Die Samenhändlerin
''Mit der Liebe ist es wie mit einem Saatkorn. Nur wenn sie gepflegt wird, kann sie gedeihen.''
Petra Durst-Benning erzählt von zwei Frauen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem württembergischen Dorf um ihr Lebensglück kämpfen.
''Mit der Liebe ist es wie mit einem Saatkorn. Nur wenn sie gepflegt wird, kann sie gedeihen.''
Petra Durst-Benning erzählt von zwei Frauen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem württembergischen Dorf um ihr Lebensglück kämpfen.
DieSamenhändlerin von PetraDurst-Brenning
LESEPROBE
Der Mann spürte, wie sich der Schweiß, der ihm in Rinnsalen denLeib hinablief, im Bund seiner Hose sammelte. Das Durchatmen fiel ihm schwer.Er griff an seinen Gürtel, um ihn ein Loch weiter zu schnallen. Als er den Krugan die Lippen setzte, lief ihm etwas Bier das Kinn hinab und befleckte seinen Hemdkragen.Statt es abzuputzen, grinste er vor sich hin. Wenn er von diesem Tischaufstand, konnte er sich nicht nur ein neues Hemd nähen lassen, sondern gleich zwei oderdrei oder vier !
So ein gutes Blatt hatte er noch nie in seinem Leben gehabt.
So viel Glück ... Und das heute ! Ausgerechnet heute ... MitWucht knallte er seine Karten auf den Tisch. Das war's!
»Ja, verdamm mich doch!«
»Verrecke ! Du -«
»Das ... ist das wirklich ... ?«
Ungläubige Gesichter starrten ihn an.
»Meine Herren« - er bemühte sich um einen beiläufigen Ton,während sein Puls hart gegen seine Schläfen pochte -, »heute scheint das Glückauf meiner Seite zu sein.« Mit zittriger Hand raffte er sämtliche Geldscheineund Münzen, die auf dem Tisch verteilt waren, zusammen und stopfte alles in seinenGeldsack. Schnell weg damit ! Es war besser, diesen Kerlen den Abschied vonihrem Geld so schmerzlos wie möglich zu machen.
Der Wirt war der Erste, der seine Sprache wiederfand. »Warumdie Eile? Kann so ein reicher Mann wie du nicht wenigstens noch eine Rundeausgeben?«
Seine Frage wurde vom beifälligen Murmeln der anderen begleitet,aus welchem Friedhelm Schwarz aber auch die Worte »Betrug« und »nicht mitrechten Dingen« herauszuhören glaubte.
Das Wirtshaus war alt und heruntergekommen, die Wände warengeschwärzt vom Rauch. Der Geruch von Arme-Leute-Essen mischte sich mit dem derVerzweiflung, Aggression und Abgestumpftheit. In einer Ecke tropfte etwasNasses, Muffiges von der Decke.
Angewidert schaute Friedhelm Schwarz sich um. In was für eineSpelunke war er hier geraten? Hatte er sich nicht geschworen, solchen Stättenein für allemal den Rücken zu kehren? Andererseits: Hätte er dieses Wirtshausnicht betreten, würde sein Geldsack jetzt nicht prall und schwer bis fast zuseinem Knie hinabhängen ... Ha, da wird Else Augen machen !
Sich ein Lachen verkneifend, warf er seinen feuchten Umhangüber die Schultern.
»Am besten mache ich mich gleich auf den Weg.« Während erdie Bändel am Hals zuschnürte, blickte er durch die winzigen Fenster nachdraußen. Es war noch hell - wenn man den Begriff überhaupt auf diesesgottverlassene Tal in den Schweizer Bergen anwenden wollte. Richtig hell wurdees hier eigentlich nie. Die umliegenden Berge fraßen jeden Sonnenstrahl auf,bevor er die Wiesen und Felder erreichen konnte. Landwirtschaft zu betreibenwar in diesem Schattendasein ein hartes Brot. Das bisschen, was die Erdeerbrachte, war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.
Aber es war nicht sein hartes Brot, sagte sich Friedhelm. Nicht heute!
Seit Wochen war er in dieser dunklen Ecke der Schweiz nun schonunterwegs und versuchte, mit den Bauern ins Geschäft zu kommen. Gerade einmaldie Hälfte seines Gemüsesamens war er losgeworden - und so manches Päckchenhatte er auf Kredit dalassen müssen, auf das Versprechen hin, dass der Käuferim nächsten Jahr, nach der nächsten Ernte wieder genug Geld haben würde, umseine Schulden zu bezahlen. Blumensamen hatte Friedhelm in keinem einzigenHaus verkaufen können, was er den Leuten nicht einmal übel nehmen konnte.Veilchen und Anemonen machten nicht satt. Und mit knurrendem Bauch ging derBlick für die Schönheit eines Blumenbeetes schnell verloren.
Ach, er hatte die Nase so voll von diesen hoch gelegenen Tälernmit den verschlossenen, verbitterten, armen Menschen ! Warum erging es ihmnicht wie den anderen Samenhändlern, die ihre Geschäfte in besseren Gegendentätigen konnten, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Warum zählten zu seinenKunden keine wohlhabenden Bauern, keine Gärtnereien, keine reichenGartenliebhaber? Warum hatte sein Vater ihm lediglich diesen ärmlichenSamenstrich in der Schweiz vermacht?
Ein Griff an seinen Geldsack half ihm, einen Deckel aufdiese Fragen zu legen, bevor Neid und Wut und Hass ungebändigt in ihmaufsteigen konnten. Die anderen sollten sich zum Teufel scheren ! Heute war erder König. Heute hatte er sein Geschäft gemacht, jawohl!
Er wollte nach Hause.
Nach Gönningen.
In sein Heimatdorf, am Fuße der Schwäbischen Alb gelegen, hunderteMeilen von diesem elenden Flecken hier entfernt.
Nun hatte er es eilig, schulterte seinen Zwerchsack, in dem nebenden Blumensamen auch noch Blumenzwiebeln lagen. Blumenzwiebeln! Warum hatte erdie überhaupt hierher mitgeschleppt? Er hob seinen Hut zum Abschiedsgruß.(...)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2005
Interview mitPetra Durst-Benning
Ihr neuer Roman Die Samenhändlerin"spielt im 19. Jahrhundert in Gönningen, einem auf Samenhandel spezialisiertenOrt am Fuße der Schwäbischen Alb. Was an diesem Ort hat Sie besondersfasziniert?
Für meine Geschichten suche ich mir nie die großenSchauplätze dieser Welt aus. Vielmehr habe ich eine Liebe entwickelt zu kleinenOrten, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, die aber, wenn man genauerhinschaut, Besonderheiten haben, eine eigene Geschichte erzählen und damit oftsogar die große, weite Welt" beeinflusst haben. Gönningen war 300 Jahre langdas Dorf der Samenhändler, mit ihren Sämereien bereisten sie die ganze Welt.Sie kamen bis nach Russland und Amerika, auf ihr Saatgut waren die Menschen infrüheren Zeiten angewiesen, und ihr Besuch wurde von ihren Kunden alljährlichherbeigesehnt.
Hannah und Seraphine, dieProtagonistinnen des Buches, sind sehr verschieden in ihrer Art. Würden Siesagen, Seraphine trägt die Hauptschuld am Konflikt zwischen den beiden? Gibt esda eine Gute" und eine Böse"?
Ich versuche stets, meine Figuren nie als eindimensionalePappkameraden nach dem Schema Gut" und Böse" ins Leben zu rufen. Vielmehrmöchte ich Hauptpersonen mit Ecken und Kanten, an denen der Leser sich reibenkann, mit denen er fühlt, über die er sich aber auch einmal ärgern muss.
In Antonias Wille" bekommt diejunge Julie einen Berghof im Schwarzwald geschenkt. Doch als Bedingung derSchenkung soll sie Licht ins Dunkel der dramatischen Ereignisse bringen, diesich dort einmal abgespielt haben. Wirken Julies Nachforschungen dabei als eineArt Reinigung" für diesen Ort?
Wenn sie auf eine Art spirituelle Reinigung ansprechen, sohat Julie damit nichts am Hut. Sie spürt, dass in dem alten Haus einstmals dieLiebe geherrscht hat durch Rosanna, die schöne Hotelwirtin. Diese Liebe möchtesie wieder ins Leben rufen. Am Ende des Buches, als sie in dem alten Gebäudeihr Künstlerhotel eröffnet, enthüllt sie ein Gemälde von Rosanna, unter demfolgende Inschrift zu finden ist Tempus fugit, amor manet" - Die Zeit vergeht,die Liebe bleibt.
Julie erhält den Berghof ganzunerwartet, von einer entfernten Verwandten. Von solch einem Ereignis träumendie meisten von uns vergeblich. Was würden Sie sich wünschen, dürfte einähnlicher Traum für Sie in Erfüllung gehen?
Ich habe keine Träume in dieser Richtung, da ich meinenTraum schon lebe: Das Schreiben und die Kreativität, die damit verbunden ist,erfüllen mir all meine Träume. So kann ich mir lediglich wünschen, gesund zubleiben, um noch viele Jahre meinen Lebenstraum weiterhin ausleben zu dürfen.
Sie schreiben, dass einZeitungsartikel, ein antiquarisches Stück Sie auf ein Thema bringen können. Wieentwickeln Sie daraus eine Geschichte? Wie entstehen Ihre Bücher?
Die Ideen laufen mir tatsächlich im Alltag über den Weg.Wenn mich ein Thema dann fesselt, kommt die Recherche. Und meist entdecke ichdabei so spannende kleine Geschichten, Anekdoten und historische Figuren, dasssich daraus die Geschichte fast wie von selbst entwickelt. Aber erst, wenn ichdiese von A bis Z im Kopf habe, beginne ich mit der tatsächlichenSchreibarbeit.
Ihre Romane handeln meist von Frauen und erzählen vonderen Leben in vergangenen Zeiten. Gibt es eine Zeit außer der Gegenwart, inder Sie selber gern gelebt hätten?
Hier mussich auf die gleiche Art und Weise antworten wie bei der Frage nach den Träumen:Ich genieße es, im Hier und Jetzt zu leben und kann mir keine schönere Zeitvorstellen!
Die Fragen stellte Ulrike Künnecke,Literaturtest.
- Autor: Petra Durst-Benning
- 2005, 3. Aufl., 503 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Ullstein HC
- ISBN-10: 3550086164
- ISBN-13: 9783550086168
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