Die Geliebte des Normannen
Mary ist die Tochter des schottischen Königs. Eines Tages gerät die wunderschöne junge Frau in die Gewalt normannischer Eindringlinge. Doch die eigensinnige Prinzessin weigert sich, ihre Identität preiszugeben. Allerdings ist sie da bei Stephen de Warenne...
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Mary ist die Tochter des schottischen Königs. Eines Tages gerät die wunderschöne junge Frau in die Gewalt normannischer Eindringlinge. Doch die eigensinnige Prinzessin weigert sich, ihre Identität preiszugeben. Allerdings ist sie da bei Stephen de Warenne an den Falschen geraten! Denn der Anführer des feindlichen Stammes bezwingt sie - und schon bald lodert die Flamme ihrer Leidenschaft heller als die Feuer des Krieges, die das Land zu verschlingen drohen.
Die Geliebte desNormannen von Benda Joyce
LESEPROBE
Prolog
Winchester, 1076
Wieder einmal konnte er nicht schlafen. Er lag da, die Wange auf seinenStrohsack gepresst, und lauschte dem Schnarchen der Ritter um ihn herum - unddem berauschten Gelächter und Geplänkel aus dem Obergeschoss.
Er war erst seit drei Wochen am Königshof, noch nicht lange genug, um seinZuhause zu vergessen und aufzuhören, sich nach den weiten Mooren Northumberlands oder der heimeligen Wärme des großen Saalsvon Aelfgar zu sehnen.
Der kleine junge zitterte, denn es war mitten im Winter, und er fror. Erversuchte, sich noch tiefer in das Stroh und die dünne Wolldecke zu kuscheln,die man ihm gegeben hatte. Er wollte nicht an Aelfgardenken, denn dann musste er auch an seine Brüder denken, und an seine Eltern. Unddaran, wie sehr er sie vermisste. Wenn er nur das Bild seiner Mutter vergessenkönnte, wie er sie zuletzt gesehen hatte. Als er inmitten der Männer des Königsfortritt, hatte Lady Ceidreihm mit einem tapferen, aber gezwungenen Lächeln nachgewunken;er hatte die Tränen bemerkt, die ihr über die Wangen liefen, während sielautlos weinte.
Stephen schluckte. Noch immer drohte dieses Bild, das ihn verfolgte, ihn zuentmutigen.
»Ein Mann weint nicht«, hatte sein Vater ernst bemerkt, als er ihn früheran jenem Tag seines Aufbruchs nach Winchesterbeiseite genommen hatte. »Es ist eine Ehre, am Hof des Königs aufgezogen zuwerden, Stephen, eine große Ehre, und ich weiß, du wirst deine Pflicht tun, wiees einem Mann gebührt, und mich stolz machen.« »Ich verspreche es, Mylord«, erwiderte Stephen mit großer Entschlossenheit.
Sein Vater ergriff ihn lächelnd an der Schulter, doch seine lebhaften,blauen Augen erreichte dieses Lächeln nicht. Sie waren unerklärlich traurig.
Stephen hatte nicht mit der Einsamkeit gerechnet. Er hatte damals nichtverstanden, was es bedeutete, von daheim und der Familie getrennt zu sein. Erhatte sich nicht vorstellen können, dass er sich so schrecklich nach zu Hausesehnen würde. Noch immer musste er sich unmännlichen Tränen geschlagen geben,auch wenn er es partout nicht wollte. Aber eines Tages würde er heimkehren undsein Erbe antreten, als erwachsener Mann, als Ritter mit Sporen, und sein Vaterund seine Mutter würden stolz auf ihn sein.
»Wach auf, Balg! «
Stephen erstarrte. Duncan stand über ihn gebeugt, ein weiterer junge, deram Königshof lebte. Duncan war ein paar Jahre älter als er, hatte es jedochweitaus schwerer. Denn er wurde nicht nur am Hof von König Wilhelm erzogen - erdiente auch als Geisel. Duncan war der Sohn des schottischen Königs aus dessenerster Ehe. Theoretisch sollte Schottlands König Malcolm nun, da König Wilhelmseinen Sohn Duncan in der Hand hatte, seine Feindseligkeiten gegen England beenden.
Stephen bedauerte Duncan, aber der junge war so widerlich, dass er esnicht fertigbrachte, ihn zu mögen. Und aus einemunerfindlichen Grund schien Duncan ihn auch zu hassen.
Vorsichtig setzte sich Stephen auf und wischte sich Stroh von der Wange.
»Der Prinz will dich sehen«, sagte Duncan. »Hast du geweint? «, höhnte erdann.
Stephen versteifte sich.
»Ich bin zu alt, um zu weinen«, erwiderte er verbissen und stand auf. Erwar sechs. »Was will der Prinz?,< »Weiß ich nicht«,antwortete Duncan, aber er grinste dabei hämisch.
Ohne zu wissen warum, spürte Stephen ein Unbehagen in sich aufsteigen. Esmachte ihm nichts aus, zum Prinzen gerufen zu werden. Rufus hatte sich bereitskurz nach seiner Ankunft mit ihm angefreundet; er war sein einziger Freund amKönigshof. Da Stephen von allen Knaben der jüngste und die kürzeste Zeit beiHofe war, ignorierten ihn die anderen jungen, oder sie gängelten und necktenihn. Sehr bald hatte er gelernt, wann er sich wehren sollte und wann es besserwar, sich zurückzuziehen. Nun war er natürlich verwundert. Rufus hatte ihnnoch nie zu sich rufen lassen, schon gar nicht mitten in der Nacht. Stephenmachte lange Schritte, um mit Duncan mithalten zu können, als sie aus dem Saalgingen.
Er fragte sich, wohin Duncan ihn wohl brachte, stellte aber keine Fragen. Vorder Abreise hatte sein Vater ihn ermahnt, genau zu beobachten, gut zuzuhörenund möglichst wenig von sich selbst preiszugeben. Und niemandem zu vertrauenaußer sich selbst. Bislang hatten die wenigen Wochen am Königshof den Wert desväterlichen Rates bestätigt.
Am Eingang zum Stall angekommen, blieb Stephen wie angewurzelt stehen. Rufuswar nicht allein dort, sondern mit einigen seiner Freunde, anderen jungen, diein etwa so alt waren wie der Prinz - um die sechzehn Jahre. Und sie waren allemächtig betrunken. Einer von ihnen grölte ein ordinäres Lied. Unter ihnenbefand sich eine Dienstmagd; zwei der jungen hatten einen Arm um sie gelegt. Ihrezerrissene Tunika gab den Blick auf einen üppigen Busen und feste Brustwarzenfrei. Im ersten Augenblick starrte Stephen verblüfft, doch als einer der jungensich an dem Mädchen zu schaffen machte, wandte er sich mit hochrotem Kopf ab.
Der Prinz fixierte den sechsj ährigenjungen. Aus einem unerklärlichen Grund verstärkte sich Stephens Unbehagen nochmehr. Rufus' Gesicht war vom Alkohol gerötet, und seine Augen funkelten wild. Mitgekrümmtem Zeigefinger lockte er leise: »Komm her, mein hübscher Stephen! «
Stephen stand reglos da. Nicht nur, dass die Augen des Prinzen funkeltenund ungewöhnlich glänzten, er hatte auch in einer höchst intimen Art und Weiseseinen Arm um einen jüngeren Knaben gelegt. Stephen kannte diesen jungen nicht;er trug die schäbige Kleidung eines Leibeigenen. Er war sicher nicht der Sohneines großen Lords, der am Königshof erzogen werden sollte. Als sich ihreBlicke trafen, spürte Stephen sofort große Sympathie für den jungen.
Sein Vater hatte ihn gewarnt, es gebe bei Hofe Männer, die Knaben zugetanwaren, und ihm eingeschärft, ihnen gegenüber sehr zurückhaltend zu sein. Stephenhatte das nur ungefähr verstanden. Er hatte Lust in den meisten ihrer Formengesehen, auch wenn er ihre Bedeutung nicht erfasst hatte. Nun aber begriff ermit einem Mal, und es verblüffte und erschreckte ihn.
Aber er musste sich einfach irren! Schließlich war dies Rufus, der Sohndes Königs!
Der Prinz trat näher, er schien den anderen jungen plötzlich vergessen zuhaben.
» Guten Abend, Stephen«, sagte er lächelnd.
Wenn er lächelte, sah er ganz gut aus, trotz seiner wirren, flammendrotenHaare. Er schlang die Arme um Stephens schmale Schultern und drückte ihn ansich.
»Trink meinen Wein. Er ist außerordentlich gut, aus Burgund. «
© VerlagsgruppeWeltbild
Deutsch von HeinzTophinke
- Autor: Brenda Joyce
- 2007, 1, 544 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898977447
- ISBN-13: 9783898977449
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