Der Zorn der Wölfe
Roman
Die Stunde des Wolfs ist da! - Das Abenteuer-Epos aus dem Reich der Mitte.
Der chinesische Student Chen Zhen wird während der Kulturrevolution in den 60er Jahren in die Innere Mongolei geschickt. Dort soll er das Leben der nomadisierenden...
Der chinesische Student Chen Zhen wird während der Kulturrevolution in den 60er Jahren in die Innere Mongolei geschickt. Dort soll er das Leben der nomadisierenden...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Zorn der Wölfe “
Die Stunde des Wolfs ist da! - Das Abenteuer-Epos aus dem Reich der Mitte.
Der chinesische Student Chen Zhen wird während der Kulturrevolution in den 60er Jahren in die Innere Mongolei geschickt. Dort soll er das Leben der nomadisierenden Viehzüchter kennenlernen. Sofort ist er völlig in den Bann gezogen von dieser ihm gänzlich unbekannten und archaischen Welt. An der Seite Bilgees, seines alten mongolischen Lehrers, trotzt er Schneestürmen und sengender Hitze, und er erhält Einblick in die alten Mythen und Traditionen des mongolischen Volkes. Vor allem aber macht Chen Zhen die Bekanntschaft mit den Wölfen, deren Klugheit und Mut die Mongolen von jeher fasziniert haben - und bald verbindet ihn eine tiefe Liebe zu einem Wolfsjungen, das er aufzieht. Doch dann kündigt sich Unheil an, denn als die Chinesen das wirtschaftliche Potenzial der mongolischen Steppe wittern, drohen Profitgier und blinder Fortschrittsglaube das Jahrhunderte währende Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu zerstören ..
Der chinesische Student Chen Zhen wird während der Kulturrevolution in den 60er Jahren in die Innere Mongolei geschickt. Dort soll er das Leben der nomadisierenden Viehzüchter kennenlernen. Sofort ist er völlig in den Bann gezogen von dieser ihm gänzlich unbekannten und archaischen Welt. An der Seite Bilgees, seines alten mongolischen Lehrers, trotzt er Schneestürmen und sengender Hitze, und er erhält Einblick in die alten Mythen und Traditionen des mongolischen Volkes. Vor allem aber macht Chen Zhen die Bekanntschaft mit den Wölfen, deren Klugheit und Mut die Mongolen von jeher fasziniert haben - und bald verbindet ihn eine tiefe Liebe zu einem Wolfsjungen, das er aufzieht. Doch dann kündigt sich Unheil an, denn als die Chinesen das wirtschaftliche Potenzial der mongolischen Steppe wittern, drohen Profitgier und blinder Fortschrittsglaube das Jahrhunderte währende Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu zerstören ..
Klappentext zu „Der Zorn der Wölfe “
Der chinesische Student Chen Zhen wird während der Kulturrevolution in den 60er Jahren in die Innere Mongolei geschickt. Dort soll er das Leben der nomadisierenden Viehzüchter kennenlernen. Sofort ist er völlig in den Bann gezogen von dieser ihm gänzlich unbekannten und archaischen Welt. An der Seite Bilgees, seines alten mongolischen Lehrers, trotzt er Schneestürmen und sengender Hitze, und er erhält Einblick in die alten Mythen und Traditionen des mongolischen Volkes. Vor allem aber macht Chen Zhen die Bekanntschaft mit den Wölfen, deren Klugheit und Mut die Mongolen von jeher fasziniert haben und bald verbindet ihn eine tiefe Liebe zu einem Wolfsjungen, das er aufzieht. Doch dann kündigt sich Unheil an, denn als die Chinesen das wirtschaftliche Potenzial der mongolischen Steppe wittern, drohen Profitgier und blinder Fortschrittsglaube das Jahrhunderte währende Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur zu zerstören
"Das Buch ist ein ultraspannender Abenteuerroman, in dem man viel über Wölfe und die Mythen der Mongolen erfährt. Man taucht ein in eine neue, unbekannte Welt." B.Z.
"Dieses umfangreiche Werk ist von ähnlicher Eindringlichkeit und Kraft wie die besten Romane Tschingis Aitmatows. (...) In faszinierender Form beschreibt Jiang Rong das Leben und die strategisch geführten kriegerischen Kämpfte der Wölfe. (...) Jiang Rong hat einen großen Stoff mit großer Emphase zu einem großen Roman gebracht." rbb Antenne Brandenburg
"Mit diesem Erstlingswerk setzt der in Peking lebende Autor Jiang Rong, 62, den Herrschern der Wildnis ein literarisches Denkmal. Jiang hat allerdings nicht nur einen Tierroman, sondern eine vielschichtige Gesellschaftskritik geschrieben, die Chinas rauen, oft rücksichtslosen Umgang mit der Natur und mit seinen ethnischen Minderheiten anprangert. (...) Nach der Mao-Bibel ist 'Wolftotem', wie der Roman auf Chinesisch heißt, das erfolgreichste Buch in der jüngeren Literaturgeschichte der Volksrepublik." Spiegel
"Dieses umfangreiche Werk ist von ähnlicher Eindringlichkeit und Kraft wie die besten Romane Tschingis Aitmatows. (...) In faszinierender Form beschreibt Jiang Rong das Leben und die strategisch geführten kriegerischen Kämpfte der Wölfe. (...) Jiang Rong hat einen großen Stoff mit großer Emphase zu einem großen Roman gebracht." rbb Antenne Brandenburg
"Mit diesem Erstlingswerk setzt der in Peking lebende Autor Jiang Rong, 62, den Herrschern der Wildnis ein literarisches Denkmal. Jiang hat allerdings nicht nur einen Tierroman, sondern eine vielschichtige Gesellschaftskritik geschrieben, die Chinas rauen, oft rücksichtslosen Umgang mit der Natur und mit seinen ethnischen Minderheiten anprangert. (...) Nach der Mao-Bibel ist 'Wolftotem', wie der Roman auf Chinesisch heißt, das erfolgreichste Buch in der jüngeren Literaturgeschichte der Volksrepublik." Spiegel
Lese-Probe zu „Der Zorn der Wölfe “
Der Zorn der Wölfe von Jiang RongDie Quanrong nennen zwei weiße Hunde ihre Ahnen, daher dürften sie den Hund als ihr Totem gewählt haben.
Fan Wenlan, Abriss der Geschichte Chinas, Bd.I
König Mu der Zhou unternahm einen Feldzug gegen die Quanrong und kehrte mit vier weißen Wölfen und vier weißen Hirschen zurück.
Geschichte der Han-Dynastie, Biographie der Hunnen
Chen Zhen kauerte hinter dem schützenden Schneewall und fing mit seinem Fernglas den stechenden Blick der Wölfe ein. Wieder stellten sich seine Haare auf wie Wildschweinborsten, als wollten sie verhindern, dass sein Hemd am Körper festklebte. Der alte Bilgee an seiner Seite wirkte immerhin so beruhigend auf Chen Zhen, dass der junge Mann diesmal nicht das Gefühl hatte, die Seele verlasse seinen Körper.
Auch in seinem zweiten Jahr in der mongolischen Grasebene fürchtete Chen Zhen Riesenwölfe, ganz zu schweigen von vollständigen Wolfsrudeln. Tief in den Bergen und weit vom Lager entfernt auf ein so großes Rudel zu stoßen ließ den kalten Atem vor seinen Lippen zittern. Denn sie hatten kein Gewehr dabei, kein Schwert, keine Stangen, wie man sie für die Wagen verwendete, ja nicht einmal Steigbügel. Ihnen standen nur zwei Gerten zur Verfügung. Wenn also das Wolfsrudel ihre Witterung aufnähme, würde ihnen möglicherweise eine vorzeitige Himmelsbestattung zuteil. Chen Zhen schauderte, keuchte leise und sah den alten Mann mit schräg gelegtem Kopf an.
Bilgee beobachtete das Umfeld des Wolfsrudels mit seinem eigenen Fernglas. »Mit so wenig Mut kommst du nicht weit«, raunte er Chen zu. »Ihr Chinesen seid wie die Schafe - ihr habt eine Heidenangst vor Wölfen, darum zieht ihr immer den Kürzeren.« Als Chen schwieg, dämpfte der alte Mann seine Stimme weiter: »Sei nicht so ängstlich - und sei
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vor allen Dingen still. Das kleinste Geräusch kann uns den Spaß verderben.«
Chen Zhen nickte. Er griff eine Handvoll Schnee und drückte das kalte Weiß zu einem kleinen Ball zusammen.
Am Hang gegenüber weidete eine Herde Mongolischer Gazellen, wachsam zwar, doch noch schienen sie des Wolfsrudels nicht gewahr zu sein. Der Kreis der Wölfe zog sich immer enger um den Schneewall der beiden Männer zusammen. Chen Zhen wagte kaum zu atmen, er schien selbst zu einem Eiszapfen erstarrt.
Der alte Bilgee war der bekannteste Jäger auf dem Olonbulag, doch ging er selten auf die Jagd. Und wenn er es tat, jagte er Füchse, keine Wölfe. Es war die Zeit, in der die Menschen mit der Kulturrevolution beschäftigt waren und das Viehzüchter- und Jägerleben fast wie eine vom Schneesturm zerstreute Schafherde außer Kontrolle geraten war. In diesem Winter, als große Herden von Gazellen über die Grenze auf das Olonbulag gewandert waren, wollte Bilgee endlich sein Versprechen einlösen, Chen möglichst nah an ein Wolfsrudel heranzuführen. Er wollte so seinen Mut auf die Probe stellen und ihm etwas über die Raubtiere beibringen.
Dies war bereits die dritte Begegnung Chens mit Wölfen, doch der Schreck vom ersten Mal jagte ihm jetzt noch einen Schauer über den Rücken.
Als Chen Zhen vor knapp zwei Jahren zur grenznahen Produktionsgruppe der Viehzüchter in die Innere Mongolei versetzt worden war, schrieben sie bereits Ende November, und das weite Olon-Grasland, das Olonbulag, war tief verschneit. Unterkünfte für die jungen Intellektuellen aus der Stadt gab es noch nicht, also wurde Chen Zhen erst einmal beim alten Bilgee untergebracht und sollte als Schäfer arbeiten. Nach etwas mehr als einem Monat brach er mit dem Alten zu einem ungefähr achtzig Li weiten Ritt auf, um Studienmaterial abzuholen und ein paar Dinge einzukaufen. Als sie sich auf den Rückweg machen wollten, wurde der alte Mann in seiner Eigenschaft als Mitglied des Revolutionskomitees der Viehzüchter aufgehalten, und da das Material im Hauptquart irr sofort gebraucht wurde, musste Chen allein zurückreiten. Der Mann stellte ihm sein schnelles und erfahrenes schwarzes Pferd zur Verfügung und schärfte dem Jüngeren ein, auf keinen Fall Abkürzungen zu nehmen, sondern den Spuren der Wagen auf den großen Wegen zu folgen. Da sich alle zwanzig bis dreißig Li Jurten-Lager befanden, sollte er die Reise ohne Zwischenfälle bewältigen können.
Auf dem Rücken des Mongolischen Pferdes spürte Chen Zhen sofort dessen unbändige Kraft, die nach einem schnelleren Tempo verlangte. Als er von einem Hügel aus den Berg Chaganuul erspähte, in dessen Nähe die Brigade stationiert war, verwarf er die Warnung des alten Mannes und nahm die Abkürzung querfeldein.
Es wurde langsam kühl, und ungefähr auf halbem Weg verschwand die Sonne wie vor Kälte zitternd hinter dem Horizont. Eisiger Nebel stieg aus der Steppe auf, und die lederne Tasche, die Chen Zhen am Körper trug, war bereits steif gefroren und knirschte bei jeder seiner Bewegungen. Das Pferd war bedeckt mit weiß gefrorenen Schweißperlen, seine Hufe sanken tief in den Schnee ein, seine Schritte wurden immer langsamer. Ringsum erhob sich ein Hügel hinter dem anderen, sie waren umgeben von Ödnis, nicht die kleinste Rauchfahne war zu sehen. Das Pferd trottete ruhig und gleichmäßig voran, also ließ Chen Zhen die Zügel locker, um es dem Tier selbst zu überlassen, seine Kraft einzuteilen und die Geschwindigkeit und Richtung zu bestimmen. Doch mit einem Mal, ohne ersichtlichen Grund, bekam der junge Mann Angst: Angst, das Pferd könnte sich verlaufen, Angst vor einem Wetterumschwung, Angst vor einem Schneesturm, Angst davor, auf dem winterlichen Grasland zu erfrieren - nur daran, Angst vor Wölfen zu haben, dachte er nicht. Plötzlich wurden die gleichmäßigen Schritte des Pferdes sprunghaft, es schüttelte den Kopf; schnaubte und richtete seine Aufmerksamkeit auf etwas hinter dem unmittelbar vor ihnen liegenden Pass. Chen Zhen, der zum ersten Mal allein mit einem Pferd im Wald unterwegs war, konnte die Unruhe des Pferdes nicht deuten, auch dann nicht, als es nervös die Nüstern blähte, seine Augen aufriss und in die andere Richtung davonlaufen wollte. Chen begriff nicht, was das Tier instinktiv vorhatte, nahm deshalb die Zügel fester und ließ es weiter geradeaus traben. Die Schritte des Pferdes wurden immer unsicherer, das Tier schien halb zu gehen, halb zu traben und halb zu galoppieren, bereit, jederzeit durchzugehen.
Als ob es ungehalten sei, wie wenig seine Warnungen bisher bewirkt hatten, drehte das Pferd den Kopf und biss in Chen Zhens Filzschuh. Erst in diesem Moment erhaschte Chen in den vor Angst geweiteten Augen des Tieres etwas von der drohenden Gefahr. Aber da war es zu spät, denn das Pferd trug ihn bereits auf wackeligen Beinen zu dem trompetenförmigen Eingang in das dämmrige Tal.
Als Chen Zhen endlich seinen Kopf wandte und genauer in die vom Pferd eingeschlagene Richtung sah, fiel er vor Schreck fast vom Sattel. Keine vierzig Meter von ihm entfernt stand auf einem schneebedeckten Hang in den letzten Strahlen der Abendsonne ein Rudel golden schimmernder, mordlüsterner mongolischer Wölfe.
Einige Tiere sahen ihn unverwandt an, andere mit geneigtem Kopf, und ihre stechenden Blicke schienen ihm wie Pfeile um die Ohren zu schwirren. Ihm am nächsten standen einige Riesenwölfe, groß wie Panther, mit gut doppelt so breitem Kreuz wie die Wölfe, die er im Pekinger Zoo gesehen hatte, und um die Hälfte größer und länger. Ein gutes Dutzend Wölfe kauerte im Schnee vor ihm, bis alle zugleich plötzlich aufstanden, die Schwänze wie gezückte Säbel in die Höhe gereckt: bereit zum tödlichen Angriff.
Mitten im Rudel und von den anderen umringt, stand würdevoll und Ehrfurcht gebietend der Rudelführer, dessen fast weißes Fell an Hals, Brust und Bauch wie Weißgold glänzte. Insgesamt mussten es dreißig, vierzig Wölfe sein.
Als Chen Zhen dem alten Bilgee die Szene später ausführlich beschrieb, tupfte der sich mit dem Zeigefinger kalte Schweißperlen von der Stirn und sagte, die Wölfe hätten sich wahrscheinlich gerade versammelt, weil der Rudelführer ihnen einen Angriffsplan vorlegte. Denn auf dem Hügel gegenüber standen Pferde. Zum Glück seien es keine hungrigen Wölfe gewesen. Wölfe, deren Fell glänzte, seien nicht hungrig.
Chen konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war ein leises, schreckliches Geräusch in seinem Kopf, ein Pfeifton wie vom Dahinblasen über eine Silbermünze, um ihre Echtheit zu prüfen. Mit diesem Geräusch schien seine Seele durch die Schädeldecke zu entschwinden. Chen hatte das Gefühl, als stehe sein Leben einige Sekunden still, lange genug für seine Seele, um den Körper zu verlassen.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Karin Hasselblatt
Chen Zhen nickte. Er griff eine Handvoll Schnee und drückte das kalte Weiß zu einem kleinen Ball zusammen.
Am Hang gegenüber weidete eine Herde Mongolischer Gazellen, wachsam zwar, doch noch schienen sie des Wolfsrudels nicht gewahr zu sein. Der Kreis der Wölfe zog sich immer enger um den Schneewall der beiden Männer zusammen. Chen Zhen wagte kaum zu atmen, er schien selbst zu einem Eiszapfen erstarrt.
Der alte Bilgee war der bekannteste Jäger auf dem Olonbulag, doch ging er selten auf die Jagd. Und wenn er es tat, jagte er Füchse, keine Wölfe. Es war die Zeit, in der die Menschen mit der Kulturrevolution beschäftigt waren und das Viehzüchter- und Jägerleben fast wie eine vom Schneesturm zerstreute Schafherde außer Kontrolle geraten war. In diesem Winter, als große Herden von Gazellen über die Grenze auf das Olonbulag gewandert waren, wollte Bilgee endlich sein Versprechen einlösen, Chen möglichst nah an ein Wolfsrudel heranzuführen. Er wollte so seinen Mut auf die Probe stellen und ihm etwas über die Raubtiere beibringen.
Dies war bereits die dritte Begegnung Chens mit Wölfen, doch der Schreck vom ersten Mal jagte ihm jetzt noch einen Schauer über den Rücken.
Als Chen Zhen vor knapp zwei Jahren zur grenznahen Produktionsgruppe der Viehzüchter in die Innere Mongolei versetzt worden war, schrieben sie bereits Ende November, und das weite Olon-Grasland, das Olonbulag, war tief verschneit. Unterkünfte für die jungen Intellektuellen aus der Stadt gab es noch nicht, also wurde Chen Zhen erst einmal beim alten Bilgee untergebracht und sollte als Schäfer arbeiten. Nach etwas mehr als einem Monat brach er mit dem Alten zu einem ungefähr achtzig Li weiten Ritt auf, um Studienmaterial abzuholen und ein paar Dinge einzukaufen. Als sie sich auf den Rückweg machen wollten, wurde der alte Mann in seiner Eigenschaft als Mitglied des Revolutionskomitees der Viehzüchter aufgehalten, und da das Material im Hauptquart irr sofort gebraucht wurde, musste Chen allein zurückreiten. Der Mann stellte ihm sein schnelles und erfahrenes schwarzes Pferd zur Verfügung und schärfte dem Jüngeren ein, auf keinen Fall Abkürzungen zu nehmen, sondern den Spuren der Wagen auf den großen Wegen zu folgen. Da sich alle zwanzig bis dreißig Li Jurten-Lager befanden, sollte er die Reise ohne Zwischenfälle bewältigen können.
Auf dem Rücken des Mongolischen Pferdes spürte Chen Zhen sofort dessen unbändige Kraft, die nach einem schnelleren Tempo verlangte. Als er von einem Hügel aus den Berg Chaganuul erspähte, in dessen Nähe die Brigade stationiert war, verwarf er die Warnung des alten Mannes und nahm die Abkürzung querfeldein.
Es wurde langsam kühl, und ungefähr auf halbem Weg verschwand die Sonne wie vor Kälte zitternd hinter dem Horizont. Eisiger Nebel stieg aus der Steppe auf, und die lederne Tasche, die Chen Zhen am Körper trug, war bereits steif gefroren und knirschte bei jeder seiner Bewegungen. Das Pferd war bedeckt mit weiß gefrorenen Schweißperlen, seine Hufe sanken tief in den Schnee ein, seine Schritte wurden immer langsamer. Ringsum erhob sich ein Hügel hinter dem anderen, sie waren umgeben von Ödnis, nicht die kleinste Rauchfahne war zu sehen. Das Pferd trottete ruhig und gleichmäßig voran, also ließ Chen Zhen die Zügel locker, um es dem Tier selbst zu überlassen, seine Kraft einzuteilen und die Geschwindigkeit und Richtung zu bestimmen. Doch mit einem Mal, ohne ersichtlichen Grund, bekam der junge Mann Angst: Angst, das Pferd könnte sich verlaufen, Angst vor einem Wetterumschwung, Angst vor einem Schneesturm, Angst davor, auf dem winterlichen Grasland zu erfrieren - nur daran, Angst vor Wölfen zu haben, dachte er nicht. Plötzlich wurden die gleichmäßigen Schritte des Pferdes sprunghaft, es schüttelte den Kopf; schnaubte und richtete seine Aufmerksamkeit auf etwas hinter dem unmittelbar vor ihnen liegenden Pass. Chen Zhen, der zum ersten Mal allein mit einem Pferd im Wald unterwegs war, konnte die Unruhe des Pferdes nicht deuten, auch dann nicht, als es nervös die Nüstern blähte, seine Augen aufriss und in die andere Richtung davonlaufen wollte. Chen begriff nicht, was das Tier instinktiv vorhatte, nahm deshalb die Zügel fester und ließ es weiter geradeaus traben. Die Schritte des Pferdes wurden immer unsicherer, das Tier schien halb zu gehen, halb zu traben und halb zu galoppieren, bereit, jederzeit durchzugehen.
Als ob es ungehalten sei, wie wenig seine Warnungen bisher bewirkt hatten, drehte das Pferd den Kopf und biss in Chen Zhens Filzschuh. Erst in diesem Moment erhaschte Chen in den vor Angst geweiteten Augen des Tieres etwas von der drohenden Gefahr. Aber da war es zu spät, denn das Pferd trug ihn bereits auf wackeligen Beinen zu dem trompetenförmigen Eingang in das dämmrige Tal.
Als Chen Zhen endlich seinen Kopf wandte und genauer in die vom Pferd eingeschlagene Richtung sah, fiel er vor Schreck fast vom Sattel. Keine vierzig Meter von ihm entfernt stand auf einem schneebedeckten Hang in den letzten Strahlen der Abendsonne ein Rudel golden schimmernder, mordlüsterner mongolischer Wölfe.
Einige Tiere sahen ihn unverwandt an, andere mit geneigtem Kopf, und ihre stechenden Blicke schienen ihm wie Pfeile um die Ohren zu schwirren. Ihm am nächsten standen einige Riesenwölfe, groß wie Panther, mit gut doppelt so breitem Kreuz wie die Wölfe, die er im Pekinger Zoo gesehen hatte, und um die Hälfte größer und länger. Ein gutes Dutzend Wölfe kauerte im Schnee vor ihm, bis alle zugleich plötzlich aufstanden, die Schwänze wie gezückte Säbel in die Höhe gereckt: bereit zum tödlichen Angriff.
Mitten im Rudel und von den anderen umringt, stand würdevoll und Ehrfurcht gebietend der Rudelführer, dessen fast weißes Fell an Hals, Brust und Bauch wie Weißgold glänzte. Insgesamt mussten es dreißig, vierzig Wölfe sein.
Als Chen Zhen dem alten Bilgee die Szene später ausführlich beschrieb, tupfte der sich mit dem Zeigefinger kalte Schweißperlen von der Stirn und sagte, die Wölfe hätten sich wahrscheinlich gerade versammelt, weil der Rudelführer ihnen einen Angriffsplan vorlegte. Denn auf dem Hügel gegenüber standen Pferde. Zum Glück seien es keine hungrigen Wölfe gewesen. Wölfe, deren Fell glänzte, seien nicht hungrig.
Chen konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war ein leises, schreckliches Geräusch in seinem Kopf, ein Pfeifton wie vom Dahinblasen über eine Silbermünze, um ihre Echtheit zu prüfen. Mit diesem Geräusch schien seine Seele durch die Schädeldecke zu entschwinden. Chen hatte das Gefühl, als stehe sein Leben einige Sekunden still, lange genug für seine Seele, um den Körper zu verlassen.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Karin Hasselblatt
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Bibliographische Angaben
- Autor: Rong Jiang
- 2008, 704 Seiten, Maße: 16 x 23 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Karin Hasselblatt
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 344231108X
- ISBN-13: 9783442311088
Rezension zu „Der Zorn der Wölfe “
"Der erste Weltbestseller aus China. Jiang Rong macht Harry Potter & Dan Brown Konkurrenz."
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