Die Wunden der Schöpfung heilen
Das Vermächtnis der Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, "Gründerin des Green Belt Movements".
45 Millionen Bäume hat diese Initiative in Afrika gepflanzt, doch nicht nur um Ökologie ging es Wangari Maathai: Sie säte...
45 Millionen Bäume hat diese Initiative in Afrika gepflanzt, doch nicht nur um Ökologie ging es Wangari Maathai: Sie säte...
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Produktinformationen zu „Die Wunden der Schöpfung heilen “
Das Vermächtnis der Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, "Gründerin des Green Belt Movements".
45 Millionen Bäume hat diese Initiative in Afrika gepflanzt, doch nicht nur um Ökologie ging es Wangari Maathai: Sie säte neue Ideen!
Ihr Buch ist ein Appell an jeden Einzelnen, sich in der Schöpfung neu zu beheimaten.
45 Millionen Bäume hat diese Initiative in Afrika gepflanzt, doch nicht nur um Ökologie ging es Wangari Maathai: Sie säte neue Ideen!
Ihr Buch ist ein Appell an jeden Einzelnen, sich in der Schöpfung neu zu beheimaten.
Klappentext zu „Die Wunden der Schöpfung heilen “
Nie war man sich so einig wie heute, dass die Natur eines besonderen Schutzes bedarf. Doch nicht nur die Umwelt ist bedroht; immer mehr Menschen empfinden ein tiefes Gefühl der Orientierungs- und Heimatlosigkeit.Wangari Maathais Buch ist ein leidenschaftlicher Appell und eine beispielhafte Anleitung, sich an die alten Weisheiten spiritueller Traditionen zu erinnern, im Einklang mit der Natur zu leben und dem eigenen Leben so wieder einen Sinn zu geben.
Es ist die Botschaft einer großen und weisen Frau, die erkannt hat, dass Mensch und Natur nur gemeinsam geheilt werden können.
Es ist ihr Vermächtnis, nicht nur an die Menschen in Afrika, sondern auch an uns im reichen Teil der Welt. In diesem Fall sollen wir von Afrika lernen.
Lese-Probe zu „Die Wunden der Schöpfung heilen “
Die Wunden der Schöpfung heilen von Wangari MaathaiEinleitung
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IN MEHR ALS drei Jahrzehnten als Umweltschützerin und Aktivistin für Demokratie bin ich oft gefragt worden, ob mich Spiritualität, religiöse Traditionen oder insbesondere auch die Bibel inspiriert und einen Einfluss auf mein Engagement und die Arbeit des Green Belt Movement (GBM) gehabt hätten. Habe ich die Bewahrung der Umwelt und die Ermächtigung der kleinen Leute als eine Art religiöse Erfahrung oder Berufung empfunden? Ich wurde auch gefragt, ob es spirituelle Übungen gäbe, die man lernen und beim Einsatz für die Umwelt oder generell im Leben anwenden könne.
Als ich über diese Fragen nachgedacht habe, ist mir deutlich geworden, dass ich zu Beginn meiner Arbeit im Jahr 1977 nicht durch meinen persönlichen Glauben oder Religion im Allgemeinen bewegt worden bin. Stattdessen zog ich meine Motivation aus dem Nachdenken darüber, wie bestehende Probleme sowohl im übertragenen Sinn als auch ganz praktisch von Grund auf zu lösen wären. Es war der Wunsch, der Landbevölkerung und vor allem den Frauen zu helfen, die mir bei Seminaren und Workshops von ihren Grundbedürfnissen erzählten. Sie berichteten davon, dass es ihnen an sauberem Trinkwasser mangelte, an genügend und nahrhaften Lebensmitteln, an Einkünften sowie an ausreichend Energie zum Kochen und Heizen.
Wenn die Leute also in den Anfangsjahren meiner Arbeit die oben genannten Fragen stellten, antwortete ich, dass ich nicht der Ansicht sei, dass das Ausheben von Pflanzlöchern und das Mobilisieren von Gemeinschaften zum Schutz oder der Regeneration von Bäumen, Wäldern, Wasserscheiden, dem Boden oder dem Lebensraum der um sie herum lebenden Wildtiere eine spirituelle Aufgabe sei oder eine Angelegenheit, die nur für religiöse Menschen bedeutsam sei.
Für mich selbst hat es allerdings nie einen Unterschied gegeben zwischen einem Engagement, das man „spirituell" nennen könnte, und einem, das vielleicht als „säkular" zu bezeichnen wäre. Nach einigen Jahren wurde mir klar, dass es bei unseren Bemühungen um mehr ging als darum, Bäume zu pflanzen: Es ging auch darum, Samen ganz anderer Art zu säen - diejenigen Samen nämlich, die es braucht, um die Wunden von Gemeinschaften zu heilen, die ihres Selbstvertrauens und ihrer Selbsterkenntnis beraubt wurden. Es wurde immer deutlicher, dass die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaften ihre authentische Stimme wiederentdecken und sich für ihre eigenen (Menschen-, Umwelt-, Bürger- und politischen) Rechte einsetzen mussten. Unsere Aufgabe bestand also auch darin, die demokratischen Räume auszuweiten, innerhalb derer einfache Bürger selbst Entscheidungen treffen können, die ihnen selbst, ihrer Gemeinschaft und ihrem Land zugute kommen - und auch der Umwelt, die sie ernährt.
In diesem Zusammenhang wurde mir bewusst, dass es in der Tat etwas gab, das das GBM und diejenigen, die sich im Laufe der Jahre dafür engagierten, inspirierte und stützte. Viele Menschen aus unterschiedlichen Gemeinschaften und Gegenden kamen in Kontakt mit dem GBM, weil sie Teil dieses Ansatzes und dieser Erfahrung sein wollten. Mit der Zeit wurde mir klar, dass die Arbeit des GBM nicht nur auf Leidenschaft und einer Vision gründete, sondern auch auf einigen immateriellen Grundwerten.
Die vier Grundwerte des Green Belt Movement
Liebe zur Umwelt: Diese Liebe lässt sich daran ablesen, welche Lebensweise ein Mensch pflegt. Sie bringt jemanden dazu, sich in positiver Weise für die Erde einzusetzen. So kann man etwa Bäume pflanzen und für ihr Überleben sorgen, bereits vorhandene Bäume pflegen, Tiere und ihre Lebensräume schützen, den Ackerboden bewahren oder in ähnlicher Weise aktiv werden, um auf greifbare Weise die Achtung vor der Erde und der unmittelbaren Umwelt zum Ausdruck zu bringen sowie für alles, was daraus hervorgeht.
Dankbarkeit und Achtung gegenüber den Ressourcen der Erde: Diese bestehen in der Wertschätzung für alles, was die Erde uns gibt. Aufgrund dieser Wertschätzung möchte man nichts davon vergeuden und macht sich deshalb die drei „R" zu eigen: Reduzieren - Wiederverwenden (engl. reuse) - Recyceln. Im Japanischen wird dieses Konzept als Mottainai bezeichnet.
Selbstermächtigung und Selbstverbesserung: Hierunter ist der Wunsch zu verstehen, das eigene Leben und die Lebensumstände im Geist der Eigenständigkeit zu verbessern und nicht darauf zu warten, dass jemand anderes dies für mich tut. Dazu gehört auch die Absage an Trägheit und selbstzerstörerisches Handeln wie etwa Suchtabhängigkeit. Dies umfasst auch die Einsicht, dass nicht nur die Macht zur Veränderung in einem selbst liegt, sondern auch die Fähigkeit, sich die dazu notwendige innere Kraft anzueignen.
Der Geist des Dienen und des ehrenamtlichen Engagements: Dieser Wert spielt bei der Arbeit des Green Belt Movement eine sehr große Rolle. Darunter ist zu verstehen, dass man Zeit, Kraft und Ressourcen dazu einsetzt, für andere tätig zu werden, ohne dafür eine Entschädigung, Dankbarkeit oder Anerkennung zu erwarten oder einzufordern. Diese Selbsthingabe zeichnet Propheten, Heilige und viele Heldinnen und Helden des Alltags aus. Hier geht es vorrangig darum, seinen Teil zum Gemeinwohl beizutragen: Sowohl für die, die uns lieb und teuer sind, als auch für Fremde, selbst wenn sie in großer Ferne leben. Zu den „anderen" gehören auch die nichtmenschlichen Wesen, mit denen wir das Leben und die Erde teilen.
In diesen Werten sind die immateriellen, unterschwelligen und ideellen Aspekte des GBM als Organisation enthalten. Ich bin davon überzeugt, dass die Organisation ohne sie keinen Bestand und nicht solchen Erfolg gehabt hätte, weil viele der Tätigkeiten nie für Geld, Ruhm oder für das eigene Vorankommen verrichtet wurden - und schon gar nicht mit der Erwartung, eines Tages den Friedensnobelpreis zu bekommen! Manchmal ist diese Arbeit zermürbend und ermüdend gewesen. Doch weil wir diese Werte bejahen - und auch unsere Verpflichtung dazu, Gerechtigkeit, Gleichheit, Verantwortung und Verantwortlichkeit zu verkörpern -, wurde die Beharrlichkeit zu unserem Markenzeichen: bei unseren Kampagnen und in unserem Umgang mit den Gemeinden, Mandatsträgern, religiösen Führern, Aktivisten und sogar Staatsmännern.
An diesen Werten orientiert sich aber nicht allein das Green Belt Movement. Es sind universelle Werte, doch man kann sie nicht anfassen oder sehen. Ihr Wert lässt sich nicht in Geld messen; insofern sind sie unbezahlbar. Sie geben an, worin unser Menschsein besteht.
Diese Werte sind nicht nur bestimmten religiösen Traditionen eigen. Ebenso wenig muss man sich zum Glauben an einen Gott bekennen, um nach ihnen zu leben. Vielmehr scheinen sie zum Menschsein dazuzugehören. Ich bin davon überzeugt, dass wir bessere Menschen werden, wenn wir uns an sie halten, und dass es der Menschheit besser bekommt, wenn sie sich an ihnen orientiert, als wenn sie dies nicht tut. Wenn diese Werte ignoriert werden, dann treten an ihre Stelle Laster wie Selbstsucht, Korruption, Habgier und Ausbeutung, die in den Tod führen können.
Durch Erfahrung und Beobachtung habe ich erkannt, dass die Vernichtung der Erde sich auch auf die Menschheit erstreckt. Wenn wir in einer verletzten Umwelt leben - in der das Wasser verschmutzt ist, die Luft voller Ruß und Rauch, die Nahrung mit Schwermetallen und Kunststoffrückständen verseucht ist oder der Ackerboden nur noch aus Staub besteht -, dann verwundet uns das, es beschädigt unsere Gesundheit und ruft körperliche, seelische und spirituelle Verletzungen hervor. Durch die Erniedrigung der Umwelt werden wir selbst und die gesamte Menschheit erniedrigt.
Doch auch das Umgekehrte trifft zu. Wenn wir die Heilung der Erde unterstützen, dann helfen wir uns auch selbst. Wenn wir sehen, wie die Erde angesichts des Verlusts des Mutterbodens, der Artenvielfalt oder aufgrund von Dürre und Versteppung blutet, und wenn wir dann das Verlorene zurückgewinnen oder retten - beispielsweise durch die Wiederaufforstung zerstörter Wälder -, dann wird uns die Erde bei unserer Selbstheilung und faktisch auch bei unserem Überleben helfen. Wenn wir gesündere, unverfälschte Nahrung zu uns nehmen können, wenn wir reine Luft atmen und sauberes Wasser trinken können, wenn der Boden eine Fülle an Pflanzen und Körnern hervorbringen kann, dann heilen unsere Krankheiten, und unsere ungesunde Lebensweise wird korrigiert. Die gleichen Werte, die uns im Dienst der Regeneration der Erde leiten, arbeiten auch für uns: Wir können uns selbst lieben, indem wir die Erde lieben. Wir können Dank für uns selbst empfinden, so wie wir auch für die Freigiebigkeit der Erde dankbar sind. Wir können vorankommen, wenn wir unsere Selbstermächtigung zur Entwicklung der Erde nutzen. Wir können uns selbst einen Dienst erweisen, wenn wir uns in ehrenamtlicher Tätigkeit für die Erde einsetzen.
Wir Menschen besitzen ein Bewusstsein, das es uns ermöglicht, Liebe, Schönheit, Kreativität und Innovations-kraft zu schätzen, aber auch deren Fehlen zu beklagen. In dem Maße, in dem wir über uns selbst und unsere normalen biologischen Instinkte hinausgehen, machen wir die Erfahrung, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und sich darin von anderen Lebensformen zu unterscheiden. Wir können empfinden, wie schön der Tau oder eine blühende Blume ist, das über Kieselsteine rinnende Wasser, der majestätisch große Elefant, der zerbrechliche Schmetterling, ein Weizenfeld oder im Wind treibende Blätter. Solche ästhetischen Reaktionen sind an sich von Wert; als Reaktionen auf die Natur können sie in uns zudem ein Gefühl für das Wunderbare und die Schönheit hervorrufen, das wiederum einen Sinn für das Göttliche wecken kann.
Mit diesem Bewusstsein ist eine Würdigung verbunden. Auch wenn ein bestimmter Baum, ein Wald oder ein Berg vielleicht nicht an sich heilig ist, so ist doch unser Dasein nur möglich durch das, was sie an Lebenserhaltendem hervorbringen - den Sauerstoff zum Atmen und das Wasser zum Trinken -, und deshalb haben sie unseren Respekt verdient. In diesem Sinn ist die Umwelt als heilig anzusehen, weil die Zerstörung der Lebensgrundlagen die Zerstörung des Lebens selbst ist. Genauso sind die spirituellen Werte, die ich in diesem Buch erkunde, eng mit der Natur verbunden. Zahlreiche Propheten aus verschiedenen Religionen sind durch die Natur inspiriert worden oder haben sich in die Natur zurückgezogen, um ihre Weisheit für sich zu nutzen. Darüber hinaus fehlen uns Menschen oft die Worte, um unsere Gedanken und Vorstellungen über das Numinose auszudrücken. Dann verwenden wir Symbole, die wir häufig aus der Natur entlehnen, wie etwa den Baum, den Fluss, die Sonne, den Mond oder die Tiere.
Genau wegen dieses Zusammenhangs sollten religiöse Menschen am engsten mit der Erde verbunden sein, und sie sollten als erste erkennen, dass sie der Heilung bedarf Unglücklicherweise jedoch haben viele Menschen durch Industrialisierung, Mechanisierung, Verstädterung und den Verlust von Lebensräumen den Kontakt zur Welt der Natur verloren. Die ursprünglichen Ideen und Gedanken der Religionsstifter und -begründer wurden abgewandelt und verfälscht, damit sie den Bräuchen der Menschen entsprachen, die ihnen anhingen. In der Folge entfernten sich die Anhänger von dem, was die Gründer ursprünglich vermittelt hatten. Im Christentum beispielsweise wurden Aspekte des ursprünglichen Glaubens von der Sorge für die Erde abgetrennt, als Glaubensanhänger politische Bündnisse mit denen eingingen, die auf Expansionismus, Kolonialismus und die Ausbeutung von Mensch und Erde bedacht waren. Bald danach entstanden die Wunden, die heute geheilt werden müssen.
...
Übersetzung: Gerlinde Baumann
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
IN MEHR ALS drei Jahrzehnten als Umweltschützerin und Aktivistin für Demokratie bin ich oft gefragt worden, ob mich Spiritualität, religiöse Traditionen oder insbesondere auch die Bibel inspiriert und einen Einfluss auf mein Engagement und die Arbeit des Green Belt Movement (GBM) gehabt hätten. Habe ich die Bewahrung der Umwelt und die Ermächtigung der kleinen Leute als eine Art religiöse Erfahrung oder Berufung empfunden? Ich wurde auch gefragt, ob es spirituelle Übungen gäbe, die man lernen und beim Einsatz für die Umwelt oder generell im Leben anwenden könne.
Als ich über diese Fragen nachgedacht habe, ist mir deutlich geworden, dass ich zu Beginn meiner Arbeit im Jahr 1977 nicht durch meinen persönlichen Glauben oder Religion im Allgemeinen bewegt worden bin. Stattdessen zog ich meine Motivation aus dem Nachdenken darüber, wie bestehende Probleme sowohl im übertragenen Sinn als auch ganz praktisch von Grund auf zu lösen wären. Es war der Wunsch, der Landbevölkerung und vor allem den Frauen zu helfen, die mir bei Seminaren und Workshops von ihren Grundbedürfnissen erzählten. Sie berichteten davon, dass es ihnen an sauberem Trinkwasser mangelte, an genügend und nahrhaften Lebensmitteln, an Einkünften sowie an ausreichend Energie zum Kochen und Heizen.
Wenn die Leute also in den Anfangsjahren meiner Arbeit die oben genannten Fragen stellten, antwortete ich, dass ich nicht der Ansicht sei, dass das Ausheben von Pflanzlöchern und das Mobilisieren von Gemeinschaften zum Schutz oder der Regeneration von Bäumen, Wäldern, Wasserscheiden, dem Boden oder dem Lebensraum der um sie herum lebenden Wildtiere eine spirituelle Aufgabe sei oder eine Angelegenheit, die nur für religiöse Menschen bedeutsam sei.
Für mich selbst hat es allerdings nie einen Unterschied gegeben zwischen einem Engagement, das man „spirituell" nennen könnte, und einem, das vielleicht als „säkular" zu bezeichnen wäre. Nach einigen Jahren wurde mir klar, dass es bei unseren Bemühungen um mehr ging als darum, Bäume zu pflanzen: Es ging auch darum, Samen ganz anderer Art zu säen - diejenigen Samen nämlich, die es braucht, um die Wunden von Gemeinschaften zu heilen, die ihres Selbstvertrauens und ihrer Selbsterkenntnis beraubt wurden. Es wurde immer deutlicher, dass die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaften ihre authentische Stimme wiederentdecken und sich für ihre eigenen (Menschen-, Umwelt-, Bürger- und politischen) Rechte einsetzen mussten. Unsere Aufgabe bestand also auch darin, die demokratischen Räume auszuweiten, innerhalb derer einfache Bürger selbst Entscheidungen treffen können, die ihnen selbst, ihrer Gemeinschaft und ihrem Land zugute kommen - und auch der Umwelt, die sie ernährt.
In diesem Zusammenhang wurde mir bewusst, dass es in der Tat etwas gab, das das GBM und diejenigen, die sich im Laufe der Jahre dafür engagierten, inspirierte und stützte. Viele Menschen aus unterschiedlichen Gemeinschaften und Gegenden kamen in Kontakt mit dem GBM, weil sie Teil dieses Ansatzes und dieser Erfahrung sein wollten. Mit der Zeit wurde mir klar, dass die Arbeit des GBM nicht nur auf Leidenschaft und einer Vision gründete, sondern auch auf einigen immateriellen Grundwerten.
Die vier Grundwerte des Green Belt Movement
Liebe zur Umwelt: Diese Liebe lässt sich daran ablesen, welche Lebensweise ein Mensch pflegt. Sie bringt jemanden dazu, sich in positiver Weise für die Erde einzusetzen. So kann man etwa Bäume pflanzen und für ihr Überleben sorgen, bereits vorhandene Bäume pflegen, Tiere und ihre Lebensräume schützen, den Ackerboden bewahren oder in ähnlicher Weise aktiv werden, um auf greifbare Weise die Achtung vor der Erde und der unmittelbaren Umwelt zum Ausdruck zu bringen sowie für alles, was daraus hervorgeht.
Dankbarkeit und Achtung gegenüber den Ressourcen der Erde: Diese bestehen in der Wertschätzung für alles, was die Erde uns gibt. Aufgrund dieser Wertschätzung möchte man nichts davon vergeuden und macht sich deshalb die drei „R" zu eigen: Reduzieren - Wiederverwenden (engl. reuse) - Recyceln. Im Japanischen wird dieses Konzept als Mottainai bezeichnet.
Selbstermächtigung und Selbstverbesserung: Hierunter ist der Wunsch zu verstehen, das eigene Leben und die Lebensumstände im Geist der Eigenständigkeit zu verbessern und nicht darauf zu warten, dass jemand anderes dies für mich tut. Dazu gehört auch die Absage an Trägheit und selbstzerstörerisches Handeln wie etwa Suchtabhängigkeit. Dies umfasst auch die Einsicht, dass nicht nur die Macht zur Veränderung in einem selbst liegt, sondern auch die Fähigkeit, sich die dazu notwendige innere Kraft anzueignen.
Der Geist des Dienen und des ehrenamtlichen Engagements: Dieser Wert spielt bei der Arbeit des Green Belt Movement eine sehr große Rolle. Darunter ist zu verstehen, dass man Zeit, Kraft und Ressourcen dazu einsetzt, für andere tätig zu werden, ohne dafür eine Entschädigung, Dankbarkeit oder Anerkennung zu erwarten oder einzufordern. Diese Selbsthingabe zeichnet Propheten, Heilige und viele Heldinnen und Helden des Alltags aus. Hier geht es vorrangig darum, seinen Teil zum Gemeinwohl beizutragen: Sowohl für die, die uns lieb und teuer sind, als auch für Fremde, selbst wenn sie in großer Ferne leben. Zu den „anderen" gehören auch die nichtmenschlichen Wesen, mit denen wir das Leben und die Erde teilen.
In diesen Werten sind die immateriellen, unterschwelligen und ideellen Aspekte des GBM als Organisation enthalten. Ich bin davon überzeugt, dass die Organisation ohne sie keinen Bestand und nicht solchen Erfolg gehabt hätte, weil viele der Tätigkeiten nie für Geld, Ruhm oder für das eigene Vorankommen verrichtet wurden - und schon gar nicht mit der Erwartung, eines Tages den Friedensnobelpreis zu bekommen! Manchmal ist diese Arbeit zermürbend und ermüdend gewesen. Doch weil wir diese Werte bejahen - und auch unsere Verpflichtung dazu, Gerechtigkeit, Gleichheit, Verantwortung und Verantwortlichkeit zu verkörpern -, wurde die Beharrlichkeit zu unserem Markenzeichen: bei unseren Kampagnen und in unserem Umgang mit den Gemeinden, Mandatsträgern, religiösen Führern, Aktivisten und sogar Staatsmännern.
An diesen Werten orientiert sich aber nicht allein das Green Belt Movement. Es sind universelle Werte, doch man kann sie nicht anfassen oder sehen. Ihr Wert lässt sich nicht in Geld messen; insofern sind sie unbezahlbar. Sie geben an, worin unser Menschsein besteht.
Diese Werte sind nicht nur bestimmten religiösen Traditionen eigen. Ebenso wenig muss man sich zum Glauben an einen Gott bekennen, um nach ihnen zu leben. Vielmehr scheinen sie zum Menschsein dazuzugehören. Ich bin davon überzeugt, dass wir bessere Menschen werden, wenn wir uns an sie halten, und dass es der Menschheit besser bekommt, wenn sie sich an ihnen orientiert, als wenn sie dies nicht tut. Wenn diese Werte ignoriert werden, dann treten an ihre Stelle Laster wie Selbstsucht, Korruption, Habgier und Ausbeutung, die in den Tod führen können.
Durch Erfahrung und Beobachtung habe ich erkannt, dass die Vernichtung der Erde sich auch auf die Menschheit erstreckt. Wenn wir in einer verletzten Umwelt leben - in der das Wasser verschmutzt ist, die Luft voller Ruß und Rauch, die Nahrung mit Schwermetallen und Kunststoffrückständen verseucht ist oder der Ackerboden nur noch aus Staub besteht -, dann verwundet uns das, es beschädigt unsere Gesundheit und ruft körperliche, seelische und spirituelle Verletzungen hervor. Durch die Erniedrigung der Umwelt werden wir selbst und die gesamte Menschheit erniedrigt.
Doch auch das Umgekehrte trifft zu. Wenn wir die Heilung der Erde unterstützen, dann helfen wir uns auch selbst. Wenn wir sehen, wie die Erde angesichts des Verlusts des Mutterbodens, der Artenvielfalt oder aufgrund von Dürre und Versteppung blutet, und wenn wir dann das Verlorene zurückgewinnen oder retten - beispielsweise durch die Wiederaufforstung zerstörter Wälder -, dann wird uns die Erde bei unserer Selbstheilung und faktisch auch bei unserem Überleben helfen. Wenn wir gesündere, unverfälschte Nahrung zu uns nehmen können, wenn wir reine Luft atmen und sauberes Wasser trinken können, wenn der Boden eine Fülle an Pflanzen und Körnern hervorbringen kann, dann heilen unsere Krankheiten, und unsere ungesunde Lebensweise wird korrigiert. Die gleichen Werte, die uns im Dienst der Regeneration der Erde leiten, arbeiten auch für uns: Wir können uns selbst lieben, indem wir die Erde lieben. Wir können Dank für uns selbst empfinden, so wie wir auch für die Freigiebigkeit der Erde dankbar sind. Wir können vorankommen, wenn wir unsere Selbstermächtigung zur Entwicklung der Erde nutzen. Wir können uns selbst einen Dienst erweisen, wenn wir uns in ehrenamtlicher Tätigkeit für die Erde einsetzen.
Wir Menschen besitzen ein Bewusstsein, das es uns ermöglicht, Liebe, Schönheit, Kreativität und Innovations-kraft zu schätzen, aber auch deren Fehlen zu beklagen. In dem Maße, in dem wir über uns selbst und unsere normalen biologischen Instinkte hinausgehen, machen wir die Erfahrung, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und sich darin von anderen Lebensformen zu unterscheiden. Wir können empfinden, wie schön der Tau oder eine blühende Blume ist, das über Kieselsteine rinnende Wasser, der majestätisch große Elefant, der zerbrechliche Schmetterling, ein Weizenfeld oder im Wind treibende Blätter. Solche ästhetischen Reaktionen sind an sich von Wert; als Reaktionen auf die Natur können sie in uns zudem ein Gefühl für das Wunderbare und die Schönheit hervorrufen, das wiederum einen Sinn für das Göttliche wecken kann.
Mit diesem Bewusstsein ist eine Würdigung verbunden. Auch wenn ein bestimmter Baum, ein Wald oder ein Berg vielleicht nicht an sich heilig ist, so ist doch unser Dasein nur möglich durch das, was sie an Lebenserhaltendem hervorbringen - den Sauerstoff zum Atmen und das Wasser zum Trinken -, und deshalb haben sie unseren Respekt verdient. In diesem Sinn ist die Umwelt als heilig anzusehen, weil die Zerstörung der Lebensgrundlagen die Zerstörung des Lebens selbst ist. Genauso sind die spirituellen Werte, die ich in diesem Buch erkunde, eng mit der Natur verbunden. Zahlreiche Propheten aus verschiedenen Religionen sind durch die Natur inspiriert worden oder haben sich in die Natur zurückgezogen, um ihre Weisheit für sich zu nutzen. Darüber hinaus fehlen uns Menschen oft die Worte, um unsere Gedanken und Vorstellungen über das Numinose auszudrücken. Dann verwenden wir Symbole, die wir häufig aus der Natur entlehnen, wie etwa den Baum, den Fluss, die Sonne, den Mond oder die Tiere.
Genau wegen dieses Zusammenhangs sollten religiöse Menschen am engsten mit der Erde verbunden sein, und sie sollten als erste erkennen, dass sie der Heilung bedarf Unglücklicherweise jedoch haben viele Menschen durch Industrialisierung, Mechanisierung, Verstädterung und den Verlust von Lebensräumen den Kontakt zur Welt der Natur verloren. Die ursprünglichen Ideen und Gedanken der Religionsstifter und -begründer wurden abgewandelt und verfälscht, damit sie den Bräuchen der Menschen entsprachen, die ihnen anhingen. In der Folge entfernten sich die Anhänger von dem, was die Gründer ursprünglich vermittelt hatten. Im Christentum beispielsweise wurden Aspekte des ursprünglichen Glaubens von der Sorge für die Erde abgetrennt, als Glaubensanhänger politische Bündnisse mit denen eingingen, die auf Expansionismus, Kolonialismus und die Ausbeutung von Mensch und Erde bedacht waren. Bald danach entstanden die Wunden, die heute geheilt werden müssen.
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Übersetzung: Gerlinde Baumann
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
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Autoren-Porträt von Wangari Maathai
Wangari Muta Maathai, geboren 1940 in Nyeri/Kenia, kenianische Professorin und Wissenschaftlerin, war seit 2002 stellvertretende Ministerin für Umweltschutz. Maathai stammt aus einer Familie südlich von Nairobi, deren Vater polygam lebte. Ihre Begabung fiel einigen Missionsschwestern auf und sie erhielt eine solide Schulbildung an einer bekannten Klosterschule in Kenia. Sie bekam ein Stipendium für ein Studium der Biologie in den USA und studierte später an den Universitäten von Pittsburgh, Gießen und München. Im Jahr 1971 erwarb sie als erste Frau aus Kenia den Doktortitel an der University of Nairobi. Im gleichen Jahr wurde sie die erste Professorin für Veterinäre Anatomie und später Dekanin ihres Fachbereichs an der Universität von Nairobi. 1977 rief sie das Aufforstungsprojekt Green Belt Movement ins Leben. 2002 wurde Wangari Muta Maathai bei den ersten freien Wahlen Kenias ins Parlament gewählt, seit 2003 war sie stellvertretende Ministerin für Umwelt. 2004 wurde Wangari Maathai mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Sie verstarb 2011.Gerlinde Baumann, Dr. theol. habil, Jahrgang 1962 ist Privatdozentin für Altes Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg und Gemeindepfarrerin in der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck.
Bibliographische Angaben
- Autor: Wangari Maathai
- 2012, 240 Seiten, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Gerlinde Baumann
- Verlag: Herder, Freiburg
- ISBN-10: 345133254X
- ISBN-13: 9783451332548
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