Der Hexer und die Henkerstochter
Historischer Roman. Originalausgabe
1666: Der Medicus Simon und seine Frau Magdalena, die Henkerstochter, machen von Schongau eine Wallfahrt ins Kloster Andechs. Dort machen sie eine geheimnisvolle Begegnung mit Frater Virgilius, einem seltsamen Erfinder und Uhrmacher. Doch plötzlich...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Hexer und die Henkerstochter “
1666: Der Medicus Simon und seine Frau Magdalena, die Henkerstochter, machen von Schongau eine Wallfahrt ins Kloster Andechs. Dort machen sie eine geheimnisvolle Begegnung mit Frater Virgilius, einem seltsamen Erfinder und Uhrmacher. Doch plötzlich verschwindet Virgilius auf mysteriöse Weise und sein Labor bleibt völlig zerstört zurück. Was hatte er zu verbergen? Simon ruft den Henker Jakob Kuisl zu Hilfe - und gemeinsam gehen sie auf Suche nach Virgilius. Und nach einem wahnsinnigen Mörder.
Besonders schöne Ausstattung mit Halbleinen.
Klappentext zu „Der Hexer und die Henkerstochter “
1666: Der Schongauer Medicus Simon und seine Frau Magdalena, die Tochter des Henkers, brechen zu einer Wallfahrt ins Kloster Andechs auf. Dort lernt Simon den mysteriösen Frater Virgilius kennen, der Uhrmacher und Erfinder ist. Simon ist fasziniert von den unheimlichen Automaten, die Virgilius erschaffen hat. Als der Frater verschwindet und sein Labor zerstört wird, ahnt Simon Böses und ruft Jakob Kuisl, den Schongauer Henker herbei. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche - nach einem wahnsinnigen Mörder ...Die Henkerstochter ermittelt zum 4. Mal.
Lese-Probe zu „Der Hexer und die Henkerstochter “
Der Hexer und die Henkerstochter von Oliver PötzschProlog
Erling bei Andechs
Samstag, der 12. Juni Anno Domini 1666, abends
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Unter dunklen Gewitterwolken und mit einem saftigen Fluch auf den Lippen ging der Novize Coelestin seinem baldigen Tod entgegen.
Drüben im Westen, jenseits des Ammersees, türmten sich schwarze Wirbel zu einem mächtigen Ungetüm, erste Blitze zuckten, und von fern war leises Donnern zu hören. Wenn Coelestin die Augen zusammenkniff, konnte er über der fünf Meilen entfernten Dießener Klosterkirche bereits graue Regenschwaden erkennen. Es mochte sich nur noch um Minuten handeln, bis das Gewitter über dem Heiligen Berg war, und ausgerechnet jetzt sollte er dem fetten Apothekermönch zum Abendessen einen Karpfen aus dem Klosterweiher fischen. Coelestin fluchte ein weiteres Mal und zog die Kapuze seiner schwarzen Kutte tief ins Gesicht. Was sollte er machen? Gehorsam war eines der drei Gelübde der Benediktinermönche, und Frater Johannes war nun mal sein Vorgesetzter. Ein gelegentlich cholerischer, oft rätselhafter und vor allem gefräßiger Laienbruder, aber trotzdem sein Vorgesetzter.
„Porca miseria!"
Wie so oft, wenn er schlechte Laune hatte, wechselte Coelestin in die Sprache seiner Eltern. Er war in einem italienischen Gebirgsdorf jenseits der Alpen aufgewachsen, doch die Wirren des Krieges hatten aus seinem Vater einen Söldner und aus seiner Mutter eine Marketenderin und Hure gemacht. Hier im Kloster am Heiligen Berg hatte Coelestin in der Andechser Klosterapotheke eine Heimat gefunden, und auch wenn ihm die ewigen Litaneien und die nächtlichen Gebete gelegentlich auf die Nerven gingen, fühlte er sich doch geborgen. Er bekam dreimal täglich reichlich zu essen, hatte eine warme, trockene Schlafstatt, und das Andechser Bier galt als eines der besten im ganzen bayerischen Kurfürstentum. Man konnte es in diesen schweren Zeiten wahrlich schlimmer treffen. Trotzdem schimpfte der spindeldürre kleine Novize leise vor sich hin, und das hatte nicht nur mit der Tatsache zu tun, dass er bald ebenso nass sein würde wie die Karpfen im Erlinger Klosterweiher.
Coelestin hatte Angst.
Seitdem er vor drei Tagen diese Entdeckung gemacht hatte, nagte die Furcht an ihm wie ein kleines tollwütiges Tier. Der Anblick war so entsetzlich gewesen, dass ihm beinahe das Blut in den Adern gefror. Noch immer verfolgte ihn das Gesehene in seinen Träumen, und dann wachte er schreiend und schweißüberströmt auf. Einen derartigen Frevel würde Gott nicht unbestraft lassen, so viel war sicher. Die düsteren Wolken, die Blitze am Himmel erschienen Coelestin wie erste Vorboten einer alttestamentarischen Rache, die schon bald über das Kloster kommen würde.
Noch bedrohlicher als die Ketzerei waren allerdings die hasserfüllten Blicke des Mannes. Er hatte Coelestin bei dessen überstürzter Flucht erkannt, zumindest glaubte der Novize das. Die Blicke des Ertappten sagten mehr als tausend Worte. In den letzten Tagen hatten sie ihn wie mit langen Fingern abgetastet, so als wollten sie prüfen, ob Coelestin das Geheimnis verriet.
Coelestin wusste, dass der andere mächtige Fürsprecher hatte. Würde man ihm, dem kleinen Novizen, glauben? Der Vorwurf war so ungeheuerlich, dass er Gefahr lief, für verrückt erklärt zu werden. Oder, was noch ärger wäre, fortan als Rufmörder zu gelten. Das schöne Leben mit Fleisch, Bier und warmer, trockener Schlafstatt wäre dann vermutlich für immer vorbei.
Trotzdem hatte Coelestin beschlossen zu reden. Gleich morgen würde er dem Klosterrat melden, was er gesehen hatte, und sein Gewissen wäre endlich wieder rein.
Ein mächtiger Donner rollte über das Land, und der fröstelnde Novize spürte erste kühle Regentropfen im Gesicht. Er raffte seine Kutte und beschleunigte seine Schritte. Schon bald hatte er die letzten Häuser von Erling hinter sich gelassen. Felder und Weiden breiteten sich vor ihm aus, hinter einem kleinen Waldstück, umgeben von Zäunen und Buschwerk, lag der Karpfenweiher. Als Coelestin sich umdrehte, sah er über sich auf dem Berg, überragt von dunklen Gewitterwolken, das Kloster stehen - sein Zuhause, das er vielleicht schon bald würde verlassen müssen. Er seufzte und schlurfte die letzten Meter zum Weiher wie zu seiner eigenen Hinrichtung.
Mittlerweile fielen die Tropfen immer schneller vom Himmel, die Oberfläche des Teichs brodelte wie eine giftige Brühe. Coelestin sah die fetten grauen Leiber der Karpfen, die sich zu Dutzenden in dem trüben Wasser wanden. Ihre hungrigen Mäuler schnappten nach den Regentropfen, so als wären sie göttliches Manna, das vom Himmel fiel. Coelestin schüttelte sich vor Abscheu. Er hatte Karpfen noch nie leiden können. Sie waren dumme schleimige Aasfresser, deren Fleisch nach Moos und Verwesung schmeckte. Die Fische erinnerten ihn an die Ungetüme, die er von Bildern mit Jonas und dem Wal kannte. Grässliche Wesen aus der Tiefe, die alles schluckten und fraßen, was vor ihnen im Wasser zappelte.
Zaghaft betrat Coelestin den schmalen, rutschigen Steg und griff nach dem Kescher, der an einem Molenpfosten lehnte. Die Kapuze tief im Gesicht, duckte er sich gegen die Wand aus Regen und Wind und ließ lustlos das Netz im Wasser hin und her gleiten. Wenn er sich beeilte, war er vielleicht wieder in der Klosterapotheke, bevor auch noch die Hose und die Socken unter der dicken schwarzen Wollkutte klatschnass wurden. In einem anderen Leben hätte er Frater Johannes den Karpfen vermutlich um die feisten Wangen gehauen, aber so war er zum Beten und Gehorchen verdammt. Das war eben der Preis, den er für ein angenehmes Leben bezahlte.
Ein Geräusch ließ den Novizen innehalten, ein leises Knarren, vom Donner beinahe übertönt, so als hätte jemand hinter ihm den Steg betreten. Doch gerade als Coelestin sich umdrehen wollte, zappelte etwas im Netz des Keschers. Mit einem Seufzer der Erleichterung zog er die lange Stange zu sich her an.
»Hab dich«, murmelte er. »Wollen mal sehen, was für ein fetter Brocken ...«
In diesem Augenblick traf ihn etwas Schweres am Hinterkopf.
Coelestin schwankte, taumelte, geriet auf dem vom Regen glitschigen Holzsteg ins Rutschen und fiel schließlich samt Kescher in die brodelnden Wasser des Weihers. Wild schlug er um sich und kämpfte um sein Leben. Wie so viele Menschen seiner Zeit konnte Coelestin zwar einem Hasen die Haut abziehen, einige Hundert Kräuter am Duft unterscheiden und weite Teile der Bibel auswendig vorbeten. Nur eines konnte er nicht - schwimmen.
Der junge Novize schrie und zappelte, er ruderte mit den Armen und strampelte mit den dünnen Beinen, doch sein eigenes Gewicht zog ihn unerbittlich in die Tiefe. Mit einem Mal spürte er den morastigen Grund unter seinen Füßen, er stieß sich ab und tauchte japsend aus dem Wasser auf. Als er in letzter Verzweiflung um sich griff, bekam er plötzlich die Stange des Keschers zu fassen, der vor ihm an der Oberfläche trieb. Der Mönch hielt sich daran fest und zog sich hoch. Zwischen den immer heftiger werdenden Regenschauern sah er auf dem Steg eine vermummte Gestalt stehen, die das andere Ende des Keschers hielt.
»Hab Dank!«, ächzte er. »Du hast mir das Leben ...«
In diesem Moment drückte die Gestalt den Kescher nach unten, so dass Coelestin gurgelnd versank. Als er wieder an die Oberfläche kam, merkte er, dass die Stange ihn erneut kraftvoll nach unten presste.
»Aber ...«, begann der Novize, da füllte sich sein Mund mit trübem Teichwasser und erstickte seinen letzten verzweifelten Schrei. Lautlos versank er im Weiher.
Während das Leben in perlenden Luftblasen aus seinem Körper wich, fühlte Coelestin noch, wie sich die fetten schleimigen Karpfen an seinen Wangen rieben und in den kurzen Haaren der Mönchstonsur gründelten. Als der sterbende Jüngling endlich auf den Grund sank, hatte er den Mund ebenso weit aufgesperrt wie die Fische um ihn her um, die ihn mit dummen, ausdruckslosen Augen anstarrten.
Der Mann auf dem Steg sah noch eine Weile auf die blubbernden Blasen. Endlich nickte er zufrieden, stellte den Kescher zurück an seinen Platz und machte sich auf den Heimweg.
Es galt, das Werk zu vollenden.
Unter dunklen Gewitterwolken und mit einem saftigen Fluch auf den Lippen ging der Novize Coelestin seinem baldigen Tod entgegen.
Drüben im Westen, jenseits des Ammersees, türmten sich schwarze Wirbel zu einem mächtigen Ungetüm, erste Blitze zuckten, und von fern war leises Donnern zu hören. Wenn Coelestin die Augen zusammenkniff, konnte er über der fünf Meilen entfernten Dießener Klosterkirche bereits graue Regenschwaden erkennen. Es mochte sich nur noch um Minuten handeln, bis das Gewitter über dem Heiligen Berg war, und ausgerechnet jetzt sollte er dem fetten Apothekermönch zum Abendessen einen Karpfen aus dem Klosterweiher fischen. Coelestin fluchte ein weiteres Mal und zog die Kapuze seiner schwarzen Kutte tief ins Gesicht. Was sollte er machen? Gehorsam war eines der drei Gelübde der Benediktinermönche, und Frater Johannes war nun mal sein Vorgesetzter. Ein gelegentlich cholerischer, oft rätselhafter und vor allem gefräßiger Laienbruder, aber trotzdem sein Vorgesetzter.
„Porca miseria!"
Wie so oft, wenn er schlechte Laune hatte, wechselte Coelestin in die Sprache seiner Eltern. Er war in einem italienischen Gebirgsdorf jenseits der Alpen aufgewachsen, doch die Wirren des Krieges hatten aus seinem Vater einen Söldner und aus seiner Mutter eine Marketenderin und Hure gemacht. Hier im Kloster am Heiligen Berg hatte Coelestin in der Andechser Klosterapotheke eine Heimat gefunden, und auch wenn ihm die ewigen Litaneien und die nächtlichen Gebete gelegentlich auf die Nerven gingen, fühlte er sich doch geborgen. Er bekam dreimal täglich reichlich zu essen, hatte eine warme, trockene Schlafstatt, und das Andechser Bier galt als eines der besten im ganzen bayerischen Kurfürstentum. Man konnte es in diesen schweren Zeiten wahrlich schlimmer treffen. Trotzdem schimpfte der spindeldürre kleine Novize leise vor sich hin, und das hatte nicht nur mit der Tatsache zu tun, dass er bald ebenso nass sein würde wie die Karpfen im Erlinger Klosterweiher.
Coelestin hatte Angst.
Seitdem er vor drei Tagen diese Entdeckung gemacht hatte, nagte die Furcht an ihm wie ein kleines tollwütiges Tier. Der Anblick war so entsetzlich gewesen, dass ihm beinahe das Blut in den Adern gefror. Noch immer verfolgte ihn das Gesehene in seinen Träumen, und dann wachte er schreiend und schweißüberströmt auf. Einen derartigen Frevel würde Gott nicht unbestraft lassen, so viel war sicher. Die düsteren Wolken, die Blitze am Himmel erschienen Coelestin wie erste Vorboten einer alttestamentarischen Rache, die schon bald über das Kloster kommen würde.
Noch bedrohlicher als die Ketzerei waren allerdings die hasserfüllten Blicke des Mannes. Er hatte Coelestin bei dessen überstürzter Flucht erkannt, zumindest glaubte der Novize das. Die Blicke des Ertappten sagten mehr als tausend Worte. In den letzten Tagen hatten sie ihn wie mit langen Fingern abgetastet, so als wollten sie prüfen, ob Coelestin das Geheimnis verriet.
Coelestin wusste, dass der andere mächtige Fürsprecher hatte. Würde man ihm, dem kleinen Novizen, glauben? Der Vorwurf war so ungeheuerlich, dass er Gefahr lief, für verrückt erklärt zu werden. Oder, was noch ärger wäre, fortan als Rufmörder zu gelten. Das schöne Leben mit Fleisch, Bier und warmer, trockener Schlafstatt wäre dann vermutlich für immer vorbei.
Trotzdem hatte Coelestin beschlossen zu reden. Gleich morgen würde er dem Klosterrat melden, was er gesehen hatte, und sein Gewissen wäre endlich wieder rein.
Ein mächtiger Donner rollte über das Land, und der fröstelnde Novize spürte erste kühle Regentropfen im Gesicht. Er raffte seine Kutte und beschleunigte seine Schritte. Schon bald hatte er die letzten Häuser von Erling hinter sich gelassen. Felder und Weiden breiteten sich vor ihm aus, hinter einem kleinen Waldstück, umgeben von Zäunen und Buschwerk, lag der Karpfenweiher. Als Coelestin sich umdrehte, sah er über sich auf dem Berg, überragt von dunklen Gewitterwolken, das Kloster stehen - sein Zuhause, das er vielleicht schon bald würde verlassen müssen. Er seufzte und schlurfte die letzten Meter zum Weiher wie zu seiner eigenen Hinrichtung.
Mittlerweile fielen die Tropfen immer schneller vom Himmel, die Oberfläche des Teichs brodelte wie eine giftige Brühe. Coelestin sah die fetten grauen Leiber der Karpfen, die sich zu Dutzenden in dem trüben Wasser wanden. Ihre hungrigen Mäuler schnappten nach den Regentropfen, so als wären sie göttliches Manna, das vom Himmel fiel. Coelestin schüttelte sich vor Abscheu. Er hatte Karpfen noch nie leiden können. Sie waren dumme schleimige Aasfresser, deren Fleisch nach Moos und Verwesung schmeckte. Die Fische erinnerten ihn an die Ungetüme, die er von Bildern mit Jonas und dem Wal kannte. Grässliche Wesen aus der Tiefe, die alles schluckten und fraßen, was vor ihnen im Wasser zappelte.
Zaghaft betrat Coelestin den schmalen, rutschigen Steg und griff nach dem Kescher, der an einem Molenpfosten lehnte. Die Kapuze tief im Gesicht, duckte er sich gegen die Wand aus Regen und Wind und ließ lustlos das Netz im Wasser hin und her gleiten. Wenn er sich beeilte, war er vielleicht wieder in der Klosterapotheke, bevor auch noch die Hose und die Socken unter der dicken schwarzen Wollkutte klatschnass wurden. In einem anderen Leben hätte er Frater Johannes den Karpfen vermutlich um die feisten Wangen gehauen, aber so war er zum Beten und Gehorchen verdammt. Das war eben der Preis, den er für ein angenehmes Leben bezahlte.
Ein Geräusch ließ den Novizen innehalten, ein leises Knarren, vom Donner beinahe übertönt, so als hätte jemand hinter ihm den Steg betreten. Doch gerade als Coelestin sich umdrehen wollte, zappelte etwas im Netz des Keschers. Mit einem Seufzer der Erleichterung zog er die lange Stange zu sich her an.
»Hab dich«, murmelte er. »Wollen mal sehen, was für ein fetter Brocken ...«
In diesem Augenblick traf ihn etwas Schweres am Hinterkopf.
Coelestin schwankte, taumelte, geriet auf dem vom Regen glitschigen Holzsteg ins Rutschen und fiel schließlich samt Kescher in die brodelnden Wasser des Weihers. Wild schlug er um sich und kämpfte um sein Leben. Wie so viele Menschen seiner Zeit konnte Coelestin zwar einem Hasen die Haut abziehen, einige Hundert Kräuter am Duft unterscheiden und weite Teile der Bibel auswendig vorbeten. Nur eines konnte er nicht - schwimmen.
Der junge Novize schrie und zappelte, er ruderte mit den Armen und strampelte mit den dünnen Beinen, doch sein eigenes Gewicht zog ihn unerbittlich in die Tiefe. Mit einem Mal spürte er den morastigen Grund unter seinen Füßen, er stieß sich ab und tauchte japsend aus dem Wasser auf. Als er in letzter Verzweiflung um sich griff, bekam er plötzlich die Stange des Keschers zu fassen, der vor ihm an der Oberfläche trieb. Der Mönch hielt sich daran fest und zog sich hoch. Zwischen den immer heftiger werdenden Regenschauern sah er auf dem Steg eine vermummte Gestalt stehen, die das andere Ende des Keschers hielt.
»Hab Dank!«, ächzte er. »Du hast mir das Leben ...«
In diesem Moment drückte die Gestalt den Kescher nach unten, so dass Coelestin gurgelnd versank. Als er wieder an die Oberfläche kam, merkte er, dass die Stange ihn erneut kraftvoll nach unten presste.
»Aber ...«, begann der Novize, da füllte sich sein Mund mit trübem Teichwasser und erstickte seinen letzten verzweifelten Schrei. Lautlos versank er im Weiher.
Während das Leben in perlenden Luftblasen aus seinem Körper wich, fühlte Coelestin noch, wie sich die fetten schleimigen Karpfen an seinen Wangen rieben und in den kurzen Haaren der Mönchstonsur gründelten. Als der sterbende Jüngling endlich auf den Grund sank, hatte er den Mund ebenso weit aufgesperrt wie die Fische um ihn her um, die ihn mit dummen, ausdruckslosen Augen anstarrten.
Der Mann auf dem Steg sah noch eine Weile auf die blubbernden Blasen. Endlich nickte er zufrieden, stellte den Kescher zurück an seinen Platz und machte sich auf den Heimweg.
Es galt, das Werk zu vollenden.
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Autoren-Porträt von Oliver Pötzsch
Seine blutige Familiengeschichte beschäftigt Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, bereits seit der Kindheit. Bei seinen Recherchen stieß er auf die Folterwerkzeuge seiner Ahnen und einen Meisterbrief, der sei-nem Vorfahren eine 'besondere Kunstfertigkeit beim Köpfen' bescheinigt. Er fand außerdem heraus, dass das Richtschwert der Familie in den 70ern des letzten Jahrhunderts aus einem Heimatmuseum ge-stohlen wurde und seitdem verschollen ist. Sein 2008 erschienener Roman „Die Henkerstochter" wur-de für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Der Autor arbeitet für den Bayrischen Rundfunk und lebt in München.Autoren-Interview mit Oliver Pötzsch
Herr Pötzsch, Sie selbst sind ein Nachfahre der Kuisls, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eine der bekanntesten Henker-Dynastien Bayerns waren. Gruselig, oder? Wie fühlen Sie sich als Teil dieser Familie?Oliver Pötzsch: Gott sei Dank glaube ich nicht an Erbschuld, sonst müsste ich mir bei 14 Scharfrichtern in der Familie schon Sorgen machen. Für mich sind die Geschichten rund um unsere Ahnen eher ein spannender Anekdotenschatz. Mittlerweile geht es mir aber auch ein bisschen darum, die Ehre meiner Vorfahren zu retten. Für die meisten ist der Henker ja nach wie vor nur der Fiesling mit der Kapuze. Welcher Mensch hinter dieser Kapuze steckte, diese Mischung aus Außenseiter und begehrtem Heilkundigen, das ist ja weitgehend unbekannt.
Inwiefern hat Ihre Familiengeschichte Einfluss auf Ihr heutiges Leben?
Oliver Pötzsch: Im Archiv eines Verwandten bin ich bei der Recherche auf unseren Stammbaum gestoßen, der fast 500 Jahre zurückgeht. Das sind vergilbte Dokumente, auf denen ganz unten mein eigener Name und der meiner Kinder auftaucht. Da läuft einem schon ein leichter Schauer über den Rücken. Ich war schon immer ein Familienmensch. Aber seit ich mich näher mit meinen Ahnen befasse, spüre ich doch, wie wichtig der familiäre Verband ist. Dieses Gefühl, einer größeren Gemeinschaft anzugehören. Ich glaube, das Bedürfnis danach nimmt gerade in der heutigen Zeit wieder stark zu.
Ist Ihre Idee zum Buch durch Ihre Recherchen entstanden? Oder recherchierten Sie aufgrund Ihrer Buchidee?
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Oliver Pötzsch: Ich habe vor einigen Jahren für den Bayerischen Rundfunk eine längere Sendung zum Thema „Henker in Bayern" verfasst. Während der Recherche merkte ich sehr schnell, dass dieses Thema sich ideal für ein Buch eignet. Ein von der Gesellschaft Ausgestoßener, der berühmt ist für sein Wissen sowohl in der Medizin als auch in der Magie. Ein Mensch, der laut Gesetz töten muss. Mich wundert es eigentlich, dass nicht schon mehr Autoren den Henker als Romanfigur entdeckt haben.
Wie und wo haben Sie recherchiert? Wie müssen wir uns das vorstellen?
Oliver Pötzsch: Der mittlerweile verstorbene Cousin meiner Großmutter hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Themen Ahnenforschung und Scharfrichterei beschäftigt. Darauf greife ich immer wieder zurück. Ansonsten habe ich im Schongauer Stadtmuseum und in den dortigen Archiven gestöbert. Besonders Spaß haben mir die Rätsel im zweiten Buch gemacht. Ich bin mit dem Rad quer durch den Pfaffenwinkel gefahren und habe in den Klöstern nach interessanten Details Ausschau gehalten. Jedes meiner Rätsel hat deshalb einen wahren historischen Kern.
Haben Sie einen Lieblingscharakter? Mit welcher der Figuren identifizieren Sie sich am stärksten?
Oliver Pötzsch: Ganz eindeutig mit dem Schongauer Medicus Simon Fronwieser, vielleicht weil ich ja aus einer Arztfamilie stamme. Aber auch, weil ich seine Leidenschaft für Bücher und Kaffee teile und eher ein Angsthase bin. Das misanthropische Gemüt des Henkers liegt mir allerdings auch. Ich kann schon ein grimmiger einsilbiger Brocken sein, fragen Sie mal meine Frau. Dieses Kuisl-Temperament wird offenbar in unserer Familie weiter vererbt.
Oliver Pötzsch: Ich habe vor einigen Jahren für den Bayerischen Rundfunk eine längere Sendung zum Thema „Henker in Bayern" verfasst. Während der Recherche merkte ich sehr schnell, dass dieses Thema sich ideal für ein Buch eignet. Ein von der Gesellschaft Ausgestoßener, der berühmt ist für sein Wissen sowohl in der Medizin als auch in der Magie. Ein Mensch, der laut Gesetz töten muss. Mich wundert es eigentlich, dass nicht schon mehr Autoren den Henker als Romanfigur entdeckt haben.
Wie und wo haben Sie recherchiert? Wie müssen wir uns das vorstellen?
Oliver Pötzsch: Der mittlerweile verstorbene Cousin meiner Großmutter hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Themen Ahnenforschung und Scharfrichterei beschäftigt. Darauf greife ich immer wieder zurück. Ansonsten habe ich im Schongauer Stadtmuseum und in den dortigen Archiven gestöbert. Besonders Spaß haben mir die Rätsel im zweiten Buch gemacht. Ich bin mit dem Rad quer durch den Pfaffenwinkel gefahren und habe in den Klöstern nach interessanten Details Ausschau gehalten. Jedes meiner Rätsel hat deshalb einen wahren historischen Kern.
Haben Sie einen Lieblingscharakter? Mit welcher der Figuren identifizieren Sie sich am stärksten?
Oliver Pötzsch: Ganz eindeutig mit dem Schongauer Medicus Simon Fronwieser, vielleicht weil ich ja aus einer Arztfamilie stamme. Aber auch, weil ich seine Leidenschaft für Bücher und Kaffee teile und eher ein Angsthase bin. Das misanthropische Gemüt des Henkers liegt mir allerdings auch. Ich kann schon ein grimmiger einsilbiger Brocken sein, fragen Sie mal meine Frau. Dieses Kuisl-Temperament wird offenbar in unserer Familie weiter vererbt.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Oliver Pötzsch
- 2012, 624 Seiten, Maße: 14,2 x 21,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Hardcover mit Leineneinband
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 354828115X
- ISBN-13: 9783548281155
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