Dunkelziffer
Kriminalroman
Die 14jährige Emily verschwindet spurlos und gibt der Stockholmer Ermittlerin Kerstin Holm Rätsel auf. Einziger Hinweis ist die Information, dass drei verurteilte Pädophile in der Nähe wohnen. Dann geschehen zwei Morde, deren Spuren ins...
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Buch (Gebunden)
Produktdetails
Produktinformationen zu „Dunkelziffer “
Die 14jährige Emily verschwindet spurlos und gibt der Stockholmer Ermittlerin Kerstin Holm Rätsel auf. Einziger Hinweis ist die Information, dass drei verurteilte Pädophile in der Nähe wohnen. Dann geschehen zwei Morde, deren Spuren ins Internet führen - mitten hinein in einen Kampf zwischen Gut und Böse.
Klappentext zu „Dunkelziffer “
In den Wäldern des nordschwedischen Ångermanlands verschwindet die 14-jährige Emily. Einzige Hinweise für Kerstin Holm vom Stockholmer A-Team sind Fahrzeuge mit baltischen Kennzeichen und die Information, dass drei verurteilte Pädophile ganz in der Nähe des Tatorts leben. Der Fall gewinnt an Brisanz, als ein Mann mit durchtrennter Kehle aufgefunden wird. Das Mordinstrument: eine Klaviersaite. Bald gibt es in Stockholm eine zweite Leiche mit ähnlichen Schnittwunden. Die Spuren führen ins Internet, mitten hinein in einen perfiden Kampf zwischen Gut und Böse, in dem die junge Emily ihre ganz eigene Rolle spielt. »Dunkelziffer« entführt in die finstersten Winkel der menschlichen Seele und präsentiert einen Racheengel der raffiniertesten Art.
Lese-Probe zu „Dunkelziffer “
Dunkelziffer von Arne Dahl Kriminalroman Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt
Ich weiß nicht mehr genau, was ich in dem Moment tat, als klar wurde, dass etwas passiert ist, aber ich war auf jeden Fall in der Küche. Ich glaube, dass ich die Arbeit beaufsichtigte. Alma kam rein, bleich wie eine Leiche, und sagte, dass Marcus auf dem Hof mit uns reden wolle, es sei superwichtig. Draußen wimmelte es. Ich gestehe, dass ich sie nicht so gut ertragen kann, wenn sie alle auf einem Haufen zusammen sind, es liegt eine Wolke von verschwitzter Hormonüberproduktion über ihnen, aber sagen Sie das keinem. Marcus hatte sich wie üblich in die Mitte gepflanzt und sah aus wie ein Zirkusdompteur. Es fehlte nur die Peitsche. Aber er trug nicht die übliche maskulin dominante Miene zur Schau, sondern war fast so bleich wie die arme kleine Alma, die die ganze Zeit um ihn herumschwänzelte und ihm den Hintern beschnüffelte wie eine läufige Hündin, aber sagen Sie das keinem.
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Die Lehrerin ich vergesse immer ihren Namen, Astrid, Asta, Kurt-Egil stand da und zitterte. Waschlappige Weiber, eine Schande für das weibliche Geschlecht. Marcus (ich bin inzwischen sicher, dass er schwul ist nicht die kleinste Reaktion auf meinen neuen Stringbikini) teilte uns in ernstem Ton mit, was geschehen war, und bevor ich mich versah, war ich draußen im Wald und schrie. Wir verteilten uns auf das ganze Gelände. Ein paar gingen auf die Landstraße, ein paar in dieses alberne kleine Kaff, aber die meisten stürmten in den Wald, die Kinder zu zweit, wir Eltern allein (als verfügten wir über einen besseren Orientierungssinn als sie, besonders der Vater von Anton oder wie er nun heißen mag, der scheint ja nicht rechts und links unterscheiden zu können, geschweige denn Norden und Süden).
Dieser Scheißwald erstreckt sich ja das ganze Stück von Südwesten nach Nordosten, hundertachtzig Grad Wald, bevor er nach ungefähr einem Kilometer in einem fast perfekten Halbkreis von der Flussbiegung aufgefangen wird. Sie wissen ja, wie es aussieht. Ich ging fast genau nach Norden, wo der Wald natürlich am dichtesten war. Undurchdringlich. Ich habe mir meine neue Jacke zerrissen, von Ralph Lauren ich geh mal davon aus, dass sie mir aus der Klassenkasse ersetzt wird. Schließlich entdeckte ich einen Pfad, der zum Fußballplatz führte, Sie wissen schon, am nördlichen Rand der Ortschaft. Manchmal sah ich ein paar von den Jungs zwischen den Bäumen. Alle brüllten >Emily<, so laut sie konnten mit ihren krächzenden Stimmbruchstimmen. Wer sie genau waren, weiß ich nicht, aber auf einer Lichtung sah ich einen von ihnen den Großen, diesen Wichtigtuer, ich glaube, Jesper heißt er , wie er etwas in die Höhe hielt.
Ich dachte, dass ich mich damit nicht weiter befassen müsste, also ging ich schnell zur anderen Seite und stieß auf den Pfad. Ich kam mir vor, als wäre ich allein auf der Welt. Als ich fast beim Fußballplatz war, flog ein Schwarm Krähen auf, wahrscheinlich Krähen, mit einem richtigen Knall, ungefähr zehn Meter vor mir. Sie haben mich zu Tode erschreckt. Mit rasendem Herzen trat ich auf den Fußballplatz hinaus und sah mich um. Am anderen Ende tauchte meine hübsche Felicia auf, zusammen mit dieser unerträglich unförmigen Vanja, die sie immer im Schlepptau haben muss. Sie tat, als sähe sie mich nicht. Der Pfad ging auf der anderen Seite des Fußballplatzes weiter, ich folgte ihm und kam kurz darauf an den Fluss. Keine Spur von irgendetwas, nur diese verdammten Mücken und Gnitzen und andere Gottesplagen.
Wirklich eine tolle Idee, die Klassenfahrt in diese Walachei hier zu machen, wo Banjospieler mit sechs Fingern an jeder Hand gedeihen. Kann ich jetzt gehen? Es ist wahrlich nicht einfach, eine Gruppe wie diese im Zaum zu halten, das muss ich schon sagen. Und ich verfüge über einige Erfahrung in der Leitung von Gruppen auf ganz verschiedenen Ebenen. Aber in einem Zusammenhang wie diesem sind unterschiedliche Sprachen für unterschiedliche Gruppierungen notwendig, und eine so ausgeprägte Heterogenität ist nicht leicht zu beherrschen. Dennoch bin ich der Meinung, dass ich auf das Verschwinden sehr schnell reagiert habe. Sie kann nicht länger als eine Viertelstunde fort gewesen sein, als ich die Suche organisiert habe, und ich glaube, dass wir das Gelände ziemlich gut abgedeckt haben.
Die Organisation funktionierte über Erwarten gut, Jugendliche und hoffnungslose Fälle unter den Erwachsenen an den unwichtigen Positionen, die Zuverlässigen an den wichtigen. (Ich meine zum Beispiel, wie heißt sie, Lisa, die Mutter von Felicia, es ist schwer vorstellbar, dass überhaupt ein Kind in ihr heranwachsen konnte. Als gäbe es die geringste Spur von Biologie in dem Körper.) Nun gut, ich organisierte es auf jeden Fall so, dass Nils, der Vater von Anton, ins Dorf ging und dort nachforschte, Sven-Olof, der Vater von Gina, musste den westlichen Teil des Waldes übernehmen und Reine, Albin und Alvins Vater, den südlichen, während die zuverlässigsten Jungen, unter der Führung meines Sohns Daniel, den nördlichen Teil übernahmen.
Ich selbst habe die Landstraße unter die Lupe genommen, die Reichsstraße 90, und konnte so als mobiler Koordinierungspunkt dienen. Leider musste ich die arme Alma mitschleppen, die nicht zu den selbstständigsten Wesen gehört, weshalb mein Tempo auf ein kümmerliches Niveau gesenkt wurde. Jedenfalls muss ich gestehen, dass meine Beobachtungen sich auf drei vorbeifahrende Autos beschränkten, einen luxuriösen silberfarbenen Volvo S60, einen alten dunkelblauen Opel Astra und einen ziemlich neuen rot-metallicfarbenen Volkswagen Passat, ich bin sicher, dass es ein 1.8T war. Alle Autos hatten schwedische Nummernschilder und fuhren in südliche Richtung. Ich habe mir alle Details dieser Wagen notiert. Hier bitte. Als ich später die Ergebnisse der Suche zusammenfassen wollte, musste ich ganz einfach akzeptieren, dass Emily spurlos verschwunden war. Ich hoffe wirklich, dass ich nicht auch noch Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen soll. Ich kann ja nicht alles selbst machen.
Scheiße, war das eine Quälerei durch den Wald. Was glaubten die denn, was wir finden würden? Emily, die hinter einer Tanne sitzt und plärrt? Oder in den Händen eines Pädophilenarschs mit bluttriefender Motorsäge? Und was, verdammt noch mal, hätte es genutzt, uns zu zweit loszuschicken zwei Vierzehnjährige gegen einen irren Pädophilenarsch. Marcus hat uns in den Tod geschickt, hat an nichts anderes als an seine, wie heißt es, Autorität gedacht. Es war wirklich ein Scheißjob, sich durch den Wald zu quälen. Ich bin ganz sicher, dass ich und Mara den beschissensten Teil im ganzen Wald hatten, man kam keinen Meter voran, ohne sich überall Verletzungen zu holen. Scheiße, hab ich mir das Gesicht zerkratzt, sehen Sie mal hier, die Schramme. Nein, hier, auf der Stirn.
Marcus hat wie immer auf die Mädchen gepfiffen, als er seine »Richtlinien« ausgab ich weiß nicht, ob sich überhaupt jemand darum gekümmert hat , also haben wir mit Astrid geredet, ja, unserer Lehrerin, und sie suchte eine Richtung heraus, in die noch niemand gegangen war, und sagte, sie würde ganz in der Nähe bleiben, wir bräuchten also nur zu rufen, falls irgendwas wäre. Ja, die ist echt in Ordnung. Mara hatte ihren kleinen Taschenkompass mit, und wir zogen genau nach Westen, mitten durchs Dornengestrüpp. Dann kamen natürlich Anki und Lovisa und haben sich an uns rangehängt. Was dann auf dem Weg zum Fluss passierte? Nichts Besonderes, glaub ich. Wir sahen Astrid ein paar Mal von Weitem, und dann sah ich Anton, Jonatan und Sebastian ein Stück, was ist das, ja, nördlich von uns, ich erkannte Sebastians bescheuerten militärgrünen Fleecepulli. Dann kamen wir runter zum Fluss.
Der rauscht und tobt mit einer Wahnsinnsströmung, da kommt keiner rüber. Aber ich glaube nicht, dass sie sich ertränkt hat, Scheiße, niemals, aber man weiß ja nie, was Emily sich einfallen lässt, sie ist ziemlich, na ja, schwierig. Doch, wir sind schon Kumpel, aber das heißt nicht, dass ich checke, was sie macht. Anki sagt, dass sie sie um zehn vor eins gesehen hat, oben in ihrem Zimmer, und als wir uns sammeln sollten fürs Vorlesen, war es wohl so zehn nach eins, da war sie weg. Sie war nirgends zu finden. Glauben Sie wirklich, dass sie tot ist?
Ich bin seit einem Jahr ihre Klassenlehrerin, ja, die ganze Siebente, und natürlich frage ich mich manchmal, was für ein Leben ich führe. Wenn die Jungen auf den Bänken toben und die Mädchen mit ihren schrillen Stimmen schreien, als wollten sie testen, wie gut sie tragen, kann ich mich ans Lehrerpult setzen und im Vorlesebuch lesen und versuchen, mich daran zu erinnern, was mich eigentlich dazu getrieben hat, Lehrerin zu werden. Schwedisch und Englisch, ja klar, aber in erster Linie war es doch der Wunsch, etwas zu vermitteln, auch dass Wissen Spaß macht. Dass es schön ist, Dinge zu verstehen, statt sich in einer Welt zu bewegen, die einem immer unbekannter erscheint, je älter man wird. Dass die Sprache unser Weg zur Freiheit ist.
Dass die Vielseitigkeit der Literatur unübertroffen ist, wenn man etwas über die Vielseitigkeit des Lebens lernen will. Sich selbst ein wenig besser zu verstehen und dadurch andere. Jedes Mal, wenn ich im Vorlesebuch versinke, denke ich daran, dass ich nicht aufgeben will, trotz allem nicht. Also beharre ich auf dem Vorlesen, sosehr sie auch protestieren und es als Kinderkram oder Cyberpunk bezeichnen.
Mehr über unsere Autoren und Bücher: www.piper.de
ISBN: 978- 3-492-05350-1
© Arne Dahl 2005 Deutsche Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München 2010
Satz: Kösel, Krugzell
Druck und Bindung: CPI Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
Dieser Scheißwald erstreckt sich ja das ganze Stück von Südwesten nach Nordosten, hundertachtzig Grad Wald, bevor er nach ungefähr einem Kilometer in einem fast perfekten Halbkreis von der Flussbiegung aufgefangen wird. Sie wissen ja, wie es aussieht. Ich ging fast genau nach Norden, wo der Wald natürlich am dichtesten war. Undurchdringlich. Ich habe mir meine neue Jacke zerrissen, von Ralph Lauren ich geh mal davon aus, dass sie mir aus der Klassenkasse ersetzt wird. Schließlich entdeckte ich einen Pfad, der zum Fußballplatz führte, Sie wissen schon, am nördlichen Rand der Ortschaft. Manchmal sah ich ein paar von den Jungs zwischen den Bäumen. Alle brüllten >Emily<, so laut sie konnten mit ihren krächzenden Stimmbruchstimmen. Wer sie genau waren, weiß ich nicht, aber auf einer Lichtung sah ich einen von ihnen den Großen, diesen Wichtigtuer, ich glaube, Jesper heißt er , wie er etwas in die Höhe hielt.
Ich dachte, dass ich mich damit nicht weiter befassen müsste, also ging ich schnell zur anderen Seite und stieß auf den Pfad. Ich kam mir vor, als wäre ich allein auf der Welt. Als ich fast beim Fußballplatz war, flog ein Schwarm Krähen auf, wahrscheinlich Krähen, mit einem richtigen Knall, ungefähr zehn Meter vor mir. Sie haben mich zu Tode erschreckt. Mit rasendem Herzen trat ich auf den Fußballplatz hinaus und sah mich um. Am anderen Ende tauchte meine hübsche Felicia auf, zusammen mit dieser unerträglich unförmigen Vanja, die sie immer im Schlepptau haben muss. Sie tat, als sähe sie mich nicht. Der Pfad ging auf der anderen Seite des Fußballplatzes weiter, ich folgte ihm und kam kurz darauf an den Fluss. Keine Spur von irgendetwas, nur diese verdammten Mücken und Gnitzen und andere Gottesplagen.
Wirklich eine tolle Idee, die Klassenfahrt in diese Walachei hier zu machen, wo Banjospieler mit sechs Fingern an jeder Hand gedeihen. Kann ich jetzt gehen? Es ist wahrlich nicht einfach, eine Gruppe wie diese im Zaum zu halten, das muss ich schon sagen. Und ich verfüge über einige Erfahrung in der Leitung von Gruppen auf ganz verschiedenen Ebenen. Aber in einem Zusammenhang wie diesem sind unterschiedliche Sprachen für unterschiedliche Gruppierungen notwendig, und eine so ausgeprägte Heterogenität ist nicht leicht zu beherrschen. Dennoch bin ich der Meinung, dass ich auf das Verschwinden sehr schnell reagiert habe. Sie kann nicht länger als eine Viertelstunde fort gewesen sein, als ich die Suche organisiert habe, und ich glaube, dass wir das Gelände ziemlich gut abgedeckt haben.
Die Organisation funktionierte über Erwarten gut, Jugendliche und hoffnungslose Fälle unter den Erwachsenen an den unwichtigen Positionen, die Zuverlässigen an den wichtigen. (Ich meine zum Beispiel, wie heißt sie, Lisa, die Mutter von Felicia, es ist schwer vorstellbar, dass überhaupt ein Kind in ihr heranwachsen konnte. Als gäbe es die geringste Spur von Biologie in dem Körper.) Nun gut, ich organisierte es auf jeden Fall so, dass Nils, der Vater von Anton, ins Dorf ging und dort nachforschte, Sven-Olof, der Vater von Gina, musste den westlichen Teil des Waldes übernehmen und Reine, Albin und Alvins Vater, den südlichen, während die zuverlässigsten Jungen, unter der Führung meines Sohns Daniel, den nördlichen Teil übernahmen.
Ich selbst habe die Landstraße unter die Lupe genommen, die Reichsstraße 90, und konnte so als mobiler Koordinierungspunkt dienen. Leider musste ich die arme Alma mitschleppen, die nicht zu den selbstständigsten Wesen gehört, weshalb mein Tempo auf ein kümmerliches Niveau gesenkt wurde. Jedenfalls muss ich gestehen, dass meine Beobachtungen sich auf drei vorbeifahrende Autos beschränkten, einen luxuriösen silberfarbenen Volvo S60, einen alten dunkelblauen Opel Astra und einen ziemlich neuen rot-metallicfarbenen Volkswagen Passat, ich bin sicher, dass es ein 1.8T war. Alle Autos hatten schwedische Nummernschilder und fuhren in südliche Richtung. Ich habe mir alle Details dieser Wagen notiert. Hier bitte. Als ich später die Ergebnisse der Suche zusammenfassen wollte, musste ich ganz einfach akzeptieren, dass Emily spurlos verschwunden war. Ich hoffe wirklich, dass ich nicht auch noch Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen soll. Ich kann ja nicht alles selbst machen.
Scheiße, war das eine Quälerei durch den Wald. Was glaubten die denn, was wir finden würden? Emily, die hinter einer Tanne sitzt und plärrt? Oder in den Händen eines Pädophilenarschs mit bluttriefender Motorsäge? Und was, verdammt noch mal, hätte es genutzt, uns zu zweit loszuschicken zwei Vierzehnjährige gegen einen irren Pädophilenarsch. Marcus hat uns in den Tod geschickt, hat an nichts anderes als an seine, wie heißt es, Autorität gedacht. Es war wirklich ein Scheißjob, sich durch den Wald zu quälen. Ich bin ganz sicher, dass ich und Mara den beschissensten Teil im ganzen Wald hatten, man kam keinen Meter voran, ohne sich überall Verletzungen zu holen. Scheiße, hab ich mir das Gesicht zerkratzt, sehen Sie mal hier, die Schramme. Nein, hier, auf der Stirn.
Marcus hat wie immer auf die Mädchen gepfiffen, als er seine »Richtlinien« ausgab ich weiß nicht, ob sich überhaupt jemand darum gekümmert hat , also haben wir mit Astrid geredet, ja, unserer Lehrerin, und sie suchte eine Richtung heraus, in die noch niemand gegangen war, und sagte, sie würde ganz in der Nähe bleiben, wir bräuchten also nur zu rufen, falls irgendwas wäre. Ja, die ist echt in Ordnung. Mara hatte ihren kleinen Taschenkompass mit, und wir zogen genau nach Westen, mitten durchs Dornengestrüpp. Dann kamen natürlich Anki und Lovisa und haben sich an uns rangehängt. Was dann auf dem Weg zum Fluss passierte? Nichts Besonderes, glaub ich. Wir sahen Astrid ein paar Mal von Weitem, und dann sah ich Anton, Jonatan und Sebastian ein Stück, was ist das, ja, nördlich von uns, ich erkannte Sebastians bescheuerten militärgrünen Fleecepulli. Dann kamen wir runter zum Fluss.
Der rauscht und tobt mit einer Wahnsinnsströmung, da kommt keiner rüber. Aber ich glaube nicht, dass sie sich ertränkt hat, Scheiße, niemals, aber man weiß ja nie, was Emily sich einfallen lässt, sie ist ziemlich, na ja, schwierig. Doch, wir sind schon Kumpel, aber das heißt nicht, dass ich checke, was sie macht. Anki sagt, dass sie sie um zehn vor eins gesehen hat, oben in ihrem Zimmer, und als wir uns sammeln sollten fürs Vorlesen, war es wohl so zehn nach eins, da war sie weg. Sie war nirgends zu finden. Glauben Sie wirklich, dass sie tot ist?
Ich bin seit einem Jahr ihre Klassenlehrerin, ja, die ganze Siebente, und natürlich frage ich mich manchmal, was für ein Leben ich führe. Wenn die Jungen auf den Bänken toben und die Mädchen mit ihren schrillen Stimmen schreien, als wollten sie testen, wie gut sie tragen, kann ich mich ans Lehrerpult setzen und im Vorlesebuch lesen und versuchen, mich daran zu erinnern, was mich eigentlich dazu getrieben hat, Lehrerin zu werden. Schwedisch und Englisch, ja klar, aber in erster Linie war es doch der Wunsch, etwas zu vermitteln, auch dass Wissen Spaß macht. Dass es schön ist, Dinge zu verstehen, statt sich in einer Welt zu bewegen, die einem immer unbekannter erscheint, je älter man wird. Dass die Sprache unser Weg zur Freiheit ist.
Dass die Vielseitigkeit der Literatur unübertroffen ist, wenn man etwas über die Vielseitigkeit des Lebens lernen will. Sich selbst ein wenig besser zu verstehen und dadurch andere. Jedes Mal, wenn ich im Vorlesebuch versinke, denke ich daran, dass ich nicht aufgeben will, trotz allem nicht. Also beharre ich auf dem Vorlesen, sosehr sie auch protestieren und es als Kinderkram oder Cyberpunk bezeichnen.
Mehr über unsere Autoren und Bücher: www.piper.de
ISBN: 978- 3-492-05350-1
© Arne Dahl 2005 Deutsche Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München 2010
Satz: Kösel, Krugzell
Druck und Bindung: CPI Clausen & Bosse, Leck
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Autoren-Porträt von Arne Dahl
Arne Dahl ist das Pseudonym des schwedischen Romanautors Jan Arnald, geboren 1963. Arnald ist Literatur- und Theaterkritiker und arbeitet für die Schwedische Akademie, die alljährlich den Nobelpreis vergibt. Als Arne Dahl wurde er in den letzten Jahren mit seinen Kriminalromanen um den Stockholmer Inspektor Paul Hjelm und die Sonderermittler der A-Gruppe bekannt und von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. Wolfgang Butt zählt zu den bekanntesten literarischen Übersetzern aus dem Schwedischen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Arne Dahl
- 2010, 415 Seiten, Maße: 13,5 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Wolfgang Butt
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492053505
- ISBN-13: 9783492053501
- Erscheinungsdatum: 12.02.2010
Rezension zu „Dunkelziffer “
»Arne Dahl spielt mit uns wie ein Mörder mit seinem Opfer.« Expressen »Dahls Spurendickicht scheint oft undurchdringlich, aber wie ein guter Lotse bugsiert der Autor den Leser dabei schrittweise zu neuen Sichten. Und zu einem beklemmenden mehrteiligen Showdown, der weder befreit noch erlöst. Ein komplexes Gesellschaftspanorama mit erschreckenden Einblicken in finstere seelische Abgründe. Wieder mit vielen Handlungssträngen, die parallel verlaufen, sich kreuzen oder nur berühren, um am Ende überraschend, aber logisch zusammengeführt zu werden. Reibenden Krimi-Spannung, ohne das brisante und sensible Thema zur Schlagzeile verhungern zu lassen. Berührend, wie plastisch, präzise und warmherzig der Autor das vielschichtig miteinander verbundene Figuren-Team charakterisiert.« Dresdner Neueste Nachrichten »Dunkelziffer ist ein Volltreffer, weil Arne Dahl von Beginn an auf mehreren Klaviaturen spielt, und damit seine Leser auf höchst nachdrückliche Weise fesselt. (...) Das Buch macht nachdenklich, man hält mehrfach inne und reflektiert den Inhalt. Und dennoch bleibt es ein hochspannender Thriller, von dem man sich nur wünschen kann, dass er komplette Fiktion ist.« krimi-couch.de
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