Der Köder, Sonderausgabe
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Der Köder vonP. J. Tracy
LESEPROBE
Kapitel 1
Es war kurz nach Sonnenaufgang undregnete noch immer, als Lily die Leiche ihres Mannes fand. Er lag mit demGesicht nach oben auf dem Asphalt vor dem Gewächshaus. Augen und Mund standenoffen, und es sammelte sich Regenwasser in ihnen.
Der Tote sah in dieser Positionrecht anziehend aus, denn die Schwerkraft schien die faltige Haut seinesGesichts zu straffen und vierundachtzig Jahre voller Leid und Lachen und Kummervergessen zu machen.
Lily stand einen Augenblick langüber ihm und zuckte zusammen, wenn die Regentropfen mit einem leisen Geräuschauf seine Augen fielen.
Ich hasse Augentropfen.
Morey, halt still. Hör auf zu blinzeln.
Hör auf zu blinzeln, sagt sie, undträufelt mir dabei Chemie in die Augen.
Ruhe. Es ist keine Chemie.Natürliche Tränen, siehst du? Das steht hier auf dem Fläschchen.
Erwartest du von einem Blinden, dasser lesen kann?
Ein kleines Sandkorn im Auge, undschon bist du blind. Wahrlich ein ganzer Kerl, so richtig hart im Nehmen.
Und natürliche Tränen sind esohnehin nicht. Wie sollten sie es denn auch machen? Auf Beerdigungen gehen undweinenden Menschen Fläschchen unter die Augen halten? Nein, die mischenChemikalien und nennen es dann natürliche Tränen. Etikettenschwindel ist das,nichts anderes. Unnatürliche Tränen sind das. Eine kleine Flasche voller Lügen.
Halt die Klappe, alter Mann.
So ist es doch, Lily. Nichts solltevorgeben zu sein, was es nicht ist. Alles sollte ein großes Etikett tragen, aufdem steht, was es ist, damit es keine Verwirrung gibt. Wie der Dünger, den wirvor Jahren für unsere Beetpflanzen benutzt haben und der all unsere Marienkäfergetötet hat. Wie hieß der noch?
Pflanzengrün.
Genau. Den hätten sie Pflanzengrün Marienkäfertodnennen sollen. Vergiss die winzige Schrift auf der Rückseite, die keiner lesenkann. Wahrhaftige Bezeichnungen brauchen wir. Das wäre eine gute Vorschrift.Selbst Gott sollte sich nach einer solchen Vorschrift richten.
Morey!
Was soll ich sagen? Da hat Er einengroßen Fehler begangen. Wäre es denn für Ihn ein Problem gewesen, die Dinge soaussehen zu lassen, wie sie auch wirklich sind? Ich meine, Er ist doch Gott, stimmt's? Das könnte er doch ohne weiteres machen. Überlegmal. Da steht ein Typ vor der Tür, hat ein freundliches Gesicht und lächeltdich nett an. Du lässt ihn herein, und er bringt deine ganze Familie um. Dasist doch Gottes Fehler. Das Böse sollte auch böse aussehen. Dann lässt du esnämlich nicht herein.
Besonders du solltest wissen, dasses so einfach nicht ist. Genau so einfach ist es aber.
Lily holte Luft und ging in dieHocke - eine jugendliche Körperhaltung für eine so alte Frau, aber ihre Kniewaren gesund, noch immer stark und gelenkig. Es gelang ihr nicht, Moreys Lider ganz zu schließen. Einen Spalt breit bliebensie offen und ließen ihn bedrohlich aussehen. Seit sehr langer Zeit bekam Lilyes zum ersten Mal wieder mit der Angst zu tun. Sie vermied es, seine Augenanzuschauen, als sie das dunkle Silberhaar zurückstrich, das der Regen aufseinen Schädel gekleistert hatte.
Einer ihrer Finger glitt in ein Lochseitlich an seinem Kopf, und sie erstarrte. «Oh, nein», flüsterte sie. Dannerhob sie sich hastig und wischte sich die Finger an ihrem Overall ab.
«Ich habe es dir gesagt, Morey», schalt sie ihren Mann ein letztes Mal. «Ich habe esdir gesagt.»
© Rowohlt Taschenbuch Verlag
Übersetzung: TejaSchwaner
- Autor: P. J. Tracy
- 2006, 448 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schwaner, Teja
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499243059
- ISBN-13: 9783499243059
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