Die Ehre der Nicolosi
Roman. Originalausgabe
Die Geschichte einer Mafia-Familie auf dem St.-Pauli-Kiez<br /><br />Der Mann auf dem Stuhl regt sich nicht. Bruno Nicolosi, der bekannte, aus Italien stammende Kiez-Gastronom, lebt nicht mehr. Tod durch Fremdeinwirkung, stellen die beiden...
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Produktinformationen zu „Die Ehre der Nicolosi “
Die Geschichte einer Mafia-Familie auf dem St.-Pauli-Kiez<br />
<br />Der Mann auf dem Stuhl regt sich nicht. Bruno Nicolosi, der bekannte, aus Italien stammende Kiez-Gastronom, lebt nicht mehr. Tod durch Fremdeinwirkung, stellen die beiden Polizisten vor Ort fest. Eine Kugel durchs Herz hat das »Leben einer Legende«, wie Journalisten ihn nannten, für immer zur Ruhe gesetzt.<br />
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Klappentext zu „Die Ehre der Nicolosi “
Der Mann auf dem Stuhl regt sich nicht. Bruno Nicolosi, der bekannte, aus Italien stammende Kiez-Gastronom, lebt nicht mehr. Tod durch Fremdeinwirkung, stellen die beiden Polizisten vor Ort fest. Eine Kugel durchs Herz hat das »Leben einer Legende«, wie Journalisten ihn nannten, für immer zur Ruhe gesetzt.
Lese-Probe zu „Die Ehre der Nicolosi “
Die Ehre der Nicolosi von Virginia Doyle23. 5. 1985, Hamburg, St.-Pauli. Um 18 Uhr 32 treten zwei uniformierte Polizeibeamte aus der Davidwache und gehen nach links zur Ecke Spielbudenplatz/Reeperbahn. Als die Fußgängerampel auf Grün umschlägt, wechseln sie die Straßenseite und schlendern die Davidstraße entlang Richtung Hafen. Der Gehsteig ist noch frei, die Frauen, die hier anschafen, dürfen sich erst ab 20 Uhr an der Bordsteinkante aufstellen. Nur in der Herbertstraße ist rund um die Uhr Betrieb. Eine Gruppe Touristen beratschlagt vor der Sichtsperre, ob sie es wagen sollen, die berühmte Rotlichtstraße zu betreten, die Frauen diskutieren darüber, wie ernst das Warnschild auf der Stahlwand gemeint sein könnte: »Zutritt für Jugendliche unter 18 und Frauen verboten.« Jemand erzählt, dass die Prostituierten auf Damenbesuch mit Wasserbomben reagieren würden. Man entscheidet, dass die Männer mal kurz reindürfen, »aber wir warten hier«, sagen ihre Begleiterinnen.
Die Polizisten wollen nur routinemäßig die Herbertstraße durchqueren, kurz mal Hallo sagen, nach dem Rechten sehen, Präsenz zeigen, bemerken aber ein Stück weiter ein Auto im eingeschränkten Halteverbot. Sie gehen darauf zu.
Der rostrote chevrolet camaro steht direkt vor dem Eingang eines bekannten italienischen Restaurants. Die Trattoria San Diavolo wird von einer inzwischen als alteingesessen geltenden italienischen Familie betrieben. Seit wann die Nicolosis auf dem Kiez tätig sind, weiß eigentlich keiner so ganz genau, aber sie gehören zu den erfolgreichsten Unternehmern in diesem Viertel und werden sogar von den hanseatischen Kaufleuten als Geschäftspartner akzeptiert.
... mehr
Der chevrolet gehört den Inhabern der Trattoria. In letzter Zeit steht er öfter hier, und die Beamten müssen immer wieder ins Lokal, um darauf hinzuweisen, dass der Wagen woanders geparkt werden soll. Manchmal, wenn die Inhaber Zeit gewinnen wollen, bieten sie den Beamten einen Espresso an. Das Angebot wird von den meisten abgelehnt, manche aber nutzen die Gelegenheit, um sich im Lokal beruflich umzuschauen, und da kann ein Espresso, der die Staatskasse nicht weiter belastet, auch nicht schaden.
Die beiden Beamten kommen vor dem Restaurant an. Die gläserne Eingangstür wie auch die Fenster zur Straße sind mit bunten Szenen bemalt. Sie zeigen eine mediterrane Hafenidylle, venezianische Gondeln und italienische Damen mit großen Hüten vor überdimensionalen Gläsern mit Rotwein. Die Eingangstür ist geschlossen, was um diese Zeit ungewöhnlich ist, denn das Lokal öf net normalerweise um 18 Uhr, täglich außer Sonntag, aber heute ist Donnerstag. Einer der Polizisten späht hinein. Drinnen ist es noch dunkel, und man kann kaum etwas erkennen. Der Beamte legt zwei Hände gegen die Scheibe, um besser hineinschauen zu können. Tatsächlich, da ist jemand.
Auf einem Stuhl sitzt der Inhaber des Lokals, Bruno Nicolosi, in sehr entspannter Haltung, mit herabhängenden Armen und einem zur Seite gefallenen Kopf. Seine Augen sind geschlossen.
»Entweder der schläft oder er ist tot«, sagt der Polizist und lässt seinen Kollegen hineinlugen.
»Der hat einen dunklen Fleck auf der Brust«, stellt der zweite Beamte fest. Er klopft gegen die Scheibe.
Niemand kommt, der Mann wacht nicht auf.
Der Polizist rüttelt an der Tür, sie ist zu. Sie könnten die Scheibe einschlagen, aber dann wäre das schöne Bild zerstört. über Funk fordern sie Unterstützung an. Ein Kollege kommt mit einem kleinen Brecheisen. Es knackt und kracht ein bisschen, dann ist die Tür auf.
Der Mann auf dem Stuhl regt sich nicht. Kalte Hände, blasse Haut, ofen stehender Mund, kein Puls, nur der dunkle Fleck auf der Brust: Bruno Nicolosi, der bekannte, aus Italien stammende Kiez-Gastronom, lebt nicht mehr. Tod durch Fremdeinwirkung: Eine Kugel ist durch den Brustkorb ins Herz gedrungen. Später werden manche Journalisten es »das Ende einer Legende« nennen. Aber der Mann, der sich an seinem Stammplatz für immer zur Ruhe gesetzt hat, hätte für eine derartige Bezeichnung kein Verständnis gehabt. Er hatte ein Leben geführt, das nicht wirklich sein eigenes gewesen war. Doch davon wissen nur die, die ihn nicht gefürchtet haben, und das sind wenige.
Das ganze Ausmaß der Tragödie in der Trattoria San Diavolo wurde den Polizisten erst klar, als sie das Hinterzimmer betraten und dort auf zwei weitere Leichen stießen, die sich in wesentlich unschönerem Zustand befanden.
Die Zeitungen titelten: »Familientragödie«, »Auftragsmord«, »Racheakt« und ergingen sich in nutzlosen Spekulationen. Aufgeklärt wurden die Todesfälle nie. Angehörige in Italien beauftragten einen Anwalt mit dem Verkauf des Lokals, eine italienische Firma übernahm die Hamburger Unternehmen und Geschäftsbeteiligungen der Nicolosis.
Dass zu den drei Toten in der Trattoria noch ein weiteres Opfer gehört, das Jahrzehnte früher während eines Brands in einem Kino ums Leben kam, wissen nur Eingeweihte, denen die gesamte Geschichte des Nicolosi-clans bekannt ist, zwei oder drei Personen höchstens - falls sie noch am Leben sind.
Erstes Kapitel
»Los! Raus an die Arbeit, gottverdammtes Lumpenpack!«
Der Mann, der diesen Befehl mit schriller, sich überschlagender Stimme hervorstieß, trug die Uniform eines Leutnants, dazu einen verbeulten Stahlhelm, aber alle wussten, dass er in Wahrheit nur ein Zivilist war. Vor langer Zeit ausgemustert. Wahrscheinlich hatte er schon in der Jugend diesen Buckel gehabt, der ihn schwächlich erscheinen ließ. Krumm stand er da, mit dünnen Beinen in zu großen Stiefeln. Die Pistole an seinem Gürtel wirkte kaum abschreckend. Einmal hatte er sie auf einen Arbeiter gerichtet, der vor Hunger und überanstrengung zusammengebrochen war. Es hatte ewig gedauert, bis er die Wafe aus dem Halfter bekam, noch länger, bis er mit zitternder Hand auf den am Boden Liegenden zielte. Das Opfer hatte genug Zeit gehabt zu sterben, bevor zwei Kugeln neben ihm einschlugen und trockene Erde gegen den kahlen Schädel spritzten. Erst die dritte Kugel drang in die Schläfe ein. Nur ein dünner Faden Blut trat aus.
Kein Wunder, denn die Zwangsarbeiter hatten kaum noch Blut. Sie waren innen hohl und außen vertrocknet, ihre Körper nur noch Hüllen. Aber sie mussten schuften, bis sie umfielen. Es gab keine Möglichkeit wegzulaufen. Neben dem falschen Leutnant standen zwei junge Männer in schwarzen Uniformen. Wer sie geschickt hatte, wusste keiner, sie waren einfach da. Aber ihre Uniformen wirkten echt, und die Maschinenpistolen, die sie auf ihre Gefangenen richteten, sowieso.
Antonio Nicolosi war immer der Letzte, der aus der Baracke nach draußen trat, Bruno der Vorletzte. Bei den Italienern hatte sich innerhalb weniger Tage eine klare Hierarchie ausgebildet. Viele Worte waren dazu nicht nötig gewesen. Es war erstaunlich, wie schnell sich alle fügten, wenn Antonio Befehle gab. Sogar die, die jeden Morgen zuerst die Baracke verlassen mussten und am meisten Gefahr liefen, einem Wutanfall des falschen Leutnants zum Opfer zu fallen.
Aber heute sollte mit den Schikanen Schluss sein. Die Engländer näherten sich der Stadt, das wussten alle. Die jungen Männer mit den Maschinenpistolen schienen verunsichert. Sie horchten und ließen die Blicke schweifen, achteten mitunter minutenlang nicht auf ihre Gefangenen, die langsam, aber unermüdlich daran arbeiteten, die Trümmer einer völlig zerstörten Straße in der Nähe des Hafens zu beseitigen.
Fast jeden Tag gelang es Antonio, sich für eine halbe Stunde davonzustehlen. Wenn er zurückkam, verteilte er »Hühnchenkeulen « an seine Mitgefangenen. Das waren Knochen mit Fleischresten daran, und jeder wusste, dass sie nicht von Hühnern stammten. Vielleicht von Katzen oder Hunden, wahrscheinlicher von Ratten. Wie es Bruno gelang, diese Leckerbissen zu braten, wusste keiner, und niemand fragte nach. Es beklagte sich auch keiner, wenn er statt der »Hühnchenkeulen « eine Delikatesse wie Froschschenkel angeboten bekam, die Bruno bei herumstreunenden Jungen gegen in den Trümmern gefundene Gegenstände eintauschte. Das waren immer nur kleine »Wertsachen«, die großen wurden ihnen vom falschen Leutnant abgenommen, dem es sogar in diesen Zeiten gelungen war, sich eine kleine kugelige Wampe anzufressen.
Heute aber hatte Antonio eine echte Delikatesse vorbereitet. Am Vorabend hatten er und Bruno am Straßenrand einen ausgeweideten Pferdekadaver gefunden. Mit selbst gefertigten Messern hatten sie in mühsamer Arbeit die restlichen Fleisch- fetzen abgesäbelt und gut versteckt.
Das Fleisch schmeckte leicht süß, es konnte roh verteilt werden. Es reichte nur für vier der knapp zwanzig Italiener, für die Nicolosi-Brüder und zwei weitere, die mit ihnen schon in der Munitionsfabrik und vorher im Kriegsgefangenenlager zusammen gewesen waren. Diese vier bekamen das Fleisch in kleinen Portionen über den Tag verteilt. Es war nicht abgehangen und schmeckte nach Blut.
Vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit bauten sie eine Pyramide aus Steinen in der Mitte eines Platzes, der fast ganz von Trümmern bereinigt worden war. Was für einen Sinn es machte, an dieser Stelle Ordnung zu schafen, war keine Frage wert. Um den Platz herum ragten Häuserfassaden in die Höhe, hinter denen nichts mehr war als gähnende Leere. Und nachts hörte man die Flugzeuge, die immer noch kamen, um die übrig gebliebenen Backsteinwände zu zerbomben.
Bevor der Befehl zum Rückmarsch zur Baracke kam, verteilte Toni Nicolosi die letzten Fleischstücke. Als die Gruppe der schweigend und gebeugt vorantrottenden Italiener sich ihrer armseligen Behausung näherten, wurden sie immer langsamer. Der falsche Leutnant versuchte sie brüllend anzutreiben, aber die Männer wurden immer langsamer, wankten und schwankten, ächzten und stöhnten und schließlich brach der Erste zusammen.
Schon trat der Leutnant neben ihn und stieß ihm mit der Stiefelspitze gegen den Kopf, holte aus, um ihm einen ordentlichen Tritt ins Gesicht zu verpassen, da fielen zwei weitere Gefangene zu Boden und sofort drei andere, zwei knickten stöhnend ein und gingen in die Hocke, einer warf die Arme in die Luft und fiel flach zu Boden, wo er zuckend und wie ein Hund bellend um sich schlug. Auf ihn richteten sich die Augen des falschen Leutnants und die Mündungen der Maschinenpistolen der Männer in Schwarz.
Aus dem Mund des Zuckenden ergoss sich ein Schwall Blut, wo immer er das her hatte.
Das war der Moment, in dem Antonio den Leutnant ansprang und ihn laut brüllend umstieß und unter sich begrub. Je zwei Italiener stürzten sich auf die Bewaf neten, schlugen ihnen die MPis aus den Händen und begannen, ihre Köpfe mit Steinen zu bearbeiten, bis sie ruhig waren.
Toni brauchte keine Steine. Das Blut spritzte aus der Halsschlagader des falschen Leutnants, eine hohe Fontäne, die rasch nachließ und zu einem Rinnsaal wurde. Sein Bezwinger sprang auf, Blut tropfte von seinem Gesicht.
Luigi und Rosario, die die Maschinenpistolen erbeutet hatten, traten zu Toni und Bruno und hielten ihnen die Wafen hin.
Toni spuckte Blut und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Mit einem Kopfnicken machte er klar, dass seine beiden Getreuen die Wafen behalten sollten. Eine Augenbewegung signalisierte ihnen, auf die anderen achtzugeben.
Sie schaf ten die drei toten Deutschen in die Baracke und zogen ihnen die Uniformen aus. Bruno und Toni nahmen die Pistolen und die Fahrtenmesser an sich.
Die anderen Gefangenen blieben draußen vor der Baracke. Als Toni in der Uniform des falschen Leutnants wieder herauskam, sahen sie ihn erwartungsvoll an.
»Haut ab«, sagte er. »Ihr seid frei.«
Keiner rührte sich.
Bruno und die zwei anderen Bewaf neten traten neben ihn.
Die beiden mit den MPis hatten sich die schwarzen Uniformen angezogen.
»Macht euch davon!«, rief Toni. »Das ist jetzt unsere Hütte.«
Einer der ausgemergelten Männer konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und setzte sich hin. Ein anderer tat es ihm gleich, die übrigen folgten. Nun saßen sie alle vor ihren bewaf neten Gefährten und schauten sie an, hohlwangig, mit tief in den Höhlen liegenden hungrigen Augen.
Toni trat einem gegen das Bein. »Fort mit euch.« Weitere Fußtritte gegen die anderen folgten. Nichts geschah. Was ist der Unterschied zwischen Vieh und Mensch?, fragte sich Bruno. Der Mensch wehrt sich. »Dann bleibt doch hier und verreckt!«, stieß Toni hervor. »Kommt, wir gehen«, sagte er zu seinen Männern. Sie folgten ihm, den staubigen Weg zwischen dem sich türmenden Schutt hindurch.
Die bis eben noch gefangenen und jetzt freien Italiener erhoben sich. Sie sahen aus wie Tote, die ihre Gräber verloren hatten. Sie folgten den vier anderen. Scharrend, schlurfend, schleichend, taumelnd. Sie waren längst in jenem Stadium der totalen Erschöpfung, wo sie keine Entscheidung mehr für sich trefen konnten, sie brauchten jemanden, der sie führte.
Toni Nicolosi aber war alles andere als ein Messias. Als er das Geräusch der schleppenden Schritte und das Ächzen und Stöhnen seiner ehemaligen Gefährten hinter sich hörte, hielt er an, drehte sich um und stemmte die Hände in die Hüften.
Die Gruppe der Zerlumpten blieb stehen.
Mit einer rabiaten Geste bedeutete Toni ihnen, dort zu bleiben, wo sie waren, aber als er sich wieder umwandte, rückten die Verzweifelten nach.
Toni drehte sich wieder um und zog die Pistole. Er zielte auf die Männer, die Schritt für Schritt näher kamen. Ein Schuss peitschte über ihre Köpfe hinweg. Sie gingen weiter. Ein zweiter Schuss, und der Vorderste sank seufzend zu Boden. Die anderen stiegen über ihn hinweg. Ein dritter Schuss, eine blutige Brust, der Getrofene brach zusammen, zwei andere stolperten über ihn und stürzten. Die übrigen blieben stehen.
Toni steckte die Pistole ins Halfter und dreht sich um: »Los jetzt.«
Eilig machten sie sich davon. Nur Bruno warf noch einen Blick zurück auf die Unglücklichen, als er oben auf einer Schutthalde angekommen war.
Dann folgte er Toni und seinen Getreuen durch das Labyrinth der Häuserruinen.
Vor einem ausgebrannten Varieté, von dem nur noch Schilder übrig geblieben waren, die eine rote Katze zeigten, blieb Bruno Nicolosi stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Auf der Reeperbahn versuchten Männer und Frauen in schmutzigen Kleidern mit Hilfe von dicken Seilen die Stahlträger einer Panzersperre an den Straßenrand zu zerren.
Bruno lehnte sich gegen einen zufällig herumstehenden Tisch, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nicht verkokelt war. Er wollte seine neue Hose nicht beschmutzen. Der Zigarettenrauch reizte seine Kehle, er musste husten. Rauchen war eigentlich nicht seine Sache, aber in diesen Zeiten konnte man mit einer echten Zigarette im Mund Eindruck schinden, sogar mit einer Kippe, die man achtlos wegwarf.
Als er es tat, rannte ein Mädchen zu ihm hin. Er hatte es nur aus dem Augenwinkel bemerkt. Als die Kleine sich bückte, um die Kippe aufzuheben, fiel ihm auf, dass sie einen blonden Pferdeschwanz hatte. Nackte Beine unter einem zu kurzen zerrissenen Rock, eine viel zu große Männerjacke um die schmalen Schultern gehängt, keine Schuhe. Sie benetzte Daumen und Zeigefinger und drückte die Glut aus, ihre Hände waren schmutzig, das Gesicht auch.
Diese Jacke, dachte Bruno, würde ganz gut zu meiner Hose passen. Man müsste sie nur ausbürsten und einen Knopf annähen.
»Wie viel willst du für die Jacke?«, fragte er.
Sie richtete sich auf, und er merkte, dass sie größer und älter war, als er zunächst gedacht hatte. Fünfzehn Jahre vielleicht, noch kein richtiges Fräulein, aber fast.
»Wie bitte?«
»Die Jacke, ich kaufe sie dir ab. Für fünf Zigaretten.« Die macht das, dachte er, so wie die guckt, hat die Hunger. »Fünf Stück? Das ist aber viel zu wenig«, sagte das Mädchen. »Zehn.« Mager ist sie, dachte Bruno, sehr mager. Die muss essen. »Mir wird aber kalt, wenn ich die Jacke weggebe.« Sie ist schön, so mager und bleich, nicht so grobschlächtig
und kratzbürstig und laut und trampelig und viel zu massig wie die Frauen im Bunker. Es ist schade, dass sie nicht so mager und bleich bleiben.
»Fünfzehn Stück, dafür kriegst du eine Neue.« »Das ist immer noch zu wenig. Wie soll ich mich denn nachts zudecken, ohne Jacke?« »Für zwanzig Stück kannst du noch eine Decke kaufen, dann ist dir warm.« »So einfach ist das aber nicht. Decken sind schwer zu kriegen. «
»Ich helfe dir suchen.«
»Ich brauche keinen Wohltäter«, sagte sie trotzig und stolz zugleich.
»Wo wohnst du denn?«
»Mal hier, mal da.«
»Bist du allein?«
»Na und, das sind doch viele.«
»Komm doch mit mir mit. Wir haben eine Strohmatte übrig. Vielleicht sogar ein Bett.«
Sie schaute ihn prüfend an. »Sie sehen ja ganz nett aus. Vielleicht geht das mit den Zigaretten ja auch ohne die Jacke, die möchte ich nämlich gern behalten.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich will die Jacke.«
»Strohmatte, Wolldecke, Bett und dreißig Zigaretten. Aber erst mal will ich wissen, wo wir dann hingehen.«
Bruno deutete über die Schutthalden auf dem Spielbuden- platz: »Siehst du das Denkmal da? Den großen Klotz? Der Riese mit dem Schwert?«
»Das ist doch der Bismarck.«
»Darunter ist ein Bunker. Da haben wir uns eingerichtet.«
»Wer ist denn wir?«
»Mein Bruder und ich, ein paar Freunde.«
»Ich bin nicht gern mit so vielen Leuten.«
»Matte, Bett, Decke und dreißig Zigaretten.«
»Drei Zigaretten als Anzahlung, und das Bett will ich für mich allein.«
Bruno hielt ihr drei Zigaretten hin. Sie bemerkte seine zitternde Hand und sagte: »Du brauchst wirklich eine Jacke.«
»Ich heiße übrigens Thea«, sagte sie, als sie auf dem Weg zum Bunker unter dem Bismarck-Denkmal über einige umgestürzte, halb verbrannte Bäume kletterten. Die Bewohner des Bunkers hatten es bislang nicht für nötig erachtet, den Weg zu ihrem Unterschlupf freizuräumen.
»Das sind deine Freunde?«, fragte Thea, als sie im spärlich erleuchteten Bunker an herumliegenden und apathisch dasitzenden zerlumpten Gestalten vorbeigingen. Die wenigen, die wach wirkten, warfen Bruno und seiner Begleiterin feindselige Blicke zu.
»Weiter hinten.« Vor einer Stahltür angekommen, holte Bruno einen Schlüssel hervor, um das schwere Vorhängeschloss aufzuschließen
Es waren drei saubere, mit Bunkermobiliar gut bestückte Räume in der Nähe des Hinterausgangs, der von außen nur schwer zu finden war. Die Räume lagen hintereinander, Bruno führte seine Begleiterin hindurch und deutete auf ein Feldbett: »Das da kannst du haben.«
Sie legte sich aufs Bett und stöhnte genüsslich.
»Wer schläft noch hier?«, fragte sie nach einer Weile.
»Mein Bruder und ich.« Bruno setzte sich auf das zweite Bett.
»Und in den anderen Räumen?«
»Freunde.«
»Wo sind die denn jetzt?«
»In der Stadt.«
»Was tun sie da?«
»Arbeiten.«
»Was denn.«
»Handeln.«
Sie lachte ungläubig. »Händler, die in einem Bunker leben?«
»Wir ziehen bald um.«
Thea schnippte mit den Fingern. »Wo sind die dreißig Zigaretten? « Bruno ging zu einem eisernen Spind und zog die Tür auf. Dahinter stapelten sich Zigarettenpackungen.
»Ach, solche Händler«, stellte Thea fest.
Bruno warf ihr zwei Packungen zu, die sie geschickt aufng.
»Jetzt hast du aber kein Bett mehr«, stellte sie fest.
»Die andern müssen mir eins geben.«
»Wo kommst du eigentlich her, du bist doch Ausländer, stimmt's?«
»Sizilien.«
»Aha.« Sie richtete sich auf und zog sich die Jacke aus. »Hier, die gehört jetzt dir.«
Er zog sie an, sie spannte ein wenig an den Schultern, aber sonst passte sie.
»Sizilien, liegt das nicht in Italien?«, fragte sie, nachdem sie sich wieder hingelegt und die Hände unter den Kopf gelegt hatte.
»Ja, ganz im Süden.«
»Im Land, wo die Zitronen blüh'n.«
»Ja.«
»Da ist es doch bestimmt schön und warm. Habt ihr da auch Krieg gehabt?«
»Ja, aber nicht so schlimm wie hier, glaube ich. Ich war ja schon lange nicht mehr dort. Der Krieg war früher zu Ende. Deshalb kamen wir als Kriegsgefangene nach Deutschland.«
»Warum geht ihr nicht zurück?«
»Können wir nicht.«
»Warum denn, der Krieg ist doch aus?«
»Mit dem Krieg hat das nichts zu tun. Jedenfalls nicht mit diesem.«
»Womit denn sonst?« Sie gähnte genüsslich.
Sein Blick fiel auf ihre Füße. Schmale nackte Füße, sehr schmutzig, beinahe schon schwarz.
»Ich komme gleich wieder«, sagte er und verließ den Raum.
Als er zurückkam, hatte er eine Blechschüssel und ein Tuch dabei.
»Setz dich hin, deine Füße müssen gewaschen werden.« »Ach was«, sagte sie schläfrig. »Besorg du mir erst mal ein paar Schuhe, sonst lohnt es sich nicht.« »Doch, doch, komm schon.« Er fasste sie an der Hand und zog sie hoch.
Auf dem Bettrand sitzend schaute sie ihm verdutzt dabei zu, wie er sich vor sie kniete, die Schüssel hinstellte, das Handtuch neben sich legte und den Knöchel ihres linken Fußes umfasste.
»Lass das doch!« Sie zog die Beine an.
Es waren so wundervoll dünne Beine, die einer Elfe hätten gehören können, wenn sie nicht so schmutzig gewesen wären. »Das Wasser ist nicht sehr kalt«, sagte Bruno und faltete das Tuch auseinander. »Ich habe sogar Seife.«
»Seife?«
Er hielt das kleine Stück hoch.
»Aber dafür bezahle ich nicht«, sagte sie.
»Nein, nein.« Behutsam stellte er ihre Füße nebeneinander ins Wasser und begann sie zu waschen. Sie schüttelte verwundert den Kopf.
»Warum könnt ihr nicht wieder zurück in das Land, wo die Zitronen blüh'n?«
»Wir haben was Schlimmes gemacht.«
»Gestohlen?«
»Schlimmer.«
»Zerstört?«
Bruno schwieg.
»Jemandem wehgetan?«
»Auch«, sagte er leise.
»Einen umgebracht?«, fragte sie gebannt.
Er grif nach dem Handtuch und antwortete nicht.
Sie zog die Füße weg.
»Warte, ich muss dich doch noch abtrocknen.«
Die Eisentür wurde aufgestoßen und ein Mann betrat den Raum. Er trug einen schwarzen Anzug, darunter ein grobes Baumwollhemd von unklarer Farbe. Schnurrbart, dunkle Augen, herrischer Blick.
Thea schrak zusammen und starrte ihn ängstlich an.
Bruno hob schuldbewusst den Kopf.
»Was soll das denn?«, fragte Antonio Nicolosi. Sein Blick fiel auf den ofenen Spind mit den Zigarettenpackungen.
»Sie hat mir eine Jacke verkauft.«
»Was machst du denn da?«
»Ihre Füße ... waren schmutzig.«
»Und? Sind sie jetzt sauber?«
Bruno nickte.
»Dann geh raus und nimm das Dreckwasser mit.«
»Toni, bitte!«
»Raus!«
Bruno wickelte das Seifenstück in das feuchte Tuch und trug die Schüssel hinaus.
Nachdem er das Wasser weggegossen hatte, hockte er sich auf eine Pritsche im Vorraum und horchte auf das Weinen und Wimmern hinter der Eisentür. Er rauchte eine Zigarette, dann noch eine, dann noch eine. Schließlich ging die Tür auf und das Mädchen kam heraus.
Mit zerrissener Bluse und ohne die Zigarettenpackungen, die Bruno ihr gegeben hatte, aber mit sauberen Füßen, stolperte sie dem Bunkerausgang entgegen.
Antonio erschien in der Tür. Er grinste zufrieden.
In der Mitte des Hofs, vor einem Garagenschuppen mit geschlossenen Toren, standen zwei ausgemusterte Armeelaster mit festgezurrten Planen. Das ehemals zweigeschossige Fabrikgebäude neben den Garagen hatte nur noch ein Stockwerk, die Eingangstore waren vernagelt, ein Schild warnte: »Einsturzgefahr! « Darunter ein skizzierter Totenkopf. In einer Ecke ein verbeultes, rostiges Blechschild mit der Aufschrift »Rewko - Schokolade - Süßwaren«.
Um auf den Hof zu gelangen, musste man durch ein Labyrinth von engen Wegen zwischen Schutthalden und eingestürzten Mauern hindurch. Toni war immer wieder stehen geblieben und hatte anerkennend genickt. Auch auf dem Hof entdeckte er mehrere Fluchtwege, die so angelegt worden waren, dass man sie nicht sofort erkennen konnte. »Profis«, stellte er fest.
Bruno zuckte zusammen, als der Motor des einen Lastwagens unvermittelt aufheulte. Seine Hand fasste nach der Pistole, die er sich unter der Jacke am Rücken in den Gürtel geschoben hatte. Toni hielt seinen Arm fest. »Lass das!«
Aus dem Führerhaus des Lastwagens schaute ein Mann mit kantigem Gesicht. Gleichgültiger Blick, Zigarette im Mundwinkel. Natürlich war es seine Absicht gewesen, die beiden Eindringlinge zu erschrecken, vielleicht auch sollte das Aufheulen des Motors seine Komplizen warnen.
Der Fahrer stieg aus und schloss die Motorhaube. über seiner Arbeitshose trug er lediglich ein ärmelloses Unterhemd.
»Klingt gut«, sagte Toni.
Der Mann machte die Halterungen fest und schwieg.
»Fährt wahrscheinlich ziemlich schnell«, fügte Toni hinzu.
Copyright © Robert Brack copyright © 2010 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House
Der chevrolet gehört den Inhabern der Trattoria. In letzter Zeit steht er öfter hier, und die Beamten müssen immer wieder ins Lokal, um darauf hinzuweisen, dass der Wagen woanders geparkt werden soll. Manchmal, wenn die Inhaber Zeit gewinnen wollen, bieten sie den Beamten einen Espresso an. Das Angebot wird von den meisten abgelehnt, manche aber nutzen die Gelegenheit, um sich im Lokal beruflich umzuschauen, und da kann ein Espresso, der die Staatskasse nicht weiter belastet, auch nicht schaden.
Die beiden Beamten kommen vor dem Restaurant an. Die gläserne Eingangstür wie auch die Fenster zur Straße sind mit bunten Szenen bemalt. Sie zeigen eine mediterrane Hafenidylle, venezianische Gondeln und italienische Damen mit großen Hüten vor überdimensionalen Gläsern mit Rotwein. Die Eingangstür ist geschlossen, was um diese Zeit ungewöhnlich ist, denn das Lokal öf net normalerweise um 18 Uhr, täglich außer Sonntag, aber heute ist Donnerstag. Einer der Polizisten späht hinein. Drinnen ist es noch dunkel, und man kann kaum etwas erkennen. Der Beamte legt zwei Hände gegen die Scheibe, um besser hineinschauen zu können. Tatsächlich, da ist jemand.
Auf einem Stuhl sitzt der Inhaber des Lokals, Bruno Nicolosi, in sehr entspannter Haltung, mit herabhängenden Armen und einem zur Seite gefallenen Kopf. Seine Augen sind geschlossen.
»Entweder der schläft oder er ist tot«, sagt der Polizist und lässt seinen Kollegen hineinlugen.
»Der hat einen dunklen Fleck auf der Brust«, stellt der zweite Beamte fest. Er klopft gegen die Scheibe.
Niemand kommt, der Mann wacht nicht auf.
Der Polizist rüttelt an der Tür, sie ist zu. Sie könnten die Scheibe einschlagen, aber dann wäre das schöne Bild zerstört. über Funk fordern sie Unterstützung an. Ein Kollege kommt mit einem kleinen Brecheisen. Es knackt und kracht ein bisschen, dann ist die Tür auf.
Der Mann auf dem Stuhl regt sich nicht. Kalte Hände, blasse Haut, ofen stehender Mund, kein Puls, nur der dunkle Fleck auf der Brust: Bruno Nicolosi, der bekannte, aus Italien stammende Kiez-Gastronom, lebt nicht mehr. Tod durch Fremdeinwirkung: Eine Kugel ist durch den Brustkorb ins Herz gedrungen. Später werden manche Journalisten es »das Ende einer Legende« nennen. Aber der Mann, der sich an seinem Stammplatz für immer zur Ruhe gesetzt hat, hätte für eine derartige Bezeichnung kein Verständnis gehabt. Er hatte ein Leben geführt, das nicht wirklich sein eigenes gewesen war. Doch davon wissen nur die, die ihn nicht gefürchtet haben, und das sind wenige.
Das ganze Ausmaß der Tragödie in der Trattoria San Diavolo wurde den Polizisten erst klar, als sie das Hinterzimmer betraten und dort auf zwei weitere Leichen stießen, die sich in wesentlich unschönerem Zustand befanden.
Die Zeitungen titelten: »Familientragödie«, »Auftragsmord«, »Racheakt« und ergingen sich in nutzlosen Spekulationen. Aufgeklärt wurden die Todesfälle nie. Angehörige in Italien beauftragten einen Anwalt mit dem Verkauf des Lokals, eine italienische Firma übernahm die Hamburger Unternehmen und Geschäftsbeteiligungen der Nicolosis.
Dass zu den drei Toten in der Trattoria noch ein weiteres Opfer gehört, das Jahrzehnte früher während eines Brands in einem Kino ums Leben kam, wissen nur Eingeweihte, denen die gesamte Geschichte des Nicolosi-clans bekannt ist, zwei oder drei Personen höchstens - falls sie noch am Leben sind.
Erstes Kapitel
»Los! Raus an die Arbeit, gottverdammtes Lumpenpack!«
Der Mann, der diesen Befehl mit schriller, sich überschlagender Stimme hervorstieß, trug die Uniform eines Leutnants, dazu einen verbeulten Stahlhelm, aber alle wussten, dass er in Wahrheit nur ein Zivilist war. Vor langer Zeit ausgemustert. Wahrscheinlich hatte er schon in der Jugend diesen Buckel gehabt, der ihn schwächlich erscheinen ließ. Krumm stand er da, mit dünnen Beinen in zu großen Stiefeln. Die Pistole an seinem Gürtel wirkte kaum abschreckend. Einmal hatte er sie auf einen Arbeiter gerichtet, der vor Hunger und überanstrengung zusammengebrochen war. Es hatte ewig gedauert, bis er die Wafe aus dem Halfter bekam, noch länger, bis er mit zitternder Hand auf den am Boden Liegenden zielte. Das Opfer hatte genug Zeit gehabt zu sterben, bevor zwei Kugeln neben ihm einschlugen und trockene Erde gegen den kahlen Schädel spritzten. Erst die dritte Kugel drang in die Schläfe ein. Nur ein dünner Faden Blut trat aus.
Kein Wunder, denn die Zwangsarbeiter hatten kaum noch Blut. Sie waren innen hohl und außen vertrocknet, ihre Körper nur noch Hüllen. Aber sie mussten schuften, bis sie umfielen. Es gab keine Möglichkeit wegzulaufen. Neben dem falschen Leutnant standen zwei junge Männer in schwarzen Uniformen. Wer sie geschickt hatte, wusste keiner, sie waren einfach da. Aber ihre Uniformen wirkten echt, und die Maschinenpistolen, die sie auf ihre Gefangenen richteten, sowieso.
Antonio Nicolosi war immer der Letzte, der aus der Baracke nach draußen trat, Bruno der Vorletzte. Bei den Italienern hatte sich innerhalb weniger Tage eine klare Hierarchie ausgebildet. Viele Worte waren dazu nicht nötig gewesen. Es war erstaunlich, wie schnell sich alle fügten, wenn Antonio Befehle gab. Sogar die, die jeden Morgen zuerst die Baracke verlassen mussten und am meisten Gefahr liefen, einem Wutanfall des falschen Leutnants zum Opfer zu fallen.
Aber heute sollte mit den Schikanen Schluss sein. Die Engländer näherten sich der Stadt, das wussten alle. Die jungen Männer mit den Maschinenpistolen schienen verunsichert. Sie horchten und ließen die Blicke schweifen, achteten mitunter minutenlang nicht auf ihre Gefangenen, die langsam, aber unermüdlich daran arbeiteten, die Trümmer einer völlig zerstörten Straße in der Nähe des Hafens zu beseitigen.
Fast jeden Tag gelang es Antonio, sich für eine halbe Stunde davonzustehlen. Wenn er zurückkam, verteilte er »Hühnchenkeulen « an seine Mitgefangenen. Das waren Knochen mit Fleischresten daran, und jeder wusste, dass sie nicht von Hühnern stammten. Vielleicht von Katzen oder Hunden, wahrscheinlicher von Ratten. Wie es Bruno gelang, diese Leckerbissen zu braten, wusste keiner, und niemand fragte nach. Es beklagte sich auch keiner, wenn er statt der »Hühnchenkeulen « eine Delikatesse wie Froschschenkel angeboten bekam, die Bruno bei herumstreunenden Jungen gegen in den Trümmern gefundene Gegenstände eintauschte. Das waren immer nur kleine »Wertsachen«, die großen wurden ihnen vom falschen Leutnant abgenommen, dem es sogar in diesen Zeiten gelungen war, sich eine kleine kugelige Wampe anzufressen.
Heute aber hatte Antonio eine echte Delikatesse vorbereitet. Am Vorabend hatten er und Bruno am Straßenrand einen ausgeweideten Pferdekadaver gefunden. Mit selbst gefertigten Messern hatten sie in mühsamer Arbeit die restlichen Fleisch- fetzen abgesäbelt und gut versteckt.
Das Fleisch schmeckte leicht süß, es konnte roh verteilt werden. Es reichte nur für vier der knapp zwanzig Italiener, für die Nicolosi-Brüder und zwei weitere, die mit ihnen schon in der Munitionsfabrik und vorher im Kriegsgefangenenlager zusammen gewesen waren. Diese vier bekamen das Fleisch in kleinen Portionen über den Tag verteilt. Es war nicht abgehangen und schmeckte nach Blut.
Vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit bauten sie eine Pyramide aus Steinen in der Mitte eines Platzes, der fast ganz von Trümmern bereinigt worden war. Was für einen Sinn es machte, an dieser Stelle Ordnung zu schafen, war keine Frage wert. Um den Platz herum ragten Häuserfassaden in die Höhe, hinter denen nichts mehr war als gähnende Leere. Und nachts hörte man die Flugzeuge, die immer noch kamen, um die übrig gebliebenen Backsteinwände zu zerbomben.
Bevor der Befehl zum Rückmarsch zur Baracke kam, verteilte Toni Nicolosi die letzten Fleischstücke. Als die Gruppe der schweigend und gebeugt vorantrottenden Italiener sich ihrer armseligen Behausung näherten, wurden sie immer langsamer. Der falsche Leutnant versuchte sie brüllend anzutreiben, aber die Männer wurden immer langsamer, wankten und schwankten, ächzten und stöhnten und schließlich brach der Erste zusammen.
Schon trat der Leutnant neben ihn und stieß ihm mit der Stiefelspitze gegen den Kopf, holte aus, um ihm einen ordentlichen Tritt ins Gesicht zu verpassen, da fielen zwei weitere Gefangene zu Boden und sofort drei andere, zwei knickten stöhnend ein und gingen in die Hocke, einer warf die Arme in die Luft und fiel flach zu Boden, wo er zuckend und wie ein Hund bellend um sich schlug. Auf ihn richteten sich die Augen des falschen Leutnants und die Mündungen der Maschinenpistolen der Männer in Schwarz.
Aus dem Mund des Zuckenden ergoss sich ein Schwall Blut, wo immer er das her hatte.
Das war der Moment, in dem Antonio den Leutnant ansprang und ihn laut brüllend umstieß und unter sich begrub. Je zwei Italiener stürzten sich auf die Bewaf neten, schlugen ihnen die MPis aus den Händen und begannen, ihre Köpfe mit Steinen zu bearbeiten, bis sie ruhig waren.
Toni brauchte keine Steine. Das Blut spritzte aus der Halsschlagader des falschen Leutnants, eine hohe Fontäne, die rasch nachließ und zu einem Rinnsaal wurde. Sein Bezwinger sprang auf, Blut tropfte von seinem Gesicht.
Luigi und Rosario, die die Maschinenpistolen erbeutet hatten, traten zu Toni und Bruno und hielten ihnen die Wafen hin.
Toni spuckte Blut und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Mit einem Kopfnicken machte er klar, dass seine beiden Getreuen die Wafen behalten sollten. Eine Augenbewegung signalisierte ihnen, auf die anderen achtzugeben.
Sie schaf ten die drei toten Deutschen in die Baracke und zogen ihnen die Uniformen aus. Bruno und Toni nahmen die Pistolen und die Fahrtenmesser an sich.
Die anderen Gefangenen blieben draußen vor der Baracke. Als Toni in der Uniform des falschen Leutnants wieder herauskam, sahen sie ihn erwartungsvoll an.
»Haut ab«, sagte er. »Ihr seid frei.«
Keiner rührte sich.
Bruno und die zwei anderen Bewaf neten traten neben ihn.
Die beiden mit den MPis hatten sich die schwarzen Uniformen angezogen.
»Macht euch davon!«, rief Toni. »Das ist jetzt unsere Hütte.«
Einer der ausgemergelten Männer konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und setzte sich hin. Ein anderer tat es ihm gleich, die übrigen folgten. Nun saßen sie alle vor ihren bewaf neten Gefährten und schauten sie an, hohlwangig, mit tief in den Höhlen liegenden hungrigen Augen.
Toni trat einem gegen das Bein. »Fort mit euch.« Weitere Fußtritte gegen die anderen folgten. Nichts geschah. Was ist der Unterschied zwischen Vieh und Mensch?, fragte sich Bruno. Der Mensch wehrt sich. »Dann bleibt doch hier und verreckt!«, stieß Toni hervor. »Kommt, wir gehen«, sagte er zu seinen Männern. Sie folgten ihm, den staubigen Weg zwischen dem sich türmenden Schutt hindurch.
Die bis eben noch gefangenen und jetzt freien Italiener erhoben sich. Sie sahen aus wie Tote, die ihre Gräber verloren hatten. Sie folgten den vier anderen. Scharrend, schlurfend, schleichend, taumelnd. Sie waren längst in jenem Stadium der totalen Erschöpfung, wo sie keine Entscheidung mehr für sich trefen konnten, sie brauchten jemanden, der sie führte.
Toni Nicolosi aber war alles andere als ein Messias. Als er das Geräusch der schleppenden Schritte und das Ächzen und Stöhnen seiner ehemaligen Gefährten hinter sich hörte, hielt er an, drehte sich um und stemmte die Hände in die Hüften.
Die Gruppe der Zerlumpten blieb stehen.
Mit einer rabiaten Geste bedeutete Toni ihnen, dort zu bleiben, wo sie waren, aber als er sich wieder umwandte, rückten die Verzweifelten nach.
Toni drehte sich wieder um und zog die Pistole. Er zielte auf die Männer, die Schritt für Schritt näher kamen. Ein Schuss peitschte über ihre Köpfe hinweg. Sie gingen weiter. Ein zweiter Schuss, und der Vorderste sank seufzend zu Boden. Die anderen stiegen über ihn hinweg. Ein dritter Schuss, eine blutige Brust, der Getrofene brach zusammen, zwei andere stolperten über ihn und stürzten. Die übrigen blieben stehen.
Toni steckte die Pistole ins Halfter und dreht sich um: »Los jetzt.«
Eilig machten sie sich davon. Nur Bruno warf noch einen Blick zurück auf die Unglücklichen, als er oben auf einer Schutthalde angekommen war.
Dann folgte er Toni und seinen Getreuen durch das Labyrinth der Häuserruinen.
Vor einem ausgebrannten Varieté, von dem nur noch Schilder übrig geblieben waren, die eine rote Katze zeigten, blieb Bruno Nicolosi stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Auf der Reeperbahn versuchten Männer und Frauen in schmutzigen Kleidern mit Hilfe von dicken Seilen die Stahlträger einer Panzersperre an den Straßenrand zu zerren.
Bruno lehnte sich gegen einen zufällig herumstehenden Tisch, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nicht verkokelt war. Er wollte seine neue Hose nicht beschmutzen. Der Zigarettenrauch reizte seine Kehle, er musste husten. Rauchen war eigentlich nicht seine Sache, aber in diesen Zeiten konnte man mit einer echten Zigarette im Mund Eindruck schinden, sogar mit einer Kippe, die man achtlos wegwarf.
Als er es tat, rannte ein Mädchen zu ihm hin. Er hatte es nur aus dem Augenwinkel bemerkt. Als die Kleine sich bückte, um die Kippe aufzuheben, fiel ihm auf, dass sie einen blonden Pferdeschwanz hatte. Nackte Beine unter einem zu kurzen zerrissenen Rock, eine viel zu große Männerjacke um die schmalen Schultern gehängt, keine Schuhe. Sie benetzte Daumen und Zeigefinger und drückte die Glut aus, ihre Hände waren schmutzig, das Gesicht auch.
Diese Jacke, dachte Bruno, würde ganz gut zu meiner Hose passen. Man müsste sie nur ausbürsten und einen Knopf annähen.
»Wie viel willst du für die Jacke?«, fragte er.
Sie richtete sich auf, und er merkte, dass sie größer und älter war, als er zunächst gedacht hatte. Fünfzehn Jahre vielleicht, noch kein richtiges Fräulein, aber fast.
»Wie bitte?«
»Die Jacke, ich kaufe sie dir ab. Für fünf Zigaretten.« Die macht das, dachte er, so wie die guckt, hat die Hunger. »Fünf Stück? Das ist aber viel zu wenig«, sagte das Mädchen. »Zehn.« Mager ist sie, dachte Bruno, sehr mager. Die muss essen. »Mir wird aber kalt, wenn ich die Jacke weggebe.« Sie ist schön, so mager und bleich, nicht so grobschlächtig
und kratzbürstig und laut und trampelig und viel zu massig wie die Frauen im Bunker. Es ist schade, dass sie nicht so mager und bleich bleiben.
»Fünfzehn Stück, dafür kriegst du eine Neue.« »Das ist immer noch zu wenig. Wie soll ich mich denn nachts zudecken, ohne Jacke?« »Für zwanzig Stück kannst du noch eine Decke kaufen, dann ist dir warm.« »So einfach ist das aber nicht. Decken sind schwer zu kriegen. «
»Ich helfe dir suchen.«
»Ich brauche keinen Wohltäter«, sagte sie trotzig und stolz zugleich.
»Wo wohnst du denn?«
»Mal hier, mal da.«
»Bist du allein?«
»Na und, das sind doch viele.«
»Komm doch mit mir mit. Wir haben eine Strohmatte übrig. Vielleicht sogar ein Bett.«
Sie schaute ihn prüfend an. »Sie sehen ja ganz nett aus. Vielleicht geht das mit den Zigaretten ja auch ohne die Jacke, die möchte ich nämlich gern behalten.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich will die Jacke.«
»Strohmatte, Wolldecke, Bett und dreißig Zigaretten. Aber erst mal will ich wissen, wo wir dann hingehen.«
Bruno deutete über die Schutthalden auf dem Spielbuden- platz: »Siehst du das Denkmal da? Den großen Klotz? Der Riese mit dem Schwert?«
»Das ist doch der Bismarck.«
»Darunter ist ein Bunker. Da haben wir uns eingerichtet.«
»Wer ist denn wir?«
»Mein Bruder und ich, ein paar Freunde.«
»Ich bin nicht gern mit so vielen Leuten.«
»Matte, Bett, Decke und dreißig Zigaretten.«
»Drei Zigaretten als Anzahlung, und das Bett will ich für mich allein.«
Bruno hielt ihr drei Zigaretten hin. Sie bemerkte seine zitternde Hand und sagte: »Du brauchst wirklich eine Jacke.«
»Ich heiße übrigens Thea«, sagte sie, als sie auf dem Weg zum Bunker unter dem Bismarck-Denkmal über einige umgestürzte, halb verbrannte Bäume kletterten. Die Bewohner des Bunkers hatten es bislang nicht für nötig erachtet, den Weg zu ihrem Unterschlupf freizuräumen.
»Das sind deine Freunde?«, fragte Thea, als sie im spärlich erleuchteten Bunker an herumliegenden und apathisch dasitzenden zerlumpten Gestalten vorbeigingen. Die wenigen, die wach wirkten, warfen Bruno und seiner Begleiterin feindselige Blicke zu.
»Weiter hinten.« Vor einer Stahltür angekommen, holte Bruno einen Schlüssel hervor, um das schwere Vorhängeschloss aufzuschließen
Es waren drei saubere, mit Bunkermobiliar gut bestückte Räume in der Nähe des Hinterausgangs, der von außen nur schwer zu finden war. Die Räume lagen hintereinander, Bruno führte seine Begleiterin hindurch und deutete auf ein Feldbett: »Das da kannst du haben.«
Sie legte sich aufs Bett und stöhnte genüsslich.
»Wer schläft noch hier?«, fragte sie nach einer Weile.
»Mein Bruder und ich.« Bruno setzte sich auf das zweite Bett.
»Und in den anderen Räumen?«
»Freunde.«
»Wo sind die denn jetzt?«
»In der Stadt.«
»Was tun sie da?«
»Arbeiten.«
»Was denn.«
»Handeln.«
Sie lachte ungläubig. »Händler, die in einem Bunker leben?«
»Wir ziehen bald um.«
Thea schnippte mit den Fingern. »Wo sind die dreißig Zigaretten? « Bruno ging zu einem eisernen Spind und zog die Tür auf. Dahinter stapelten sich Zigarettenpackungen.
»Ach, solche Händler«, stellte Thea fest.
Bruno warf ihr zwei Packungen zu, die sie geschickt aufng.
»Jetzt hast du aber kein Bett mehr«, stellte sie fest.
»Die andern müssen mir eins geben.«
»Wo kommst du eigentlich her, du bist doch Ausländer, stimmt's?«
»Sizilien.«
»Aha.« Sie richtete sich auf und zog sich die Jacke aus. »Hier, die gehört jetzt dir.«
Er zog sie an, sie spannte ein wenig an den Schultern, aber sonst passte sie.
»Sizilien, liegt das nicht in Italien?«, fragte sie, nachdem sie sich wieder hingelegt und die Hände unter den Kopf gelegt hatte.
»Ja, ganz im Süden.«
»Im Land, wo die Zitronen blüh'n.«
»Ja.«
»Da ist es doch bestimmt schön und warm. Habt ihr da auch Krieg gehabt?«
»Ja, aber nicht so schlimm wie hier, glaube ich. Ich war ja schon lange nicht mehr dort. Der Krieg war früher zu Ende. Deshalb kamen wir als Kriegsgefangene nach Deutschland.«
»Warum geht ihr nicht zurück?«
»Können wir nicht.«
»Warum denn, der Krieg ist doch aus?«
»Mit dem Krieg hat das nichts zu tun. Jedenfalls nicht mit diesem.«
»Womit denn sonst?« Sie gähnte genüsslich.
Sein Blick fiel auf ihre Füße. Schmale nackte Füße, sehr schmutzig, beinahe schon schwarz.
»Ich komme gleich wieder«, sagte er und verließ den Raum.
Als er zurückkam, hatte er eine Blechschüssel und ein Tuch dabei.
»Setz dich hin, deine Füße müssen gewaschen werden.« »Ach was«, sagte sie schläfrig. »Besorg du mir erst mal ein paar Schuhe, sonst lohnt es sich nicht.« »Doch, doch, komm schon.« Er fasste sie an der Hand und zog sie hoch.
Auf dem Bettrand sitzend schaute sie ihm verdutzt dabei zu, wie er sich vor sie kniete, die Schüssel hinstellte, das Handtuch neben sich legte und den Knöchel ihres linken Fußes umfasste.
»Lass das doch!« Sie zog die Beine an.
Es waren so wundervoll dünne Beine, die einer Elfe hätten gehören können, wenn sie nicht so schmutzig gewesen wären. »Das Wasser ist nicht sehr kalt«, sagte Bruno und faltete das Tuch auseinander. »Ich habe sogar Seife.«
»Seife?«
Er hielt das kleine Stück hoch.
»Aber dafür bezahle ich nicht«, sagte sie.
»Nein, nein.« Behutsam stellte er ihre Füße nebeneinander ins Wasser und begann sie zu waschen. Sie schüttelte verwundert den Kopf.
»Warum könnt ihr nicht wieder zurück in das Land, wo die Zitronen blüh'n?«
»Wir haben was Schlimmes gemacht.«
»Gestohlen?«
»Schlimmer.«
»Zerstört?«
Bruno schwieg.
»Jemandem wehgetan?«
»Auch«, sagte er leise.
»Einen umgebracht?«, fragte sie gebannt.
Er grif nach dem Handtuch und antwortete nicht.
Sie zog die Füße weg.
»Warte, ich muss dich doch noch abtrocknen.«
Die Eisentür wurde aufgestoßen und ein Mann betrat den Raum. Er trug einen schwarzen Anzug, darunter ein grobes Baumwollhemd von unklarer Farbe. Schnurrbart, dunkle Augen, herrischer Blick.
Thea schrak zusammen und starrte ihn ängstlich an.
Bruno hob schuldbewusst den Kopf.
»Was soll das denn?«, fragte Antonio Nicolosi. Sein Blick fiel auf den ofenen Spind mit den Zigarettenpackungen.
»Sie hat mir eine Jacke verkauft.«
»Was machst du denn da?«
»Ihre Füße ... waren schmutzig.«
»Und? Sind sie jetzt sauber?«
Bruno nickte.
»Dann geh raus und nimm das Dreckwasser mit.«
»Toni, bitte!«
»Raus!«
Bruno wickelte das Seifenstück in das feuchte Tuch und trug die Schüssel hinaus.
Nachdem er das Wasser weggegossen hatte, hockte er sich auf eine Pritsche im Vorraum und horchte auf das Weinen und Wimmern hinter der Eisentür. Er rauchte eine Zigarette, dann noch eine, dann noch eine. Schließlich ging die Tür auf und das Mädchen kam heraus.
Mit zerrissener Bluse und ohne die Zigarettenpackungen, die Bruno ihr gegeben hatte, aber mit sauberen Füßen, stolperte sie dem Bunkerausgang entgegen.
Antonio erschien in der Tür. Er grinste zufrieden.
In der Mitte des Hofs, vor einem Garagenschuppen mit geschlossenen Toren, standen zwei ausgemusterte Armeelaster mit festgezurrten Planen. Das ehemals zweigeschossige Fabrikgebäude neben den Garagen hatte nur noch ein Stockwerk, die Eingangstore waren vernagelt, ein Schild warnte: »Einsturzgefahr! « Darunter ein skizzierter Totenkopf. In einer Ecke ein verbeultes, rostiges Blechschild mit der Aufschrift »Rewko - Schokolade - Süßwaren«.
Um auf den Hof zu gelangen, musste man durch ein Labyrinth von engen Wegen zwischen Schutthalden und eingestürzten Mauern hindurch. Toni war immer wieder stehen geblieben und hatte anerkennend genickt. Auch auf dem Hof entdeckte er mehrere Fluchtwege, die so angelegt worden waren, dass man sie nicht sofort erkennen konnte. »Profis«, stellte er fest.
Bruno zuckte zusammen, als der Motor des einen Lastwagens unvermittelt aufheulte. Seine Hand fasste nach der Pistole, die er sich unter der Jacke am Rücken in den Gürtel geschoben hatte. Toni hielt seinen Arm fest. »Lass das!«
Aus dem Führerhaus des Lastwagens schaute ein Mann mit kantigem Gesicht. Gleichgültiger Blick, Zigarette im Mundwinkel. Natürlich war es seine Absicht gewesen, die beiden Eindringlinge zu erschrecken, vielleicht auch sollte das Aufheulen des Motors seine Komplizen warnen.
Der Fahrer stieg aus und schloss die Motorhaube. über seiner Arbeitshose trug er lediglich ein ärmelloses Unterhemd.
»Klingt gut«, sagte Toni.
Der Mann machte die Halterungen fest und schwieg.
»Fährt wahrscheinlich ziemlich schnell«, fügte Toni hinzu.
Copyright © Robert Brack copyright © 2010 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House
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Autoren-Porträt von Virginia Doyle
Virginia Doyle ist das Pseudonym des in Hamburg lebenden Autors Robert Brack, der zahlreiche Romane und Sachbücher zum Thema Hamburg verfasst hat und mit dem "Marlowe" und dem "Deutschen Krimi-Preis" ausgezeichnet wurde.
Bibliographische Angaben
- Autor: Virginia Doyle
- 2010, 383 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453405145
- ISBN-13: 9783453405141
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