Die Stunde des Venezianers
Brügge, 14. Jahrhundert: Die junge Adelige Aimée steht vor dem Nichts. Kurz nachdem sie ins Handelshaus Cornelis eingeheiratet hat, stirbt ihr Gatte. Die Kreditgeber fordern ihr Geld zurück, aber Aimée kämpft mutig um das...
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Produktinformationen zu „Die Stunde des Venezianers “
Brügge, 14. Jahrhundert: Die junge Adelige Aimée steht vor dem Nichts. Kurz nachdem sie ins Handelshaus Cornelis eingeheiratet hat, stirbt ihr Gatte. Die Kreditgeber fordern ihr Geld zurück, aber Aimée kämpft mutig um das Handelshaus. Doch der venezianische Bankier Contarini führt etwas im Schild und Aimée weiß nicht, ob er ihr Freund oder ihr Feind ist.
Lese-Probe zu „Die Stunde des Venezianers “
Die Stunde des Venezianers von Marie Cristen Aufrecht schritt Aimée in der Gruppe der Hofdamen hinter dem Hochzeitspaar. Sie war tief in Gedanken versunken.
Ihr Leben auf Andreas mit ihrem Onkel, dessen Söhnen und ihrer Großmutter ging ihr nicht aus dem Kopf, obwohl sie nun schon ein halbes Jahr am burgundischen Hof des Herzogs lebte. Gegen ihren Willen hatte sie Andreas verlassen müssen. Seit dem Tod ihrer Eltern hing sie unzertrennlich an ihrer Großmutter. In den ersten Jahren war sie ihr kaum von der Seite gewichen. Immer hatte sie in der Angst geschwebt, sie auch noch zu verlieren. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben, dass sie alt und gebrechlich wurde. Ein Leben ohne sie konnte sie sich nicht vorstellen. Jeden Tag war sie von einem Hauslehrer unterrichtet worden, aber von ihrer Großmutter hatte sie die eigentlich wichtigen Dinge gelernt, darunter auch die flämische Sprache. Selbst in Verwaltungsdinge und die Führung der Bücher des Lehens wurde sie eingeführt von ihr. »Mein Kind, Frauen sind nicht dümmer als Männer. Bildung und Wissen bedeuten Macht«, pflegte Großmutter stets zu sagen, wenn sie einmal nicht lernen wollte. Die schönsten Tage für sie waren die mit den Ausritten zu den weit auseinanderliegenden Höfen und Dörfern der Grafschaft. Ihre Großmutter hatte für jeden auch noch so armen Bauern ein offenes Ohr, und um viele Kranke kümmerte sie sich selbst.
Nach den großen Pestepidemien war es schwer gewesen, das Lehen wirtschaftlich über Wasser zu halten. Fast die Hälfte der Menschen war an der fürchterlichen Krankheit gestorben. Überall fehlten Arbeitskräfte, sowohl bei Feldarbeit und Forstwirtschaft wie auch bei Handwerk und Handel. Stets, wenn die Gefahr des Verhungerns für die Überlebenden bestand, fand ihre Großmutter einen Weg, das Schlimmste zu
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verhindern; auch wenn Kinder, die kaum laufen konnten, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Feldern arbeiten mussten und die Alten bis zum letzten Atemzug ihre Pflichten taten. Sie bot ihnen trotz der Last ihrer Jahre ein untadeliges Beispiel. Es hatte viele Tränen gegeben und langer Gespräche bedurft, bis Aimée endlich eingesehen hatte, dass es auf Andrieu für sie keine Zukunft gab. Ihre Vettern würden das Lehen übernehmen. Sie musste heiraten und sich ein eigenes Leben aufbauen.
»Du kannst nicht auf Andrieu bleiben, geliebtes Enkelkind. Wenn deine Vettern heiraten und Familien gründen, wirst du von der Gnade ihrer Frauen abhängig sein. Du bist klug, eigenwillig und zu schön, um nicht den Neid anderer Frauen zu erwecken. Du wirst Streit mit allen bekommen, wenn deine Vettern aus Liebe zu dir einmal Partei gegen ihre eigenen Frauen ergreifen. Das alles kann und will ich nicht zulassen. Du sollst mehr vom Leben haben, nicht die Rolle einer geduldeten untergeordneten Verwandten spielen müssen.«
Fanfarenklang riss Aimée aus ihren Gedanken.
»Lächelt«, sagte eine der Hofdamen an ihrer Seite. »Der Herzog beobachtet Euch.«
Herzog Philipp überragte alle anderen, denn er trug mit Vorliebe aufsehenerregende Federhüte. Er war von kräftiger, hochgewachsener Gestalt. Unter der Hutkrempe zeigte sich das scharf geschnittene Profil eines Mannes mit dunklem Teint und einem energisch vorstehenden Kinn. In Dijon hatte er keine Gelegenheit versäumt, in Aimées Nähe zu sein und mit ihr zu plaudern, und seine strahlenden Augen, seine lebhaften Gesichtszüge hatten ihn ihr sympathisch gemacht, obwohl man den Herzog herkömmlich nicht als schön bezeichnen konnte. Er war anziehend charmant. Er hatte dafür gesorgt, dass sie auf der Liste der Hofdamen seiner künftigen Gemahlin stand und so den Hochzeitszug nach Gelt begleitete. Der Hof zerriss sich darüber im Geheimen das Maul. Doch Aimée waren das ganze Gehabe, der Tratsch und das Getue bei Hof ein Greuel. Und jetzt diese endlos sich hinstreckende Hochzeit mit Festbanketten, Turnieren und Jagdausflügen - der Graf von Flandern ließ es sich etwas kosten, seine einzige Tochter mit dem Bruder des französischen Königs zu vermählen - nein, das war nicht ihr Leben. Für das Amt einer Hofdame auf Lebenszeit war sie nicht geschaffen. Der Herzog konnte es gut meinen, doch sie wollte etwas Sinnvolles tun. Wozu waren all die Gecken hier nutz? Sie hatten nichts anderes im Kopf als leichtfertige Vergnügungen. Sollte sie vielleicht unter ihnen einen Mann finden? Der Gedanke kam ihr gar nicht erst. Sie musste ihn außerhalb des Hofes suchen. Sowohl ihre Großmutter als auch ihr Onkel Jean-Paul hatten ihr gottlob das Recht eingeräumt, sich ihren künftigen Mann selbst auswählen zu dürfen. In ihre Gedanken schloss sie jetzt auch ihren Onkel ein, den sie sehr liebte und verehrte, und unwillkürlich umfasste sie mit der Rechten den Ring an ihrer linken Hand. Bis zu ihrer Abreise hatte ihre Großmutter ihn getragen. Ein besonders schöner Diamant schmückte ihn. »Er ist das letzte Stück eines Schatzes, den man die Sterne von Andrieu genannt hat. Er wird dich mit mir verbinden«, hatte sie gesagt und ihr den Ring an den Finger gesteckt. »Bewahre ihn sorgfältig.«
Es war ihr zur vertrauten Geste geworden, den Stein zu berühren, wenn sie ihre Gedanken nach Andrieu schickte. »Ihr gestattet, dass ich an Eurer Seite Platz nehme?« Die Frage wurde mit solcher Selbstverständlichkeit an sie gerichtet, dass Aimée ohne Zögern nickte. Wie in Trance war sie im geschmückten Bankettsaal des Gravensteen an ihren Platz getreten. Erst jetzt sah sie zur Seite und blickte in zwei leuchtend blaue Augen in einem strahlenden Gesicht, gerahmt von schulterlangem Haar. Das helle Blond wies ihn als Flame aus. Er war ein Mann, der sich offensichtlich auf seine Anziehungskraft verließ. »Wer seid Ihr?«, fragte sie kühl.
»Ruben Cornelis, Handelsherr aus Brügge, wenn Ihr erlaubt.«
»Aus Brügge?«
Sie lächelte, ohne zu bedenken, was sie mit ihrer spontanen Freundlichkeit bewirken könnte. »Setzt Euch und erzählt mir von Brügge, Herr Cornelis.« Ruben war für einen Augenblick völlig überrascht von der ungezwungenen, selbstverständlichen Art dieser so unnah
bar erscheinenden Frau. Eigentlich hatte er eher mit einer Ablehnung gerechnet bei der unkonventionellen Form, mit der er sich einen Platz an ihrer Seite erzwingen wollte. »Ihr interessiert Euch für Brügge?«, sagte er erstaunt. »Wisst Ihr denn etwas über Brügge und vielleicht auch etwas über den Grund, warum wir eingeladen sind?« »Um die Hochzeit zu feiern, nehme ich an.« »Um sie zu finanzieren, würde es besser treffen. Bisher hatte die Gesandtschaft aus Brügge nicht einmal eine Audienz beim Herzog. Ich sollte aber vielleicht keine falschen Schlüsse ziehen, bis ich mehr weiß.« »Höre ich Enttäuschung aus Eurer Stimme?« »Vermutlich. Ein persönliches Gespräch mit dem Herzog ist das Ziel meiner Hoffnungen.« »Ihr wollt ihn um eine Gunst bitten?« »Ich will ihm ein Geschäft vorschlagen.« Aimée winkte dem Pagen, die Becher zu füllen, und sah Ruben so offen an, dass er den Faden verlor. Daran gewöhnt, dass er Frauen eher zum Erröten brachte, entwaffnete es ihn, dass Aimée ihm mit solcher Selbstsicherheit begegnete.
»Vielleicht kann ich Euch später dazu verhelfen«, sagte sie ruhig. »Aber erzählt mir erst ein wenig von Brügge. Ich weiß, dass man dort an Kanälen wohnt, die sich wie Straßen durch die Stadt ziehen. Es ist schade, dass die Hochzeit in Gent stattfindet und nicht in Brügge.« »Die Genter sehen das anders«, sagte Ruben. »Für sie ist Gent der Mittelpunkt der Grafschaft. Nur in der Kathedrale von Gent durfte die Erbin von Flandern heiraten. Es befriedigt ihren übersteigerten Ehrgeiz.« »Missfällt den Herren von Brügge dieser Ehrgeiz?«
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»Du kannst nicht auf Andrieu bleiben, geliebtes Enkelkind. Wenn deine Vettern heiraten und Familien gründen, wirst du von der Gnade ihrer Frauen abhängig sein. Du bist klug, eigenwillig und zu schön, um nicht den Neid anderer Frauen zu erwecken. Du wirst Streit mit allen bekommen, wenn deine Vettern aus Liebe zu dir einmal Partei gegen ihre eigenen Frauen ergreifen. Das alles kann und will ich nicht zulassen. Du sollst mehr vom Leben haben, nicht die Rolle einer geduldeten untergeordneten Verwandten spielen müssen.«
Fanfarenklang riss Aimée aus ihren Gedanken.
»Lächelt«, sagte eine der Hofdamen an ihrer Seite. »Der Herzog beobachtet Euch.«
Herzog Philipp überragte alle anderen, denn er trug mit Vorliebe aufsehenerregende Federhüte. Er war von kräftiger, hochgewachsener Gestalt. Unter der Hutkrempe zeigte sich das scharf geschnittene Profil eines Mannes mit dunklem Teint und einem energisch vorstehenden Kinn. In Dijon hatte er keine Gelegenheit versäumt, in Aimées Nähe zu sein und mit ihr zu plaudern, und seine strahlenden Augen, seine lebhaften Gesichtszüge hatten ihn ihr sympathisch gemacht, obwohl man den Herzog herkömmlich nicht als schön bezeichnen konnte. Er war anziehend charmant. Er hatte dafür gesorgt, dass sie auf der Liste der Hofdamen seiner künftigen Gemahlin stand und so den Hochzeitszug nach Gelt begleitete. Der Hof zerriss sich darüber im Geheimen das Maul. Doch Aimée waren das ganze Gehabe, der Tratsch und das Getue bei Hof ein Greuel. Und jetzt diese endlos sich hinstreckende Hochzeit mit Festbanketten, Turnieren und Jagdausflügen - der Graf von Flandern ließ es sich etwas kosten, seine einzige Tochter mit dem Bruder des französischen Königs zu vermählen - nein, das war nicht ihr Leben. Für das Amt einer Hofdame auf Lebenszeit war sie nicht geschaffen. Der Herzog konnte es gut meinen, doch sie wollte etwas Sinnvolles tun. Wozu waren all die Gecken hier nutz? Sie hatten nichts anderes im Kopf als leichtfertige Vergnügungen. Sollte sie vielleicht unter ihnen einen Mann finden? Der Gedanke kam ihr gar nicht erst. Sie musste ihn außerhalb des Hofes suchen. Sowohl ihre Großmutter als auch ihr Onkel Jean-Paul hatten ihr gottlob das Recht eingeräumt, sich ihren künftigen Mann selbst auswählen zu dürfen. In ihre Gedanken schloss sie jetzt auch ihren Onkel ein, den sie sehr liebte und verehrte, und unwillkürlich umfasste sie mit der Rechten den Ring an ihrer linken Hand. Bis zu ihrer Abreise hatte ihre Großmutter ihn getragen. Ein besonders schöner Diamant schmückte ihn. »Er ist das letzte Stück eines Schatzes, den man die Sterne von Andrieu genannt hat. Er wird dich mit mir verbinden«, hatte sie gesagt und ihr den Ring an den Finger gesteckt. »Bewahre ihn sorgfältig.«
Es war ihr zur vertrauten Geste geworden, den Stein zu berühren, wenn sie ihre Gedanken nach Andrieu schickte. »Ihr gestattet, dass ich an Eurer Seite Platz nehme?« Die Frage wurde mit solcher Selbstverständlichkeit an sie gerichtet, dass Aimée ohne Zögern nickte. Wie in Trance war sie im geschmückten Bankettsaal des Gravensteen an ihren Platz getreten. Erst jetzt sah sie zur Seite und blickte in zwei leuchtend blaue Augen in einem strahlenden Gesicht, gerahmt von schulterlangem Haar. Das helle Blond wies ihn als Flame aus. Er war ein Mann, der sich offensichtlich auf seine Anziehungskraft verließ. »Wer seid Ihr?«, fragte sie kühl.
»Ruben Cornelis, Handelsherr aus Brügge, wenn Ihr erlaubt.«
»Aus Brügge?«
Sie lächelte, ohne zu bedenken, was sie mit ihrer spontanen Freundlichkeit bewirken könnte. »Setzt Euch und erzählt mir von Brügge, Herr Cornelis.« Ruben war für einen Augenblick völlig überrascht von der ungezwungenen, selbstverständlichen Art dieser so unnah
bar erscheinenden Frau. Eigentlich hatte er eher mit einer Ablehnung gerechnet bei der unkonventionellen Form, mit der er sich einen Platz an ihrer Seite erzwingen wollte. »Ihr interessiert Euch für Brügge?«, sagte er erstaunt. »Wisst Ihr denn etwas über Brügge und vielleicht auch etwas über den Grund, warum wir eingeladen sind?« »Um die Hochzeit zu feiern, nehme ich an.« »Um sie zu finanzieren, würde es besser treffen. Bisher hatte die Gesandtschaft aus Brügge nicht einmal eine Audienz beim Herzog. Ich sollte aber vielleicht keine falschen Schlüsse ziehen, bis ich mehr weiß.« »Höre ich Enttäuschung aus Eurer Stimme?« »Vermutlich. Ein persönliches Gespräch mit dem Herzog ist das Ziel meiner Hoffnungen.« »Ihr wollt ihn um eine Gunst bitten?« »Ich will ihm ein Geschäft vorschlagen.« Aimée winkte dem Pagen, die Becher zu füllen, und sah Ruben so offen an, dass er den Faden verlor. Daran gewöhnt, dass er Frauen eher zum Erröten brachte, entwaffnete es ihn, dass Aimée ihm mit solcher Selbstsicherheit begegnete.
»Vielleicht kann ich Euch später dazu verhelfen«, sagte sie ruhig. »Aber erzählt mir erst ein wenig von Brügge. Ich weiß, dass man dort an Kanälen wohnt, die sich wie Straßen durch die Stadt ziehen. Es ist schade, dass die Hochzeit in Gent stattfindet und nicht in Brügge.« »Die Genter sehen das anders«, sagte Ruben. »Für sie ist Gent der Mittelpunkt der Grafschaft. Nur in der Kathedrale von Gent durfte die Erbin von Flandern heiraten. Es befriedigt ihren übersteigerten Ehrgeiz.« »Missfällt den Herren von Brügge dieser Ehrgeiz?«
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Autoren-Porträt von Marie Cristen
Bibliographische Angaben
- Autor: Marie Cristen
- 505 Seiten, Maße: 13,2 x 19 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828991866
- ISBN-13: 9783828991866
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