Die Maske der Verräter
Rolf Brockschmidt / Tagesspiegel "Ulrike Schweikert überzeugt durch mitreißende Schilderungen und interessante Charaktere. Mit ihnen erleben die Leser hautnah das 15. Jahrhundert, die Armut des Volkes und die Machtgier der Oberen."
Gisela Esser / Generalanzeiger "Der historische Roman aus dem spätmittelalterlichen Würzburg verbindet geschickt die Vorzüge eines unterhaltsamen, spannenden Reißers mit solider und farbiger kulturhistorischer Schilderung."Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur / Prof. Dr. Kurt Franz
Die Maske der Verräter von Ulrike Schweikert
LESEPROBE
Prolog
Die Verschwörung
Und, habtIhr schon einen Plan? Wie sollen wir vorgehen?« Die beiden Männer saßen sich indem prächtigen Gemach gegenüber, tranken schweren roten Wein und lehnten sichbehaglich in den dicken Kissen der Ruhebänke zurück.
»Einsauberer Schuss, das ist das Einfachste«, sagte der Gast und goss sich Weinnach.
»EinSchuss kann fehlgehen«, gab der Hausherr zu bedenken.
»Wirdürfen kein Risiko eingehen.«
»Ichspreche ja nicht von diesen neumodischen Büchsen!«, erwiderte der Besucher.»Ich halte nichts von Krach und Pulverdampf.
Außerdemsind sie zu unförmig und schwer und müssen irgendwo aufgelegt werden. Ichspreche von einem kleinen, gut platzierten Armbrustbolzen. Wir werden in dieserStadt doch einen passenden Schützen auftreiben!«
»Ich weißnicht«, sagte der Hausherr gedehnt und rückte sich die Kissen in seinem Rückenzurecht. »Ich möchte die Sache aus der Welt geschafft haben - sicher undendgültig -, und zwar bald! Ich bin für eine Klinge in den Rücken, glatt undschnell.«
SeinGegenüber lachte. »Ja, das kann ich mir denken. Und gewiss habt Ihr jemandenbei der Hand, der sich für dieses Vorhaben anbietet. Ihr glaubt doch nichtetwa, er würde mit dieser Tat davonkommen? Nein, wenn wir es auf Eure Weise machen,muss jemand mit seinem Hals herhalten!«
»Jasicher.« Der Hausherr nickte und gähnte gelangweilt.
Er strichsich durch sein dichtes graues Haar. »Schließlich haben weder Ihr noch ich vor,selbst eine Klinge in die Hand zu nehmen. Für große Taten muss man immer Opferbringen!«
Die Frau,die vor der Tür stand und ihr Ohr an den Spalt presste, schürzte voll Abscheudie Lippen. Opfer bringen, ja, das müssen stets die anderen, und das Blut aufihre Hände und ihre Seele kommen lassen, während sich die großen Herren ihreFinger höchstens mit teurem Wein beschmutzen!
Schrittenäherten sich von der Treppe her. Die junge Frau war so sehr daraufkonzentriert, jedes Wort zu verstehen, das hinter der Tür gesprochen wurde,dass sie erst aufschreckte, als eine Stimme sie anrief.
»He, wasmachst du da?«
Siedrehte sich nicht nach dem Sprecher um, so viel Geistesgegenwart besaß sienoch. Statdessen raffte sie ihre Röcke und rannte den Gang entlang davon.
»Bleibstehen! Bleib sofort stehen!« Der Mann lief ihr nach.
Hatte ersie erkannt? Ihr Herz schlug wild. Immerhin rief er sie nicht bei ihrem Namenund er hatte sie mit dem vertraulichen
»Du« angesprochen.Wie lange jedoch konnte es dauern, bis er den Kreis der möglichen Lauscherinnenso eingegrenzt hatte, dass er unweigerlich auf ihren Namen stieß?
So vieleFrauen gingen in diesem Haus nicht aus und ein! Was würde dann mit ihrgeschehen?
Sabinalief um zwei Ecken herum, riss die Tür zu der schmalen Treppe der Bedienstetenauf und eilte die Stufen hinunter. Im Hof war es dunkel. Sie ließ sich nichtdie Zeit, sich nach ihrem Verfolger umzusehen. Sie wusste, dass er ihr noch aufden Fersen war. Hier, innerhalb der Mauern des Hofes, würde sie ihm nichtentgehen. Sabina rannte durch das Tor hinaus, hastete ein paar Gassen entlangund drückte sich dann in eine Nische hinter eine Scheune. Ihr Atem ging schnellund in ihrer Seite stach es. Sie versuchte, über ihren Herzschlag hinweg etwaszu hören. Näherten sich Schritte auf der Gasse? Folgte er ihr noch immer? Außerden üblichen abendlichen Geräuschen der Stadt war nichts zu hören. Langsamberuhigten sich Herzschlag und Atem, doch ihr Geist blieb in Aufruhr. Er trugnun ein tödliches Geheimnis in sich - tödlich für andere und vielleicht auchfür sie selbst. Sie hatte die Stimme des Dienstmannes erkannt, der sie beimLauschen erwischt hatte. Es war der Leibdiener des Hausherrn. Er machte nichtden Eindruck, als wäre er sonderlich hell im Kopf. Die Frage aber war: Würde erseinem Herrn von diesem Vorfall erzählen? Sie konnte nur hoffen und beten, dassder Diener zu große Angst vor dem Zorn des Herrn hatte und daher lieberschwieg. Denn der Herr war unberechenbar und wusste seinen Verstand wohl zugebrauchen.
Alleinder Blick aus seinen kalten blauen Augen ließ alle erschaudern. Es war, alskönne er die geheimsten Gedanken lesen und den Menschen bis in die Seele sehen.
Sabina liebteihn nicht gerade und ging ihm, wann immer es möglich war, aus dem Weg. Dabeikonnte er durchaus angenehm sein. Wenn er seine Stimme freundlich klingen ließ,dann trat ein glückliches Leuchten in das Antlitz der Angesprochenen, und siebeeilten sich, seinen Wünschen Folge zu leisten. Ja, sie waren sogar dankbar,ihm dienen zu können. Sabina hatte sich in den vergangenen Monaten oft gefragt,ob es ein Engel oder ein Dämon der Hölle war, der ihm diese Gabe verlieh. Heutewäre sie bereit gewesen zu schwören, dass es nur ein Höllenfürst sein konnte.
Bei ihrallerdings ging der Herr stets sparsam mit seiner einschmeichelnden Stimme um.Der jungen Frau wurden meistens nur seine schroffen Befehle zuteil, die jeden,der sie hörte, den Kopf ein wenig tiefer zwischen die Schultern ziehen ließen.Wenn er erfuhr, dass sie seinen schrecklichen Plan belauscht hatte, was würdeer dann mit ihr machen? Waren ihr Name und ihre Herkunft Schutz genug? Oder würdeer entscheiden, dass das Risiko, sie am Leben zu lassen, zu groß für ihn wäre?Würde er kalt lächelnd den Befehl geben, ihr ein Messer ins Herz zu stoßen oderihr den Giftbecher zu reichen? Würde er den Mord gar selbst ausführen? Wäre dasLetzte, was sie auf dieser Erde sehen würde, seine Gestalt? Groß und aufrecht,wie ein König, Silberfäden im dichten Haar, die Haut im Gesicht noch straff.Und diese blauen Augen, aus denen er sie ansah, ohne auch nur einmal mit denWimpern zu zucken.
Sabinaschloss gequält die Lider. Für einen Moment erwog sie, nicht mehr zum Hofzurückzukehren. Wohin jedoch sollte sie sich dann wenden? Gab es andereVerwandte, bei denen sie Unterschlupf finden konnte? Würden sie sie nicht zurückschicken,wenn sie die Wahrheit nicht kannten? Oder würde er sie selbst verfolgen undzurückholen?
Bedauerndkam sie zu dem Schluss, dass es in dieser Welt keinen Platz gab, zu dem siefliehen konnte. Vielleicht hatte der Diener sie ja gar nicht erkannt, versuchtesie, sich Mut zuzusprechen. Dann würde sie mit einer Flucht den Stein erst insRollen bringen. Jede Minute, die sie dem Hof länger fernblieb, erhöhte dasRisiko, dass man sie suchen und nicht finden würde. Wie sollte sie ihreAbwesenheit erklären? Nein, es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musstezurück.
Sorgfältigordnete Sabina ihre Röcke und machte sich gemessenen Schrittes auf den Weg. Sieschlüpfte durch eine Seitentür in den verlassenen Hof und schlich ins Haus. AlsErstes wechselte sie ihr Gewand und verstaute ihr blondes Haar in einembestickten Netz. Dann wandte sie sich mit einem bemüht sorglosen Lächeln ihrerHandarbeit zu.
© cbjVerlag
- Autor: Ulrike Schweikert
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2007, 1, 479 Seiten, Maße: 14 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570129675
- ISBN-13: 9783570129678
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