Die Schopenhauer-Kur
Julius Hertzfeldt ist 65 und ein renommierter Psychoanalytiker, als er ernsthaft erkrankt. Zeit, sich wichtigen Fragen zu stellen. War sein Wirken wirklich bedeutungsvoll? Er erinnert sich an einen Fall, bei...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Julius Hertzfeldt ist 65 und ein renommierter Psychoanalytiker, als er ernsthaft erkrankt. Zeit, sich wichtigen Fragen zu stellen. War sein Wirken wirklich bedeutungsvoll? Er erinnert sich an einen Fall, bei dem er kläglich versagt hat: An Philip Slate, den er einst wegen dessen Sexsucht in Behandlung hatte. Dieser ist immer noch so arrogant und ichbezogen wie früher, dennoch behauptet er, sich mittlerweile selbst geheilt zu haben - und zwar mit Hilfe der Lektüre von Arthur Schopenhauer ...
Julius Hertzfeldt ist 65 und ein renommierter Psychoanalytiker, als er ernsthaft erkrankt. Zeit, sich wichtigen Fragen zu stellen. War sein Wirken wirklich bedeutungsvoll? Er erinnert sich an einen Fall, bei dem er kläglich versagt hat: An Philip Slate, den er einst wegen dessen Sexsucht in Behandlung hatte. Dieser ist immer noch so arrogant und ichbezogen wie früher, dennoch behauptet er, sich mittlerweile selbst geheilt zu haben - und zwar mit Hilfe der Lektüre von Arthur Schopenhauer ...
Julius Hertzfeldt ist 65 und ein renommierter Psychoanalytiker, als er ernsthaft erkrankt. Zeit, sich wichtigen Fragen zu stellen. War sein Wirken wirklich bedeutungsvoll? Er erinnert sich an einen Fall, bei dem er kläglich versagt hat: An Philip Slate, den er einst wegen dessen Sexsucht in Behandlung hatte. Dieser ist immer noch so arrogant und ichbezogen wie früher, dennoch behauptet er, sich mittlerweile selbst geheilt zu haben - und zwar mit Hilfe der Lektüre von Arthur Schopenhauer ...
'Ein so kluger wie spannender Schmöker.' Spiegel online
"Schaumbad für die Seele: 'Ein Roman, der sich liest, als läge man selbst auf der Couch." Myself
Die Schopenhauer-Kur von Irvin D. Yalom
LESEPROBE
»JederAtemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab|. . . Zuletzt muß ersiegen: denn ihm sind wir schon von Geburt anheimgefallen,und er spielt nur eine Weile mit seiner Beute, bevor er sie verschlingt. Wirsetzen indessen unser Leben mit großem Anteil und vieler Sorgfalt fort, so langeals möglich, wie man eine Seifenblase so lange und groß als möglich aufbläst,wiewohl mit der festen Gewissheit, daß sie platzenwird.«
1
Juliuskannte die Betrachtungen über Leben und Tod so gut wie jeder andere. Er stimmtemit den Stoikern überein, die da sagten: »Sobald wir geboren werden, fangen wiran zu sterben «, und mit Epikur, der zu dem Schluss kam: »Wo ich bin, ist derTod nicht, und wo der Tod ist, bin ich nicht. Warum also den Tod fürchten?« Als Arzt und Psychiater hatte er Sterbenden genau dieseTrostworte ins Ohr geflüstert.
Obgleicher solch düstere Erwägungen im Falle seiner Patienten für sinnvoll hielt, hatteer nie angenommen, dass sie etwas mit ihm zu tun haben könnten. Das heißt, biszu jenem schrecklichen Moment vor vier Wochen, an dem sich sein Leben für immerverändert hatte.
Eskam zu diesem Moment im Verlauf einer alljährlichen Routineuntersuchung beimArzt. Sein Internist - ein alter Freund und Kommilitone aus Studientagen -hatte die Untersuchung gerade beendet und Julius wie immer aufgefordert, sichanzukleiden und zum abschließenden Gespräch in sein Büro zu kommen.
Herbsaß an seinem Schreibtisch und blätterte Julius Krankenakte durch. »Insgesamtsiehst du für einen hässlichen Fünfundsechzigjährigen recht gut aus. Die Prostataist ein bisschen geschwollen, aber das ist meine auch. Blutwerte, Cholesterin undFettstoffwechsel sind in Ordnung - dafür sorgen die Medikamente und deine Diät.Hier hast du das Rezept für dein Lipitor, das deinenCholesterinspiegel im Zusammenspiel mit dem Joggen ausreichend senkt. Du kannstdir also ruhig mal was gönnen: Iss ab und zu ein Ei. Ich verdrücke jedenSonntag zwei zum Frühstück. Und hier ist das Rezept für dein Synthroid. Ich habe die Dosis ein wenig erhöht. DeineSchilddrüse stellt langsam den Betrieb ein - die gesunden Zellen sterben ab undwerden durch fibröses Gewebe ersetzt. Absolut gutartig, wie du weißt. Passiertuns allen; ich nehme selbst Schilddrüsenhormone. Ja, Julius, keiner unsererKörperteile entgeht dem Schicksal des Alterns. Neben deiner Schilddrüse bautdie Knorpelmasse in deinen Knien ab, deine Haarbälge gehen ein, und deineoberen Lendenwirbel sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Außerdemverschlechtert sich offenbar der Zustand deiner Haut: deine Epithelzellenverschleißen eben einfach - schau dir die Altersflecken auf deinen Wangen an,diese flachen braunen Erhebungen.« Er hielt einenkleinen Spiegel hoch, damit Julius sich inspizieren konnte. »Das sind bestimmt einDutzend mehr als bei der letzten Untersuchung. Wie viel Zeit verbringst du inder Sonne? Trägst du einen breitkrempigen Hut, wie ich es dir empfohlen habe?Ich möchte, dass du deswegen einen Dermatologen aufsuchst. Bob King ist gut. Erhat seine Praxis gleich im Gebäude nebenan. Kennst du ihn?«Julius nickte.
»Dieunansehnlichen kann er mit einem Tropfen flüssigen Stickstoffs abbrennen. Beimir hat er letzten Monat etliche entfernt. Keine große Sache - dauert fünf,zehn Minuten. Eine Menge Internisten machen das inzwischen selbst. Außerdem sitztda einer auf deinem Rücken, den er sich mal anschauen soll. Du kannst ihn nichtsehen; er ist direkt unter dem lateralen Teil deines rechten Schulterblatts. Ersieht anders aus als die anderen - ungleichmäßig pigmentiert und nicht scharfbegrenzt. Wahrscheinlich nichts, aber wir sollten ihn checken lassen. Okay,Alter?«
»Wahrscheinlichnichts, aber wir sollten ihn checken lassen. « Julius hörte die Anspannung undgezwungene Beiläufigkeit in Herbs Stimme. Doch erließ sich nicht täuschen; die Worte »ungleichmäßig pigmentiert und nicht scharfbegrenzt «, gesprochen von einem Arzt zum anderen, gaben Grund zur Besorgnis.Sie waren der Code für ein potenzielles Melanom, und jetzt, im Rückblick,identifizierte Julius diese Worte, diesen einmaligen Moment, als den Zeitpunkt,an dem sein sorgenfreies Leben endete und der Tod sich in seiner ganzen grässlichenWirklichkeit materialisierte. Der Tod war gekommen, um zu bleiben, er wich ihmnicht mehr von der Seite, und all die Schrecken, die folgten, warenvorhersehbare Nachwehen. Bob King war vor Jahren Julius Patient gewesen, wieeine beträchtliche Anzahl von Ärzten in San Francisco. Julius herrschte seitdreißig Jahren über die psychiatrische Gemeinde der Stadt. In seiner Positionals Professor für Psychiatrie an der University of Californiahatte er massenweise Studenten ausgebildet und war vor fünf Jahren Präsidentder American Psychiatric Association geworden.
SeinRuf? Ein Arzt für Ärzte, ohne Wenn und Aber. Ein Retter in letzter Minute, eingerissener Hexenmeister, der willens war, alles zu tun, um seinen Patienten zuhelfen. Das war auch der Grund gewesen, weswegen Bob King Julius vor zehnJahren aufgesucht hatte, um seine seit langem bestehende Abhängigkeit von Vicodin (die von süchtigen Ärzten bevorzugte Droge, weilsie so leicht zugänglich ist) behandeln zu lassen. King steckte damals inernsthaften Schwierigkeiten. Sein Vicodin- Bedarfhatte sich drastisch erhöht, seine Ehe war in Gefahr, seine Arbeit littdarunter, und er musste sich jeden Abend betäuben, um einschlafen zu können.
Bobhatte es mit einer Therapie versuchen wollen, doch ihm waren alle Türenverschlossen. Jeder Therapeut, den er konsultierte, bestand darauf, er solle aneinem Entzugsprogramm für suchtkranke Ärzte teilnehmen, ein Plan, dem Bob sichwidersetzte, weil ihm der Gedanke verhasst war, sich in Therapiegruppen voranderen Ärzten bloßzustellen. Die Therapeuten insistierten. Wenn sie einenpraktizierenden Süchtigen ohne das offizielle Entzugsprogramm behandelten,gingen sie das Risiko einer Strafverfolgung durch die Gesundheitsbehörde oderdas eines persönlichen Rechtsstreits ein (falls der Patient beispielsweise beiseiner klinischen Arbeit ein falsches Urteil fällte).
Juliuswar damals die letzte Zuflucht gewesen. Sonst hätte er seine Praxis schließenund Urlaub nehmen müssen, um sich in einer anderen Stadt anonym behandeln zulassen. Julius ging das Risiko ein und vertraute darauf, dass Bob King den Vicodin- Entzug auch so schaffte. Und obgleich die Therapieschwierig war, wie sie es bei Suchtkranken immer ist, behandelte Julius Bob fürdie nächsten drei Jahre ohne die Hilfe eines Entzugsprogramms. Es blieb einesder Geheimnisse, die jeder Psychiater hat - ein therapeutischer Erfolg, der aufkeinen Fall erörtert oder publiziert werden durfte.
Juliussaß in seinem Wagen, nachdem er die Praxis seines Internisten verlassen hatte.Sein Herz hämmerte so heftig, dass das Auto zu erzittern schien. Er holte tiefLuft, um seine wachsende Panik in den Griff zu bekommen, dann noch einmal undnoch einmal und klappte sein Handy auf, um mit flatternden Händen einenumgehenden Termin bei Bob King zu vereinbaren.
»Dasgefällt mir nicht«, sagte Bob am nächsten Vormittag, als er Julius Rücken miteinem großen, runden Vergrößerungsglas studierte. »Hier, schauen Sie selbst;mit zwei Spiegeln geht das.«
Bobließ ihn vor dem Wandspiegel Aufstellung nehmen und hielt einen großen Handspiegelan das Mal. Julius sah den Dermatologen an: blond, rötliches Gesicht, dickeBrillengläser, die auf einer langen, imposanten Nase thronten - er erinnertesich daran, wie Bob ihm erzählt hatte, dass die anderen Kinder ihn gehänseltund »Gurkennase« gerufen hatten. Er hatte sich in den zehn Jahren nicht sehrverändert. Er wirkte gehetzt, ebenso wie er es in seiner Zeit als JuliusPatient gewesen war, als er schnaufend und pustend immer ein paar Minuten zuspät gekommen war. Oft war ihm damals der Spruch des weißen Kaninchens aus Aliceim Wunderland in den Sinn gekommen:
»Jemine!Jemine! Ich komme bestimmt zu spät!«, wenn Bob in seinSprechzimmer stürzte. Er hatte zugenommen, war aber so klein wie eh und je. Ersah aus wie ein Dermatologe. Wer hat jemals einen hochgewachsenenDermatologen erblickt? Dann schaute Julius ihm in die Augen - oh, oh, sieschienen besorgt -, die Pupillen waren riesig. ()
© btb Verlag
Übersetzung:Almuth Carstens
- Autor: Irvin D. Yalom
- 2006, 445 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Almuth Carstens
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442735882
- ISBN-13: 9783442735884
- Erscheinungsdatum: 09.10.2006
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
3.5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Schopenhauer-Kur".
Kommentar verfassen