Die zweite Chance / Guardian Angelinos Bd.1
Roman. Deutsche Erstausgabe
Nachdem Samantha Fairchild im Weinkeller des Restaurants, in dem sie als Kellnerin arbeitet, einen Mord beobachtet hat, ist sie auf der Flucht. Sie fürchtet, der Killer könnte es auch auf sie abgesehen haben. Als sie den attraktiven Zach Angelino...
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Klappentext zu „Die zweite Chance / Guardian Angelinos Bd.1 “
Nachdem Samantha Fairchild im Weinkeller des Restaurants, in dem sie als Kellnerin arbeitet, einen Mord beobachtet hat, ist sie auf der Flucht. Sie fürchtet, der Killer könnte es auch auf sie abgesehen haben. Als sie den attraktiven Zach Angelino wiedertrifft, mit dem sie einst eine heiße Affäre hatte, bittet sie ihn um seine Hilfe. Doch Zach ist nicht mehr der Mann, der er früher war. Vom Kriegseinsatz in Kuwait entstellt, wird er von seiner dunklen Vergangenheit verfolgt. Dennoch zögert er nicht, die Frau, die er noch immer liebt, zu beschützen. Und Sam gerät schon bald in große Gefahr, als der Mörder ihre Spur aufnimmt.
Lese-Probe zu „Die zweite Chance / Guardian Angelinos Bd.1 “
Die zweite Chance von Roxanne St. Claire3
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»Anscheinend bist du doch nicht tot.«
Er drückte ein bisschen fester zu. »Dachtest du das denn?«
»Ein Mädchen wird ja wohl noch hoffen dürfen.«
»Nein, nicht tot.« Weit davon entfernt. Vielmehr stand Zachs ganzes Dasein unter Strom, als sich Samantha Fairchilds Körper noch einmal an seinen schmiegte. Er widerstand ihrer Anziehungskraft, hielt sie in dieser Stellung fest und sorgte dafür, dass sie sich nicht umdrehen konnte. Er erwartete zwar nicht gerade, dass sie ihm um den Hals fiel und ihn als Helden wieder zu Hause willkommen hieß, aber er musste die Kontrolle behalten.
»Tja, was für ein Jammer«, sagte sie kühl. »Das wäre nämlich eine tolle Entschuldigung für unentschuldbares Verhalten gewesen.«
Oha. Das hatte ja nicht lang gedauert. »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Sammi. Ich bin gesund und ...« Er schlang ihr einen Stiefel um den Fußknöchel, als wollte er sie aufs Kreuz
legen. Wie damals. »Munter.«
»Und was machst du hier?«, fragte sie. Mit jedem Wort spannte sie ihre Muskeln mehr an, so dass es sich anfühlte, als würde sie wie eine gespannte Feder hochspringen, wenn er sie losließ. Also lockerte er seinen Griff keinen Millimeter, drückte sein Gesicht in ihr honigsüßes, seidiges Haar und roch eine Mischung aus Zitrus und Schweiß. Und noch etwas, das er nur allzu gut kannte. Angst?
»Ich besuche Vivi. Genau wie du.«
»Woher weißt du, was ich hier mache?« fragte sie.
»Ich habe deine SMS gelesen.«
»Die habe ich nicht an dich geschickt.« Sie brachte die Worte mühsam hervor.
»Sie hat ihr Handy vergessen.« Und während er durch die Nachrichten geblättert hatte, um herauszufinden, wo Vivi bloß war, hatte Sammi Fairchilds Name auf dem kleinen Gerät aufgeleuchtet, genauso wie sie auch einen Raum zum Strahlen brachte, wenn sie ihn betrat. Mit tausend Watt, voller Energie, Glanz, Erwartung, Selbstvertrauen.
Um ein Uhr morgens, allein in Vivis Wohnung, war Zach der Versuchung Sam erlegen. Aber jetzt holte ihn die Wirklichkeit ein. Sie würde ihm gleich ins Gesicht schauen, und seine mitternächtlichen Fantasien von Bei-Anruf-Sex erschienen ihm plötzlich schlichtweg dämlich. Seine untere Hälfte hielt es jedoch für eine gute Idee und versteifte sich an einem der weltbesten Hinterteile.
»Lass mich los, Zach.« Sie versuchte erneut, sich loszureißen, inzwischen eher verärgert als verängstigt.
»Noch nicht.« Er vergrub seine Wange tiefer in ihrem Haar und stöhnte fast auf angesichts der Mischung aus Lust und Trost und besänftigender, süßer Weichheit.
»Vergiss es.« Sie zog ruckartig den Kopf weg. »Ich hab's auch vergessen.«
»Das glaube ich dir.« Das war doch genau, was er wollte.
Oder? Es vergessen. Sie vergessen. Vergessen, was sie geteilt hatten.
Als ob das möglich wäre. Er trat einen Schritt zurück und zog sie mit sich in den Schatten.
»Was machst du da?« Ein leichter Anflug von Panik ließ ihre Stimme brüchig klingen, und es versetzte ihm einen Stich.
»Ich bring dich nur aus dem Licht.«
»Und warum?«
Gute Frage, die er aber nicht beantwortete, weil »dich an die dunkelstmögliche Stelle zu bringen, damit ich dich nicht zu Tode erschrecke« wahrscheinlich nicht so gut ankommen würde. »Das
wirst du schon noch sehen.« Und zwar nur zu bald.
»Ich muss mit Vivi reden«, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, aber bemerkenswert standhafter Körperhaltung.
»Sie ist nicht da.«
»Und du hast mir geschrieben, dass ich rüberkommen soll?«
Ihre Panik schlug um in Ungläubigkeit. »Nach drei Jahren Funkstille sagst du einfach ›komm her‹, ohne jede Warnung, dass du es bist?«
»Sonst wärst du nie gekommen.«
»Nein, verdammt.« Sie spuckte die Worte aus, und die Wut verlieh ihr solche Kraft, dass sie es fast schaffte, sich umzudrehen. »Lass mich gehen. Was zum Teufel ist los mit dir, Zach?«
»Eine ganze Menge, Sammi.« Er lockerte seinen Griff, damit sie atmen konnte, und rechnete damit, dass sie herumwirbelte, aber sie tat es nicht.
Lautlos berührte er ihr Haar mit den Lippen und küsste es so sanft, dass sie es unmöglich spüren würde. Nur einmal, um die Erinnerung aufzufrischen. Dann nie wieder.
Schließlich ließ er los und wich langsam einen Schritt zurück, zwei Steinstufen nach unten, so dass sie auf einer Höhe waren, von Angesicht zu Angesicht ... Auge in Auge. Es war höchste
Zeit.
»Dreh dich um, Sam.«
Sie tat es, wich zurück, und der Mund blieb ihr offen stehen.
»Oh.«
Ja, oh.
Ihre Reaktion bestätigte ihm zweierlei: erstens, Vivi hatte ihr Versprechen gehalten und Sam nie ein Wort gesagt, und zweitens, seine Visage war noch hässlicher, als er gedacht hatte. Sonst wäre diese eine Silbe, durch die ihr Mund sich öffnete wie früher, um ihn zu küssen, nicht so voller Mitleid gewesen. Und Überraschung. Und, verdammt noch mal, Enttäuschung.
»Schön zu sehen, dass du dich nicht so stark verändert hast wie ich, Sam.« Er konnte nicht anders. Er streckte die Hand aus, um mit seinen Fingerrücken über ihre samtige Haut zu streicheln, und seine Hand brannte wie Feuer in der Erinnerung an dieses schöne Gesicht.
»Du ... bist ... da drüben ... verwundet worden.« Sie hob die Hand, um dasselbe bei ihm zu tun, aber er wich augenblicklich zurück, ihre Finger blieben unsicher in der Luft hängen, und ihr Blick verriet ihm, dass sie seine Reaktion als Scham missdeutete. »Tut mir leid.«
»Es ist nur ein Auge, und ich habe noch eins«, sagte er schnell. »Glaub mir, ich hab Kerle gesehen, die wesentlich mehr verloren haben.«
Sie starrte auf die Augenklappe, dann auf die Narbe an seiner Wange, dann richtete sie den Blick auf sein eines, heiles Auge. »Hast du deswegen nie angerufen?«
»Unter anderem.« Die anderen Gründe waren so durchgeknallt, dass er sie schön für sich behalten würde. Sollte sie ruhig denken, dass Eitelkeit der Grund war. »Ich dachte mir ... zu viel Zeit ist seitdem vergangen.«
Sie antwortete nicht, aber ihr Blick sagte alles. Abscheu, Argwohn, Entsetzen. So sah es zumindest aus, und er hatte lang genug in der Dunkelheit auf sie gewartet, so dass er sie trotz der Klappe, die sein halbes Blickfeld verdeckte, scharf sah. Ganz genau konnte er die Strähnen in ihrem glatten blonden Haar erkennen, das aus einer Art hastig gemachtem Pferdeschwanz fiel, die Blässe ihrer Haut, ein leichter Schatten von Schlaflosigkeit unter indigoblauen Augen.
Ein Auto fuhr hinter ihm vorbei, und sie wich noch weiter in den Schatten zurück, ihr Blick huschte zwischen seinem Gesicht und der Straße hin und her, ihre Gesichtszüge waren verzerrt vor Anspannung und Angst.
»Was ist los, Sam?«
Die Lichter entfernten sich, als das Auto in die Beacon Street verschwand, doch ihre Miene blieb angespannt. »Ich hab dir doch gesagt, ich muss mit Vivi sprechen.«
»Um ein Uhr morgens - und verkleidet.«
»Es ist kompliziert.«
»Scheint mir auch so.«
Sie blickte zur Straße, sichtlich hin- und hergerissen. »Wann kommt sie zurück?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, wo sie ist.«
Sie runzelte die Stirn. »Wohnst du auch hier?«
Er brachte ein Achselzucken zustande. »Ich penne nur bei ihr, eine Zwischenlandung sozusagen.«
Ein paar Collegestudenten stiegen aus einem Auto und steuerten auf den Star Market an der Ecke zu. Sams Körperhaltung veränderte sich kaum merklich und wirkte noch wachsamer und
vorsichtiger. Das Kaufhaus schloss um Mitternacht, was also hatten sie da zu suchen?
»Dann muss ich wohl wieder heimfahren«, sagte sie.
»Dein Taxi ist weg.«
Sie blickte ihn scharf an. »Du hast mich beobachtet?«
»Auf dich gewartet.«
»Um mir aufzulauern?«
»Da ich schon wusste, dass du kommst, dachte ich einfach, es wäre höflich, dich an der Tür zu empfangen.«
»Von hinten«, bemerkte sie in vernichtendem Tonfall.
»Früher hast du darauf gestanden.«
Ihre Augen blitzten auf, aber nicht vor Kränkung oder Ärger, sondern wieder vor Angst. »Du hast hier draußen auf mich gewartet, und ich habe dich noch nicht mal gesehen.« Sie klang eher wütend auf sich selbst als auf ihn. »Du hättest sonst wer sein können. Du hättest ...«
Sie machte einen Satz, als eine Autotür zugeschlagen wurde. Er hatte diese Reaktion auf ein lautes Geräusch schon mal gesehen. Er hatte selbst schon so reagiert. »Komm mit rein.« Verfluchte Scheiße. Was sollte er sonst tun? Er war schließlich so blöd gewesen zu schreiben, »komm ruhig her.«
Aber sie griff nach ihrem Telefon. »Ich rufe ein Taxi.« Bei dem verzweifelten Unterton in ihrer Stimme wurde ihm das Herz eng.
Er schob sie Richtung Tür. »Steck das Handy weg und geh rein. Ganz egal, warum du so durcheinander bist - da drin bist du sicher.«
»Wirklich, ich ... ich kann nicht.«
Die zwei Männer, die gerade aus einem Kleintransporter gestiegen waren, liefen geradewegs die Tappan Street entlang, so nah, dass sie mit Sam Blickkontakt aufnehmen konnten, und sie sahen sie direkt an.
»Okay, lass uns reingehen«, sagte sie hastig, und ihre Worte überschlugen sich, als sie auf die Tür zustürzte, die Perücke auflas, die er ihr vom Kopf gerissen hatte, und sie in die Vordertasche ihres Kapuzenpullis stopfte.
»Verrätst du mir, warum du so bist?«, fragte er, während er die Eingangstür aufschloss.
Sie blickte zu ihm auf, ihr Blick fiel auf die Narbe, die über seine Wange lief, und das Fleisch brannte mit jeder Sekunde, die ihr Starren andauerte. Es schmerzte immer, brannte immer. Doch ein solch prüfender Blick machte den Schmerz noch unerträglicher.
Das Licht im Hauseingang war wie tausend Sonnen, die ihm ins Gesicht strahlten, die Krater vertieften und das Werk einer Handgranate beleuchteten, die er sich durch bloße Dummheit verdient hatte.
»Verrätst du mir, warum du so bist?«, konterte sie.
Einen Augenblick sagte er gar nichts und widerstand dem Drang, sich wegzudrehen. »Falsche Zeit, falscher Ort.«
Sekundenlang starrte er sie genauso an wie sie ihn. Komisch, ihr Gesicht hätte er vielleicht weniger leicht erkannt als ihren Körper. Natürlich war es Sam: dieselbe stolze, gerade Nase und extravolle Unterlippe, die immer rosa aussah, als habe sie darauf herumgebissen. Oder er. Sie hatte nie viel für Make-up übrig gehabt, sondern war einfach von Natur aus hübsch, auf eine entwaffnend unkomplizierte Art. Doch heute Nacht hatte sie eine fahle Gesichtsfarbe, und ihre Brauen zogen sich derart finster zusammen, dass sich eine Linie bildete, wo bei einer Dreißigjährigen keine hätte sein dürfen.
Sie sah nicht älter aus, sondern reifer, weiser, vielleicht nicht mehr so ... selbstsicher. Nicht mehr das sorglose Karrieremädchen, das er drei Wochen, bevor sein Flieger abhob, auf der Party seiner Schwester kennengelernt hatte.
Sam wirkte, als hätte sie ihre eigenen, persönlichen Schlachten geschlagen, während er für sein Land in den Krieg gezogen war. Für den Bruchteil einer Sekunde packten ihn Schuldgefühle, doch dann verdrängte er sie und ging durch den Flur zur hinteren Treppe, in der Annahme, dass sie ihm folgte. Es war nicht seine Schuld, wenn es ihr schlecht ging. Er hatte ihr nichts versprochen, was er nicht gehalten hatte. Er hatte ihr gar nichts versprochen. Punkt. Keine Liebeserklärungen und tränenreichen Abschiedsszenen. Darum hatte er keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Keinen Grund, irgendetwas zu fühlen, und das entsprach seinem bevorzugten Gemütszustand.
»Nur damit du es weißt«, sagte sie dicht hinter ihm. »Ich habe nicht die Absicht, da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.«
»Ich kann mich nicht erinnern, wo wir aufgehört haben.«
Lügner, Lügner.
»Dann sollte ich vielleicht deine Erinnerungen ein bisschen auffrischen.« Sie fasste ihn am Ellenbogen und zwang ihn, sich zu ihr umzudrehen. »Ich lag gerade flach auf dem Rücken, und in der Position habe ich den Großteil der drei Wochen verbracht, seit der Nacht, in der ich dich kennengelernt habe, bis zu dem Morgen, an dem du abgeflogen bist. Wenn ich mich recht entsinne, hast du gerade die Stiefel angezogen. Und ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe.«
Richtig. Da hatten sie aufgehört. Er starrte sie einfach nur an.
»Und genau das hast du damals auch geantwortet.« Sie schnaubte leicht. »Nichts. Nicht damals, nicht, als du angekommen bist, nicht als du ...« Sie zeigte mit dem Finger direkt auf seine Narbe und brachte ihn zum Blinzeln. »Nicht ein Anruf, Zach. Nicht eine E-Mail.« Sie bohrte ihm einen Finger in die Schulter. »Nicht ein Brief.« Noch ein Pikser. »Nicht mal eine beschissene Postkarte.« Piks, piks, piks. »Nichts.«
Er umschloss ihren Finger mit der Hand und entfernte ihn wie ein Messer aus einer Wunde. »Es gab nichts zu sagen.« Schon gar nichts, was sie hätte hören wollen.
Und das hatte sich auch in drei Jahren nicht geändert.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
»Anscheinend bist du doch nicht tot.«
Er drückte ein bisschen fester zu. »Dachtest du das denn?«
»Ein Mädchen wird ja wohl noch hoffen dürfen.«
»Nein, nicht tot.« Weit davon entfernt. Vielmehr stand Zachs ganzes Dasein unter Strom, als sich Samantha Fairchilds Körper noch einmal an seinen schmiegte. Er widerstand ihrer Anziehungskraft, hielt sie in dieser Stellung fest und sorgte dafür, dass sie sich nicht umdrehen konnte. Er erwartete zwar nicht gerade, dass sie ihm um den Hals fiel und ihn als Helden wieder zu Hause willkommen hieß, aber er musste die Kontrolle behalten.
»Tja, was für ein Jammer«, sagte sie kühl. »Das wäre nämlich eine tolle Entschuldigung für unentschuldbares Verhalten gewesen.«
Oha. Das hatte ja nicht lang gedauert. »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Sammi. Ich bin gesund und ...« Er schlang ihr einen Stiefel um den Fußknöchel, als wollte er sie aufs Kreuz
legen. Wie damals. »Munter.«
»Und was machst du hier?«, fragte sie. Mit jedem Wort spannte sie ihre Muskeln mehr an, so dass es sich anfühlte, als würde sie wie eine gespannte Feder hochspringen, wenn er sie losließ. Also lockerte er seinen Griff keinen Millimeter, drückte sein Gesicht in ihr honigsüßes, seidiges Haar und roch eine Mischung aus Zitrus und Schweiß. Und noch etwas, das er nur allzu gut kannte. Angst?
»Ich besuche Vivi. Genau wie du.«
»Woher weißt du, was ich hier mache?« fragte sie.
»Ich habe deine SMS gelesen.«
»Die habe ich nicht an dich geschickt.« Sie brachte die Worte mühsam hervor.
»Sie hat ihr Handy vergessen.« Und während er durch die Nachrichten geblättert hatte, um herauszufinden, wo Vivi bloß war, hatte Sammi Fairchilds Name auf dem kleinen Gerät aufgeleuchtet, genauso wie sie auch einen Raum zum Strahlen brachte, wenn sie ihn betrat. Mit tausend Watt, voller Energie, Glanz, Erwartung, Selbstvertrauen.
Um ein Uhr morgens, allein in Vivis Wohnung, war Zach der Versuchung Sam erlegen. Aber jetzt holte ihn die Wirklichkeit ein. Sie würde ihm gleich ins Gesicht schauen, und seine mitternächtlichen Fantasien von Bei-Anruf-Sex erschienen ihm plötzlich schlichtweg dämlich. Seine untere Hälfte hielt es jedoch für eine gute Idee und versteifte sich an einem der weltbesten Hinterteile.
»Lass mich los, Zach.« Sie versuchte erneut, sich loszureißen, inzwischen eher verärgert als verängstigt.
»Noch nicht.« Er vergrub seine Wange tiefer in ihrem Haar und stöhnte fast auf angesichts der Mischung aus Lust und Trost und besänftigender, süßer Weichheit.
»Vergiss es.« Sie zog ruckartig den Kopf weg. »Ich hab's auch vergessen.«
»Das glaube ich dir.« Das war doch genau, was er wollte.
Oder? Es vergessen. Sie vergessen. Vergessen, was sie geteilt hatten.
Als ob das möglich wäre. Er trat einen Schritt zurück und zog sie mit sich in den Schatten.
»Was machst du da?« Ein leichter Anflug von Panik ließ ihre Stimme brüchig klingen, und es versetzte ihm einen Stich.
»Ich bring dich nur aus dem Licht.«
»Und warum?«
Gute Frage, die er aber nicht beantwortete, weil »dich an die dunkelstmögliche Stelle zu bringen, damit ich dich nicht zu Tode erschrecke« wahrscheinlich nicht so gut ankommen würde. »Das
wirst du schon noch sehen.« Und zwar nur zu bald.
»Ich muss mit Vivi reden«, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, aber bemerkenswert standhafter Körperhaltung.
»Sie ist nicht da.«
»Und du hast mir geschrieben, dass ich rüberkommen soll?«
Ihre Panik schlug um in Ungläubigkeit. »Nach drei Jahren Funkstille sagst du einfach ›komm her‹, ohne jede Warnung, dass du es bist?«
»Sonst wärst du nie gekommen.«
»Nein, verdammt.« Sie spuckte die Worte aus, und die Wut verlieh ihr solche Kraft, dass sie es fast schaffte, sich umzudrehen. »Lass mich gehen. Was zum Teufel ist los mit dir, Zach?«
»Eine ganze Menge, Sammi.« Er lockerte seinen Griff, damit sie atmen konnte, und rechnete damit, dass sie herumwirbelte, aber sie tat es nicht.
Lautlos berührte er ihr Haar mit den Lippen und küsste es so sanft, dass sie es unmöglich spüren würde. Nur einmal, um die Erinnerung aufzufrischen. Dann nie wieder.
Schließlich ließ er los und wich langsam einen Schritt zurück, zwei Steinstufen nach unten, so dass sie auf einer Höhe waren, von Angesicht zu Angesicht ... Auge in Auge. Es war höchste
Zeit.
»Dreh dich um, Sam.«
Sie tat es, wich zurück, und der Mund blieb ihr offen stehen.
»Oh.«
Ja, oh.
Ihre Reaktion bestätigte ihm zweierlei: erstens, Vivi hatte ihr Versprechen gehalten und Sam nie ein Wort gesagt, und zweitens, seine Visage war noch hässlicher, als er gedacht hatte. Sonst wäre diese eine Silbe, durch die ihr Mund sich öffnete wie früher, um ihn zu küssen, nicht so voller Mitleid gewesen. Und Überraschung. Und, verdammt noch mal, Enttäuschung.
»Schön zu sehen, dass du dich nicht so stark verändert hast wie ich, Sam.« Er konnte nicht anders. Er streckte die Hand aus, um mit seinen Fingerrücken über ihre samtige Haut zu streicheln, und seine Hand brannte wie Feuer in der Erinnerung an dieses schöne Gesicht.
»Du ... bist ... da drüben ... verwundet worden.« Sie hob die Hand, um dasselbe bei ihm zu tun, aber er wich augenblicklich zurück, ihre Finger blieben unsicher in der Luft hängen, und ihr Blick verriet ihm, dass sie seine Reaktion als Scham missdeutete. »Tut mir leid.«
»Es ist nur ein Auge, und ich habe noch eins«, sagte er schnell. »Glaub mir, ich hab Kerle gesehen, die wesentlich mehr verloren haben.«
Sie starrte auf die Augenklappe, dann auf die Narbe an seiner Wange, dann richtete sie den Blick auf sein eines, heiles Auge. »Hast du deswegen nie angerufen?«
»Unter anderem.« Die anderen Gründe waren so durchgeknallt, dass er sie schön für sich behalten würde. Sollte sie ruhig denken, dass Eitelkeit der Grund war. »Ich dachte mir ... zu viel Zeit ist seitdem vergangen.«
Sie antwortete nicht, aber ihr Blick sagte alles. Abscheu, Argwohn, Entsetzen. So sah es zumindest aus, und er hatte lang genug in der Dunkelheit auf sie gewartet, so dass er sie trotz der Klappe, die sein halbes Blickfeld verdeckte, scharf sah. Ganz genau konnte er die Strähnen in ihrem glatten blonden Haar erkennen, das aus einer Art hastig gemachtem Pferdeschwanz fiel, die Blässe ihrer Haut, ein leichter Schatten von Schlaflosigkeit unter indigoblauen Augen.
Ein Auto fuhr hinter ihm vorbei, und sie wich noch weiter in den Schatten zurück, ihr Blick huschte zwischen seinem Gesicht und der Straße hin und her, ihre Gesichtszüge waren verzerrt vor Anspannung und Angst.
»Was ist los, Sam?«
Die Lichter entfernten sich, als das Auto in die Beacon Street verschwand, doch ihre Miene blieb angespannt. »Ich hab dir doch gesagt, ich muss mit Vivi sprechen.«
»Um ein Uhr morgens - und verkleidet.«
»Es ist kompliziert.«
»Scheint mir auch so.«
Sie blickte zur Straße, sichtlich hin- und hergerissen. »Wann kommt sie zurück?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, wo sie ist.«
Sie runzelte die Stirn. »Wohnst du auch hier?«
Er brachte ein Achselzucken zustande. »Ich penne nur bei ihr, eine Zwischenlandung sozusagen.«
Ein paar Collegestudenten stiegen aus einem Auto und steuerten auf den Star Market an der Ecke zu. Sams Körperhaltung veränderte sich kaum merklich und wirkte noch wachsamer und
vorsichtiger. Das Kaufhaus schloss um Mitternacht, was also hatten sie da zu suchen?
»Dann muss ich wohl wieder heimfahren«, sagte sie.
»Dein Taxi ist weg.«
Sie blickte ihn scharf an. »Du hast mich beobachtet?«
»Auf dich gewartet.«
»Um mir aufzulauern?«
»Da ich schon wusste, dass du kommst, dachte ich einfach, es wäre höflich, dich an der Tür zu empfangen.«
»Von hinten«, bemerkte sie in vernichtendem Tonfall.
»Früher hast du darauf gestanden.«
Ihre Augen blitzten auf, aber nicht vor Kränkung oder Ärger, sondern wieder vor Angst. »Du hast hier draußen auf mich gewartet, und ich habe dich noch nicht mal gesehen.« Sie klang eher wütend auf sich selbst als auf ihn. »Du hättest sonst wer sein können. Du hättest ...«
Sie machte einen Satz, als eine Autotür zugeschlagen wurde. Er hatte diese Reaktion auf ein lautes Geräusch schon mal gesehen. Er hatte selbst schon so reagiert. »Komm mit rein.« Verfluchte Scheiße. Was sollte er sonst tun? Er war schließlich so blöd gewesen zu schreiben, »komm ruhig her.«
Aber sie griff nach ihrem Telefon. »Ich rufe ein Taxi.« Bei dem verzweifelten Unterton in ihrer Stimme wurde ihm das Herz eng.
Er schob sie Richtung Tür. »Steck das Handy weg und geh rein. Ganz egal, warum du so durcheinander bist - da drin bist du sicher.«
»Wirklich, ich ... ich kann nicht.«
Die zwei Männer, die gerade aus einem Kleintransporter gestiegen waren, liefen geradewegs die Tappan Street entlang, so nah, dass sie mit Sam Blickkontakt aufnehmen konnten, und sie sahen sie direkt an.
»Okay, lass uns reingehen«, sagte sie hastig, und ihre Worte überschlugen sich, als sie auf die Tür zustürzte, die Perücke auflas, die er ihr vom Kopf gerissen hatte, und sie in die Vordertasche ihres Kapuzenpullis stopfte.
»Verrätst du mir, warum du so bist?«, fragte er, während er die Eingangstür aufschloss.
Sie blickte zu ihm auf, ihr Blick fiel auf die Narbe, die über seine Wange lief, und das Fleisch brannte mit jeder Sekunde, die ihr Starren andauerte. Es schmerzte immer, brannte immer. Doch ein solch prüfender Blick machte den Schmerz noch unerträglicher.
Das Licht im Hauseingang war wie tausend Sonnen, die ihm ins Gesicht strahlten, die Krater vertieften und das Werk einer Handgranate beleuchteten, die er sich durch bloße Dummheit verdient hatte.
»Verrätst du mir, warum du so bist?«, konterte sie.
Einen Augenblick sagte er gar nichts und widerstand dem Drang, sich wegzudrehen. »Falsche Zeit, falscher Ort.«
Sekundenlang starrte er sie genauso an wie sie ihn. Komisch, ihr Gesicht hätte er vielleicht weniger leicht erkannt als ihren Körper. Natürlich war es Sam: dieselbe stolze, gerade Nase und extravolle Unterlippe, die immer rosa aussah, als habe sie darauf herumgebissen. Oder er. Sie hatte nie viel für Make-up übrig gehabt, sondern war einfach von Natur aus hübsch, auf eine entwaffnend unkomplizierte Art. Doch heute Nacht hatte sie eine fahle Gesichtsfarbe, und ihre Brauen zogen sich derart finster zusammen, dass sich eine Linie bildete, wo bei einer Dreißigjährigen keine hätte sein dürfen.
Sie sah nicht älter aus, sondern reifer, weiser, vielleicht nicht mehr so ... selbstsicher. Nicht mehr das sorglose Karrieremädchen, das er drei Wochen, bevor sein Flieger abhob, auf der Party seiner Schwester kennengelernt hatte.
Sam wirkte, als hätte sie ihre eigenen, persönlichen Schlachten geschlagen, während er für sein Land in den Krieg gezogen war. Für den Bruchteil einer Sekunde packten ihn Schuldgefühle, doch dann verdrängte er sie und ging durch den Flur zur hinteren Treppe, in der Annahme, dass sie ihm folgte. Es war nicht seine Schuld, wenn es ihr schlecht ging. Er hatte ihr nichts versprochen, was er nicht gehalten hatte. Er hatte ihr gar nichts versprochen. Punkt. Keine Liebeserklärungen und tränenreichen Abschiedsszenen. Darum hatte er keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Keinen Grund, irgendetwas zu fühlen, und das entsprach seinem bevorzugten Gemütszustand.
»Nur damit du es weißt«, sagte sie dicht hinter ihm. »Ich habe nicht die Absicht, da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.«
»Ich kann mich nicht erinnern, wo wir aufgehört haben.«
Lügner, Lügner.
»Dann sollte ich vielleicht deine Erinnerungen ein bisschen auffrischen.« Sie fasste ihn am Ellenbogen und zwang ihn, sich zu ihr umzudrehen. »Ich lag gerade flach auf dem Rücken, und in der Position habe ich den Großteil der drei Wochen verbracht, seit der Nacht, in der ich dich kennengelernt habe, bis zu dem Morgen, an dem du abgeflogen bist. Wenn ich mich recht entsinne, hast du gerade die Stiefel angezogen. Und ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe.«
Richtig. Da hatten sie aufgehört. Er starrte sie einfach nur an.
»Und genau das hast du damals auch geantwortet.« Sie schnaubte leicht. »Nichts. Nicht damals, nicht, als du angekommen bist, nicht als du ...« Sie zeigte mit dem Finger direkt auf seine Narbe und brachte ihn zum Blinzeln. »Nicht ein Anruf, Zach. Nicht eine E-Mail.« Sie bohrte ihm einen Finger in die Schulter. »Nicht ein Brief.« Noch ein Pikser. »Nicht mal eine beschissene Postkarte.« Piks, piks, piks. »Nichts.«
Er umschloss ihren Finger mit der Hand und entfernte ihn wie ein Messer aus einer Wunde. »Es gab nichts zu sagen.« Schon gar nichts, was sie hätte hören wollen.
Und das hatte sich auch in drei Jahren nicht geändert.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Roxanne St. Claire
Roxanne St. Claire ist in Pittsburgh aufgewachsen und hat an der Universität von Kalifornien studiert. Nach einer Karriere in der Werbeabteilung einer Firma veröffentlichte sie 2002 ihren ersten Liebesroman. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: Roxanne St. Claire
- 2012, 432 Seiten, Maße: 12,4 x 17,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Nele Junghanns, Nele Quegwer
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586689
- ISBN-13: 9783802586682
- Erscheinungsdatum: 06.06.2012
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