"Der Puppengräber" und "Lukkas Erbe"
Ein ruhiges, verschlafenes Nest wird zum Hexenkessel. Denn als junge Mädchen spurlos verschwinden, brechen Abgründe voller Angst, Misstrauen und alter Fehden auf.
Der Puppengräber: Ben ist geistig behindert, hat...
Ein ruhiges, verschlafenes Nest wird zum Hexenkessel. Denn als junge Mädchen spurlos verschwinden, brechen Abgründe voller Angst, Misstrauen und alter Fehden auf.
Der Puppengräber: Ben ist geistig behindert, hat mit 22 noch den Verstand eines Kleinkindes. Er wächst wohl behütet auf und ist ein herzensguter Bruder für seine kleine Schwester. Als eines Sommers mehrere Mädchen aus der Gegend verschwinden, fällt der Verdacht sofort auf Ben. Eine wahre Hexenjagd beginnt.
Lukkas Erbe: Die Geschichte von Ben geht weiter.
''Es gehört zu den raffinierten Konstruktionen von Petra Hammesfahr, dass dann doch alles ganz anders sein könnte.''
Marie Claire
''Eine deutsche Autorin, die dem Abgründigen ihrer anglo-amerikanischen Thriller-Kolleginnen ebenbürtig ist.''
Welt am Sonntag
Petra Hammesfahr, die Schriftstellerin und Drehbuchautorin, die 1951 geboren wurde, lebt und arbeitet in der Nähe von Köln. Ihre Bestseller wurden in mehrere Sprachen übersetzt und zum Teil erfolgreich verfilmt.
Der Puppengräber von Petra Hammesfahr
LESEPROBE
Prolog
Es ist in den vergangenen Jahrenetwas Gras gewachsen über den furchtbaren Sommer, der fünf Menschenlebengekostet hat. Es wurde viel darüber geredet, zuviel diskutiert, gestritten,spekuliert und Schuld zugewiesen. Alte Feindschaften flammten neu auf, alteFreundschaften verbrannten in der Glut. Jeder im Dorf wußteetwas, und jeder, der bis dahin geschwiegen hatte, rißdas Maul auf, als nichts mehr zu ändern war.
Ich habe mit allen gesprochen, dienoch reden konnten. Ich habe mir ihre Erklärungen, ihre Entschuldigungen undihre faulen Ausreden angehört. Ich habe ihre Versäumnisse gesehen und ihreIrrtümer erkannt. Nun will ich für den sprechen, der niemandem sagen konnte,was er fühlte. Für Ben.
Es wird nicht leicht, das weiß ich.Es gab nicht für alles Zeugen. Trotzdem bin ich sicher, daßauch die Situationen, die niemand beobachtet hat, sich in etwa so abgespielthaben, wie ich sie schildern werde. Warum sollte ein Mensch mit beschränktenintellektuellen Fähigkeiten ausgerechnet in den entscheidenden Momenten seinVerhalten ändern?
Über mich gibt es dabei nicht vielzu sagen. Ich war das Schlußlicht, nur eine Randfigurmit einer erfolglosen Rolle in einem Zwischenakt und am Ende die ermittelndeHauptkommissarin Brigitte Halinger. Im Sommer 95 warich dreiundvierzig Jahre alt, verheiratet und Mutter eines siebzehnjährigenSohnes. Das ist vermutlich mein Problem bei der Sache.
Ich fühle mit seiner Mutter - TrudeSchlösser. Auch wenn ich ihr Verhalten nicht billige, verurteilen kann ich sienicht. Und am Ende gelang es ihr, ungeachtet der Konsequenzen, die es für siehatte, über den eigenen Schatten zu springen und sich selbst anzuklagen. Fürihr Geständnis bin ich Trude zu großem Dank verpflichtet. Nur ihreschonungslose Offenheit versetzte mich in die Lage, den Fall zu klären und nunBens Geschichte publik zu machen. Und an die Öffentlichkeit muß sie gebracht werden. Vielleicht hilft es mir, meineigenes Entsetzen zu verarbeiten. Vielleicht vergehen dann die Alpträume, diemich auch nach all der Zeit noch nachts aus dem Schlaf reißen.
In diesen Träumen begleite ich ihnauf seinen Runden durchs Feld. Ich liege von Gestrüpp verborgen auf dem Bauch,spähe mit ihm durch das Fernglas, fiebere mit ihm den jungen Mädchen entgegen.Ich schaue über seine Schulter, wenn er den Spaten ansetzt. Dann wache ichschweißgebadet auf und frage mich, wie ich ihn eingeschätzt hätte, wäre ichihm in diesen furchtbaren Sommerwochen begegnet, womöglich noch in der Nacht -auf einem einsamen Feldweg.
Zweiundzwanzig war er in dem Sommer.Ein riesiger Kerl, massig und schwer, mit einem sanften Blick und dem IQ eineszweijährigen Kindes. Er trug immer ein Fernglas vor der Brust, einenKlappspaten am Taillenriemen, meist ein Messer in der Hosentasche. Hätte ichihn gefürchtet? Oder hätte ich gedacht wie viele andere, zweijährige Kindersind harmlos, sie nehmen allenfalls ihr Spielzeug auseinander.
Daß er Puppen zerriß,war allgemein bekannt. Es wußten auch viele, daß er ständig unterwegs war in seinen dunkelblauenAnzügen. Nicht die eleganten mit den weißen Hemden. Er trug nur die bequemenmit Gummizügen um Taille und Fußknöchel. Damit war er unabhängig, konnte seineNotdurft im Freien verrichten.
Es gab schon früh einige im Ort, dieihre Nasen rümpften und sagten: « Es ist eine Schande, daßdie den so laufen lassen.» Aber eine Gefahr sahen nur wenige in ihm.Vielleicht wäre er in einer Großstadt gar nicht aufgefallen, da laufen vielemerkwürdige Gestalten herum. In einem Dorf jedoch, wo jeder mit argwöhnischenAugen nach nebenan schaut ...
Dörfer haben ihre eigenen Gesetze.Es geschieht eine Menge, und man läßt es nicht gernenach außen dringen. Man weiß, welchen Dreck der Nachbar unter den Teppichkehrt, und oft genug ist man ihm beim Kehren behilflich. Anschließend klopftman sich auf die Schulter und sagt: «Schwamm drüber.» Zu ihm konnte man dasnicht sagen. Er hätte es nicht verstanden.
Und niemand verstand ihn. Es wareine lange Kette von Mißverständnissen und sinnlosenBestrafungen, die ihn zu dem machten, was er im Sommer 95 war - derPuppengräber.
© WunderlichVerlag
- Autor: Petra Hammesfahr
- 2006, 1, 782 Seiten, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828987788
- ISBN-13: 9783828987784
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