Die Drachen, 4 Bände im Set
"Drachenbann", "Drachenmacht", "Drachenbund", "Drachenkrieg"
Das große Drachen-Epos von Dennis L. McKiernan, dem Starautor der Fantasy. 4 Bände mit 1.600 Seiten zum absoluten Spitzenpreis!
Eine Zaubermacht bedroht die freien Völker von Mithgar. Erleben Sie das große Epos...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Weltbild Ausgabe
14.95 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Drachen, 4 Bände im Set “
Das große Drachen-Epos von Dennis L. McKiernan, dem Starautor der Fantasy. 4 Bände mit 1.600 Seiten zum absoluten Spitzenpreis!
Eine Zaubermacht bedroht die freien Völker von Mithgar. Erleben Sie das große Epos der Drachen!
- Drachenbann: Nach Tausenden von Jahren könnte sich eine geheimnisvolle Prophezeiung erfüllen.
- Drachenmacht: Die beiden Wurrlinge Gwylly und Faeril kämpfen gegen den brutalen Baron Stoke.
- Drachenbund: Mysteriöse Zeichen weisen auf den Anbruch einer neuen Zeit.
- Drachenkrieg: Ein Wettlauf um die Zukunft von Mithgar beginnt.
Lese-Probe zu „Die Drachen, 4 Bände im Set “
Drachen Bann von Dennis L. McKiernan1. Kapitel
AUS DEM STURM
Spätwinter, 5E988 [Gegenwart]
Jäger und Beute: Der plötzliche Schneesturm unterbrach das Rennen um Leben und Tod. Die Nordmeereule ging auf die sich wiegenden Zweige einer Ödlandkiefer nieder, der Eishase suchte unter dem Überhang eines Felsvorsprungs Schutz. Vom Wind getrieben fegte eine heulende Wand aus blendendem Weiß über die Landschaft, während Jäger und Gejagter auf das Ende des Sturms warteten, um dann die Jagd erneut zu beginnen, um über Flucht und Verfolgung, Leben und Tod zu entscheiden.
Doch vorläufig war die Jagd aufgeschoben, während Schnee und Eis über das Land fegten und gnadenlos auf alles einhämmerten, was sich in ihrem Weg befand. Der Wind heulte und ächzte und erfüllte die Welt mit dem Klang seiner Qual. Der Hase kauerte sich unter den Felsen und schloss die Augen, um sie vor dem Schnee zu schützen, der unter den Vorsprung peitschte, während hoch über ihm, in einem Baum, kaum zweihundert Meter entfernt, die Eule blinzelte und ihren Kopf nach Norden wandte. Ihre tödlichen Krallen umklammerten den Ast und trotzten seinem Schwanken.
Sie warteten.
Aber sie waren nicht allein in diesen Gebieten, dort an der nördlichen Flanke des Grimmwall-Massivs, denn etwas anderes, Gefährliches, fegte ebenfalls über die eisige Wüste.
Ob die Eule es zuerst witterte oder der Hase, wer weiß das schon?
Es kam aus dem Norden, aus der Richtung, in die die Eule starrte.
Dunkle Schatten, die sich in der Ferne bewegen, verhüllt vom Sturm. Sie kommen näher.
Etwa eine Achtelmeile nördlich des Baumes, auf dem die Eule hockte, unter dem Felsvorsprung, spürte der Hase die Erschütterungen. Es waren nicht jene, die dieses unberechenbare Land gelegentlich schon manchmal in Unruhe versetzten, sondern etwas, das wie ein
... mehr
unregelmäßiges Trommeln auf den Boden wirkte.
Schritte von pelzigen Füßen, Klauen, die nach Süden rannten, aus dem Norden. Mörderische Räuber.
Aus den peitschenden Zweigen der Kiefer musterte die Eule die nahenden Umrisse, bereit aufzufliegen, falls es nötig sein sollte.
Es sind mehr als einer. Sie kommen durch den Sturm. Schnell. Immer noch sind sie im Schneetreiben verborgen.
Der Hase öffnete ein Auge, rührte sich sonst jedoch nicht. Er verließ sich auf den Schutz des Schnees, seines weißen Fells und der Reglosigkeit.
Stampfende Klauen. Viele. Ein Rudel. Sie rennen.
Sie kamen näher, während die Eule sie beobachtete.
Es sind drei. In einer Reihe. Einer nach dem anderen. Lange, fließende Umrisse. Und jedem von ihnen folgt etwas Großes.
In das Heulen des Windes mischten sich merkwürdige Schreie, ein scharfer Knall. Die Ohren des Hasen zuckten.
Mehr als ein Rudel. Es sind mehrere. Allesamt tödliche Räuber. Einer nach dem anderen. Mit hämmernden Schritten. Und jemand schreit.
Jetzt war der Erste nah genug, dass ihn die Eule erkennen konnte.
Wölfe oder Ähnliches. Sie laufen in einer Reihe. Hinter ihnen noch ein Rudel. Jedenfalls sieht es so aus. Und danach noch eines.
Sie rannten nur wenige Schritte an dem Versteck des Hasen vorbei.
Zuckende Läufe. Wolfsläufe. Mörderläufe. Alle rennen. Graues Fell, schwarz und silbern. Sie sind zusammengebunden und rennen vor etwas Großem davon. Etwas, das über den Schnee gleitet.
Einer nach dem anderen zogen sie an dem Versteck des regungslos kauernden Hasen vorüber. Erst neunzehn Tiere, rennende, dann weitere neunzehn, und noch einmal so viele. Und etwas knallte in der Luft, etwas schrie: »Heja!«, »Heja!«, während sie vorbeidonnerten, mörderische Räuber, die durch Wind und Schnee rannten und dieses Gleitende hinter sich herzogen.
Obwohl sie vorbeirasten und kurz darauf verschwanden, verschluckt vom Sturm, rührte sich der Hase nicht.
Und eine Achtelmeile entfernt in dem windgepeitschten Baum beobachtete die weiße Eule, wie die drei Gruppen aus dem Schneesturm auftauchten, die Schlitten über das gefrorene Weiß zogen, die Kutscher auf den Kufen standen, ihre Peitschen knallen ließen und die Tiere - halb Wolf, halb Hund - vorwärtstrieben. Die Reisenden auf den Schlitten waren gegen die Kälte dick vermummt.
Der Kopf der Eule drehte sich, als sie unter ihr vorüberglitten und sich entfernten, durch den Schneesturm nach Süden rasten, dem sich auftürmenden Grimmwall-Massiv entgegen, das sich in der Ferne drohend erhob und den Weg versperrte.
Der Anblick und die Geräusche der Eindringlinge entschwanden rasch, verloren sich im Sturm.
Nur das Heulen des Windes und das Prasseln des Schnees blieben zurück.
Zeit verstrich.
Die Eule hockte immer noch auf ihrem Zweig.
Der Hase kauerte weiter unter seinem Vorsprung.
Nach Einbruch der Nacht ermattete schließlich der Sturm. Der Mond ging auf und tauchte die verschneite Landschaft in sein strahlendes Licht. In diesem silbrigen Glanz horchte der weiße Hase wachsam nach einem Anzeichen für Gefahr, während seine langen Ohren zuckten.
Nichts.
Vorsichtig tauchte er unter dem Felsvorsprung auf. Nach zwei kleinen Hüpfern hielt er erneut inne und lauschte, drehte die Ohren hierhin und dorthin und suchte mit aufgerissenen Augen die Umgebung ab.
Schließlich schlug er den Weg zu seinem Bau ein, der noch ein gutes Stück entfernt lag.
Und von dem hohen Zweig eines einsamen Baumes stürzte sich eine weiße Eule mit ausgebreiteten Schwingen zu einem langen, lautlosen Gleitflug hinab.
Drachenmacht von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
4E1430 bis 5E988
(Die letzten anderthalb Jahrtausende)
»Der Baron ist tot!« Dieser Schrei gellte über den Burghof und mischte sich in das Geklapper der Hufe.
Baroness Lèva blickte hoch und sog erschreckt die Luft durch die Zähne. Mit Eisen beschlagene Hufe trappelten auf den Pflastersteinen, und die Schreie der Stallburschen und Reiter hallten durch den Burghof. In diesem Stimmengewirr war kein Wort zu verstehen. Polternd schwangen die schweren Portale des Burgfrieds auf, hallten wie die Glocken des Untergangs durch das große Gebäude und erreichten sogar die entlegene Kemenate der Baroness. Lèva legte Feder und Pergament zur Seite, sammelte sich und wandte sich vom Schreibtisch ab und der Tür zu. Schritte hallten über die Steine - sie wappnete sich gegen das, was nun kam.
Es klopfte. »Tretet ein!«, rief sie. Ein großer, ungeschlachter Mann in schlammbedeckter Reitkleidung, mit einem Blutfleck auf der Wange, marschierte mit ausgreifenden Schritten herein. Als er vor ihr stehen blieb und sich knapp verbeugte, fiel sein von silbergrauen Strähnen durchzogenes Haar um das bärtige Gesicht. »Lady Stoke, Baron Marko ist tot. Ein Bär hat ihn getötet.«
Lèvas Herz tat einen freudigen Sprung - endlich! Aber ihrem schmalen Gesicht war die Freude nicht anzusehen. »Wie, Hauptmann?«, fragte sie stattdessen kalt. »Durch welche Pflichtvergessenheit habt Ihr ihn sterben lassen?«
Bei dieser vorsätzlichen Beschuldigung riss Janok die Augen auf, doch er unterdrückte seinen Ärger, als er die Hexe betrachtete, ihre eisig blauen Augen und ihr pechschwarzes Haar. »Der Baron hat uns befohlen, beiseitezutreten. Dann stellte er sich dem Bären allein. Aber der Schaft seines Speeres brach, und so hat ihn die Bestie zerfetzt.«
»Ich will diesen Speer sehen, Hauptmann. Ich will die Waffe sehen, die ihm ihren Dienst versagt hat. Ich möchte, dass sie vor meinen Augen zerstört wird.«
Janek verbeugte sich zustimmend.
»Und der Bär, welches Schicksal hat ihn ereilt?«
»Er ist tot, Baroness. Er wurde von meinem Speer gefällt, gleich nachdem er den Baron getötet hatte.«
Vom Burghof drang das Klappern der Hufe herein, als Pferde durch das Tor hinausritten. Im nächsten Augenblick trommelten sie die Hochstraße hinab, die von der Burg wegführte. Lèva wandte ihren Kopf dem offenen Fenster zu. »Hauptmann, wohin reiten sie?«
Janok lächelte. »Sie reiten nach Aven und Vancha.«
Als Lèva ihre dünnen Lippen wütend zusammenpresste und den Hauptmann anstarrte, wurden sie weiß. »Ich habe keinen solchen Befehl gegeben!«
»Nein, Madame. Aber ich. Als Hauptmann der Burg war das meine Pflicht. Die Brüder des Barons, seine Erben, müssen benachrichtigt werden.«
»Hinaus!«, fuhr ihn Lèva an. »Aus meinen Augen!« Erneut verbeugte sich Hauptmann Janok kurz. Während er sich dann zurückzog, lächelte er grimmig.
Als er fort war, fegte die Baroness wütend die Papiere vom Schreibtisch. Dieser zudringliche Mensch! Hat die Brüder verständigt! Jetzt wird Lenko Baron, es sei denn ich kann irgendwie ... irgendwie ... Warum habe ich das nicht vorhergesehen und geeignete Maßnahmen ergriffen? Lèva sprang auf und durchmaß aufgeregt ihre Kemenate. Was soll ich tun? Was soll ich nur tun? Sie blieb vor dem Kamin stehen und starrte auf den Feuerrost. Beruhige dich! Beruhige dich erst einmal! Eins nach dem anderen. Wenn der zerbrochene Bärenspieß verbrannt ist, sind alle Beweise vernichtet. Lèva kniete sich hin und entzündete ein Feuer. Die Flammen züngelten hoch. Aber was soll ich mit Lenko anfangen? Sie erhob sich und ging zum Klingelbrett.
Als die Magd erschien, stand die Baronin am offenen Fenster. »Räum den Schreibtisch auf. Dann schick einen Läufer los, der mir diese tödliche Waffe bringt, die meinen Gemahl nicht schützen konnte. Und sende Madame Orso zu mir.« Dabei wandte sie ihren eisblauen Blick nicht von den
Skarpal-Bergen ab, die die Burg umringten.
»Sie möchte innerhalb von sechs Monaten ein Kind gebären.«
Blasse Hände mit langen Fingern streiften die Kapuze von einem ebenso blassen Gesicht zurück. Der kahl geschorene Kopf verlieh ihm ein hässliches Aussehen, fast wie ein Totenschädel. Gelbe Augen starrten unter haarlosen Brauen hervor, glitten von der Mutter zur Tochter und dann wieder zurück zur Mutter.
Lèva fühlte, wie das Blut in ihren Adern gefror, und dann riss sie ihren Blick von dem hageren Mann los, falls er wirklich ein Mann, also ein Mensch war. Ihre Mutter hatte ihn gerufen, aber wie, das wusste Lèva nicht.
Seine Stimme war wie ein Wispern und klang uralt, trotz seines jugendlichen Körpers. »Ihro braucht einen Erben von Baron Marko.« Seine Worte bildeten keine Frage, sondern eine Feststellung. »Sonst könnt Ihro den Besitz, die Ländereien und den Wohlstand nicht kontrollieren.«
»Ja, wir brauchen einen Erben«, antwortete Koska. Die ältere Frau war etwas kleiner als ihre Tochter, besaß aber ein ebenso schmales Gesicht - und schwarzes Haar. Ihre Augen jedoch waren, anders als die ihrer Tochter, ebenfalls schwarz - so schwarz wie die Hölle, wie manche sagten.
»Um den Besitz zu kontrollieren«, wiederholte die sanfte Stimme.
Koska trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ja doch, ja. Um den Besitz zu kontrollieren.«
»Ein männliches Kind«, setzte Lèva hinzu. Sie betrachtete ihre Mutter, nicht aber den Mann. Sie konnte seine gelbäugige Miene nicht ertragen. »In Garia hat ein Mädchen kein Anrecht als Erbin.«
»Was würdet Ihro geben?«
»Was verlangt Ihr?«
»Für Aun, Madame Orso, dasselbe, was Ihro gabt, bevor Ihro Mehro rieft.«
Lèva erschauerte, als krabbelten Spinnen über ihre Haus. Koska knirschte mit den Zähnen und nickte dann einmal brüsk, als sie seine Bedingungen annahm.
»Für Aun Tochter einen Ort, an dem zu bleiben ist, solange Mehro beliebt und wo Icho Mai Sohn auszubilden vermag.«
Léva stieß ein Keuchen aus und wandte sich zu dem Mann herum, Sie erschauerte bis in ihre Seele bei seinem Anblick.»Eurem Sohne? Es wird Euer Sohn?«
Der Mann nickte. »Baron Marko Stoke hat keinen Erben. Sein Bruder Lenko ist der Nächste in der Erbfolge. Niemand außer mehro kann Aun ein Kind geben, ein männliches Kind, das innerhalb von sechs Monaten geboren wird. Geht Ihro zu einem menschlichen Mann und empfangt, so verlasst Ihro Aun auf den Zufall. Erstens, dass Ihro und er zusammen fruchtbar seid, wie Ihro und Marko es ja nicht wart, zweitens dass dieses Kind, falls einer solchen Paarung ein Kind entspringt, männlichen Geschlechts ist. Ungeachtet der Frage, ob es überhaupt männlich ist, würde ein Kind von einem Menschen viel zu spät geboren werden, um die Fruchte von Markos Lenden zu sein, Ihro würdet den Besitz auf jeden Fall an Lenko verlieren.
O nein, wenn Ihro ein männliches Kind wollt, das so rechtzeitig geboren wird, dass es von Marko hätte gezeugt werden können, wird es Mehro brauchen, der es zeugt.«
Lèva wandte sich furchtsam zu ihrer Mutter herum. Madam Orso schüttelte bedächtig den Kopf. »Es gibt keinen anderen Weg, Lèva. Du musst wirklich schwanger sein, denn Lenko wird seinen eigenen Leibarzt mitbringen, um das zu bestätigen. Und dieser Medicua wird beid er Geburt ebenfalls anwesend sein, denn sollte das Kind eine Totgeburt oder weiblichen Geschlechts sein, so wird Lenko erben. Du musst dich Ydral hingeben, wenn du den Besitz behalten willst.«
Angewidert nickte Lèva und nahm damit die Bedingung an.
Ydral lächelte, trat vor und riss Lèva ihr Gewand brutal vom Körper, schleuderte sie dann nackt auf den Steinboden, hielt ihr mit seinen langen, weißen Händen den Mund zu und erstickte ihre Schreie.
Als er schließlich mit ihr fertig war, wandte er sich ihrer wartenden Mutter zu.
Drachenbund von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
WEHEN
Der Längste Tag des Jahres, 5E983
(Sechsundzwanzig Jahre früher)
Die ersten Wehen begannen, kurz nachdem sich die Dämmerung des Ha-Ji über die Steppen von Moko senkte und die junge Teiji, deren Bauch dick angeschwollen war, zum Geburtszelt geführt wurde, wo die Hebammen warteten. Sie bugsierten Teiji auf den Geburtsstuhl, der über einer flachen Mulde stand, die mit einer geflochtenen Strohmatte ausgelegt war. Die spitzen Strohhalme sollten zusammen mit dem gelben Saft den Schmerz lindern, falls er zu stark wurde. Weihrauch glühte in Schalen und verbreitete seinen beruhigenden Duft in der Jurte. Das Wasser kochte, die Tücher waren bereitgelegt, sowie auch Lappen, die das Blut aufnehmen und noch anderen Zwecken dienen sollten. Die Hebammen hatten für die anschließende Reinigung auch schon Duftöle und Seifen ausgelegt. Und - aber diskret - die Klingen für die Geburt bereitgelegt: ein ehernes Geburtsmesser, das eingesetzt werden sollte, falls die Mutter das Kind nicht herauspressen konnte und der Bauch aufgeschnitten werden musste, und ein eisernes Geburtsmesser, mit dem man dem Kind, sollte es missgebildet sein, die Gurgel durchschnitt und so dem Fluch rasch ein Ende bereitete, damit er nicht den ganzen Stamm traf. Niemand erwartete jedoch, dass eines der Messer benutzt werden musste, denn immerhin war dies hier Ha-Ji, der längste Tag des Jahres, eine günstige Zeit also, wenn es denn so etwas gab.
Chakun, die gerade elf geworden war und ihre erste Geburtshilfe leistete - sie würde in etwa einem Jahr verheiratet werden und zweifellos kurz darauf selbst gebären, also musste sie von diesen Dingen wissen -, kam im Laufschritt vom Fluss der Hochsteppe herüber, einen Wasserschlauch in der Hand. Das kalte Wasser sollte Teijis Stirn kühlen; diese Aufgabe fiel an diesem Tag Chakun zu.
Im Lager wurde Tee gebraut, den die Frauen des Stammes trinken würden, während sie es sich zum Warten gemütlich machten. Wie die Männer des Stammes der Cholui Chang würden sie an diesem Tag nicht auf ihren stämmigen Ponys über die Steppe reiten, sondern um das Feuer in der Mitte des Lagers tanzen und starke ammal palro ch'agi trinken, das ist fermentierte Stutenmilch. Denn Teiji, die jüngste Frau des chuy-ohan, sollte niederkommen.
Als es Morgen wurde im Dorf Yugu, das an den Gestaden der Jingarischen See lag, legte Wangu mit seinem kleinen Boot ab. Er stellte das abgenutzte Segel so in den Wind, dass es den schwachen, ablandigen Wind am besten nutzte, denn gewiss würde er an diesem Längsten Tag des Jahres einen Fang erbeuten, der es wert war, auf den Großen Markt in der Hafenstadt von Janjong gebracht zu werden.
Er nahm Kurs auf die Gewässer vor dem östlichen Ufer von Shàbíng, der kleinen Felsinsel, die sich wie ein Wachposten am Rand des tiefen Meeres befand. Während er segelte, bereitete er seine vielfach verzweigte seidene Leine vor; vielleicht war diese neue Angelschnur ja stark genug, auch dem Zug des größten Fisches standzuhalten, im Gegensatz zu der vorherigen, die unter dem Zug von etwas Großem zerrissen war, das Wangu nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte.
In der Jurte wurden Teijis Wehen stärker, ihr Stöhnen lauter - obwohl ihre Fruchtblase noch nicht geplatzt war, während die Sonne draußen vor dem Zelt hoch in den Himmel stieg und der Längste Tag mit jedem Kerzenstrich heißer wurde. Die junge Chakun wurde erneut zum kalten Fluss geschickt, den Wasserschlauch neu zu füllen, und wie schon bei den Malen davor schlug sie auch diesmal einen weiten Bogen um die Männer, die um das Lagerfeuer herum saßen, tranken, ihr Seitenblicke zuwarfen und beunruhigende Kommentare machten.
Wangu band seine neue Seidenschnur an ein kurzes Stück der kostbaren Eisenkette, die an seinem größten Haken hing, und hängte einen Netzbeutel mit Innereien an die Spitze. Dann betete er kurz zu den Göttern der Tiefe, warf Haken und Kette über Bord und ließ die seidene Schnur nach. Der Beutel mit den Innereien schien in der Tiefe unter dem Boot zu verschwinden. Kurz hinter Wangu erhoben sich die spitzen Klippen von Shàbíng aus dem Meer, deren Felsflanken streng und unnachgiebig in den Abgrund vor ihnen starrten.
Am Vormittag schließlich platzte endlich Teijis Fruchtblase. Chakun, die Teijis Stirn unablässig mit einem feuchten Tuch gekühlt hatte, sah erstaunt zu, wie die rötliche Flüssigkeit auslief. Als die Hebammen Teiji auf die Füße halfen, damit sie in dem Zelt herumgehen und so die Geburt ihres Kindes unterstützen konnte, wurde Chakun die Aufgabe zugeteilt, die Geburtsmatte in der Mulde zu erneuern und die schmutzige zum Feuer zu bringen und hineinzuwerfen. Als das kleine Mädchen die Matte in die Flammen warf, jubelten die Männer, denn es bedeutete, dass Teiji jetzt kurz vor der Geburt stand. Die Flammen loderten auf, verzehrten die Strohmatte, aber Chakun wartete nicht ab, bis sie verbrannt war, sondern hastete schnell fort. Einige der Männer starrten sie an, und ihr breites, trunkenes Grinsen beunruhigte das Mädchen. Chakun kam zum Zelt zurück, als die Alte Tal gerade ihre Hand zwischen Teijis Schenkeln zurückzog, wo sie die Öffnung des Muttermundes ertastet hatte. Die alte Frau runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nicht mal einen Fingerbreit.« Chakun fuhr ein furchtsamer Stich durch die Brust, denn das waren schlechte Neuigkeiten. Jedenfalls schien es ihr so. Obwohl Teiji die Worte der Alten wegen ihres eigenen gequälten Stöhnens nicht hatte hören können, schien dieses Stöhnen lauter zu werden.
Mit einem lauten Zischen surrte die Leine ins Wasser. Etwas musste den Haken mit dem Köder geschluckt haben und schwamm davon.
»Ai!«, rief Wangu voller Freude. »Jetzt hab ich dich!« Er griff nach der Seidenschnur und wollte sie festhalten, schrie jedoch nur vor Schmerz und zuckte zurück, als sich die feine Schnur in seine Handfläche brannte. Er beugte sich über das Heck und tauchte seine Unterarme in das salzige Wasser der Jingarian-See, das zwar in der Wunde brannte, den Schmerz seiner durch die Leine versengten Hände aber trotzdem linderte.
Während er sich vorbeugte, sah er zu, wie die Leine immer knapper wurde, bis sie sich mit einem lauten Knall straffte. Der Knoten um die Heckklampe hielt. Doch was auch immer den Köder geschluckt hatte, es begann, das Boot rückwärts durch das Meer zu ziehen. Das Wasser kochte und schwappte über Bord.
Vor Schreck riss Wangu die Augen auf. »Was habe ich da gefangen?«, schrie er aufs Meer hinaus. »Oder - was hat mich da gefangen?«
Drachenkrieg von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
KHEM
Februar, 5E988
(Zehn Monate zuvor)
Bair und Aravan ritten auf ihrer Suche weiter, verließen die Halbmondschlucht und den Ring von Dodona und ritten in die Wüste hinaus. Aravan erzählte Blair vom Schwur des Drachensteins, und außerdem von Arin Flammenseherin und Egil Einauge sowie den anderen, die den Grünen Stein von Xian suchten. Die Sonne zog ihre Bahn über den Himmel, während Aravan die ganze Geschichte erzählte, und am späten Nachmittag, als er sie gerade beendet hatte, stießen sie auf eine Karawanenstraße, der sie in südöstlicher Richtung folgten. Ihr Ziel war Dirra, in Khem, doch sie würden sich noch fünf Tage durch den Sand der Karoo kämpfen müssen, bevor sie die Grenze dieses Landes erreichten.
»Woher kommt er, dieser Drachenstein?«, erkundigte sich Bair, als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen.
Aravan sah zu dem Jungen hinüber. »Woher er kam, konnte niemand sagen, oder wollte es nicht, vielleicht, doch die Drachen hegen eine große Furcht davor, und deshalb haben sie die Magier gebeten, ihn zu bewachen und geschworen, von Plünderungen und Überfällen auf die Welt abzulassen und sich auch nicht mehr in ihre Belange zu mischen.«
»Einige haben den Eid jedoch nicht geschworen, sagtet Ihr das nicht?«
»Allerdings. So wie auch einige Hexer den Schwur nicht leisteten - allesamt Abtrünnige.«
»Schwarze Magier und Kalt-Drachen, die unter dem Bann leiden?«
Aravan nickte. »Die sich im Großen Krieg auf die Seite Gyphons schlugen.«
»Und jetzt ist der Drachenstein verschollen?«
Aravan holte tief Luft. »Ai, Bair. Er befand sich in den Gewölben unter der Akademie der Magier in Kairn, der Stadt der Glocken.« Bei der Erinnerung huschte ein Ausdruck der Trauer über sein Gesicht. »Und als Rwn vernichtet wurde, ging auch der Drachenstein verloren.«
»Vielleicht liegt er immer noch in diesen Gewölben auf dem Grund des Meeres.«
»Vielleicht, Bair. Vielleicht.«
»Wo befindet sich Arin Flammenseherin jetzt?«, erkundigte sich Bair, als sie am nächsten Morgen das Lager abbrachen. »Sie unternimmt den Düsterritt nach Adonar.«
»Sie hat Mithgar verlassen? Warum?«
Aravan seufzte. »Nach Egils Tod hat sie viele Jahre getrauert. Schließlich überquerte sie das Dazwischen, um Frieden und Trost auf der Hohen Ebene zu suchen.«
Bair belud eines der Kamele. »Und Ihr sagtet, Rael wäre ebenfalls auf die Hohe Ebene zurückgekehrt?«
Aravan nickte. »Ai. Sie und Talarin und Gildor ... nebst etlichen anderen. Sie suchten ebenfalls den Trost von Adonar, denn die Erinnerung an den Verlust jener, die im Winterkrieg gefallen sind, lasteten schwer auf ihnen. Unter ihnen befand sich auch Vanidor, Gidors dwa.«
»Meiner Treu«, Bair berührte den Kristallanhänger. »Arin und Rael, beide fort. Dabei hatte ich gehofft, dass jemand von den Elfen hier wäre, der diese Bürde wirklich verstehen und Euch nötigenfalls Trost spenden könnte.« Er hob den Kristall an der Platinkette über seinen Kopf. »Hier, Aravan, nehmt ihn, denn mir scheint, er war für Euch bestimmt.«
Aravan jedoch hob nur abwehrend die Hand. »Noch nicht, Bair. Du trägst ihn, bis wir etwas anderes erfahren ... vielleicht schon im Tempel des Himmels.«
Bair legte die Kette wieder um seinen Hals. »Also gut, bis dahin.«
Sie ritten weiter und weiter, bis sie am vierten Tag eines unablässigen Regens die Erg erreichten. Die oueds waren vom Regen angeschwollen und zwangen sie, früh zu rasten.
Am sechsten Tag konnten sie in der Ferne eine Bergkette sehen, die sich über den Horizont erstreckte, und am folgenden Nachmittag stießen sie auf einem Pass auf eine Karawanserei. Dort verbrachten sie die Nacht. Der Besitzer war zwar überrascht, einen Elf in seiner Herberge bewirten zu müssen, hielt ihn jedoch nicht für einen Dschinn. Seine Frau und ihre drei Töchter weigerten sich allerdings, die beiden zu bedienen, obwohl sie von dem Wirt aufgemuntert und schließlich sogar bedroht wurden, und machten Schutzgesten gegen das Böse.
Am folgenden Tag überquerten sie die Grenze nach Khem und verließen die Sande der Erg. Das Land, das sie durchquerten, war kárg, wenngleich grüner als jenes, das sie hinter sich gelassen hatten. Und je weiter nach Südosten sie gelangten, desto grüner wurde es.
Es regnete während der folgenden Tage unaufhörlich, während die launischen Winterstürme über das Land fegten, die Kamele sich lautstark knurrend darüber beschwerten, dass sie nass wurden, und ihr Missfallen hochmütig kundtaten.
Jetzt durchquerten unsere beiden Reisenden fruchtbare Täler, wo der Regen hingelangte, und Tage später trabten »Rakka ysallmak!«, rief der Mann, offenbar zufrieden gestellt, wendete sein Pferd und ritt nach Norden weiter.
»Was wollte er?«, erkundigte sich Bair, als die Soldaten fern genug waren.
»Er hat gefragt, was unser Geschäft sei, und ich habe erwidert, wir wären Händler aus Sabra Dann wollte er wissen, wohin wir ritten, und ich sagte: Dirra. Daraufhin antwortete er: >Rakka sei mit Euch< und ritt weiter. Darauf habe ich nicht geantwortet.«
»Rakka?«
»Ein anderer Name für Gyphon. Hast du ihr Zeichen gesehen?«
»Ja. Eine geballte Faust, weiß auf schwarzem Grund.«
»Man kennt sie auch unter dem Namen >Fäuste von Rakka<; es ist eine alte Religion, die häufig verboten und von übel meinenden Menschen wieder ins Leben gerufen wurde.«
»Diese Sprache«, sagte Bair, nachdem sie ein Stück geritten waren, »ich muss sie erlernen.«
Aravan nickte. »Ich werde dich lehren, was ich weiß, aber bis du die Aussprache einigermaßen beherrschst, solltest du dich taub stellen.«
So reisten sie weiter, Tag um Tag. Aravan lehrte Bair Kabla, die Sprache der Wüste, die der Junge aufgrund seiner Begabung rasch begriff. Dennoch - trafen sie auf Dorfbewohner oder Landarbeiter, so stellte sich Bair taub und reagierte auf keinerlei Geräusch.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2000 by Dennis L. McKiernan
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2008 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung:»Johannes Frick«
Schritte von pelzigen Füßen, Klauen, die nach Süden rannten, aus dem Norden. Mörderische Räuber.
Aus den peitschenden Zweigen der Kiefer musterte die Eule die nahenden Umrisse, bereit aufzufliegen, falls es nötig sein sollte.
Es sind mehr als einer. Sie kommen durch den Sturm. Schnell. Immer noch sind sie im Schneetreiben verborgen.
Der Hase öffnete ein Auge, rührte sich sonst jedoch nicht. Er verließ sich auf den Schutz des Schnees, seines weißen Fells und der Reglosigkeit.
Stampfende Klauen. Viele. Ein Rudel. Sie rennen.
Sie kamen näher, während die Eule sie beobachtete.
Es sind drei. In einer Reihe. Einer nach dem anderen. Lange, fließende Umrisse. Und jedem von ihnen folgt etwas Großes.
In das Heulen des Windes mischten sich merkwürdige Schreie, ein scharfer Knall. Die Ohren des Hasen zuckten.
Mehr als ein Rudel. Es sind mehrere. Allesamt tödliche Räuber. Einer nach dem anderen. Mit hämmernden Schritten. Und jemand schreit.
Jetzt war der Erste nah genug, dass ihn die Eule erkennen konnte.
Wölfe oder Ähnliches. Sie laufen in einer Reihe. Hinter ihnen noch ein Rudel. Jedenfalls sieht es so aus. Und danach noch eines.
Sie rannten nur wenige Schritte an dem Versteck des Hasen vorbei.
Zuckende Läufe. Wolfsläufe. Mörderläufe. Alle rennen. Graues Fell, schwarz und silbern. Sie sind zusammengebunden und rennen vor etwas Großem davon. Etwas, das über den Schnee gleitet.
Einer nach dem anderen zogen sie an dem Versteck des regungslos kauernden Hasen vorüber. Erst neunzehn Tiere, rennende, dann weitere neunzehn, und noch einmal so viele. Und etwas knallte in der Luft, etwas schrie: »Heja!«, »Heja!«, während sie vorbeidonnerten, mörderische Räuber, die durch Wind und Schnee rannten und dieses Gleitende hinter sich herzogen.
Obwohl sie vorbeirasten und kurz darauf verschwanden, verschluckt vom Sturm, rührte sich der Hase nicht.
Und eine Achtelmeile entfernt in dem windgepeitschten Baum beobachtete die weiße Eule, wie die drei Gruppen aus dem Schneesturm auftauchten, die Schlitten über das gefrorene Weiß zogen, die Kutscher auf den Kufen standen, ihre Peitschen knallen ließen und die Tiere - halb Wolf, halb Hund - vorwärtstrieben. Die Reisenden auf den Schlitten waren gegen die Kälte dick vermummt.
Der Kopf der Eule drehte sich, als sie unter ihr vorüberglitten und sich entfernten, durch den Schneesturm nach Süden rasten, dem sich auftürmenden Grimmwall-Massiv entgegen, das sich in der Ferne drohend erhob und den Weg versperrte.
Der Anblick und die Geräusche der Eindringlinge entschwanden rasch, verloren sich im Sturm.
Nur das Heulen des Windes und das Prasseln des Schnees blieben zurück.
Zeit verstrich.
Die Eule hockte immer noch auf ihrem Zweig.
Der Hase kauerte weiter unter seinem Vorsprung.
Nach Einbruch der Nacht ermattete schließlich der Sturm. Der Mond ging auf und tauchte die verschneite Landschaft in sein strahlendes Licht. In diesem silbrigen Glanz horchte der weiße Hase wachsam nach einem Anzeichen für Gefahr, während seine langen Ohren zuckten.
Nichts.
Vorsichtig tauchte er unter dem Felsvorsprung auf. Nach zwei kleinen Hüpfern hielt er erneut inne und lauschte, drehte die Ohren hierhin und dorthin und suchte mit aufgerissenen Augen die Umgebung ab.
Schließlich schlug er den Weg zu seinem Bau ein, der noch ein gutes Stück entfernt lag.
Und von dem hohen Zweig eines einsamen Baumes stürzte sich eine weiße Eule mit ausgebreiteten Schwingen zu einem langen, lautlosen Gleitflug hinab.
Drachenmacht von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
4E1430 bis 5E988
(Die letzten anderthalb Jahrtausende)
»Der Baron ist tot!« Dieser Schrei gellte über den Burghof und mischte sich in das Geklapper der Hufe.
Baroness Lèva blickte hoch und sog erschreckt die Luft durch die Zähne. Mit Eisen beschlagene Hufe trappelten auf den Pflastersteinen, und die Schreie der Stallburschen und Reiter hallten durch den Burghof. In diesem Stimmengewirr war kein Wort zu verstehen. Polternd schwangen die schweren Portale des Burgfrieds auf, hallten wie die Glocken des Untergangs durch das große Gebäude und erreichten sogar die entlegene Kemenate der Baroness. Lèva legte Feder und Pergament zur Seite, sammelte sich und wandte sich vom Schreibtisch ab und der Tür zu. Schritte hallten über die Steine - sie wappnete sich gegen das, was nun kam.
Es klopfte. »Tretet ein!«, rief sie. Ein großer, ungeschlachter Mann in schlammbedeckter Reitkleidung, mit einem Blutfleck auf der Wange, marschierte mit ausgreifenden Schritten herein. Als er vor ihr stehen blieb und sich knapp verbeugte, fiel sein von silbergrauen Strähnen durchzogenes Haar um das bärtige Gesicht. »Lady Stoke, Baron Marko ist tot. Ein Bär hat ihn getötet.«
Lèvas Herz tat einen freudigen Sprung - endlich! Aber ihrem schmalen Gesicht war die Freude nicht anzusehen. »Wie, Hauptmann?«, fragte sie stattdessen kalt. »Durch welche Pflichtvergessenheit habt Ihr ihn sterben lassen?«
Bei dieser vorsätzlichen Beschuldigung riss Janok die Augen auf, doch er unterdrückte seinen Ärger, als er die Hexe betrachtete, ihre eisig blauen Augen und ihr pechschwarzes Haar. »Der Baron hat uns befohlen, beiseitezutreten. Dann stellte er sich dem Bären allein. Aber der Schaft seines Speeres brach, und so hat ihn die Bestie zerfetzt.«
»Ich will diesen Speer sehen, Hauptmann. Ich will die Waffe sehen, die ihm ihren Dienst versagt hat. Ich möchte, dass sie vor meinen Augen zerstört wird.«
Janek verbeugte sich zustimmend.
»Und der Bär, welches Schicksal hat ihn ereilt?«
»Er ist tot, Baroness. Er wurde von meinem Speer gefällt, gleich nachdem er den Baron getötet hatte.«
Vom Burghof drang das Klappern der Hufe herein, als Pferde durch das Tor hinausritten. Im nächsten Augenblick trommelten sie die Hochstraße hinab, die von der Burg wegführte. Lèva wandte ihren Kopf dem offenen Fenster zu. »Hauptmann, wohin reiten sie?«
Janok lächelte. »Sie reiten nach Aven und Vancha.«
Als Lèva ihre dünnen Lippen wütend zusammenpresste und den Hauptmann anstarrte, wurden sie weiß. »Ich habe keinen solchen Befehl gegeben!«
»Nein, Madame. Aber ich. Als Hauptmann der Burg war das meine Pflicht. Die Brüder des Barons, seine Erben, müssen benachrichtigt werden.«
»Hinaus!«, fuhr ihn Lèva an. »Aus meinen Augen!« Erneut verbeugte sich Hauptmann Janok kurz. Während er sich dann zurückzog, lächelte er grimmig.
Als er fort war, fegte die Baroness wütend die Papiere vom Schreibtisch. Dieser zudringliche Mensch! Hat die Brüder verständigt! Jetzt wird Lenko Baron, es sei denn ich kann irgendwie ... irgendwie ... Warum habe ich das nicht vorhergesehen und geeignete Maßnahmen ergriffen? Lèva sprang auf und durchmaß aufgeregt ihre Kemenate. Was soll ich tun? Was soll ich nur tun? Sie blieb vor dem Kamin stehen und starrte auf den Feuerrost. Beruhige dich! Beruhige dich erst einmal! Eins nach dem anderen. Wenn der zerbrochene Bärenspieß verbrannt ist, sind alle Beweise vernichtet. Lèva kniete sich hin und entzündete ein Feuer. Die Flammen züngelten hoch. Aber was soll ich mit Lenko anfangen? Sie erhob sich und ging zum Klingelbrett.
Als die Magd erschien, stand die Baronin am offenen Fenster. »Räum den Schreibtisch auf. Dann schick einen Läufer los, der mir diese tödliche Waffe bringt, die meinen Gemahl nicht schützen konnte. Und sende Madame Orso zu mir.« Dabei wandte sie ihren eisblauen Blick nicht von den
Skarpal-Bergen ab, die die Burg umringten.
»Sie möchte innerhalb von sechs Monaten ein Kind gebären.«
Blasse Hände mit langen Fingern streiften die Kapuze von einem ebenso blassen Gesicht zurück. Der kahl geschorene Kopf verlieh ihm ein hässliches Aussehen, fast wie ein Totenschädel. Gelbe Augen starrten unter haarlosen Brauen hervor, glitten von der Mutter zur Tochter und dann wieder zurück zur Mutter.
Lèva fühlte, wie das Blut in ihren Adern gefror, und dann riss sie ihren Blick von dem hageren Mann los, falls er wirklich ein Mann, also ein Mensch war. Ihre Mutter hatte ihn gerufen, aber wie, das wusste Lèva nicht.
Seine Stimme war wie ein Wispern und klang uralt, trotz seines jugendlichen Körpers. »Ihro braucht einen Erben von Baron Marko.« Seine Worte bildeten keine Frage, sondern eine Feststellung. »Sonst könnt Ihro den Besitz, die Ländereien und den Wohlstand nicht kontrollieren.«
»Ja, wir brauchen einen Erben«, antwortete Koska. Die ältere Frau war etwas kleiner als ihre Tochter, besaß aber ein ebenso schmales Gesicht - und schwarzes Haar. Ihre Augen jedoch waren, anders als die ihrer Tochter, ebenfalls schwarz - so schwarz wie die Hölle, wie manche sagten.
»Um den Besitz zu kontrollieren«, wiederholte die sanfte Stimme.
Koska trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ja doch, ja. Um den Besitz zu kontrollieren.«
»Ein männliches Kind«, setzte Lèva hinzu. Sie betrachtete ihre Mutter, nicht aber den Mann. Sie konnte seine gelbäugige Miene nicht ertragen. »In Garia hat ein Mädchen kein Anrecht als Erbin.«
»Was würdet Ihro geben?«
»Was verlangt Ihr?«
»Für Aun, Madame Orso, dasselbe, was Ihro gabt, bevor Ihro Mehro rieft.«
Lèva erschauerte, als krabbelten Spinnen über ihre Haus. Koska knirschte mit den Zähnen und nickte dann einmal brüsk, als sie seine Bedingungen annahm.
»Für Aun Tochter einen Ort, an dem zu bleiben ist, solange Mehro beliebt und wo Icho Mai Sohn auszubilden vermag.«
Léva stieß ein Keuchen aus und wandte sich zu dem Mann herum, Sie erschauerte bis in ihre Seele bei seinem Anblick.»Eurem Sohne? Es wird Euer Sohn?«
Der Mann nickte. »Baron Marko Stoke hat keinen Erben. Sein Bruder Lenko ist der Nächste in der Erbfolge. Niemand außer mehro kann Aun ein Kind geben, ein männliches Kind, das innerhalb von sechs Monaten geboren wird. Geht Ihro zu einem menschlichen Mann und empfangt, so verlasst Ihro Aun auf den Zufall. Erstens, dass Ihro und er zusammen fruchtbar seid, wie Ihro und Marko es ja nicht wart, zweitens dass dieses Kind, falls einer solchen Paarung ein Kind entspringt, männlichen Geschlechts ist. Ungeachtet der Frage, ob es überhaupt männlich ist, würde ein Kind von einem Menschen viel zu spät geboren werden, um die Fruchte von Markos Lenden zu sein, Ihro würdet den Besitz auf jeden Fall an Lenko verlieren.
O nein, wenn Ihro ein männliches Kind wollt, das so rechtzeitig geboren wird, dass es von Marko hätte gezeugt werden können, wird es Mehro brauchen, der es zeugt.«
Lèva wandte sich furchtsam zu ihrer Mutter herum. Madam Orso schüttelte bedächtig den Kopf. »Es gibt keinen anderen Weg, Lèva. Du musst wirklich schwanger sein, denn Lenko wird seinen eigenen Leibarzt mitbringen, um das zu bestätigen. Und dieser Medicua wird beid er Geburt ebenfalls anwesend sein, denn sollte das Kind eine Totgeburt oder weiblichen Geschlechts sein, so wird Lenko erben. Du musst dich Ydral hingeben, wenn du den Besitz behalten willst.«
Angewidert nickte Lèva und nahm damit die Bedingung an.
Ydral lächelte, trat vor und riss Lèva ihr Gewand brutal vom Körper, schleuderte sie dann nackt auf den Steinboden, hielt ihr mit seinen langen, weißen Händen den Mund zu und erstickte ihre Schreie.
Als er schließlich mit ihr fertig war, wandte er sich ihrer wartenden Mutter zu.
Drachenbund von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
WEHEN
Der Längste Tag des Jahres, 5E983
(Sechsundzwanzig Jahre früher)
Die ersten Wehen begannen, kurz nachdem sich die Dämmerung des Ha-Ji über die Steppen von Moko senkte und die junge Teiji, deren Bauch dick angeschwollen war, zum Geburtszelt geführt wurde, wo die Hebammen warteten. Sie bugsierten Teiji auf den Geburtsstuhl, der über einer flachen Mulde stand, die mit einer geflochtenen Strohmatte ausgelegt war. Die spitzen Strohhalme sollten zusammen mit dem gelben Saft den Schmerz lindern, falls er zu stark wurde. Weihrauch glühte in Schalen und verbreitete seinen beruhigenden Duft in der Jurte. Das Wasser kochte, die Tücher waren bereitgelegt, sowie auch Lappen, die das Blut aufnehmen und noch anderen Zwecken dienen sollten. Die Hebammen hatten für die anschließende Reinigung auch schon Duftöle und Seifen ausgelegt. Und - aber diskret - die Klingen für die Geburt bereitgelegt: ein ehernes Geburtsmesser, das eingesetzt werden sollte, falls die Mutter das Kind nicht herauspressen konnte und der Bauch aufgeschnitten werden musste, und ein eisernes Geburtsmesser, mit dem man dem Kind, sollte es missgebildet sein, die Gurgel durchschnitt und so dem Fluch rasch ein Ende bereitete, damit er nicht den ganzen Stamm traf. Niemand erwartete jedoch, dass eines der Messer benutzt werden musste, denn immerhin war dies hier Ha-Ji, der längste Tag des Jahres, eine günstige Zeit also, wenn es denn so etwas gab.
Chakun, die gerade elf geworden war und ihre erste Geburtshilfe leistete - sie würde in etwa einem Jahr verheiratet werden und zweifellos kurz darauf selbst gebären, also musste sie von diesen Dingen wissen -, kam im Laufschritt vom Fluss der Hochsteppe herüber, einen Wasserschlauch in der Hand. Das kalte Wasser sollte Teijis Stirn kühlen; diese Aufgabe fiel an diesem Tag Chakun zu.
Im Lager wurde Tee gebraut, den die Frauen des Stammes trinken würden, während sie es sich zum Warten gemütlich machten. Wie die Männer des Stammes der Cholui Chang würden sie an diesem Tag nicht auf ihren stämmigen Ponys über die Steppe reiten, sondern um das Feuer in der Mitte des Lagers tanzen und starke ammal palro ch'agi trinken, das ist fermentierte Stutenmilch. Denn Teiji, die jüngste Frau des chuy-ohan, sollte niederkommen.
Als es Morgen wurde im Dorf Yugu, das an den Gestaden der Jingarischen See lag, legte Wangu mit seinem kleinen Boot ab. Er stellte das abgenutzte Segel so in den Wind, dass es den schwachen, ablandigen Wind am besten nutzte, denn gewiss würde er an diesem Längsten Tag des Jahres einen Fang erbeuten, der es wert war, auf den Großen Markt in der Hafenstadt von Janjong gebracht zu werden.
Er nahm Kurs auf die Gewässer vor dem östlichen Ufer von Shàbíng, der kleinen Felsinsel, die sich wie ein Wachposten am Rand des tiefen Meeres befand. Während er segelte, bereitete er seine vielfach verzweigte seidene Leine vor; vielleicht war diese neue Angelschnur ja stark genug, auch dem Zug des größten Fisches standzuhalten, im Gegensatz zu der vorherigen, die unter dem Zug von etwas Großem zerrissen war, das Wangu nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte.
In der Jurte wurden Teijis Wehen stärker, ihr Stöhnen lauter - obwohl ihre Fruchtblase noch nicht geplatzt war, während die Sonne draußen vor dem Zelt hoch in den Himmel stieg und der Längste Tag mit jedem Kerzenstrich heißer wurde. Die junge Chakun wurde erneut zum kalten Fluss geschickt, den Wasserschlauch neu zu füllen, und wie schon bei den Malen davor schlug sie auch diesmal einen weiten Bogen um die Männer, die um das Lagerfeuer herum saßen, tranken, ihr Seitenblicke zuwarfen und beunruhigende Kommentare machten.
Wangu band seine neue Seidenschnur an ein kurzes Stück der kostbaren Eisenkette, die an seinem größten Haken hing, und hängte einen Netzbeutel mit Innereien an die Spitze. Dann betete er kurz zu den Göttern der Tiefe, warf Haken und Kette über Bord und ließ die seidene Schnur nach. Der Beutel mit den Innereien schien in der Tiefe unter dem Boot zu verschwinden. Kurz hinter Wangu erhoben sich die spitzen Klippen von Shàbíng aus dem Meer, deren Felsflanken streng und unnachgiebig in den Abgrund vor ihnen starrten.
Am Vormittag schließlich platzte endlich Teijis Fruchtblase. Chakun, die Teijis Stirn unablässig mit einem feuchten Tuch gekühlt hatte, sah erstaunt zu, wie die rötliche Flüssigkeit auslief. Als die Hebammen Teiji auf die Füße halfen, damit sie in dem Zelt herumgehen und so die Geburt ihres Kindes unterstützen konnte, wurde Chakun die Aufgabe zugeteilt, die Geburtsmatte in der Mulde zu erneuern und die schmutzige zum Feuer zu bringen und hineinzuwerfen. Als das kleine Mädchen die Matte in die Flammen warf, jubelten die Männer, denn es bedeutete, dass Teiji jetzt kurz vor der Geburt stand. Die Flammen loderten auf, verzehrten die Strohmatte, aber Chakun wartete nicht ab, bis sie verbrannt war, sondern hastete schnell fort. Einige der Männer starrten sie an, und ihr breites, trunkenes Grinsen beunruhigte das Mädchen. Chakun kam zum Zelt zurück, als die Alte Tal gerade ihre Hand zwischen Teijis Schenkeln zurückzog, wo sie die Öffnung des Muttermundes ertastet hatte. Die alte Frau runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nicht mal einen Fingerbreit.« Chakun fuhr ein furchtsamer Stich durch die Brust, denn das waren schlechte Neuigkeiten. Jedenfalls schien es ihr so. Obwohl Teiji die Worte der Alten wegen ihres eigenen gequälten Stöhnens nicht hatte hören können, schien dieses Stöhnen lauter zu werden.
Mit einem lauten Zischen surrte die Leine ins Wasser. Etwas musste den Haken mit dem Köder geschluckt haben und schwamm davon.
»Ai!«, rief Wangu voller Freude. »Jetzt hab ich dich!« Er griff nach der Seidenschnur und wollte sie festhalten, schrie jedoch nur vor Schmerz und zuckte zurück, als sich die feine Schnur in seine Handfläche brannte. Er beugte sich über das Heck und tauchte seine Unterarme in das salzige Wasser der Jingarian-See, das zwar in der Wunde brannte, den Schmerz seiner durch die Leine versengten Hände aber trotzdem linderte.
Während er sich vorbeugte, sah er zu, wie die Leine immer knapper wurde, bis sie sich mit einem lauten Knall straffte. Der Knoten um die Heckklampe hielt. Doch was auch immer den Köder geschluckt hatte, es begann, das Boot rückwärts durch das Meer zu ziehen. Das Wasser kochte und schwappte über Bord.
Vor Schreck riss Wangu die Augen auf. »Was habe ich da gefangen?«, schrie er aufs Meer hinaus. »Oder - was hat mich da gefangen?«
Drachenkrieg von Dennis L. McKiernan
1. Kapitel
KHEM
Februar, 5E988
(Zehn Monate zuvor)
Bair und Aravan ritten auf ihrer Suche weiter, verließen die Halbmondschlucht und den Ring von Dodona und ritten in die Wüste hinaus. Aravan erzählte Blair vom Schwur des Drachensteins, und außerdem von Arin Flammenseherin und Egil Einauge sowie den anderen, die den Grünen Stein von Xian suchten. Die Sonne zog ihre Bahn über den Himmel, während Aravan die ganze Geschichte erzählte, und am späten Nachmittag, als er sie gerade beendet hatte, stießen sie auf eine Karawanenstraße, der sie in südöstlicher Richtung folgten. Ihr Ziel war Dirra, in Khem, doch sie würden sich noch fünf Tage durch den Sand der Karoo kämpfen müssen, bevor sie die Grenze dieses Landes erreichten.
»Woher kommt er, dieser Drachenstein?«, erkundigte sich Bair, als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen.
Aravan sah zu dem Jungen hinüber. »Woher er kam, konnte niemand sagen, oder wollte es nicht, vielleicht, doch die Drachen hegen eine große Furcht davor, und deshalb haben sie die Magier gebeten, ihn zu bewachen und geschworen, von Plünderungen und Überfällen auf die Welt abzulassen und sich auch nicht mehr in ihre Belange zu mischen.«
»Einige haben den Eid jedoch nicht geschworen, sagtet Ihr das nicht?«
»Allerdings. So wie auch einige Hexer den Schwur nicht leisteten - allesamt Abtrünnige.«
»Schwarze Magier und Kalt-Drachen, die unter dem Bann leiden?«
Aravan nickte. »Die sich im Großen Krieg auf die Seite Gyphons schlugen.«
»Und jetzt ist der Drachenstein verschollen?«
Aravan holte tief Luft. »Ai, Bair. Er befand sich in den Gewölben unter der Akademie der Magier in Kairn, der Stadt der Glocken.« Bei der Erinnerung huschte ein Ausdruck der Trauer über sein Gesicht. »Und als Rwn vernichtet wurde, ging auch der Drachenstein verloren.«
»Vielleicht liegt er immer noch in diesen Gewölben auf dem Grund des Meeres.«
»Vielleicht, Bair. Vielleicht.«
»Wo befindet sich Arin Flammenseherin jetzt?«, erkundigte sich Bair, als sie am nächsten Morgen das Lager abbrachen. »Sie unternimmt den Düsterritt nach Adonar.«
»Sie hat Mithgar verlassen? Warum?«
Aravan seufzte. »Nach Egils Tod hat sie viele Jahre getrauert. Schließlich überquerte sie das Dazwischen, um Frieden und Trost auf der Hohen Ebene zu suchen.«
Bair belud eines der Kamele. »Und Ihr sagtet, Rael wäre ebenfalls auf die Hohe Ebene zurückgekehrt?«
Aravan nickte. »Ai. Sie und Talarin und Gildor ... nebst etlichen anderen. Sie suchten ebenfalls den Trost von Adonar, denn die Erinnerung an den Verlust jener, die im Winterkrieg gefallen sind, lasteten schwer auf ihnen. Unter ihnen befand sich auch Vanidor, Gidors dwa.«
»Meiner Treu«, Bair berührte den Kristallanhänger. »Arin und Rael, beide fort. Dabei hatte ich gehofft, dass jemand von den Elfen hier wäre, der diese Bürde wirklich verstehen und Euch nötigenfalls Trost spenden könnte.« Er hob den Kristall an der Platinkette über seinen Kopf. »Hier, Aravan, nehmt ihn, denn mir scheint, er war für Euch bestimmt.«
Aravan jedoch hob nur abwehrend die Hand. »Noch nicht, Bair. Du trägst ihn, bis wir etwas anderes erfahren ... vielleicht schon im Tempel des Himmels.«
Bair legte die Kette wieder um seinen Hals. »Also gut, bis dahin.«
Sie ritten weiter und weiter, bis sie am vierten Tag eines unablässigen Regens die Erg erreichten. Die oueds waren vom Regen angeschwollen und zwangen sie, früh zu rasten.
Am sechsten Tag konnten sie in der Ferne eine Bergkette sehen, die sich über den Horizont erstreckte, und am folgenden Nachmittag stießen sie auf einem Pass auf eine Karawanserei. Dort verbrachten sie die Nacht. Der Besitzer war zwar überrascht, einen Elf in seiner Herberge bewirten zu müssen, hielt ihn jedoch nicht für einen Dschinn. Seine Frau und ihre drei Töchter weigerten sich allerdings, die beiden zu bedienen, obwohl sie von dem Wirt aufgemuntert und schließlich sogar bedroht wurden, und machten Schutzgesten gegen das Böse.
Am folgenden Tag überquerten sie die Grenze nach Khem und verließen die Sande der Erg. Das Land, das sie durchquerten, war kárg, wenngleich grüner als jenes, das sie hinter sich gelassen hatten. Und je weiter nach Südosten sie gelangten, desto grüner wurde es.
Es regnete während der folgenden Tage unaufhörlich, während die launischen Winterstürme über das Land fegten, die Kamele sich lautstark knurrend darüber beschwerten, dass sie nass wurden, und ihr Missfallen hochmütig kundtaten.
Jetzt durchquerten unsere beiden Reisenden fruchtbare Täler, wo der Regen hingelangte, und Tage später trabten »Rakka ysallmak!«, rief der Mann, offenbar zufrieden gestellt, wendete sein Pferd und ritt nach Norden weiter.
»Was wollte er?«, erkundigte sich Bair, als die Soldaten fern genug waren.
»Er hat gefragt, was unser Geschäft sei, und ich habe erwidert, wir wären Händler aus Sabra Dann wollte er wissen, wohin wir ritten, und ich sagte: Dirra. Daraufhin antwortete er: >Rakka sei mit Euch< und ritt weiter. Darauf habe ich nicht geantwortet.«
»Rakka?«
»Ein anderer Name für Gyphon. Hast du ihr Zeichen gesehen?«
»Ja. Eine geballte Faust, weiß auf schwarzem Grund.«
»Man kennt sie auch unter dem Namen >Fäuste von Rakka<; es ist eine alte Religion, die häufig verboten und von übel meinenden Menschen wieder ins Leben gerufen wurde.«
»Diese Sprache«, sagte Bair, nachdem sie ein Stück geritten waren, »ich muss sie erlernen.«
Aravan nickte. »Ich werde dich lehren, was ich weiß, aber bis du die Aussprache einigermaßen beherrschst, solltest du dich taub stellen.«
So reisten sie weiter, Tag um Tag. Aravan lehrte Bair Kabla, die Sprache der Wüste, die der Junge aufgrund seiner Begabung rasch begriff. Dennoch - trafen sie auf Dorfbewohner oder Landarbeiter, so stellte sich Bair taub und reagierte auf keinerlei Geräusch.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2000 by Dennis L. McKiernan
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2008 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung:»Johannes Frick«
... weniger
Autoren-Porträt von Dennis L. McKiernan
Dennis L. McKiernan wurde am 4. April 1932 in Missouri geboren. Im Alter von 18 Jahren trat er in die Air Force ein und kämpfte vier Jahre als Soldat im Korea-Krieg. Nach seiner Militärzeit studierte McKiernan Elektrotechnik. 31 Jahre lang arbeitete er als Ingenieur im Rüstungsbereich, bevor er sich entschloss, das Schreiben zum Beruf zu machen. Sein erstes Buch schrieb er 1977, während er sich von einem Autounfall erholte. Seitdem hat Dennis L. McKiernan über zwanzig Fantasy-Romane verfasst. Er lebt mit seiner Frau in Tuscon, Arizona und ist ein leidenschaftlicher Taucher und Motorradfahrer.
Bibliographische Angaben
- Autor: Dennis L. McKiernan
- 1590 Seiten, Maße: 13 x 19,1 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828996760
- ISBN-13: 9783828996762
Kommentare zu "Die Drachen, 4 Bände im Set"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die Drachen, 4 Bände im Set“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 4Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Drachen, 4 Bände im Set".
Kommentar verfassen