Die Verschwörung im Hause Frazer
Als Mélanie und Charles weitere...
Als Mélanie und Charles weitere Nachforschungen anstellen, ahnen sie nicht, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzen.
DieVerschwörung im Hause Fraser von Tracy Grant
LESEPROBE
Den mit Spitzen besetzten Rock ihres Kleides raffend, tratMelanie den Rückzug durch den mit Spiegeln behangenen Korridor an. Sieversuchte jedes unnötige Geräusch zu vermeiden; gottlob gaben die dünnen Sohlenihrer seidenen Schuhe auf den Eichendielen nicht einmal ein Flüstern von sich.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu einem stickigen Salon derbritischen Botschaft in Lissabon, erfüllt mit der rauchigen Hitze einesDezemberfeuers. Zurück zu dem Kaplan der Botschaft, welcher mit der Eiledessen, der begierig ist, zu seinem Abendessen zu kommen, hastig die Trauungvollzog. Sie erinnerte sich an Charles' feste, gleichmäßige Stimme, mit der erdas Ehegelübde sprach, an seine Finger, die ruhig auf den ihren lagen, als erihr den in aller Eile erstandenen goldenen Ring überstreifte, an diesorgfältige, ruhige Handschrift, mit der er seinen Namen unter dieHeiratsurkunde setzte.
Ihre Ehe hatte in einem Chaos aus Krieg und persönlichem Aufruhrihren Anfang genommen. Noch heute war Melanie sich nicht sicher, welche GründeCharles dazu bewogen hatten, um ihre Hand anzuhalten. Und Gott wusste, dassauch ihre Motive alles andere als makellos gewesen waren.
In Lissabon und dem von Krieg gebeutelten Spanien, in dem undurchdringlichenGeflecht aus Intrigen während des Wiener Kongresses, in Brüssel vor derSchlacht von Waterloo und in Paris danach hatten sie einzig und allein für denAugenblick gelebt. Gedanken an die Zukunft waren ein unvorstellbarer Luxus gewesen,von handfesten Plänen ganz zu schweigen. Ihrer beider Vergangenheit warverbotenes Terrain gewesen, welches sie beide mit Vorsicht zu umschiffenlernten. Jeder hatte die Wunden des anderen respektiert. Charles hatte kaummehr als flüchtige Details von seiner Familie, seinen Freunden, seiner Kindheitpreisgegeben. Und da auch sie reichlich Gründe besessen hatte, ihreVergangenheit nicht ans Licht zu zerren, war sie nie weiter in ihn gedrungen.
Doch nun waren sie zurückgekehrt, hatten sich mitten in das engmaschigeNetz hineinbegeben, aus dem Charles' altes Leben bestand. Das Leben einesMannes, der Enkelsohn eines Herzogs war. Eines Mannes, der in Harrow undOxford erzogen worden war und mit der Hälfte aller adeligen Familien Englandsund Schottlands verwandt. Ein Leben, das bestimmt wurde von jahrhundertealtenBündnissen und Fehden; beherrscht von ungeschriebenen Gesetzen und von Grenzen,die nicht zu überwinden waren. Ein Leben, das Honoria Talbot verkörperte. EinLeben, in dem Melanie in jedem Sinne des Wortes fremd war.
Ohne Charles wäre sie allein gewesen in dieser seltsamen Welt.Sie brauchte ihn. Sie, die einst mit Stolz von sich behauptet hatte, niemandenzu brauchen. Begriffe wie Liebe waren in Märchenschlössern und aufveronesischen Balkonen zu Hause. War es töricht, sich glauben machen zu wollen,dass sie mehr aneinander band als Verzweiflung und Ritterlichkeit,körperliches Verlangen und eine allmählich vergilbende Heiratsurkunde?
Aus einem der Vorzimmer ertönte Gelächter, gefolgt von seidenemRascheln und verstohlenen Seufzern, die unmissverständlich waren in ihrerBedeutung. Einige Gäste hatten sich aus dem Ballsaal davongestohlen, und dasnicht nur, um Konversation zu betreiben. Melanie eilte weiter, und bald daraufwurde ihr klar, dass sie das Fest schon längst wieder hätte erreichen sollen. Siewar in dem Gewirr der Korridore wohl falsch abgebogen. Aus der Ferne drangMusik an ihr Ohr, doch sie war sich nicht sicher, aus welcher Richtung.
«Nun sagen Sie mir nicht, mein Sohn hat Sie verstoßen. Ich solltemeinen, ich hätte ihn wenigstens etwas bessere Manieren gelehrt.»
Kaum zehn Schritte entfernt von ihr stand Kenneth Fraser, derVater ihres Mannes. Er musste aus einem der Räume gekommen sein, die denKorridor säumten, obgleich sie nichts gehört hatte, ehe er das Wort erhob.
Das kalte Glas an den Wänden warf ihre Spiegelbilder zurück -ein Mann in schwarzem Frack, die Haare grau durchwirkt, dessen Erscheinung Machtausstrahlte, und eine blasse, dunkelhaarige Frau in silbernem Kleid. Frasersscharf geschnittene Gesichtszüge trugen die übliche Maske hämischen Vergnügens zurSchau. Eine der Fackeln in den Halterungen zu ihrer Linken war erloschen, undso lag sein Gesicht halb im Schatten, halb im Licht. Wie passend, dachteMelanie. Halb Sonnenkönig, halb Fürst der Finsternis. (...)
© 2005 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Übersetzung: Sabine Maier-Längsfeld
- Autor: Tracy Grant
- 2005, 640 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Sabine Maier-Längsfeld
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499237148
- ISBN-13: 9783499237140
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