Die Fälscherin
Historischer Roman
Die junge Blanka überlebt den zweiten Kreuzzug und die Hölle der Aussätzigen im Jerusalemer Spital. Jahre später, wieder in Bayern, ist Blanka geheilt. Als sie ihr Erbe zu verlieren droht, wird sie im Intrigenspiel der Mächtigen zur...
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Produktinformationen zu „Die Fälscherin “
Die junge Blanka überlebt den zweiten Kreuzzug und die Hölle der Aussätzigen im Jerusalemer Spital. Jahre später, wieder in Bayern, ist Blanka geheilt. Als sie ihr Erbe zu verlieren droht, wird sie im Intrigenspiel der Mächtigen zur Urkundenfälscherin. Dann verliebt sie sich - in den besten Ritter der Feinde.
Lese-Probe zu „Die Fälscherin “
Die Fälscherin von Julia FreidankJERUSALEM, FRÜHJAHR ANNO DOMINI 1148
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Vorsicht!«, flüsterte der Leichenfledderer. Zwischen seinen Bartstoppeln trocknete Schlamm, und der Saft von Petersilienwurzel rann ihm aus dem Mund.
Er stand in einem der Stadtteiche, in denen man das Wasser der nahen Quellen sammelte. Ein kühler Nachtwind bewegte seine kurze graubraune Cotte, als er nach dem Tempelberg blickte. Noch war die Glocke zur Prim nicht erklungen. Bettler schliefen in den Eingängen der Pilgerspitäler. Hinter den geschnitzten Zedernholztüren waren die Aromen zu erahnen, welche tagsüber die Stadt erfüllten: Paradieskorn, Pfeffer und Rosenwasser, jener verführerische Duft, mit dem die Sarazenen Süßigkeiten und selbst Fleisch parfümierten.
»Er ist nackt.« Sein Weib verjagte eine Ratte und beugte sich wieder über den Toten. Die leichte Strömung hatte den Mann zwischen den Unrat und gelben Schaum am Ufer gespült. »Wir sind zu spät.«
Beide hoben die Köpfe, als sich Hufschlag näherte. Durch die gewundene Gasse sprengte ein Trupp schwarzgekleideter Männer heran. Die grünen Kreuze auf ihren Waffenhemden kannte jedes Kind in Jerusalem.
»Lazarusritter! «, schrie der Fledderer. »Lauf!«
Ohne die beiden ärmlichen Gestalten zu beachten, galoppierten die Reiter vorbei. Mit Blicken voller Entsetzen und Ekel sah das Paar dem Trupp nach.
Er jagte zum nahen Lazarustor. Draußen, vor der Stadtmauer, erstreckte sich eine spärlich mit Ölbäumen und hartem Gras bewachsene Wüste. Dort lag das Spital St. Lazarus, ein Hauptsitz des unheimlichsten aller Ritterorden: ein Spital von Aussätzigen für Aussätzige. Ein Ort ohne Hoffnung, denn es gab kein Mittel gegen die furchtbare Krankheit. Die Lazarusritter waren die düsteren Engel jener, die zum Leben hier verurteilt waren. Als die Reiter jetzt durch das Tor trabten, erkannten sie den gesattelten Zelter im Hof. Sie wussten, welchen Gast sie antreffen würden.
Im Krankensaal roch es nach Fäulnis und Salbei. Fackeln spendeten mehr Rauch als Licht. Menschen stöhnten im Schlaf, aber die meisten spürten nicht mehr viel. Der Anführer der Lazariter ging auf den Mann in der grauen Kutte zu, der an einem Krankenlager ganz hinten saß. Beim Anblick des Ritters erhob sich der Besucher, und der Lazariter zog das Tuch von seinem Gesicht.
Es war von Geschwüren zerfressen. Schuppige Beulen hatten die Haare ausfallen lassen und Lippen, Brauen und Nase zerstört. An den Rändern färbten sie sich schwärzlich, als würde der Lazariter bei lebendigem Leib verwesen. Ein Auge war durch eine Lähmung des Lids vertrocknet und blind. Jedermann kannte die facies leonina. Das Löwengesicht war die Fratze der gefürchtetsten Geißel des Heiligen Landes: des Aussatzes.
»Bischof Otto von Freising. Ihr habt Mut, die lebenden Toten täglich zu besuchen«, grüßte der Lazariter. Sein Atem roch nach Wein und Opium, und die brüchige Stimme verriet, dass die Krankheit auch hier ihr zerstörerisches Werk bereits getan hatte. »Sonst wagen sich nur die her, welche aufgenommen zu werden begehren.« Er wies auf das Krankenlager, wo sich auch ein magerer Kinderkörper unter der Kamelwolldecke abzeichnete. »Habt Ihr nach Eurem Schützling gesehen?«
»Ihr Vater ist einer meiner Ritter«, erwiderte Otto von Freising. Der Lazariter schätzte ihn auf Mitte dreißig, in das schulterlange blonde Haar mischte sich kaum Grau. Das von einem kurzen Bart bedeckte Kinn und die ausgeprägte Nase vermittelten den Eindruck von Willensstärke. »Ihre Familie wagt sich nicht her, und ich bin für sie verantwortlich. Sie ist noch ein Kind. Ihr haltet doch, was Ihr versprochen habt, Meister Jean? «
»Und wenn Ihr noch so oft fragt: ja«, antwortete der Lazariter. »Sie bekommt Galgant und Speisen gegen die schwarze Galle. Äußerlich machen wir Umschläge mit Essig und Honig und brennen Salbei ab, um die Luft zu reinigen. Eigentlich neigt die heiße Natur des Mannes der Krankheit eher zu als die feuchtkalte der Frau. Doch die Mühen des Kreuzzugs haben sie geschwächt. Und in den überfüllten Pilgerherbergen gedeiht die Saat des Aussatzes: verseuchtes Wasser und Ungeziefer.«
Otto dachte an die vom Durst gezeichneten Pilger, die er durch die steinige Weite Kleinasiens geführt hatte. Getrieben von der Sehnsucht nach Sündenvergebung, waren sie zum zweiten Kreuzzug aufgebrochen. Vermutlich hatten die meisten nicht einmal gewusst, wo dieses Edessa überhaupt lag, das sie von den Seldschuken zurückerobern wollten. Die meisten Ritter waren unter Ottos Halbbruder, König Konrad, durchs Landesinnere gezogen. So war der Pilgertross auf seinem Weg entlang der Küste fast schutzlos gewesen. Otto erinnerte sich an das Trillern, wenn die Heiden wie aus dem Nichts über sie hereinbrachen. Die wenigen Kreuzfahrer, die Jerusalem am Ende erreicht hatten, waren froh, das nackte Leben gerettet zu haben. Ihm blieb nur, die Menschen nach Hause zu bringen. So viele wie möglich.
»Schade darum.« Der Lazariter beugte sich über das schlafende Kind. Ein zwölfjähriges Mädchen mit goldbraunem Haar, das jetzt stumpf und verlaust war. Auf den ersten Blick wirkte dieses Mädchen inmitten der entstellten Fratzen elfenhaft. Die Lider waren durchscheinend wie Blütenblätter, aber die Lippen trotzig vorgeschoben, als wollte es selbst im Schlaf den Feind in seinem Körper bekämpfen. Auf der Wange war der hellrote raue Fleck deutlich zu erkennen: der Teufelskuss des Aussatzes. »Sie wäre eine hübsche Frau geworden.«
»Oder eine gute Nonne«, entgegnete Otto. »Sie heißt Heilwig, aber ich nenne sie Blanka. Weil ich glaube, dass die Reinheit ihrer Seele die Krankheit besiegen wird.«
»Die Leute sagen etwas anderes. Sie soll ein wahrer Teufelsbraten sein.«
Otto lächelte, und für einen Moment verschwand die Melancholie aus seinen Augen. »Man hat sie mit einer dieser Rittergeschichten erwischt. Der Vater hat es erst begriffen, als sie ihn fragte, was die Grotte der Venus betreten heißt.«
»Diese schlüpfrigen Schmierereien sind nichts für ein Mädchen«, fand der Lazariter.
»Er hat sie bestraft. Allerdings sind die Prügel sicher nicht allzu fest ausgefallen. Sie verstand ja nicht einmal, was sie da las.« Noch immer zuckte es um Ottos Mund. »Ihr Geist bedarf der Lenkung, doch er ist wach. Ein wenig erinnert sie mich an die Äbtissin von Paraclete.«
»Man hört von dieser Heloise. Aber ich war seit Jahren nicht in Frankreich, und ich werde es auch nie mehr sehen.« Der Lazariter richtete sich auf. »Kommt wieder, wenn das Schiff da ist, um die Pilger nach Hause zu bringen. Dann werden wir wissen, ob Blanka in die Gemeinschaft der Lebenden zurückkehren kann oder ob Ihr sie hier zum Sterben zurücklassen müsst.«
Vorsicht!«, flüsterte der Leichenfledderer. Zwischen seinen Bartstoppeln trocknete Schlamm, und der Saft von Petersilienwurzel rann ihm aus dem Mund.
Er stand in einem der Stadtteiche, in denen man das Wasser der nahen Quellen sammelte. Ein kühler Nachtwind bewegte seine kurze graubraune Cotte, als er nach dem Tempelberg blickte. Noch war die Glocke zur Prim nicht erklungen. Bettler schliefen in den Eingängen der Pilgerspitäler. Hinter den geschnitzten Zedernholztüren waren die Aromen zu erahnen, welche tagsüber die Stadt erfüllten: Paradieskorn, Pfeffer und Rosenwasser, jener verführerische Duft, mit dem die Sarazenen Süßigkeiten und selbst Fleisch parfümierten.
»Er ist nackt.« Sein Weib verjagte eine Ratte und beugte sich wieder über den Toten. Die leichte Strömung hatte den Mann zwischen den Unrat und gelben Schaum am Ufer gespült. »Wir sind zu spät.«
Beide hoben die Köpfe, als sich Hufschlag näherte. Durch die gewundene Gasse sprengte ein Trupp schwarzgekleideter Männer heran. Die grünen Kreuze auf ihren Waffenhemden kannte jedes Kind in Jerusalem.
»Lazarusritter! «, schrie der Fledderer. »Lauf!«
Ohne die beiden ärmlichen Gestalten zu beachten, galoppierten die Reiter vorbei. Mit Blicken voller Entsetzen und Ekel sah das Paar dem Trupp nach.
Er jagte zum nahen Lazarustor. Draußen, vor der Stadtmauer, erstreckte sich eine spärlich mit Ölbäumen und hartem Gras bewachsene Wüste. Dort lag das Spital St. Lazarus, ein Hauptsitz des unheimlichsten aller Ritterorden: ein Spital von Aussätzigen für Aussätzige. Ein Ort ohne Hoffnung, denn es gab kein Mittel gegen die furchtbare Krankheit. Die Lazarusritter waren die düsteren Engel jener, die zum Leben hier verurteilt waren. Als die Reiter jetzt durch das Tor trabten, erkannten sie den gesattelten Zelter im Hof. Sie wussten, welchen Gast sie antreffen würden.
Im Krankensaal roch es nach Fäulnis und Salbei. Fackeln spendeten mehr Rauch als Licht. Menschen stöhnten im Schlaf, aber die meisten spürten nicht mehr viel. Der Anführer der Lazariter ging auf den Mann in der grauen Kutte zu, der an einem Krankenlager ganz hinten saß. Beim Anblick des Ritters erhob sich der Besucher, und der Lazariter zog das Tuch von seinem Gesicht.
Es war von Geschwüren zerfressen. Schuppige Beulen hatten die Haare ausfallen lassen und Lippen, Brauen und Nase zerstört. An den Rändern färbten sie sich schwärzlich, als würde der Lazariter bei lebendigem Leib verwesen. Ein Auge war durch eine Lähmung des Lids vertrocknet und blind. Jedermann kannte die facies leonina. Das Löwengesicht war die Fratze der gefürchtetsten Geißel des Heiligen Landes: des Aussatzes.
»Bischof Otto von Freising. Ihr habt Mut, die lebenden Toten täglich zu besuchen«, grüßte der Lazariter. Sein Atem roch nach Wein und Opium, und die brüchige Stimme verriet, dass die Krankheit auch hier ihr zerstörerisches Werk bereits getan hatte. »Sonst wagen sich nur die her, welche aufgenommen zu werden begehren.« Er wies auf das Krankenlager, wo sich auch ein magerer Kinderkörper unter der Kamelwolldecke abzeichnete. »Habt Ihr nach Eurem Schützling gesehen?«
»Ihr Vater ist einer meiner Ritter«, erwiderte Otto von Freising. Der Lazariter schätzte ihn auf Mitte dreißig, in das schulterlange blonde Haar mischte sich kaum Grau. Das von einem kurzen Bart bedeckte Kinn und die ausgeprägte Nase vermittelten den Eindruck von Willensstärke. »Ihre Familie wagt sich nicht her, und ich bin für sie verantwortlich. Sie ist noch ein Kind. Ihr haltet doch, was Ihr versprochen habt, Meister Jean? «
»Und wenn Ihr noch so oft fragt: ja«, antwortete der Lazariter. »Sie bekommt Galgant und Speisen gegen die schwarze Galle. Äußerlich machen wir Umschläge mit Essig und Honig und brennen Salbei ab, um die Luft zu reinigen. Eigentlich neigt die heiße Natur des Mannes der Krankheit eher zu als die feuchtkalte der Frau. Doch die Mühen des Kreuzzugs haben sie geschwächt. Und in den überfüllten Pilgerherbergen gedeiht die Saat des Aussatzes: verseuchtes Wasser und Ungeziefer.«
Otto dachte an die vom Durst gezeichneten Pilger, die er durch die steinige Weite Kleinasiens geführt hatte. Getrieben von der Sehnsucht nach Sündenvergebung, waren sie zum zweiten Kreuzzug aufgebrochen. Vermutlich hatten die meisten nicht einmal gewusst, wo dieses Edessa überhaupt lag, das sie von den Seldschuken zurückerobern wollten. Die meisten Ritter waren unter Ottos Halbbruder, König Konrad, durchs Landesinnere gezogen. So war der Pilgertross auf seinem Weg entlang der Küste fast schutzlos gewesen. Otto erinnerte sich an das Trillern, wenn die Heiden wie aus dem Nichts über sie hereinbrachen. Die wenigen Kreuzfahrer, die Jerusalem am Ende erreicht hatten, waren froh, das nackte Leben gerettet zu haben. Ihm blieb nur, die Menschen nach Hause zu bringen. So viele wie möglich.
»Schade darum.« Der Lazariter beugte sich über das schlafende Kind. Ein zwölfjähriges Mädchen mit goldbraunem Haar, das jetzt stumpf und verlaust war. Auf den ersten Blick wirkte dieses Mädchen inmitten der entstellten Fratzen elfenhaft. Die Lider waren durchscheinend wie Blütenblätter, aber die Lippen trotzig vorgeschoben, als wollte es selbst im Schlaf den Feind in seinem Körper bekämpfen. Auf der Wange war der hellrote raue Fleck deutlich zu erkennen: der Teufelskuss des Aussatzes. »Sie wäre eine hübsche Frau geworden.«
»Oder eine gute Nonne«, entgegnete Otto. »Sie heißt Heilwig, aber ich nenne sie Blanka. Weil ich glaube, dass die Reinheit ihrer Seele die Krankheit besiegen wird.«
»Die Leute sagen etwas anderes. Sie soll ein wahrer Teufelsbraten sein.«
Otto lächelte, und für einen Moment verschwand die Melancholie aus seinen Augen. »Man hat sie mit einer dieser Rittergeschichten erwischt. Der Vater hat es erst begriffen, als sie ihn fragte, was die Grotte der Venus betreten heißt.«
»Diese schlüpfrigen Schmierereien sind nichts für ein Mädchen«, fand der Lazariter.
»Er hat sie bestraft. Allerdings sind die Prügel sicher nicht allzu fest ausgefallen. Sie verstand ja nicht einmal, was sie da las.« Noch immer zuckte es um Ottos Mund. »Ihr Geist bedarf der Lenkung, doch er ist wach. Ein wenig erinnert sie mich an die Äbtissin von Paraclete.«
»Man hört von dieser Heloise. Aber ich war seit Jahren nicht in Frankreich, und ich werde es auch nie mehr sehen.« Der Lazariter richtete sich auf. »Kommt wieder, wenn das Schiff da ist, um die Pilger nach Hause zu bringen. Dann werden wir wissen, ob Blanka in die Gemeinschaft der Lebenden zurückkehren kann oder ob Ihr sie hier zum Sterben zurücklassen müsst.«
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Autoren-Porträt von Julia Freidank
Julia Freidank, geb. 1973, ist ausgebildete Sängerin. Ihr Hobby ist der mittelalterliche Schwertkampf. Sie lebt in Sichtweite von Burg Kaltenberg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Julia Freidank
- 2012, 432 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: MARION VON SCHRÖDER
- ISBN-10: 3547711673
- ISBN-13: 9783547711677
Rezension zu „Die Fälscherin “
"Gut recherchiert und spannend...lesenswert", Main-Echo, 19.05.2012
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