Die Katze unterm Christbaum
"Um die Zeit der ersten Schneestürme öffneten sie die Haustür ganz weit und schleppten einen riesigen Tannenbaum herein. Die gleichen Leute, die ihn schimpften, wenn er mit schmutzigen Pfoten ankam, kümmerten sich auf einmal nicht mehr um Ungeziefer,...
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"Um die Zeit der ersten Schneestürme öffneten sie die Haustür ganz weit und schleppten einen riesigen Tannenbaum herein. Die gleichen Leute, die ihn schimpften, wenn er mit schmutzigen Pfoten ankam, kümmerten sich auf einmal nicht mehr um Ungeziefer, Dreck oder Matsch. Wenn man es recht bedenkt, war es eine höchst seltsame Zeit im Jahr."
Vier zauberhafte Katzengeschichten von Erfolgsautorinnen des romantischen Romans.
Für Katzen ist Weihnachten eine höchst seltsame Angelegenheit: Die gleichen Menschen, die sie sonst schimpfen, wenn sie mit schmutzigen Pfoten ankommen, stellen einen Baum mitten in ihr Wohnzimmer. Und warum verschenkt nur niemand Garnrollen oder Katzenminze?
Die Katze untermChristbaum von Julie Beard, Barbara Bretton, Jo Beverley und Lynn Kurland
LESEPROBE
»Haue yourself a merry little Christmas«, summte AnneClancy zum Lied von Johnny Mathis vor sich hin.
Sie umschloss das Einhorn aus Zinn, das sie an der Halskette trug, mit dereinen Hand und drehte mit der anderen den CD-Player lauter. Der Klang der lieblichen,traurigen Melodie erfüllte nun ihr ganzes Häuschen.
Sie ging um ihren ausladenden schottischen Tannenbaum herum, nahm dieeiserne Feuerzange und entfachte die Glut im Kamin zu neuem Leben. Zufrieden,dass nun alles seine Ordnung hatte, trat sie wohl zum hundertsten Male andiesem Tag an das Panoramafenster und seufzte, während siein die wirbelnden Flocken des Schneesturms blickte.
Diesem weißen Weihnachtsidyll, à la Currier andYves, das die Natur hier der Waldlandschaft in Wisconsin bescherte, konnte Annenichts abgewinnen. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, den Horizont nacheinem schwarzen Fellknäuel abzusuchen, nach einem miauenden Flecken Schwarz indieser weißen Weite. Aber nirgends war eine Spur von ihrer geliebten schwarzenKatze zu entdecken, und als ihr wieder bewusst wurde, dass bereits eine Wochevergangen war, seit sie das muntere Katzentier gesehen hatte, stieg eine Wogeder Traurigkeit in ihr empor und drohte, Anne den Weihnachtsabend zu verderben.
»Ach, Neuner, wo steckst du bloß?«, murmelte sienervös, und dachte dabei voller Wehmut an seine eigentümliche Art, ein grünesAuge zu schließen, wie ein Mensch, der einem zuzwinkert.
Sie wischte sich heiße Tränen aus den Augenwinkeln und unterdrückte einSchluchzen. Neuner war fort, sie musste sich wohl damit abfinden. Ihrewunderschöne schwarze Katze war davongelaufen und würde wahrscheinlich nie mehrwiederkommen.
Mit einem tiefen Seufzer ging sie in die Küche, um sich einen kleinenweihnachtlichen Trost zu holen. Im Vorbeigehen sah sie in denGarderobenspiegel, schnitt ihrem Konterfei mit der wirren, langen rotgoldenenLockenpracht eine Grimasse und zupfte ihren Pony zurecht.Ihre Augen waren verschwollen, und sie hoffte nur,dass ihre Nachbarin nicht vorbeischaute und bemerkte, dass sie geweint hatte. Mrs Jensen wachte über sie wie eine Glucke.
»Und ich werde mir ein schönes Weihnachtsfest machen«, sagte Anne zu sichselbst, zog energisch die Kühlschranktür auf und nahm eine frische PackungEierpunsch heraus. »Ich werde, ich werde, ich werde. Ich werde glücklich undfröhlich sein und dankbar dafür, dass es mir gut geht. Obwohl ich jetzt ganzallein bin.«
Nachdem sich Anne mit dieser Bekräftigung selbst den Rücken gestärkt hatte,goss sie sich von dem süßen Getränk ein und kuschelte sich vor dem flackerndenFeuer in einen Polstersessel. Sie schlug die Beine unter sich ein und strichdie Falten ihres grün-roten, bodenlangen Weihnachtsgewandes glatt, das schonihre Mutter getragen hatte. Allein zu sein war für Anne noch lange kein Grund, anden Feiertagen in Jeans herumzugammeln.
Kaum hatte sie es sich in dem Sessel bequem gemacht, da läutete auch schondie Türglocke.
»Das war zu erwarten«, murmelte sie und erhob sich widerwillig.
»Anne, sind Sie zu Hause?«, piepste Mrs Jensens Stimme, durch die Haustür gedämpft, bevor sieklopfte.
»Komme gleich!«, antwortete Anne. Sie schlüpfte inihre ledernen Hausschuhe und trottete zur Tür.
»Anne, meine Liebe, ich hatte gehofft, Sie würden über Weihnachtenverreisen«, war Mrs Jensen zu vernehmen, noch eheAnne die Tür ganz geöffnet hatte. »Sie sollten nicht allein sein.«
Das Gleiche hätte ihre Mutter zu ihr gesagt, dachte sich Anne, und Wehmutstieg in ihr hoch. Ihre Mutter war letzten Sonntag vor einem Jahr gestorben.
»Haben Sie geweint?«, erkundigte sich Mrs Jensen.
»Nein, nein.« Anne tastete mit den Fingerspitzen an ihren Wimpern nachverräterischen Tränenspuren. »Ich habe gerade eine Zwiebel geschnitten.«
Die hellen Augen ihrer grauhaarigen Nachbarin verengten sich ungläubig, undAnnes Vorsatz schwand dahin.
»Ach, warum soll ich Ihnen etwas vormachen? Ich bin so durcheinander, weilNeuner davongelaufen ist, dass ich kaum klar denken kann. Aber kommen Sie dochbitte herein, bevor sie sich in der Kälte noch den Tod holen.«
»Ich bleib nur ein Minütchen.«Mrs Jensen klopfte sich am Abstreifer den Schnee vonden Stiefeln. »Sie hätten an die Ostküste fliegen sollen und Ihren Freund ausdem College besuchen, damit Sie auf andere Gedanken kommen.«
»Das hätte ich nicht fertiggebracht. Nichtsolange Neuner da draußen ist, irgendwo, ganz allein. Wenn er zurückkäme undich wäre nicht hier, das könnte ich mir nicht verzeihen. Andererseits, wenn ertatsächlich zurückkommt, ich schwöre Ihnen, dann bringe ich ihn um wegen seinerverdammten Abenteuerlust! Ich hatte eigentlich vor, dem Besitzer des Hausesnoch in diesem Monat die Kündigung zu schicken und im Januar nach Milwaukee zuziehen. Es muss sich etwas bewegen in meinem Leben. Jetzt wo Mutter tot ist,was hat es für einen Sinn, hier herumzuhängen. Aber ich will nicht weg, bevorich nicht sicher weiß ... also, ich möchte erst mit Bestimmtheit wissen, dasser nicht zurückkommt.«
Mit siebenundzwanzig Jahren, fand Anne, sei es Zeit für ein bisschenAbenteuer. Des Öfteren hatte Anne schon gedacht, sie sollte sich am Leben ihresKaters ein Beispiel nehmen. Neuner hatte sie ihn genannt, weil er ein solcherTeufelskerl war und sie davon überzeugt war, er würde alle seine neun Lebenaufbrauchen. In der Tat hatte Neuner achtmal dem Tod ins Auge geschaut. Zuletzterst vor sechs Monaten, als er auf der Straße vor ihrem Haus beinahe von einemWagen überfahren worden war. Wie traurig, dass sein sprichwörtlich neuntesLeben anscheinend vergeudet war.
»Nun, meine Liebe, heute Abend wollen wir uns doch keine Sorgen über dieZukunft machen. Es ist doch Weihnachten. Ich kam aus zwei Gründen herüber. Erstenswollte ich mich für Ihre Postkarte bedanken. Sie ist wunderhübsch.«
»Hat sie Ihnen gefallen?« Anne lächelte. Ganz ohnefalsche Scham saugte sie Lob auf wie ein Schwamm und spitzte sofort die Ohren,wenn jemand ihre Kunstwerke lobte.
»Ihre beste bis jetzt.«
»Welche war es, die ich Ihnen schickte? Ich weiß es nicht mehr. Ich habedieses Jahr zwölf davon gemalt.«
»Also, da war ein Mann vorne drauf, mit einem Nest auf dem Kopf. Er sah auswie ein sexy Weihnachtsmann.«
»Das war der Lord of Misrule, derZeremonienmeister der ausgelassen Feiernden. Ist er nicht hübsch? Was michbetrifft so könnte man ihn auf den Steckbrief drucken, mit dem man denrichtigen Mann für mich sucht. Ich habe ihn in einem Geschichtsbuch entdecktund die Zeichnung eines anonymen mittelalterlichen Künstlers als Grundlageverwendet.«
Anne führte Mrs Jensen zum Zeichentisch, auf demsie ihre zwölf Originale ausgebreitet hatte. Es handelte sich um eine Serie vonBildern, die sie für eine Glückwunschkartenfirma in Milwaukee gemalt hatte, fürdie sie als freie Künstlerin arbeitete. Jede Szene stellte einen der zwölfWeihnachtstage dar. Anne hatte für sich selbst Kopien angefertigt, die sie anFreunde und potenzielle Kunden verschickte.
© Weltbild Verlag
- Autoren: BEARD, BEVERLEY, BRETTON , KURLAND
- 2006, 1, 366 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898974146
- ISBN-13: 9783898974141
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