gibt, in den Chefetagen der Banken und bei den Krisentreffen der Politiker hautnah dabei zu sein. Es gelingt ihm, die überaus komplexen Zusammenhänge sichtbar zu machen und zu erklären, welchen Wirtschaftstheorien die
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Regierungen gefolgt sind."
22.01.2009, Wirtschaftsblatt Warum die Wirtschaft kracht -- "Seriös und detailreich."
08.02.2009, Kleine Zeitung Kenntnisreicher Kapitalismus-Krimi -- "Ein außergewöhnlich spannendes und kenntnisreiches Buch."
11.09.2009, Handelsblatt Plädoyer für mehr Staat -- "Eine sehr anschauliche Beschreibung der Probleme des Weltwirtschaftssystem."ieses Genres"
02.01.2009, Kölner Stadt-Anzeiger Der aktuellen Krise auf auf Spur -- "Das aktuellste und zur Zeit beste Lernbuch zu Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte."
05.01.2009, Wirtschaftswoche Krisenkrimi -- "Mit seinem Buch bietet Schäfer nicht nur eine spannende Chronologie der Ereignisse, die dem Leser das Gefühl gibt, in den Chefetagen der Banken und bei den Krisentreffen der Politiker hautnah dabei zu sein. Es gelingt ihm, die überaus komplexen Zusammenhänge sichtbar z
22.01.2009, Wirtschaftsblatt Warum die Wirtschaft kracht -- "Seriös und detailreich."
08.02.2009, Kleine Zeitung Kenntnisreicher Kapitalismus-Krimi -- "Ein außergewöhnlich spannendes und kenntnisreiches Buch."
11.09.2009, Handelsblatt Plädoyer für mehr Staat -- "Eine sehr anschauliche Beschreibung der Probleme des Weltwirtschaftssystem."ieses Genres"
02.01.2009, Kölner Stadt-Anzeiger Der aktuellen Krise auf auf Spur -- "Das aktuellste und zur Zeit beste Lernbuch zu Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeschichte."
05.01.2009, Wirtschaftswoche Krisenkrimi -- "Mit seinem Buch bietet Schäfer nicht nur eine spannende Chronologie der Ereignisse, die dem Leser das Gefühl gibt, in den Chefetagen der Banken und bei den Krisentreffen der Politiker hautnah dabei zu sein. Es gelingt ihm, die überaus komplexen Zusammenhänge sichtbar z
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