Die Glasbläserin
Sie sind drei Schwestern und ihr Lebensglück ist dünn und zerbrechlich wie Glas. Doch stolz und mutig erobern sie ein Monopol der Männerwelt.
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Sie sind drei Schwestern und ihr Lebensglück ist dünn und zerbrechlich wie Glas. Doch stolz und mutig erobern sie ein Monopol der Männerwelt.
Thüringen, um 1900: Die Steinmanns sind eine alteingesessene Glasbläserfamilie. Doch als der Vater stirbt, stehen die drei Töchter Johanna, Ruth und Marie vor dem Nichts. Ruth heiratet den Sohn der Glasbläserei Heimer, aber die Ehe scheitert. Es kommt zum Eklat, als die Schwestern in ihrer Not in die Männerdomäne einbrechen und selbst Glas produzieren. Ihr Mut beschert ihnen großen Erfolg, denn bald sind die wunderschönen Christbaumkugeln der Steinmann-Frauen überall bekannt.
Von diesen Kostbarkeiten ist auch der amerikanische Geschäftsmann Woolworth begeistert.
Die Glasbläserin von PetraDurst-Benning
LESEPROBE
Schon zweimalwar Ruth an diesem Morgen oben gewesen, um Johanna zu wecken. Jedes Mal hattesie ein Brummen zur Antwort bekommen, das sie zu der Annahme verleitete, ihre Schwesterwürde tatsächlich aufstehen. Warum falle ich nur jeden Tag erneut darauf rein,fragte sich Ruth ärgerlich, als sie die schmalen Stufen, die Küche undWerkstatt mit der oberen Etage des Hauses verbanden, zum dritten Malemporstieg. Der Geruch von ausgelassenem Speck begleitete sie. An derDachlukestellte sie sich auf Zehenspitzen und warf einen Blick nach untenhinters Haus, wo sie Marie singen hörte. Eine Spinne hatte quer über die Lukeein Netz gespannt. Ohne das fein ziselierte Kunstwerk auch nur eines Blickes zuwürdigen, wischte Ruth es mit der Hand weg. Marie war nirgendwo zu sehen,genauso wenig wie Vater. Ruth verzog den Mund. Bis einer von den beiden merkenwürde, dass es in der Küche verbrannt roch, würden die Kartoffelscheiben undSpeckstreifen nur noch ein Klumpen Holzkohle sein!
Die Tür zu derKammer, in der sie und ihre beiden Schwestern schliefen, hatte sie beim letztenVersuch, Johanna zu wecken, offen gelassen. So konnte sie schon vomTreppenabsatz aus erkennen, dass Johanna immer noch nicht auf den Beinen war.Ohne ein Wort trat Ruth ans Bett, packte die Leinendecke an einem Zipfel undzerrte sie unter Johannas Armen hervor.
»Wie kannst dudich bei dieser Hitze so zudecken!« Kopfschüttelndschaute sie auf ihre Schwester hinab, die endlichwach zu werden schien. Ruthging zum Fenster und stieß beide Läden auf. Sofort drang die grelleSeptembersonne ins Zimmer und tauchte alles in staubiges Licht.
Wie einrheumatisches Weib schob Johanna ihre Beine aus dem Bett, und mehr als eingequältes Stöhnen brachte sie dabei nicht heraus.
Ein scharferBlick noch, und Ruth hastete die Treppe wieder hinunter, um das Frühstück zuretten. Während sie die Kartoffelscheiben und den Speck von der Pfanne lösteund noch ein bisschen Öl nachgoss, dankte sie ihrem Herrgott dafür, eine Frühaufsteherinzu sein.
VonKindesbeinen an hatte Johanna morgens nicht aufstehen wollen. Wie oft waren dieGeschwister wegen ihr zu spät in die Dorfschule gekommen! Es war nicht so, dassJohanna einfach nur ungern aufstand - sie litt allmorgendlich und war vor zehnUhr selten ein ganzer Mensch. »Es ist, als ob ich am Abend davor eine halbeFlasche Schnaps getrunken hätte«, hatte Johanna die Taubheit in ihrem Kopfeinmal zu erklären versucht. Dabei hatten weder sie noch Ruth jemals eine halbeFlasche Schnaps getrunken und wussten demnach auch nicht genau, wie man sichdanach fühlte. jeder nahm Rücksicht auf Johannas morgendliche Schläfrigkeit,und die Aufgaben im Haus waren unter den drei Schwestern so verteilt, dassJohanna morgens nichts zu schaffen hatte. Manchmal fragte sich Ruth jedoch, obsie ihr damit überhaupt einen Gefallen taten. Sie seufzte. Wenn Mutter nochlebte ... die würde wahrscheinlich nicht so viel Aufhebens machen! AnnaSteinmann war in vielen Fragen unnachgiebiger gewesen als ihr Mann. Rutherschrak, als sie feststellte, dass sie Mühe hatte, sich das Gesicht ihrerMutter für einen Moment vor Augen zu rufen. Zehn Jahre waren eine lange Zeit.
Das Wasser, dassie für den Morgenkaffee aufgesetzt hatte, begann dicke Blasen zu werfen undriss Ruth aus ihren Erinnerungen. Hastig zog sie den Kessel zur Seite. Siemochte es nicht, wenn die kalt angesetzten Zichorienwurzeln zu brodeln begannen- zu schnell wurde das Getränk bitter. Besser war es, das Ganze nur leichtsieden zu lassen. Überhaupt war Ruth bei diesem Thema eigen: Der Kaffee, densich die meisten im Dorf ausgetrockneten und gemahlenen Runkelrüben brauten,konnte ihr gestohlen bleiben. Lieber würde sie Wasser trinken als diesesGesöff! Am liebsten trank sie natürlich echten Bohnenkaffee, den es für ihrenGeschmack allerdings viel zu selten gab. An jedem Freitag, wenn Johanna nachSonneberg ging, um die Glaswaren zu verkaufen, die sie im Laufe der vergangenenWoche hergestellt hatten, brachte sie ein kleines Tütchen echten Bohnenkaffeemit. Obwohl es Joost Steinmann selbst nichtwichtig war, welche Art von Kaffeeauf den Tisch kam, solange er dunkel und heiß war, gönnte er seinen Töchternden kleinen Luxus. Und so war es ihnen schon vor langer Zeit zum Ritual geworden,Johannas Rückkehr aus Sonneberg mit Kaffee, süßem Brot und frisch eingelegtemHering, den sie ebenfalls aus der Stadt mitbrachte, zu feiern.
Es waren diesekleinen Gewohnheiten, die sich herumsprachen und Joost Steinmann den Rufeinbrachten, eine »Weiberwirtschaft« zu haben. Dabei war es keineswegs so, dassJoosts Töchter Narrenfreiheit besaßen: In den eigenen vier Wänden hatten siezwar tatsächlich mehr Freiheiten als andere Mädchen in ihrem Alter. Wenn esjedoch darum ging, seine drei Töchter vor vermeintlichem Übel zu bewahren,konnte Joost schlimmer als eine Glucke sein. Zum Singen in den Gesangsvereingehen? Unmöglich - wo doch auf dem Nachhauseweg böse Buben lauern konnten.Allein zu einer Sonnwendfeier? Diese Frage konnten sie sich sparen. Als einpaar Mädchen im Dorfeinige Jahre zuvor eine Spinnstube gründeten, hatte erseine Töchter nicht einmal an deren harmlosen Zusammenkünften teilnehmenlassen. »Am Ende brecht ihr euch noch auf dem Nachhauseweg ein Bein! «, hatteer seine Ablehnung begründet und hinzugefügt: »Besser, ihr bleibt zu Hause undübt euch im Lesen und Schreiben.« Als ob Bücher einErsatz für fröhliches Geplänkel waren! Ruth schluckte. Ab November würde eswieder so weit sein: Während sich die anderen Mädchen an zwei Abenden in derWoche zum Spinnen trafen, würden sie und ihre Schwestern zu Hause hocken. Wennnach der Spinnstube auf den Straßen die Schneebälle flogen und die Mädchenlachend und kreischend und von den Burschen verfolgt durch die Straßen rannten,würden Johanna, Marie und sie längst im Bett liegen.
Es war keinWunder, dass es sich unter den jungen Burschen im Dorf längst herumgesprochenhatte, dass Joost es nicht schätzte, wenn seinen Mädchen der Hof gemacht wurde.Unter seinem missbilligenden Blick wurde es den meisten so unwohl, dass siekein zweites Mal kamen, um eine der drei zu einem Spaziergang abzuholen.
© Ullstein Buchverlage
Autoren-Porträt von Petra Durst-Benning
PetraDurst-Benning wurde 1965 in Baden-Württemberg geboren und lebt in der Nähe vonStuttgart auf dem Land. Sie besuchte ein agrarwissenschaftliches Gymnasium undmachte eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Wirtschaftskorrespondentin undÜbersetzerin.
Schon alsKind hatte sie alles gelesen, was sie in die Hände bekam. Sie stöberte genausoin der Gemeindebibliothek wie auf Flohmärkten. Später las sie mit Vorliebeamerikanische und englische Autoren. Weil sie selbst kreativ sein wollte, gabsie schließlich ihre Redakteursstelle bei einer Hundezeitschrift auf undschrieb zunächst Sachbücher, z.B. über Hunde, Heilpflanzen und natürlicheHeilmethoden bei Tieren.
ImAntiquitätengeschäft ihrer Eltern hatte sie die Wertschätzung für alte Dingevermittelt bekommen und wurde neugierig auf vergangene Zeiten. Schließlichermutigte ihr Mann sie, eine Geschichte aus dem Bauernkrieg niederzuschreiben,die sie schon lange im Kopf hatte. Mit dem Debütroman Die Silberdistel" hattesie 1996 gleich durchschlagenden Erfolg - und ihr Genre gefunden: denhistorischen Roman. Es folgten beispielsweise Die Zuckerbäckerin", Die Liebedes Kartographen", Die Samenhändlerin" oder die Trilogie über das Glasbläserhandwerkim Thüringer Wald, die sie 2006 mit dem dritten Buch Das gläserne Paradies"abschloss.
Um soauthentisch wie möglich zu schreiben, legt die Schriftstellerin nach eigenenAussagen größten Wert auf umfangreiche Recherchen. Nach Möglichkeit besucht siedie Schauplätze ihrer Romane wie die Glasbläserstadt Lauscha in Thüringen, wosie sich sogar in die Kunst des Glasblasens einweisen ließ.
ImMittelpunkt der historischen Romane von Petra Durst-Benning stehen immer wiederFrauen, die in schweren Zeiten unter schwierigen Bedingungen um ihr Glück, umBildung und um ganz bescheidene Anfänge der Emanzipation im Berufsleben kämpfenmussten. So ist jedes ihrer Bücher auch ein Plädoyer für starke Frauen!
- Autor: Petra Durst-Benning
- 2005, 1, 504 Seiten, Maße: 13,2 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828978088
- ISBN-13: 9783828978089
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