Die Nebelsängerin / Das Erbe der Runen Bd.1
Ajana lebt mit ihrer Familie ein ganz normales Leben zwischen Schule, Freunden und Musik. An ihrem sechzehnten Geburtstag gerät ihre vertraute Welt jedoch aus den Fugen: Sie erbt ein geheimnisvolles Runenamulett, das sie fort reißt in ein anderes, völlig fremdes Land - Nymath. Dort tobt ein gnadenloser Krieg zwischen dem finsteren Volk der Uzoma und den Vereinten Stämmen der Menschen. Die letzte Hoffnung der Menschen ist die Rückkehr der sagenumwobenen Nebelsängerin. Nur langsam begreift Ajana, dass sie selbst die Nebelsängerin ist ...
"Nebelsängerin Ajana erlebt im Reich der Elben ein phantastisches Abenteuer. Felten-Fantasy ist klasse Fantasy!" - Bild am Sonntag
Die Nebelsängerin von Monika Felten
LESEPROBE
Prolog 1
Fermoy, 15.08.1998
Mit rasender Geschwindigkeit türmtesich eine schwarze Wolkenwand am Abendhimmel auf und schob sich wie einriesiges Ungeheuer über Fermoy, eine kleine Stadt im Südwesten Irlands. Deraufkommende Sturm zerrte an den Bäumen, warf Stühle und Sonnenschirme derStraßencafés um und riss alles mit sich, was seiner Wut nicht gewachsen war.Mit apokalyptischer Urgewalt peitschte er den Regen über das Land undverwandelte die Wiesen und Weiden am Stadtrand innerhalb weniger Minuten ineine Sumpflandschaft.
Wer konnte, flüchtete in dieSicherheit der Häuser oder suchte Schutz in den überdachten Eingängen derGeschäfte. Das Unwetter überraschte Patricia Hunt auf dem Heimweg von derletzten Probe des Schulchors vor den Sommerferien. Die Fünfzehnjährige war mitihrem Motorroller unterwegs und gerade in die Mallow-Street eingebogen, als dererste Blitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, die Luft zerriss.Von einer Sekunde zur nächsten wurde es so finster, dass die Straßenlaternenaufflackerten. Es begann, in Strömen zu gießen. Der Regen verwandelte dieStraße in eine gefährliche Wasserbahn und nahm Patricia die Sicht. Da wurde sieurplötzlich von einer heftigen Windböe erfasst und auf die Gegenfahrbahngedrückt. Sie versuchte, wieder auf die linke Fahrbahnseite zu wechseln, aberder Wind war unerbittlich. Als sie nach vorn schaute, sah sie in Dunkelheit undRegen ein Paar greller Scheinwerfer direkt auf sich zukommen. Instinktiv risssie den Lenker herum, schloss die Augen und betete um ein Wunder. Und wirklich,in allerletzter Sekunde tat der Motorroller den rettenden Schlenker.
Ein Schwall eisigen Wassers erfasstesie, als der Lastwagen hupend an ihr vorbeischoss und in der Dunkelheitverschwand. Unfähig, auch nur einen Meter weiterzufahren, lenkte Patricia denRoller auf die nächste Auffahrt, stellte ihn neben einer Hauswand ab undhastete mit weichen Knien auf eine nahegelegene Einkaufspassage zu, die Schutzvor Sturm und Regen verhieß.
Nie zuvor war sie dem Tod so nahegewesen. Hätte der Wind nicht im rechten Moment nachgelassen Patricia wagtenicht, den Gedanken zu Ende zu führen.
Mit zitternden Fingern nahm sie denHelm ab, hockte sich auf den kleinen Treppenabsatz vor einer Apotheke undschlang die Arme um die Knie. Ihre Jeans und die leichte Sommerjacke klebtenschwer an ihr und ihre Haare waren selbst unter dem Helm nass geworden. Inihren Schuhen stand Wasser. Als sie sich nach vorn beugte, um die Schnürbänderzu lösen, wurde ihr schwindlig. Seufzend barg sie das Gesicht in den Händen undwartete darauf, dass sich ihr hämmernder Herzschlag beruhigte und der Schwindelvorüberging.
Endlose Sekunden verstrichen, indenen das Heulen des Sturms das einzige Geräusch in der spärlich beleuchtetenPassage blieb. Patricia hielt die Augen geschlossen, atmete tief durch undversuchte, sich zu sammeln, als sie ganz in der Nähe ein leises, röchelndesHusten vernahm. Sie war nicht allein!
Erschrocken richtete sie sich aufund lauschte.
Das Geräusch wiederholte sich nicht.
Als sie jedoch in die Passagehineinblickte, tauchten im hellen Licht eines Blitzes ganz unvermittelt dieUmrisse eines Mannes auf, der dort an einem Schaufenster lehnte. Er war groß undhager und trug einen schwarzen Mantel, der bis auf den Boden hinabreichte. SeinGesicht war unter dem breitkrempigen Hut kaum zu sehen, aber Patricia warsicher, dass er sie anstarrte. Er hatte etwas Bedrohliches an sich, und derGedanke, dass sie mit ihm hier ganz allein war, jagte ihr einen eisigen Schauerüber den Rücken.
Etwas raschelte, und sie sah, wieder Mann sich regte. Mit schleppenden Schritten kam er auf sie zu. Furcht stiegin ihr auf. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, tastete sie nach ihrem Helm,stand auf und wich langsam auf die Straße zurück. Aber der Mann war schneller.Bald war er so nahe, dass Patricia seinen schweren Atem hören konnte.
»Keine Angssst«, zischte er und trataus dem Schatten in das Licht der Straßenlampe, die das vordere Stück derPassage erhellte. Lange schwarzgraue Haare fielen ihm bis auf die Schultern herab.Wie der kurz geschnittene Vollbart wirkten sie verfilzt und ungepflegt. In derHand hielt er eine halbleere Whiskyflasche. »Bei dem Unwetter sollten Mädchenin deinem Alter nicht allein draußen sein.« Er deutete auf die Straße, wo derRegen mit unverminderter Heftigkeit niederging, und meinte: »Zzzu gefährlich.«Er lächelte. Es war ein kaltes, düsteres Lächeln, in dem keine Freundlichkeitlag.
Der Geruch von Alkohol streifte PatriciasNase. Ängstlich wich sie noch ein paar Schritte zurück. Ihr Herz raste wiewild. Hilfe suchend blickte sie sich um, doch außer dem Unbekannten war niemandzu sehen. Schon spürte sie den Regen, der vom Wind in die Passage gedrücktwurde. Das Ende der Ladenzeile war nahe.
Kurzentschlossen setzte sie den Helmauf, rannte zu ihrem Motorroller und fuhr davon, ohne sich noch einmalumzublicken.
Der Mann verfolgte sie nicht.
Der Regen klatschte gegen das Visierihres Helms und raubte ihr die Sicht, Donner grollte und grelle Blitze zucktenüber den Himmel. Inzwischen war es so dunkel geworden, als sei es bereitstiefste Nacht. Aber das störte Patricia nicht mehr. Nur noch ein paar Minuten,dann würde sie zu Hause sein.
Im tosenden Unwetter erschien dasScheinwerferlicht des Motorrollers klein und verloren, die vertraute Umgebungfremd und unheimlich. Erst im allerletzten Moment bemerkte sie, dass sieabbiegen musste. Die hoch aufragenden Pappeln der Allee, in der ihr Elternhausstand, neigten sich unter dem Ansturm des Windes weit über die Straße. DerAsphalt war mit Zweigen und Blättern übersät. Zweimal musste sie einem dicken Astausweichen, der mitten auf der Straße lag. Patricia ließ sich nicht beirren.Durchnässt und frierend, steuerte sie auf ihr Elternhaus zu.
Plötzlich huschte etwas Kleines,Schwarzes aus den Schatten der Vorgärten und schoss unmittelbar vor ihr überdie Straße. Instinktiv zog sie die Handbremsen, aber es war zu spät. Der Motorrollermachte einen Satz und ein leidvolles Kreischen ertönte. Da war bestimmt einKätzchen!, schoss es Patricia durch den Kopf. In der Hoffnung, dem kleinen Tiernoch helfen zu können, hielt sie an, stieg vom Motorroller und schaute sich um.
Nur wenige Meter entfernt entdecktesie ein kleines dunkles Knäuel, das inmitten der Blätter auf der Straße lag. Mitwenigen Schritten war Patricia dort und kniete sich hin, um das regungsloseBündel aufzuheben. Doch kaum dass sie es berührte, hörte sie einendurchdringenden Pfeifton im Ohr. Er war so hoch und fein, als käme er aus eineranderen Welt, aber stark genug, um das Lärmen des Unwetters zu übertönen.Patricia kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, um das quälendeGeräusch zu vertreiben - da fuhr ein Blitz krachend in eine der sturmgebeugtenPappeln und spaltete sie von der Krone bis zur Wurzel in zwei Hälften.Schlagartig wurde Patricia klar, in welcher Gefahr sie sich befand. Doch es warzu spät. Ein riesiger Ast, den der Blitzschlag aus der Baumkrone gerissen hatte,zerschellte splitternd auf dem Asphalt und begrub das Mädchen unter sich.
Und während der Donner über denDächern von Fermoy verhallte, gellte ein furchtbarer Todesschrei durch Sturmund Regen in der von Pappeln gesäumten Straße
© cbt Verlag
- Autor: Monika Felten
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2007, 478 Seiten, Maße: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570303594
- ISBN-13: 9783570303597
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