Die Therapie
Viktor Larenz ist Star-Psychiater und ein gebrochener Mann. Vor vier Jahren verschwand seine kranke 11-jährige Tochter Josy in einer Arztpraxis spurlos. In seinem Schmerz zieht er sich auf die Insel Parkum zurück. Dort taucht eines Tages die...
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Viktor Larenz ist Star-Psychiater und ein gebrochener Mann. Vor vier Jahren verschwand seine kranke 11-jährige Tochter Josy in einer Arztpraxis spurlos. In seinem Schmerz zieht er sich auf die Insel Parkum zurück. Dort taucht eines Tages die junge Anna auf, die von ihm therapiert werden will. Sie ist Kinderbuchautorin und etwas Böses verfolgt sie - und eine ihrer Figuren, die real für sie geworden ist. Anna erzählt Viktor die Geschichte dieser Figur - es ist die Geschichte von Josy.
Die Therapie von Sebastian Fitzek
LESEPROBE
"An welchem Buchschreiben Sie zurzeit?", fragte er sie als Erstes. Es war die Frage, mit der erheute Morgen aufgewacht war.
WelcheFiguren werden als Nächstes in Ihren Albträumen lebendig?
"Ichschreibe nicht mehr. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne."
"Wie meinenSie das?"
"Ich bindazu übergegangen, nur noch über mich selbst zu schreiben. Meine Biographie -wenn man so will. Damit schlage ich drei Fliegen mit einer Klappe. Erstens: Ichkann meiner künstlerischen Neigung nachgehen. Zweitens: Ich verarbeite dabeimeine Vergangenheit und drittens: Ich verhindere, dass Romanfiguren in meinLeben treten und mich verrückt machen."
"Verstehe.Dann erzählen Sie mir bitte etwas von Ihrem letzten großen Zusammenbruch. Dem,der schließlich zu Ihrer Aufnahme in der Klinik führte."
Anna atmetetief aus und faltete ihre Hände wie zu einem Gebet.
"Nun. Dieletzte Romanfigur, die sich verselbständigte, war die Heldin aus einem modernenMärchen für Kinder."
"Worum ginges?"
"Um einkleines Mädchen. Charlotte. Sie war ein zierlicher blonder Engel, so wie manihn aus der Werbung für Lebkuchen oder Schokolade kennt."
"Nicht dieschlimmste Figur, die man sich als imaginären Begleiter vorstellen kann."
"Ja. Dasstimmt. Charlotte war ein kleiner Schatz. Jeder, der sie sah, schloss siesofort ins Herz. Sie lebte als einzige Königstochter in einem kleinen Schlossauf einer Insel."
"Wovonhandelte die Geschichte genau?"
"Von einerSuche. Eines Tages wurde Charlotte nämlich plötzlich krank. Sehr krank."
Viktorwollte gerade einen weiteren Schluck Tee nehmen, setzte die Tasse aber wiederab. Anna hatte jetzt seine volle Aufmerksamkeit.
"Sie litt an unerklärlichen Fieberanfällen, wurde immer schwächerund dünner. Alle Mediziner des Landes kamen zusammen und untersuchten sie, aberkeiner konnte sagen, was ihr fehlte. Ihre Eltern verzweifelten Tag für Tagmehr. Und Tag für Tag verschlimmerte sich der Zustand der Kleinen."
Viktorhielt unbewusst den Atem an und konzentrierte sich auf jedes folgende Wort.
"EinesTages beschloss die kleine Charlotte dann, ihr Schicksal selbst in die Hand zunehmen und riss von zu Hause aus."
Josy.
Viktorhatte versucht, diesen Gedanken zu verdrängen, aber es war ihm nicht gelungen.
"Wiebitte?" Anna sah ihn irritiert an. Viktor hatte gar nicht bemerkt, dass eroffenbar etwas gesagt hatte, und fuhr sich nervös durch die Haare.
"Nichts.Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Fahren Sie bitte fort."
"Also, wiegesagt, sie machte sich auf die Suche nach der Ursache für ihre Krankheit. Wennman so will, ist diese Geschichte eine Parabel. Ein Kindermärchen von einemkranken Mädchen, das sich nicht aufgibt, sondern handelt, in dem es auf eigeneFaust in die Welt hinausgeht."
Das kannnicht sein. Das ist unmöglich. Viktor war unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zufassen. Er kannte dieses Gefühl. Zuerst hatte er es in der Praxis von Dr. Grohlke gespürt. Und danach an jedem einzelnen Tag seinesLebens. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er beschlossen hatte, die Suche nachseiner kleinen Tochter endgültig zu beenden.
"Geht esIhnen wirklich gut, Dr. Larenz?"
"Wie? Oh..." Viktor sah auf die Finger seiner rechten Hand, die nervös auf derTeakholzplatte des alten Schreibtisches trommelten.
"EntschuldigenSie, ich habe wohl etwas zu viel Tee getrunken. Aber erzählen Sie mir mehr vonCharlotte. Wie geht die Geschichte aus? Was ist passiert?"
Was istmit Josy?
"Ich weißes nicht."
"Was? Sie wissennicht, wie Ihr eigenes Buch endet?" Die Frage kam lauter, als Viktor esbeabsichtigt hatte, doch Anna schien sich über den Gefühlsausbruch nicht zuwundern.
"Ich sagtedoch, ich habe es nie fertiggestellt. Die Geschichteblieb ein Fragment. Gerade deshalb hat Charlotte mich doch nicht mehrlosgelassen und in diesen Albtraum gestürzt."
Albtraum?
"Wie meinenSie das?"
"Wie ichschon sagte, Charlotte war die letzte Romanfigur, die in mein Leben trat. Wasich mit ihr erlebte, war so schrecklich, dass ich danach den Zusammenbruchhatte."
"Noch mal.Was genau ist passiert?"
Viktorwusste, dass er sich falsch verhielt. Die Patientin war noch nicht so weit, umüber das Trauma zu sprechen. Aber er musste es wissen. Als Anna nur starr nachunten schaute und keine Antwort gab, hakte er etwas vorsichtiger nach.
"Wann hattenSie die erste Vision von Charlotte?"
"Das warvor etwa vier Jahren in Berlin. Im Winter."
"Am 26.November" ergänzteViktor lautlos.
"Ich wolltegerade einkaufen gehen, als ich auf der Straße hinter mir diesen Krach hörte.Reifenquietschen, dann ein metallisches Scheppern, das Splittern von Glas, dieüblichen Geräusche eines Auffahrunfalls. Ich dachte noch: Hoffentlich istniemand zu Schaden gekommen , und drehte mich um. Da sah ich das Mädchen. Siestand wie paralysiert mitten auf der Straße. Offenbar war sie schuld an demUnfall."
Viktorverkrampfte in seiner Sitzhaltung.
"Plötzlich,wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, drehte sie den Kopf, sah zu mir herüberund lächelte mich an. Und da erkannte ich sie. Charlotte. Mein krankes Mädchenaus dem Roman. Sie rannte zu mir und nahm meine Hand."
Ihredünnen Ärmchen. So zerbrechlich.
"Jetzt war ichkatatonisch, starr. Einerseits war mir klar, dasses sie nicht gab. Nicht geben konnte. Andererseits war sie so real. Ich konntenicht anders. Ich musste sie akzeptieren. Also folgte ich ihr."
"Wohin? Wogenau war das?"
"Was? Wiesoist das so wichtig?"
Annablinzelte etwas verstört und schien auf einmal doch keine Lust mehr zu habenweiterzureden.
"Ist esnicht. Verzeihen Sie. Fahren Sie fort."
Annaräusperte sich und stand auf.
"Wenn esIhnen nichts ausmacht, Dr. Larenz, würde ich gerneeine Pause machen. Ich weiß, ich habe Sie die ganze Zeit zu dem Gesprächgedrängt. Doch jetzt merke ich, dass ich vielleicht doch noch nicht so weitbin. Diese Visionen waren wirklich sehr schrecklich für mich. Jetzt darüber zureden, fällt mir schwerer, als ich dachte."
"Natürlich",sagte Viktor, obwohl in ihm alles nach weiteren Informationen schrie. Er standebenfalls auf.
"Ich werdeSie ab sofort nicht mehr belästigen. Vielleicht kann ich ja morgen schon nachHause."Nein!
Viktor suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Er konntees nicht zulassen, dass sie nicht mehr wiederkam, obwohl es genau das war, waser noch vor wenigen Minuten von ihr verlangt hatte. ( )
© Verlagsgruppe Droemer Knaur
Interview mit Sebastian Fitzek
In "DieTherapie" verschwindet ein Mädchen zunächst spurlos. Der Vater des Kindes undProtagonist des Buches, Viktor Larenz, ist Psychiater. Warum genau dieses Personen-Setting?
Psychiater und Psychologenfaszinieren mich seit jeher, weil sie im Grunde ja etwas Unmögliches versuchen:Sie wollen die Geheimnisse in unserem Gehirn mit dem eigenen Gehirn erklären.Das ist in etwa so, als ob Sie zu Hause versuchen würden, sich ohneSpiegel ins eigene Auge zu sehen. In der "Therapie" treibe ichden Konflikt auf die Spitze, weil ich einen Psychiater zeichne, der einst zuden besten seines Faches zählte und plötzlich, von einem Tag auf den anderen,selbst traumatisiert wird.
"DieTherapie" ist raffiniert konstruiert. Mit den Andeutungen und den Rück- undVorblenden, die Sie bereits auf den ersten Seiten des Buches einstreuen,gelingt es Ihnen sofort, den Leser zu fesseln. Es sind mitunter filmischeKunstgriffe, die Sie verwenden - warum?
Ist das so? Ich habe beimSchreiben eigentlich gar nicht darüber nachgedacht, WIE ich etwas aufbaue. Esgab für mich nur eine Devise: Streich alles, was von der Spannung ablenkt.Dadurch ist der Roman nicht 500 sondern "nur" 335 Seiten schwer. Undjedes Kapitel sollte so enden, dass man einfach weiterlesen muss. Nach denbisherigen Leserreaktionen scheint mir das geglückt zu sein.
Aber Sie haben Recht - ich sehesehr gerne spannende Filme. Vermutlich hat das abgefärbt.
Das kann ich ganz konkreterklären: Ich begleitete eines Tages eine Freundin zu einem Arzttermin. DasWartezimmer war brechend voll. Und sie war nun schon über eine halbe Stunde imBehandlungszimmer. Plötzlich stellte ich mir die Frage: Was wäre eigentlich,wenn sie gar nicht mehr herauskommen würde? Was, wenn ich zum Empfang ginge unddie Sprechstundenhilfe dann behauptet, sie hätte sie heute überhaupt nichtgesehen. Sie wäre auch nicht aufgerufen worden. Jede Frage, die ich mirstellte, führte zu einer Antwort, die zu einer weiteren Frage führte.Genau so beginnt nun auch "Die Therapie". Die kleine 12-jährigeJosy, die übrigens zudem noch an einer mysteriösen Krankheitleidet, verschwindet spurlos aus einer vollbesetzten Arztpraxis.
Einezweite Frage zur Inspiration: Welche Autoren und welche Art Geschichten lesenSie selbst am liebsten?
Ich bin ein absoluter Thriller-Fan.Zu meinem Lieblingsautoren zählen die üblichen Verdächtigen wie Grisham,Crichton, Deaver, Coben aber auch deutsche Erfolgsautoren wie Schätzing oderHammesfahr. Daneben habe ich seit einigen Jahren eine (kleine) Leidenschaft fürhistorische Romane entdeckt, die meistens im Urlaub aufblüht. Auch hierunterscheide ich mich nicht von vielen anderen Lesern, wenn ich Rebecca Gable,Charlotte Link oder Peter Prange aufzähle.
Nach ihremJura-Studium haben Sie für TV und Hörfunk gearbeitet und dort unter anderemverschiedene Sendeformate entwickelt. Wann kamen Sie auf die Idee, etwas ganzanderes zu machen und einen Psychothriller zu schreiben?
Dafür ist Thomas Harris mit "DasSchweigen der Lämmer" verantwortlich. Seitdem ich das Buch gelesen und denFilm gesehen habe, fragte mich mich immer, ob es mir jemals gelingen würde, etwasso Spannendes zu schaffen. "Die Therapie" war mein erster Versuch.
Mit diesemersten Versuch hatten Sie gleich einen erstaunlichen Erfolg. Was verändert sichdadurch im Leben?
Gar nichts. Ich fahre immer nochFerrari und wohne weiterhin in meiner 20 Zimmer-Villa im Grunewald (kleinerScherz). Auf jeden Fall sitze ich jetzt noch öfter an meinem Computer, da ichzum Glück unheimlich viel Feedback von meinen Lesern per Mail bekomme. Ansonstensteht ja gerade mein nächster Roman (es wird natürlich wieder ein Thriller)kurz vor der Vollendung.
Sie sagteneinmal, dass Sie Ihren schriftstellerischen Erfolg auch einer großen PortionNaivität zu verdanken haben. Wie meinen Sie das?
Es heißt, dass weniger als 0,1 %der bei einem Verlag unverlangt eingereichten Manuskripte angenommenwerden. Hätte ich das vorher gewusst, hätte mich das vermutlich abgeschreckt.Ich ging völlig naiv davon aus, man werde sich schon für meine Ergüsse interessieren,wenn sie erst einmal ausgedruckt sind. Später traf ich per Zufall auf meinenAgenten Roman Hocke. Er arbeitete einst als Lektor mit Michael Ende. Auch daswar mir nicht bekannt. Sonst hätte ich mich doch gar nicht getraut, ihmirgendetwas von mir zu lesen zu geben. Heute bin ich über meine Blauäugigkeitnicht nur selbst amüsiert, sondern natürlich auch sehr froh.
Die Fragen stellte Eva Hepper,Literaturtest.
- Autor: Sebastian Fitzek
- 2006, 1, 334 Seiten, Maße: 13,5 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828986854
- ISBN-13: 9783828986855
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