Der Nobelpreis
Hans-Olof Andersson, Mitglied des Nobelpreiskomitees, wird erpresst: Er soll für eine ganz bestimmte Nobelpreis-Kandidatin stimmen - oder seine Tochter muss sterben. Was niemand weiß: Gunnar Forsberg, der Bruder seiner verstorbenen Frau, ist ein...
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Hans-Olof Andersson, Mitglied des Nobelpreiskomitees, wird erpresst: Er soll für eine ganz bestimmte Nobelpreis-Kandidatin stimmen - oder seine Tochter muss sterben. Was niemand weiß: Gunnar Forsberg, der Bruder seiner verstorbenen Frau, ist ein knallharter Einbrecher und Industriespion, der keine Rücksicht kennt, wenn es um seine letzte lebende Angehörige geht. Gunnar macht sich auf die Jagd nach den Erpressern. Doch mit dem, was er herausfindet, hätte niemand gerechnet.
Der Nobelpreis von Andreas Eschbach
LESEPROBE
Dasbestgehütete Geheimnis Schwedens, sagt man, sei das Menü des Nobelbanketts.
entwickeltwird es jedes Jahr in einer umständlichen, sich über Monate hinziehenden Prozedurvon der Förening ÅretsKock, jener Gesellschaft, die auch den schwedischenKoch des Jahres kürt. Nach zahlreichen Probeläufen und Konferenzen findet imOktober schließlich ein mehrstündiges Testessen mit sechs Vertretern derNobelstiftung statt, in dessen Verlauf vier Menüvorschläge getestet werden.Diese Kommission ist es, die die endgültige Entscheidung trifft - und schweigt.Das einzige, was immer feststeht, ist, dass es zum Nachtisch eis gibt. Doch biszum Abend des 10. Dezember erfährt niemand außerhalb dieses kleinen Kreiseseingeweihter, welche Sorte.
DasNobelmenü des vergangenen Jahres kann man, wenn man will, das ganze Jahr überim Rathauskeller bestellen, und es ist mit umgerechnet etwa hundertdreißig Europro Person für schwedische Verhältnisse nicht einmal übertrieben kostspielig. Füretwas mehr als das Fünffache dessen kann man ein Gedeck des eigens für dasNobelbankett entwickelten Service erstehen, bei dem - abgesehen vom Weiß des Porzellans- Gold und ein kräftiges Grün dominieren. Das sechsteilige Besteck istteilweise vergoldet, das Fischmesser hat ein verspieltes grünes Auge, und vierGläser mit vergoldetem Stiel gehören ebenfalls ins Set.
Dochkein Geld der Welt bringt einen näher an das eigentliche heran: das wirkliche,wahrhaftige Nobelbankett, die exklusivste Tafel, die vorstellbar ist. Nur Genieoder Glück, am besten aber beides, können einem dazu verhelfen, zugegen zu sein,wenn geehrt wird, was nach Auffassung einer Institution, die in den überhundert Jahren ihrer Existenz zum Mythos geworden ist, die größtenintellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen der Menschheit sind.
AmAbend der Abende, nach Beendigung der Preisverleihung im Konzerthaus am Hötorget, ist die Zufahrt zum Stadshuset,dem 1923 erbauten gewaltigen Rathaus am Mälarsee, vonFackeln erleuchtet. Die Preisträger fahren in Limousinen vor, viele der anderengeladenen Gäste ebenfalls, aber nicht wenige kommen auch zu Fuß. KöniglicherGlanz liegt über der Szenerie. Man wird mit Handkuss begrüßt, mit Verbeugungen undKnicksen, und selbst hartgesottene Republikanerfühlen sich durch das uralte höfische Zeremoniell gerührt. Während dieNobelpreisträger und andere Ehrengäste in der Prinzengalerie von denMitgliedern der königlichen Familie, die das Stadthaus über einen eigenenSeiteneingang betreten haben, begrüßt werden, warten die übrigen Gäste imFoyer, bis sie um 1 Uhr 30 Platz nehmen dürfen an den gedeckten Tischen im BlauenSaal, der in Wirklichkeit überhaupt nicht blau ist. Seine hohen, vonZierglasfenstern durchbrochenen Wände aus Ziegelsteinen in verschiedenen warmenRottönen, die scheinbar leicht auf den Pfeilern eines umlaufenden Säulengangsruhen, verraten, dass der Architekt des Stadshusetvon der venezianischen Architektur beeinflusst war; hätte der Raum keinDach, er wäre eine wundervolle Piazza. Geplant war, die handgefertigten Backsteinemit polierten blauen Ziegeln abzudecken, doch der Architekt verwarf diese Ideewährend des Baus. Trotzdem hat sich der Name der Halle gehalten.
Um19 Uhr öffnet sich die große dunkle Tür oben am Ende der Galerie aus Granit.Von hier aus geht es fünfzig Schritte auf der Balustrade über den Doppelsäulenbis zur marmornen Treppe, die in die Halle hinabführt. Fanfaren ertönen, dieOrgel unter dem Dach erklingt, mit zehntausend Pfeifen und 13 Registern eineder größten Skandinaviens, und der schwedische König schreitet voran, eineNobelpreisträgerin geleitend, falls eine Frau unter den Preisträgern ist,ansonsten traditionell die Gattin des Physiknobelpreisträgers an seiner Seite.Sie bilden die Spitze dieser Prozession der Erlauchten, die die Treppehinabsteigen zu den gewöhnlichen Sterblichen, zu Verwandten und Freunden derPreisträger und zur Jugend, die jedes Jahr durch etwa 250 Studenten allerschwedischen Universitäten repräsentiert wird. Diese haben über ein Losverfahrendas Anrecht erworben, umgerechnet hundert Euro für ihr Ticket zu bezahlen undmit den schlechtesten Plätzen, denen unterhalb der Arkaden, vorlieb zu nehmen.Sie tragen elegante Anzüge oder Kleider, weiße Kappen und Schärpen in gelb-blau,den Farben Schwedens.
Diekönigliche Familie, die Nobelpreisträger und die übrigen Ehrengäste nehmen amEhrentisch Platz, der in der Mitte steht, quer zu den anderen, und etwasbreiter und großzügiger gedeckt ist als diese. Rund 90 Gäste sitzen hier -neben den Mitgliedern der königlichen Familie die Preisträger, Vertreter derRegierung und der Nobelstiftung - und genießen eine Platzbreite von 70 Zentimetern,während an den anderen Tischen nur 60 Zentimeter vorgesehen sind, weilansonsten die zwischen 1300 und 1400 Gäste nicht unterzubringen wären. Es magdas erlauchteste Bankett der Welt sein, das behaglichste ist es ganz sichernicht.
Dader Blaue Saal nicht symmetrisch ist, sondern sich zu einer Seite hin verjüngt,können die Tische nicht so parallel zueinander stehen, wie sie sollten, und daauch die Prachttreppe nicht exakt in die Mitte des Raumes führt, ist dasAufstellen der Tische und Stühle ein kompliziertes Puzzle. Eine Mitarbeiterin derNobelstiftung war in den vergangenen Wochen mit nichts anderem beschäftigt alsdamit, die Sitzordnung auszutüfteln, was sich bei weitem nicht daraufbeschränkt, neben jeden Herrn eine Dame zu setzen. Jeder geladene Gast durfteauf einem eigens dafür vorgesehenen Formular Wünsche hinsichtlich seinerPlatzierung äußern, etwa was die Nähe zu König und Königin oder zu Kollegenanbelangt, und all diesen Anliegen wurde im Rahmen des Machbaren Rechnunggetragen. Die Tische sind prachtvoll geschmückt. Tischschmuck hat eine jahrhundertelange Tradition in Schweden - die entsprechendeAbteilung im zweiten Stock des Nordiska Museet gilt als eine der großen SehenswürdigkeitenStockholms -, und da das Schwedische Fernsehen ausführlich vom Bankettberichtet, wird die Dekoration in den kommenden Wochen öffentliches Gesprächsthemasein und in vielen Familien zu Weihnachten stilbildend wirken.
Nunist auch das Geheimnis des Menüs enthüllt. In schlichten Buchstaben steht es aufden Karten gedruckt, die an allen Plätzen ausliegen, geziert von nichts anderemals dem Profil Alfred Nobels in Gold. Trotzdem können die wenigsten Teilnehmer desBanketts etwas mit dem anfangen, was sie da lesen, denn obgleich vornehm aufalle Akzente verzichtet wurde, ist es Französisch, und zwar jenes Französischder gehobenen Küche, das zu einer eigenen Literaturform geworden ist, einer Literaturder Speisekarten, die versuchen, Gedichte zu sein, und bei deren Lektüre auchgebürtige Franzosen nicht selten Ratlosigkeit befällt.
Diemeisten begnügen sich damit zu lesen, dass der Sekt, der ihnen in der erstenAmtshandlung der 210 Kellner kredenzt wurde, ein 1992er Dom PerignonVintage war, und beschließen, sich im Übrigen einfachüberraschen zu lassen. Andere, mit mehr Ehrgeiz, Weltläufigkeit undFranzösischkenntnissen ausgestattet, enträtseln, dass es als VorspeiseZiegenkäsetörtchen mit einer Garnitur von roter Beete sowie Jakobsmuscheln und Langoustinen in Trüffelvinaigrette geben wird. ZumHauptgang folgt Hirschfilet an Zimtsoße mit gegrilltem Herbstgemüse und einemChutney von Preiselbeeren, dazu Kartoffeln. Das Dessert, Glace Nobel betitelt,als handle es sich um ein Markenzeichen, besteht dieses Jahr aus einem Birnendélice auf Schokoladen-Vanille-Creme nach bayerischerArt, begleitet von Champagner-Birnen-Sorbet.
Ausunerfindlichen Gründen befindet sich die Küche im sechsten Stock. Das Essenwird mit behäbigen Lastenaufzügen nach unten geschickt, im Goldenen Saal aufTeller aufgegeben und von der Schar Weißbejackter,die sich in den ungefähr vier Stunden, die das Bankett dauert, mit einerdurchschnittlichen Geschwindigkeit von zehn Stundenkilometern bewegen, inunablässigem Einsatz über die große Treppe hinab in den Blauen Saal gebracht. 140Kellner sind für die Speisen zuständig, 50 für den Wein, 10 stellen die Reservedar, sind aber dennoch ebenfalls unablässig beschäftigt, und 10 weitere kümmernsich um die Erfüllung besonderer Wünsche. Vegetarier und Allergiker bekommenabweichend vom offiziellen Menü ein eigens für sie zubereitetes Essen. DieOrganisatoren haben alles Nötige vorab in Erfahrung gebracht, und egal ob fleischlos,glutenfrei oder koscher, es ist nichts unmöglich. Vor dem Dessert gibt es eineetwa zwanzigminütige musikalische Darbietung, wobei die Treppe als Bühnefungiert, die zu diesem Zweck meist blau beleuchtet wird, wohl um der Namensgebungdes Saals doch noch einen Sinn zu verleihen. Mit dem Verebben desanschließenden Applauses senkt sich Dunkelheit über den Saal. Jeder weiß, wasnun folgt: Das Glace Nobel wird serviert.
EineProzession von Kellnern, die so schnell einherschreiten, wie es sich mit der Erfordernis, feierlich zu wirken, gerade nochvereinbaren lässt, kommt mit von Funken sprühenden Wunderkerzen illuminierteEiscreme die Treppe herunter. In Windeseile werden die Teller verteilt, dieKellner verschwinden im Dunkel und sind kurz darauf auf geheimnisvolle Weise erneutBestandteil der Prozession. Es ist eine Zeremonie, die lachhaft wirken würde,wenn sie nicht so herzergreifend schön wäre.
GegenEnde des Nobelbanketts schlägt noch einmal die Stunde der Preisträger. Sietreten der Reihe nach an ein kleines dunkles Pult in einer Nische neben derTreppe, schlichte elf Stufen über dem Boden der Halle, und sprechen Worte des Dankes,manche mit bebender Stimme, die meisten bescheiden, immer aber der Forderungeingedenk, ein Zeitlimit von drei Minuten nicht zu überschreiten. Es ist eineder segensreichsten protokollarischen Begrenzungen, denn nach diesem Tag, nachdiesem Abendessen mit Champagner und schwerem Wein wäre niemand mehr imstande,langen und womöglich tief schürfenden Reden in fremden Sprachen oderdialektgefärbtem Englisch zu folgen.
Schließlichendet das Bankett. Da ein ungeschriebenes Gesetz fordert, dass niemand vor demKönig den Saal verlässt, ist es an ihm, das Signal dazu zu geben. Freilicherhebt sich König Carl XVI. Gustaf nicht nach Belieben von seinem Stuhl, sonderngenau zu dem Zeitpunkt, den das sorgsam ausgearbeitete Protokoll dafürvorsieht. im Goldenen Saal muss der letzte Anrichtetisch verschwunden sein unddas Tanzorchester bereitstehen, wenn das Bankett endet. Sobald die königliche Familie,die Preisträger, die Professoren und Studenten und all die übrigen Gästeaufstehen und die Treppen hochsteigen, erklingt bereits Musik, auch diesmal,wie jedes Jahr, als Erstes ein Wiener Walzer.
Gegenein Uhr endet auch der Tanz im Goldenen Saal. Die königliche Familie, die nocheinmal in der Prinzengalerie Hof gehalten und ihre Gespräche mit denPreisträgern abgerundet hat, zieht sich zurück, und die Gäste entschwinden indie Winternacht. Doch die ist deswegen keineswegs schon zu Ende. KeinPreisträger, der nicht zu mindestens einer der vielen Feiern, die dieStockholmer Studentenverbindungen ausrichten, eingeladen wäre. Die Chauffeureder Volvo-Pullman- Limousinen, die den Laureaten fürdie Zeit ihres Aufenthalts in Stockholm zur Verfügung stehen, kennen die Wege, undohnehin wird jeder Laureat von einem ganzen Tross von Studenten begleitet undbetreut, jungen Leuten mit leuchtenden Augen, für die sie Idole sind, so etwaswie die Popstars der wissenschaftlichen Welt. ()
© VerlagsgruppeLübbe
Interview mit Andreas Eschbach
Herr Eschbach, wie viele Literaturpreise haben Sieeigentlich inzwischen gewonnen?
Das weiß ich nicht auswendig, da müsste ich nachzählengehen. Generell sind mir Literaturpreise nicht so wichtig; wenn ich mitbekomme,dass Leser begeistert nach meinen Büchern greifen, bedeutet mir das viel mehr.
"Der Nobelpreis" erzählt die Geschichte dreister Gangster,die die Mitglieder des Nobelpreis-Komitees unter Druck setzen, um ihrenKandidaten durchzusetzen (darin verstrickt ist ein Schweizer Konzern mit demwunderbaren Namen "Rütlipharm"). Mit Gunnar Forsberg erleben wir einen eheruntypischen Romanhelden. Was zeichnet ihn aus?
Gunnar Forsberg ist ein Einbrecher, ein Industriespion - undstolz darauf. Ein Kämpfer, mit dem nicht zu spaßen ist. Man kann eventuellenBösewichten nur wünschen, ihm nicht in die Finger zu geraten. Dabei ist er imGrunde eine düstere Figur, verstrickt in einen einsamen Kampf, allein gegen denRest der Welt. Er sucht trotz allem sein Glück, glaubt aber im Grunde, dass esüberhaupt nicht existiert. Genau das ist das Problem, um das es geht - bloß istGunnar der Letzte, der das merkt.
Hat die Nobel-Stiftung auf Ihr Buch reagiert? Ist man dorteher verärgert oder amüsiert über die Machenschaften, die Ihr fiktionalzugeschrieben werden?
Nein, von der Nobel-Stiftung hat mich keine Reaktionerreicht. Es hätte mich auch gewundert. Denn erstens zieht man es dort vor,über den Dingen zu stehen und sich nicht zu äußern, wenn es nicht sein muss,und zweitens... Nun, selbst wenn das anders wäre: Wer den Roman zu Ende gelesenhat, versteht, warum die Nobel-Stiftung nicht einmal dann Ärger über mein Buchverlauten lassen würde.
Sie sind nicht der klassische Typus des Fortsetzungsautors,der seinen Helden, dem Genre und den Themen treu bleibt und leicht einzuordnen wäre.Woher rührt das? Was wird bei Ihnen zum Romanstoff?
Die Idee, die mich anhaltend fasziniert. Und ich habeeinfach relativ unterschiedliche Ideen. Das war am Anfang durchaus nichtunproblematisch, weil Verleger das nicht so gerne sehen. Inzwischen erwartenmeine Leser aber, glaube ich, fast von mir, "Haken zu schlagen", und so seheich mich in der angenehmen Situation, im Grunde schreiben zu können, was ichwill.
Als Konstante führen Sie das "Marsprojekt" fort. Was ist diegrößere Herausforderung - originell an eine bestehende Geschichte anzuknüpfenoder einen völlig unabhängigen Roman zu verfassen?
Also, ganz klar: Es ist wesentlich einfacher, eineGeschichte fortzusetzen. Man kennt die Figuren schon, kennt die Schauplätze -da ergibt sich die Handlung wie von selbst. Wobei es beim "Marsprojekt" so ist,dass ich durchaus einen übergeordneten Handlungsbogen verfolge; es werdeninsgesamt fünf Bände werden, die mir so weitgehend von Anfang an vor deminneren Auge standen.
Mit "Mirandas Traum" ist nun auch Ihre Frau Marianne unterdie Schriftsteller gegangen. Wie kam es dazu?
Das war nur eine Frage der Zeit. Meine Frau hat immer schongeschrieben, auch schon, ehe wir uns kennen lernten. "Mirandas Traum" ist einemärchenhafte und auch sehr philosophische Erzählung, an der sie buchstäblichzwanzig Jahre lang gefeilt hat, ehe die Geschichte nun zu einem wunderschönenBuch geworden ist. Ich hoffe, dass es viele Leser für sich entdecken werden.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
- Autor: Andreas Eschbach
- 2007, 7. Aufl., 560 Seiten, Maße: 12,4 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 340415763X
- ISBN-13: 9783404157631
- Erscheinungsdatum: 16.10.2007
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