Die Brontë-Schwestern - Die großen Romane im Schuber
Agnes Grey; Jane Eyre; Villette; Shirley; Sturmhöhe
Die Brontë-Schwestern haben in ihrer leider nur sehr kurzen Schaffensphase einige zeitlose Klassiker geschaffen, darunter Meisterwerke wie "Jane Eyre" oder "Sturmhöhe". Diese wunderschöne Geschenkkasse umfasst die großen Romane der...
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Produktinformationen zu „Die Brontë-Schwestern - Die großen Romane im Schuber “
Die Brontë-Schwestern haben in ihrer leider nur sehr kurzen Schaffensphase einige zeitlose Klassiker geschaffen, darunter Meisterwerke wie "Jane Eyre" oder "Sturmhöhe". Diese wunderschöne Geschenkkasse umfasst die großen Romane der Brontë-Schwestern Anne, Charlotte und Emily: Agnes Grey - Jane Eyre - Villette - Shirley - Sturmhöhe.
Agnes Grey:
Sensibel und mit ergreifender Unmittelbarkeit erzählt Anne Brontë (Brontë, Anne 1820 - 1849) die jüngste der drei weltberühmten Brontë-Schwestern, die Geschichte ihrer jungen Titelheldin: Um des Geldes willen verdingt sich die intelligente und empfindsame Agnes Grey, Tochter eines verarmten Landpfarrers, als Gouvernante in reichem Hause. Schon bald gerät sie mit ihren naiven Vorstellungen in die Mühlen zwischen verzogenen Kindern und allzu nachgiebigen Eltern, und all ihre Träume und Hoffnungen scheinen sich in Luft aufzulösen. Anne Brontës autobiografisch gefärbter Roman, 1847 erschienen, gehört seit langem zum Kanon der englischen Literatur.
Jane Eyre:
Die aufwühlende Geschichte der jungen Jane Eyre - Charlotte Brontës Jane Eyre gilt als eine der facettenreichsten und ergreifendsten Frauenfiguren der Weltliteratur. Nach einer freudlosen Kindheit verliebt sich die junge Titelheldin in den herrischen und egozentrischen Mr. Rochester, in dessen Haus sie als Erzieherin Anstellung gefunden hat. Auch der Hausherr fühlt sich zu der intelligenten Frau hingezogen, doch hütet er ein schreckliches Geheimnis, das ihre seltsame Liebe zueinander unweigerlich überschattet. Die aufwühlende Melodramatik des Stoffs machte Brontës 1847 erschienenen Roman zu ihrem erfolgreichsten Werk.
Villette:
Im Mittelpunkt von Charlotte Brontës drittem großen Roman steht erneut eine bewegende Frauenfigur: Nach einer glücklos unsteten Jugend findet die unscheinbare Lucy Snowe in der Fremde Anstellung im Mädchenpensionat der kaltherzigen Madame Beck. Als ihre aufkeimende Liebe zum jungen Schularzt Dr. John unerwidert bleibt, droht die Einsamkeit sie zu erdrücken. Doch dann entdeckt Lucy ihre Zuneigung zu dem eigenwilligen Literaturprofessor Paul Emanuel. "Villette" (1853) ist der letzte zu Lebzeiten erschienene Roman Brontës, die zuvor mit "Jane Eyre" einen grandiosen Erfolg feierte.
Shirley:
Gegen die erstarrten Konventionen und den Standesdünkel ihrer Zeit - Neben dem grandiosen viktorianischen Sittengemälde "Jane Eyre", mit dem Charlotte Brontë zwei Jahre zuvor schlagartig berühmt wurde, ist "Shirley", 1849 erschienen, der zweite bedeutende Roman der großen englischen Dichterin über eine außergewöhnliche Frauenfigur. Vor dem Hintergrund der Arbeiterunruhen zur Zeit der wirtschaftlichen Depression am Beginn des 19. Jahrhunderts erzählt er die aufrüttelnde Geschichte der vermögenden und charakterstarken Gutsherrin Shirley Keeldar, die sich um der wahren Liebe willen entschlossen über die erstarrten Konventionen und den Standesdünkel ihrer Zeit hinwegsetzt.
Sturmhöhe:
Tragische Liebe auf "Wuthering Heights" - Auf einer Anhöhe inmitten der rauen Landschaft des englischen Yorkshire liegt das Anwesen "Wuthering Heights", dem Wind schutzlos ausgesetzt, der hier strenger als anderswo weht. Sein Besitzer, der herzensgute Mr Earnshaw, nimmt den Findling Heathcliff zu sich, in den Earnshaws Tochter Cathy sich bald schon heftig verliebt. Doch ihre Liebe endet im Unglück, und ein Gespinst aus Verrat und Rache liegt fortan über dem Landgut. Emily Brontës einziger Roman, zuerst 1847 unter Pseudonym erschienen, gehört als eines der außergewöhnlichsten Werke des viktorianischen Zeitalters längst zum Kanon der Weltliteratur.
Agnes Grey:
Sensibel und mit ergreifender Unmittelbarkeit erzählt Anne Brontë (Brontë, Anne 1820 - 1849) die jüngste der drei weltberühmten Brontë-Schwestern, die Geschichte ihrer jungen Titelheldin: Um des Geldes willen verdingt sich die intelligente und empfindsame Agnes Grey, Tochter eines verarmten Landpfarrers, als Gouvernante in reichem Hause. Schon bald gerät sie mit ihren naiven Vorstellungen in die Mühlen zwischen verzogenen Kindern und allzu nachgiebigen Eltern, und all ihre Träume und Hoffnungen scheinen sich in Luft aufzulösen. Anne Brontës autobiografisch gefärbter Roman, 1847 erschienen, gehört seit langem zum Kanon der englischen Literatur.
Jane Eyre:
Die aufwühlende Geschichte der jungen Jane Eyre - Charlotte Brontës Jane Eyre gilt als eine der facettenreichsten und ergreifendsten Frauenfiguren der Weltliteratur. Nach einer freudlosen Kindheit verliebt sich die junge Titelheldin in den herrischen und egozentrischen Mr. Rochester, in dessen Haus sie als Erzieherin Anstellung gefunden hat. Auch der Hausherr fühlt sich zu der intelligenten Frau hingezogen, doch hütet er ein schreckliches Geheimnis, das ihre seltsame Liebe zueinander unweigerlich überschattet. Die aufwühlende Melodramatik des Stoffs machte Brontës 1847 erschienenen Roman zu ihrem erfolgreichsten Werk.
Villette:
Im Mittelpunkt von Charlotte Brontës drittem großen Roman steht erneut eine bewegende Frauenfigur: Nach einer glücklos unsteten Jugend findet die unscheinbare Lucy Snowe in der Fremde Anstellung im Mädchenpensionat der kaltherzigen Madame Beck. Als ihre aufkeimende Liebe zum jungen Schularzt Dr. John unerwidert bleibt, droht die Einsamkeit sie zu erdrücken. Doch dann entdeckt Lucy ihre Zuneigung zu dem eigenwilligen Literaturprofessor Paul Emanuel. "Villette" (1853) ist der letzte zu Lebzeiten erschienene Roman Brontës, die zuvor mit "Jane Eyre" einen grandiosen Erfolg feierte.
Shirley:
Gegen die erstarrten Konventionen und den Standesdünkel ihrer Zeit - Neben dem grandiosen viktorianischen Sittengemälde "Jane Eyre", mit dem Charlotte Brontë zwei Jahre zuvor schlagartig berühmt wurde, ist "Shirley", 1849 erschienen, der zweite bedeutende Roman der großen englischen Dichterin über eine außergewöhnliche Frauenfigur. Vor dem Hintergrund der Arbeiterunruhen zur Zeit der wirtschaftlichen Depression am Beginn des 19. Jahrhunderts erzählt er die aufrüttelnde Geschichte der vermögenden und charakterstarken Gutsherrin Shirley Keeldar, die sich um der wahren Liebe willen entschlossen über die erstarrten Konventionen und den Standesdünkel ihrer Zeit hinwegsetzt.
Sturmhöhe:
Tragische Liebe auf "Wuthering Heights" - Auf einer Anhöhe inmitten der rauen Landschaft des englischen Yorkshire liegt das Anwesen "Wuthering Heights", dem Wind schutzlos ausgesetzt, der hier strenger als anderswo weht. Sein Besitzer, der herzensgute Mr Earnshaw, nimmt den Findling Heathcliff zu sich, in den Earnshaws Tochter Cathy sich bald schon heftig verliebt. Doch ihre Liebe endet im Unglück, und ein Gespinst aus Verrat und Rache liegt fortan über dem Landgut. Emily Brontës einziger Roman, zuerst 1847 unter Pseudonym erschienen, gehört als eines der außergewöhnlichsten Werke des viktorianischen Zeitalters längst zum Kanon der Weltliteratur.
Klappentext zu „Die Brontë-Schwestern - Die großen Romane im Schuber “
Die Brontë-Schwestern haben in ihrer leider nur sehr kurzen Schaffensphase einige zeitlose Klassiker geschaffen, darunter Meisterwerke wie 'Jane Eyre' oder 'Sturmhöhe'. Diese wunderschöne Geschenkkasse umfasst die großen Romane der Brontë-Schwestern Anne, Charlotte und Emily: Agnes Grey - Jane Eyre - Villette - Shirley - Sturmhöhe.Sensibel und mit ergreifender Unmittelbarkeit erzählt Anne Brontë (Bronte, Anne 1820 - 1849) die jüngste der drei weltberühmten Brontë-Schwestern, die Geschichte einer jungen Frau: Um des Geldes willen verdingt sich die intelligente und empfindsame Agnes Grey, Tochter eines verarmten Landpfarrers, als Gouvernante in reichem Hause. Schon bald gerät sie mit ihren naiven Vorstellungen in die Mühlen zwischen verzogenen Kindern und allzu nachgiebigen Eltern, und all ihre Träume und Hoffnungen scheinen sich in Luft aufzulösen. Anne Brontë hat ihr Romandebüt, erschienen 1847, auf autobiografischen Erfahrungen aufgebaut. Sie selbst arbeitete wie ihre Titelheldin als Gouvernante, bis sie sich 1845 ganz dem Schreiben zuwandte. Charlotte Brontës Jane Eyre gilt als eine der facettenreichsten und ergreifendsten Frauenfiguren der Weltliteratur. Nach einer freudlosen Kindheit verliebt sich die junge Titelheldin in den herrischen und egozentrischen Mr. Rochester, in dessen Haus sie als Erzieherin Anstellung gefunden hat. Auch der Hausherr fühlt sich zu der intelligenten Frau hingezogen, doch hütet er ein schreckliches Geheimnis, das ihre seltsame Liebe zueinander unweigerlich überschattet. Die aufwühlende Melodramatik des Stoffs machte Brontës 1847 erschienenen Roman zu ihrem erfolgreichsten Werk.Im Mittelpunkt von Charlotte Brontës drittem großen Roman steht erneut eine bewegende Frauenfigur: Nach einer glücklos unsteten Jugend findet die unscheinbare Lucy Snowe in der Fremde Anstellung im Mädchenpensionat der kaltherzigen Madame Beck. Als ihre aufkeimende Liebe zum jungen Schularzt Dr. John unerwidert bleibt, droht die Einsamkeit sie zu erdrücken. Doch
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dann entdeckt Lucy ihre Zuneigung zu dem eigenwilligen Literaturprofessor Paul Emanuel. 'Villette' (1853) ist der letzte zu Lebzeiten erschienene Roman Brontës, die zuvor mit 'Jane Eyre' einen grandiosen Erfolg feierte.Neben dem grandiosen viktorianischen Sittengemälde 'Jane Eyre', mit dem Charlotte Brontë zwei Jahre zuvor schlagartig berühmt wurde, ist 'Shirley', 1849 erschienen, der zweite bedeutende Roman der großen englischen Dichterin über eine außergewöhnliche Frauenfigur. Vor dem Hintergrund der Arbeiterunruhen zur Zeit der wirtschaftlichen Depression am Beginn des 19. Jahrhunderts erzählt er die aufrüttelnde Geschichte der vermögenden und charakterstarken Gutsherrin Shirley Keeldar, die sich um der wahren Liebe willen entschlossen über die erstarrten Konventionen und den Standesdünkel ihrer Zeit hinwegsetzt. Auf einer Anhöhe inmitten der rauen Landschaft des englischen Yorkshire liegt das Anwesen 'Wuthering Heights', dem Wind schutzlos ausgesetzt, der hier strenger als anderswo weht. Sein Besitzer, der herzensgute Mr. Earnshaw, nimmt den Findling Heathcliff zu sich, in den Earnshaws Tochter Cathy sich bald schon heftig verliebt. Doch ihre Liebe endet im Unglück, und ein Gespinst aus Rache und Verrat liegt fortan über dem Landgut. Emily Brontës einziger Roman, zuerst 1847 unter Pseudonym erschienen, gehört als eines der außergewöhnlichsten Werke des viktorianischen Zeitalters längst zum Kanon der Weltliteratur.
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Die Brontë-Schwestern haben in ihrer leider nur sehr kurzen Schaffensphase einige zeitlose Klassiker geschaffen, darunter Meisterwerke wie "Jane Eyre" oder "Sturmhöhe".
Diese wunderschöne Geschenkkasse umfasst die großen Romane der Brontë-Schwestern Anne, Charlotte und Emily: Agnes Grey - Jane Eyre - Villette - Shirley - Sturmhöhe.
Diese wunderschöne Geschenkkasse umfasst die großen Romane der Brontë-Schwestern Anne, Charlotte und Emily: Agnes Grey - Jane Eyre - Villette - Shirley - Sturmhöhe.
Lese-Probe zu „Die Brontë-Schwestern - Die großen Romane im Schuber “
Jane Eyre von Charlotte Brontë 1. Kapitel
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Ein Spaziergang war an jenem Tage nicht möglich. Wir waren zwar am Vormittag eine Stunde lang im kahlen Gebüsch gewandert; aber seit dem Mittagessen (Frau Reed aß früh, wenn sie keine Gesellschaft hatte) waren im kalten Winterwind so dunkle Wolken und ein so durchdringender Regen heraufgezogen, daß weiteres Ausdemhausegehen nicht mehr in Frage kam. Mir war es nur recht; lange Spaziergänge hatte ich nie gemocht, besonders nicht an kalten Nachmittagen: Die Heimkehr im rauhen Zwielicht, mit vor Kälte schmerzenden Fingern und Zehen, das Geschelte des Kindermädchens Bessie, das mir das Herz schwer machte, die Demütigung, die ich jedesmal empfand, wenn mir meine physische Unterlegenheit Eliza, John und Georgiana Reed gegenüber zu Bewußtsein kam, waren mir ein Greuel.
Eliza, John und Georgiana hatten sich nun im Wohnzimmer um ihre Mama gedrängt: sie lag auf einem Sofa am Kamin und sah inmitten ihrer Lieblinge (die gerade einmal nicht stritten oder heulten) restlos glücklich aus. Mich hatte sie nicht in ihre Gruppe eingeschlossen. Sie bedauere, mich fernhalten zu müssen, erklärte sie; aber solange sie nicht von Bessie hörte und sich selbst davon überzeugt hätte, daß ich mich ernstlich bemühe, mich verträglicher und kindlicher zu benehmen, mich angenehmer und munterer zu zeigen - etwas leichtherziger, offener und natürlicher als bisher -, so lange müsse sie mich nun wirklich von den nur zufriedenen, fröhlichen kleinen Kindern vorbehaltenen Freuden ausschließen. »Was hat denn Bessie gesagt, das ich getan habe?« fragte ich. «Jane, ich mag keine Nörgler und Quängler; außerdem ziemt es sich nicht für ein Kind, Erwachsenen gegenüber diesen Ton anzuschlagen! Setz dich irgendwo hin; und wenn du nichts Freundliches zu sagen hast, so schweige!«
Neben dem Wohnzimmer lag ein kleiner Frühstücksraum, dort huschte ich hinein. Es gab da einen Bücherschrank; bald hatte ich mir einen Band herausgenommen, wobei ich darauf achtete, daß er Bilder enthielt. Ich kletterte in den Fenstersitz, schlug die Beine wie ein Türke untereinander, zog den roten Moire-Vorhang fast ganz zu und schloß mich doppelt von aller Welt ab.
Die Falten des scharlachroten Vorhangs verdeckten die Aussicht nach rechts, und von links schützte mich die blanke Fensterscheibe vor dem düsteren Novembertag, ohne mich von ihm zu trennen. Von Zeit zu Zeit, während ich die Seiten meines Buches umblätterte, beobachtete ich den draußen anbrechenden Winterabend. In der Ferne verdeckten Nebelschwaden und bleiche Wolken die Landschaft, und vor mir trieben heulende Windstöße nicht enden wollende Regenschauer über die nassen Wiesen.
Ich wandte mich wieder meinem Buch zu - es war Bewicks Naturgeschichte der Britischen Vögel -, dessen gedruckter Text mich eigentlich nicht sonderlich interessierte, obgleich einige Seiten der Einleitung selbst meinem kindlichen Unverstand aufgefallen waren. Es waren besonders die Stellen, in denen die Brutplätze der Seevögel beschrieben wurden, »die einsamen Felsen und Klippen«, auf denen nur sie lebten; die norwegische Küste mit ihren vielen Inseln, die sich von Lindesnes im Süden bis zum Nordkap hinziehen
"Dort, wo des Nordmeers weite Wirbelfluten
im fernen Thule sich an öden Felsen brechen,
dort, wo die Brandung des Atlantik stürmend
die Küsten der Hebriden wild umspült."
Auch konnte ich nicht die Beschreibung der kahlen unwirtlichen Küsten Lapplands, Sibiriens, Spitzbergens, Nova Zemblas, Islands und Grönlands übersehen, »das riesige Gebiet der arktischen Zone und jene weiten öden verlorenen Landstriche - dieser gigantische Speicher von Schnee und Eis, wo sich im Laufe jahrhundertelanger Winter felsstarke Eisberge von alpiner Höhe um den Pol herum auf einandergetürmt hatten und in vielfachem Ausmaß die Bedingungen strengster und härtester Kälte bieten«. Von diesen Gefilden des weißen Todes machte ich mir mein eigenes Bild: wie alle halbverdauten Begriffe, die im Gehirn eines Kindes dämmern, war es ziemlich verwirrt, aber von seltsamer Eindruckskraft. Die Worte in den einführenden Seiten verbanden sich mit den folgenden Bildern und Vignetten und gaben ihnen ihren eigenen Sinn: dem einsam in der Gischt aufragenden Felsen, dem an verlassener Küste gestrandeten Boot, dem kalten und gespenstischen Mondlicht in finster wolkenverhangenem Himmel über einem sinkenden Schiff.
Ich vermag das Gefühl nicht zu beschreiben, das mich beim Anblick des einsamen Friedhofs, seinem beschrifteten Grabstein, seinem Tor, der beiden Bäume, der zerbröckelnden Mauer am niederen Horizont und der eben aufgegangenen Mondsichel in der Abenddämmerstunde überkam. Die beiden regungslos auf windstiller See liegenden Schiffe hielt ich für Meergespenste.
Den geflügelten Unhold mit seiner Diebesbeute fest in den Krallen überschlug ich rasch: Er flößte mir Schrecken ein.
Ebenso verfuhr ich mit dem schwarzen gehörnten Teufel, der ungerührt auf einem Felsen saß und eine um einen Galgen versammelte Gruppe beobachtete.
Jedes Bild erzählte eine Geschichte; oft war sie geheimnisvoll, meinem unentwickelten Verstand und meinen kindlichen Gefühlen unauffaßbar, aber stets zutiefst interessant: ebenso interessant wie die Geschichten, die Bessie manchmal an Winterabenden erzählte, wenn sie zufällig einmal guter Laune war und wenn sie ihren Bügeltisch an den Kamin des Kinderzimmers stellte und uns erlaubte, uns um sie herum zu setzen. Während sie Frau Reeds Spitzenrüschen steifte und ihre Nachthäubchen plättete, erzählte sie uns, die wir mit größter Aufmerksamkeit lauschten, von Liebe und Abenteuern aus alten Märchen und noch älteren Balladen; oder auch (wie ich es später entdeckte) aus den Romanen »Pamela« und »Henry, der Graf von Moreland«.
Mit meinem Bewick auf dem Knie war ich glücklich; glücklich wenigstens auf meine Art.
Meine einzige Befürchtung war, unterbrochen zu werden, und das geschah allzubald. Die Tür des Frühstückszimmers wurde aufgerissen.
»Buh! Mamsell Griesgram!« rief die Stimme John Reeds. Dann hielt er inne: das Zimmer schien ihm leer zu sein.
»Wo zum Kuckuck steckt sie denn?« fuhr er fort. »Lizzy, Georgy!« Er rief seine Schwestern herbei. »Jane ist nicht hier; sagt Mama, daß sie in den Regen hinausgelaufen ist - das böse Biest!«
»Es war eine gute Idee, den Vorhang zuzuziehen«, dachte ich mir und wünschte sehnlichst, er möge mein Versteck nicht entdecken: John Reed selbst hätte es auch kaum gefunden; Begriff und Verstand waren bei ihm nicht rasch; aber Eliza steckte gerade den Kopf zur Tür herein und sagte sofort: »Sie hockt bestimmt auf dem Fenstersitz, Jack.«
Ich kam sofort hervor, denn ich zitterte bei dem Gedanken, besagter Jack könne mich herauszerren.
»Was willst du?« fragte ich verlegen und mißtrauisch.
»Sag >Was wünschen Sie, Master Reed?<« war die Antwort. »Ich wünsche, daß du herkommst«. Er setzte sich in einen Armstuhl und gebot mir mit einer Handbewegung, näher zu treten und mich vor ihn zu stellen. John Reed war ein Schuljunge von vierzehn Jahren; vier Jahre älter als ich, die ich kaum zehn war. Er war groß und kräftig für sein Alter, hatte eine ungesunde, fleckige Haut, einen dicken Kopf mit groben Gesichtszügen, plumpe Gliedmaßen und große Hände und Füße. Bei Tisch stopfte er sich gewöhnlich so voll, daß er davon gallig, trübäugig und schlaff hängebackig geworden war. Eigentlich hätte er in der Schule sein sollen, aber seine Mama hatte ihn für ein bis zwei Monate im Hause behalten, »weil er von so zarter Gesundheit war«. Herr Miles, der Lehrer, behauptete zwar, er würde sich besten Wohlergehens erfreuen, wenn man ihm von zu Hause weniger Kuchen und Zuckereien schickte; aber das mütterliche Herz sträubte sich gegen ein so hartes Urteil und neigte eher dazu, Johns bleiches und schlaffes Aussehen feineren Ursachen zuzuschreiben wie Überarbeitung und vielleicht sogar Heimweh.
John empfand nicht viel Zuneigung für seine Mutter und Schwestern, und mich mochte er überhaupt nicht. Er quälte und peinigte mich nicht etwa gelegentlich, zwei- oder dreimal in der Woche, ein- oder zweimal am Tag, nein, er tat es unablässig. Ich fürchtete ihn mit jeder Fiber meines Wesens, ich erschauderte bis in die Knochen, wenn er mir nahe kam. Es gab Augenblicke, an denen der Schrecken mir den Verstand zu rauben schien, denn ich hatte keine Hilfe, keinen Schutz vor seinen Drohungen und Tätlichkeiten; die Dienerschaft wollte nicht gern ihren jungen Herren gegen sich aufbringen, indem sie Partei für mich nahm, und Frau Reed sah und hörte prinzipiell nichts Derartiges; nie hat sie bemerkt, daß er mich schlug oder übel beschimpfte, obgleich er es hie und da selbst in ihrer Gegenwart tat; allerdings tat er es lieber und öfter hinter ihrem Rücken.
Gehorsam wie gewöhnlich ging ich bis vor seinen Stuhl. Er verbrachte etwa drei Minuten damit, mir die Zunge so weit herauszustrecken, wie er es konnte, ohne sich dabei zu verletzen; ich wußte, daß er mich gleich schlagen würde, und während ich verängstigt den ersten Hieb erwartete, betrachtete ich sinnend das ekelerregende und häßliche Aussehen meines Peinigers.
Vielleicht hatte er mir meine Gedanken vom Gesicht abgelesen, denn plötzlich, ohne ein Wort, schlug er heftig und kräftig auf mich ein. Ich strauchelte und wich einige Schritte von seinem Stuhl zurück, während ich mich wieder ins Gleichgewicht brachte.
»Das ist für deine unverschämte Art vorhin, Mama zu antworten«, sagte er, »und dafür, daß du dich davonschleichst und hinter Vorhängen versteckst und für den frechen Blick in deinen Augen, seit ich dich hier entdeckte, du Ratte!«
Ich war an John Reeds Beschimpfungen gewöhnt, und es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, ihm zu antworten; meine Sorge war nur, wie ich den nächsten Schlag, der gewiß der Schmährede folgen würde, ertrug.
»Was hast du hinter dem Vorhang gemacht?« fragte er. »Ich habe gelesen.«
»Zeig das Buch her.«
Ich ging zum Fenster und holte es von dort.
»Du hast unsere Bücher überhaupt nicht anzurühren; du bist hier nur geduldet, von uns abhängig, wie Mama sagt; du hast kein Geld, dein Vater hat dir nichts hinterlassen, und du solltest eigentlich betteln gehen, anstatt hier mit vornehmen Kindern wie uns zu leben, an unserem Tisch zu essen und dich auf Mamas Kosten zu kleiden. Jetzt werde ich dich lehren, in meinem Bücherschrank herumzuschmökern: denn die Bücher gehören mir; das ganze Haus gehört mir oder wird mir in ein paar Jahren gehören. Geh und stell dich an die Tür, weg von Spiegel und Fenstern.«
Ich tat, wie mir geheißen, ohne sogleich seine Absicht zu begreifen; aber als ich sah, wie er das Buch ergriff und auf mich werfen wollte, wich ich instinktiv mit einem Schreckensschrei zur Seite: doch nicht schnell genug, denn der schwere Band flog auf mich zu, traf mich, und ich fiel zu Boden, mit dem Kopf gegen die Tür und verletzte mich. Die Wunde blutete, ich empfand einen scharfen Schmerz; jetzt hatte mein Schrecken seinen Höhepunkt überschritten, und andere Gefühle stiegen in mir auf.
»Du gemeiner, böser, grausamer Junge!« sagte ich. »Du bist ein Mörder, ein Sklaventreiber - du bist ein römischer Kaiser!«
Ich hatte Goldsmiths »Römische Geschichte« gelesen und mir meine Meinung über Nero, Caligula und dergleichen gemacht. Auch hatte ich im stillen meine Vergleiche angestellt, ohne sie je, laut wie jetzt, auszusprechen.
»Was? Was?« schrie er. »Hat sie das zu mir gesagt? Habt ihr das gehört, Eliza und Georgiana? Warte nur, bis ich das Mama erzähle, aber zuerst -.«
Er stürzte mit einem Satz auf mich zu; ich spürte, wie er mich an den Haaren riß und an den Schultern packte, aber jetzt hatte er mich zur Verzweiflung gebracht. Ich sah in ihm nun wirklich einen Tyrannen, einen Mörder. Einige Blutstropfen rannen mir vom Kopf den Hals herunter, und ich verspürte einen stechenden Schmerz. Unter diesen Empfindungen war mir im Augenblick alle Furcht genommen, und ich wehrte mich wie eine Rasende. Was ich mit meinen Händen tat, weiß ich nicht mehr, aber er rief mir »Ratte! Ratte!« zu und schrie laut auf. Hilfe für ihn war schon auf dem Weg. Eliza und Georgiana waren nach oben geeilt, um Frau Reed zu holen. Jetzt erschien sie, gefolgt von Bessie und der Zofe Abbot. Man trennte uns. Ich hörte die Worte: »O Gott! 0 Gott! Was für eine Furie; sich so auf Master John zu stürzen!«
»Hat man je so etwas Wildes gesehen!«
Und schließlich Frau Reed: »Bringt sie ins rote Zimmer und schließt sie dort ein.« Vier Hände ergriffen mich und schleppten mich hinauf.
...
© by Bertelsmann Reinhard Mohn GmbH, Gütersloh
Ein Spaziergang war an jenem Tage nicht möglich. Wir waren zwar am Vormittag eine Stunde lang im kahlen Gebüsch gewandert; aber seit dem Mittagessen (Frau Reed aß früh, wenn sie keine Gesellschaft hatte) waren im kalten Winterwind so dunkle Wolken und ein so durchdringender Regen heraufgezogen, daß weiteres Ausdemhausegehen nicht mehr in Frage kam. Mir war es nur recht; lange Spaziergänge hatte ich nie gemocht, besonders nicht an kalten Nachmittagen: Die Heimkehr im rauhen Zwielicht, mit vor Kälte schmerzenden Fingern und Zehen, das Geschelte des Kindermädchens Bessie, das mir das Herz schwer machte, die Demütigung, die ich jedesmal empfand, wenn mir meine physische Unterlegenheit Eliza, John und Georgiana Reed gegenüber zu Bewußtsein kam, waren mir ein Greuel.
Eliza, John und Georgiana hatten sich nun im Wohnzimmer um ihre Mama gedrängt: sie lag auf einem Sofa am Kamin und sah inmitten ihrer Lieblinge (die gerade einmal nicht stritten oder heulten) restlos glücklich aus. Mich hatte sie nicht in ihre Gruppe eingeschlossen. Sie bedauere, mich fernhalten zu müssen, erklärte sie; aber solange sie nicht von Bessie hörte und sich selbst davon überzeugt hätte, daß ich mich ernstlich bemühe, mich verträglicher und kindlicher zu benehmen, mich angenehmer und munterer zu zeigen - etwas leichtherziger, offener und natürlicher als bisher -, so lange müsse sie mich nun wirklich von den nur zufriedenen, fröhlichen kleinen Kindern vorbehaltenen Freuden ausschließen. »Was hat denn Bessie gesagt, das ich getan habe?« fragte ich. «Jane, ich mag keine Nörgler und Quängler; außerdem ziemt es sich nicht für ein Kind, Erwachsenen gegenüber diesen Ton anzuschlagen! Setz dich irgendwo hin; und wenn du nichts Freundliches zu sagen hast, so schweige!«
Neben dem Wohnzimmer lag ein kleiner Frühstücksraum, dort huschte ich hinein. Es gab da einen Bücherschrank; bald hatte ich mir einen Band herausgenommen, wobei ich darauf achtete, daß er Bilder enthielt. Ich kletterte in den Fenstersitz, schlug die Beine wie ein Türke untereinander, zog den roten Moire-Vorhang fast ganz zu und schloß mich doppelt von aller Welt ab.
Die Falten des scharlachroten Vorhangs verdeckten die Aussicht nach rechts, und von links schützte mich die blanke Fensterscheibe vor dem düsteren Novembertag, ohne mich von ihm zu trennen. Von Zeit zu Zeit, während ich die Seiten meines Buches umblätterte, beobachtete ich den draußen anbrechenden Winterabend. In der Ferne verdeckten Nebelschwaden und bleiche Wolken die Landschaft, und vor mir trieben heulende Windstöße nicht enden wollende Regenschauer über die nassen Wiesen.
Ich wandte mich wieder meinem Buch zu - es war Bewicks Naturgeschichte der Britischen Vögel -, dessen gedruckter Text mich eigentlich nicht sonderlich interessierte, obgleich einige Seiten der Einleitung selbst meinem kindlichen Unverstand aufgefallen waren. Es waren besonders die Stellen, in denen die Brutplätze der Seevögel beschrieben wurden, »die einsamen Felsen und Klippen«, auf denen nur sie lebten; die norwegische Küste mit ihren vielen Inseln, die sich von Lindesnes im Süden bis zum Nordkap hinziehen
"Dort, wo des Nordmeers weite Wirbelfluten
im fernen Thule sich an öden Felsen brechen,
dort, wo die Brandung des Atlantik stürmend
die Küsten der Hebriden wild umspült."
Auch konnte ich nicht die Beschreibung der kahlen unwirtlichen Küsten Lapplands, Sibiriens, Spitzbergens, Nova Zemblas, Islands und Grönlands übersehen, »das riesige Gebiet der arktischen Zone und jene weiten öden verlorenen Landstriche - dieser gigantische Speicher von Schnee und Eis, wo sich im Laufe jahrhundertelanger Winter felsstarke Eisberge von alpiner Höhe um den Pol herum auf einandergetürmt hatten und in vielfachem Ausmaß die Bedingungen strengster und härtester Kälte bieten«. Von diesen Gefilden des weißen Todes machte ich mir mein eigenes Bild: wie alle halbverdauten Begriffe, die im Gehirn eines Kindes dämmern, war es ziemlich verwirrt, aber von seltsamer Eindruckskraft. Die Worte in den einführenden Seiten verbanden sich mit den folgenden Bildern und Vignetten und gaben ihnen ihren eigenen Sinn: dem einsam in der Gischt aufragenden Felsen, dem an verlassener Küste gestrandeten Boot, dem kalten und gespenstischen Mondlicht in finster wolkenverhangenem Himmel über einem sinkenden Schiff.
Ich vermag das Gefühl nicht zu beschreiben, das mich beim Anblick des einsamen Friedhofs, seinem beschrifteten Grabstein, seinem Tor, der beiden Bäume, der zerbröckelnden Mauer am niederen Horizont und der eben aufgegangenen Mondsichel in der Abenddämmerstunde überkam. Die beiden regungslos auf windstiller See liegenden Schiffe hielt ich für Meergespenste.
Den geflügelten Unhold mit seiner Diebesbeute fest in den Krallen überschlug ich rasch: Er flößte mir Schrecken ein.
Ebenso verfuhr ich mit dem schwarzen gehörnten Teufel, der ungerührt auf einem Felsen saß und eine um einen Galgen versammelte Gruppe beobachtete.
Jedes Bild erzählte eine Geschichte; oft war sie geheimnisvoll, meinem unentwickelten Verstand und meinen kindlichen Gefühlen unauffaßbar, aber stets zutiefst interessant: ebenso interessant wie die Geschichten, die Bessie manchmal an Winterabenden erzählte, wenn sie zufällig einmal guter Laune war und wenn sie ihren Bügeltisch an den Kamin des Kinderzimmers stellte und uns erlaubte, uns um sie herum zu setzen. Während sie Frau Reeds Spitzenrüschen steifte und ihre Nachthäubchen plättete, erzählte sie uns, die wir mit größter Aufmerksamkeit lauschten, von Liebe und Abenteuern aus alten Märchen und noch älteren Balladen; oder auch (wie ich es später entdeckte) aus den Romanen »Pamela« und »Henry, der Graf von Moreland«.
Mit meinem Bewick auf dem Knie war ich glücklich; glücklich wenigstens auf meine Art.
Meine einzige Befürchtung war, unterbrochen zu werden, und das geschah allzubald. Die Tür des Frühstückszimmers wurde aufgerissen.
»Buh! Mamsell Griesgram!« rief die Stimme John Reeds. Dann hielt er inne: das Zimmer schien ihm leer zu sein.
»Wo zum Kuckuck steckt sie denn?« fuhr er fort. »Lizzy, Georgy!« Er rief seine Schwestern herbei. »Jane ist nicht hier; sagt Mama, daß sie in den Regen hinausgelaufen ist - das böse Biest!«
»Es war eine gute Idee, den Vorhang zuzuziehen«, dachte ich mir und wünschte sehnlichst, er möge mein Versteck nicht entdecken: John Reed selbst hätte es auch kaum gefunden; Begriff und Verstand waren bei ihm nicht rasch; aber Eliza steckte gerade den Kopf zur Tür herein und sagte sofort: »Sie hockt bestimmt auf dem Fenstersitz, Jack.«
Ich kam sofort hervor, denn ich zitterte bei dem Gedanken, besagter Jack könne mich herauszerren.
»Was willst du?« fragte ich verlegen und mißtrauisch.
»Sag >Was wünschen Sie, Master Reed?<« war die Antwort. »Ich wünsche, daß du herkommst«. Er setzte sich in einen Armstuhl und gebot mir mit einer Handbewegung, näher zu treten und mich vor ihn zu stellen. John Reed war ein Schuljunge von vierzehn Jahren; vier Jahre älter als ich, die ich kaum zehn war. Er war groß und kräftig für sein Alter, hatte eine ungesunde, fleckige Haut, einen dicken Kopf mit groben Gesichtszügen, plumpe Gliedmaßen und große Hände und Füße. Bei Tisch stopfte er sich gewöhnlich so voll, daß er davon gallig, trübäugig und schlaff hängebackig geworden war. Eigentlich hätte er in der Schule sein sollen, aber seine Mama hatte ihn für ein bis zwei Monate im Hause behalten, »weil er von so zarter Gesundheit war«. Herr Miles, der Lehrer, behauptete zwar, er würde sich besten Wohlergehens erfreuen, wenn man ihm von zu Hause weniger Kuchen und Zuckereien schickte; aber das mütterliche Herz sträubte sich gegen ein so hartes Urteil und neigte eher dazu, Johns bleiches und schlaffes Aussehen feineren Ursachen zuzuschreiben wie Überarbeitung und vielleicht sogar Heimweh.
John empfand nicht viel Zuneigung für seine Mutter und Schwestern, und mich mochte er überhaupt nicht. Er quälte und peinigte mich nicht etwa gelegentlich, zwei- oder dreimal in der Woche, ein- oder zweimal am Tag, nein, er tat es unablässig. Ich fürchtete ihn mit jeder Fiber meines Wesens, ich erschauderte bis in die Knochen, wenn er mir nahe kam. Es gab Augenblicke, an denen der Schrecken mir den Verstand zu rauben schien, denn ich hatte keine Hilfe, keinen Schutz vor seinen Drohungen und Tätlichkeiten; die Dienerschaft wollte nicht gern ihren jungen Herren gegen sich aufbringen, indem sie Partei für mich nahm, und Frau Reed sah und hörte prinzipiell nichts Derartiges; nie hat sie bemerkt, daß er mich schlug oder übel beschimpfte, obgleich er es hie und da selbst in ihrer Gegenwart tat; allerdings tat er es lieber und öfter hinter ihrem Rücken.
Gehorsam wie gewöhnlich ging ich bis vor seinen Stuhl. Er verbrachte etwa drei Minuten damit, mir die Zunge so weit herauszustrecken, wie er es konnte, ohne sich dabei zu verletzen; ich wußte, daß er mich gleich schlagen würde, und während ich verängstigt den ersten Hieb erwartete, betrachtete ich sinnend das ekelerregende und häßliche Aussehen meines Peinigers.
Vielleicht hatte er mir meine Gedanken vom Gesicht abgelesen, denn plötzlich, ohne ein Wort, schlug er heftig und kräftig auf mich ein. Ich strauchelte und wich einige Schritte von seinem Stuhl zurück, während ich mich wieder ins Gleichgewicht brachte.
»Das ist für deine unverschämte Art vorhin, Mama zu antworten«, sagte er, »und dafür, daß du dich davonschleichst und hinter Vorhängen versteckst und für den frechen Blick in deinen Augen, seit ich dich hier entdeckte, du Ratte!«
Ich war an John Reeds Beschimpfungen gewöhnt, und es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, ihm zu antworten; meine Sorge war nur, wie ich den nächsten Schlag, der gewiß der Schmährede folgen würde, ertrug.
»Was hast du hinter dem Vorhang gemacht?« fragte er. »Ich habe gelesen.«
»Zeig das Buch her.«
Ich ging zum Fenster und holte es von dort.
»Du hast unsere Bücher überhaupt nicht anzurühren; du bist hier nur geduldet, von uns abhängig, wie Mama sagt; du hast kein Geld, dein Vater hat dir nichts hinterlassen, und du solltest eigentlich betteln gehen, anstatt hier mit vornehmen Kindern wie uns zu leben, an unserem Tisch zu essen und dich auf Mamas Kosten zu kleiden. Jetzt werde ich dich lehren, in meinem Bücherschrank herumzuschmökern: denn die Bücher gehören mir; das ganze Haus gehört mir oder wird mir in ein paar Jahren gehören. Geh und stell dich an die Tür, weg von Spiegel und Fenstern.«
Ich tat, wie mir geheißen, ohne sogleich seine Absicht zu begreifen; aber als ich sah, wie er das Buch ergriff und auf mich werfen wollte, wich ich instinktiv mit einem Schreckensschrei zur Seite: doch nicht schnell genug, denn der schwere Band flog auf mich zu, traf mich, und ich fiel zu Boden, mit dem Kopf gegen die Tür und verletzte mich. Die Wunde blutete, ich empfand einen scharfen Schmerz; jetzt hatte mein Schrecken seinen Höhepunkt überschritten, und andere Gefühle stiegen in mir auf.
»Du gemeiner, böser, grausamer Junge!« sagte ich. »Du bist ein Mörder, ein Sklaventreiber - du bist ein römischer Kaiser!«
Ich hatte Goldsmiths »Römische Geschichte« gelesen und mir meine Meinung über Nero, Caligula und dergleichen gemacht. Auch hatte ich im stillen meine Vergleiche angestellt, ohne sie je, laut wie jetzt, auszusprechen.
»Was? Was?« schrie er. »Hat sie das zu mir gesagt? Habt ihr das gehört, Eliza und Georgiana? Warte nur, bis ich das Mama erzähle, aber zuerst -.«
Er stürzte mit einem Satz auf mich zu; ich spürte, wie er mich an den Haaren riß und an den Schultern packte, aber jetzt hatte er mich zur Verzweiflung gebracht. Ich sah in ihm nun wirklich einen Tyrannen, einen Mörder. Einige Blutstropfen rannen mir vom Kopf den Hals herunter, und ich verspürte einen stechenden Schmerz. Unter diesen Empfindungen war mir im Augenblick alle Furcht genommen, und ich wehrte mich wie eine Rasende. Was ich mit meinen Händen tat, weiß ich nicht mehr, aber er rief mir »Ratte! Ratte!« zu und schrie laut auf. Hilfe für ihn war schon auf dem Weg. Eliza und Georgiana waren nach oben geeilt, um Frau Reed zu holen. Jetzt erschien sie, gefolgt von Bessie und der Zofe Abbot. Man trennte uns. Ich hörte die Worte: »O Gott! 0 Gott! Was für eine Furie; sich so auf Master John zu stürzen!«
»Hat man je so etwas Wildes gesehen!«
Und schließlich Frau Reed: »Bringt sie ins rote Zimmer und schließt sie dort ein.« Vier Hände ergriffen mich und schleppten mich hinauf.
...
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Autoren-Porträt von Anne Brontë, Charlotte Brontë, Emily Brontë
Anne Brontë (1820-1849) lebte gemeinsam mit ihren älteren Schwestern Charlotte und Emily weltabgeschieden im väterlichen Pfarrhaus in Yorkshire. 1847 veröffentlichten die drei Schwestern gleichzeitig jeweils ihren ersten Roman. Im Alter von nur 29 Jahren starb Anne Brontë an Tuberkulose.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Anne Brontë , Charlotte Brontë , Emily Brontë
- 2020, 2854 Seiten, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung:Rothenbücher, Tobias; Borch, Marie von; Agricola, Christiane; Etzel, Gisela
- Übersetzer: Tobias Rothenbücher, Marie von Borch, Johannes Reiher, Horst Wolf, Christiane Agricola, Gisela Etzel
- Verlag: Anaconda
- ISBN-10: 3866478704
- ISBN-13: 9783866478701
- Erscheinungsdatum: 30.09.2012
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