Flecken
Walter Höllerer und die Epiphanien der Moderne
Zum 100. Geburtstag des "Erfinders" des modernen Literaturbetriebs: Lyriker und Literaturprofessor - Walter Höllerer (1922-2003) verband poetischen Ausdruck und akademische Reflexion.Als Herausgeber der Zeitschrift "Akzente" setzte er den Literaturbetrieb...
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Produktinformationen zu „Flecken “
Klappentext zu „Flecken “
Zum 100. Geburtstag des "Erfinders" des modernen Literaturbetriebs: Lyriker und Literaturprofessor - Walter Höllerer (1922-2003) verband poetischen Ausdruck und akademische Reflexion.Als Herausgeber der Zeitschrift "Akzente" setzte er den Literaturbetrieb auf die moderne Spur. Er vermittelte den französischen Nouveau Roman, die Lyrik der amerikanischen Beat-Generation und die sprachexperimentelle Literatur osteuropäischer Länder in Zeiten des Kalten Kriegs. Für die neuen Stimmen der deutschsprachigen Literatur wie die von Günter Grass, Peter Weiss oder Ingeborg Bachmann hatte er ein einzigartiges Gespür und wurde zu ihrem ersten Förderer. Auch bei der Gruppe 47 mischte Höllerer kräftig mit und zugleich gründete er das Literarische Colloquium Berlin als eine moderne Institution, die den Weg in die Gegenwartsliteratur ebnete. Entscheidend dafür war, dass er die Literatur für die Alltagswirklichkeit und für die neue Formen einer "Sprache im technischen Zeitalter" öffnete. Da er die Welt als ein umfassendes kulturelles Zeichensystem verstand, konnte er die Literatur mit den Medien des Fernsehens, Rundfunks und Films verbinden und neue literarische Veranstaltungsformen entwickeln: ein kollektives Schreibseminar, experimentelles Theater auf kleinen Bühnen, internationale Vortragsreihen mit Event-Charakter, Workshops mit Autoren und Übersetzern, unabhängige Publikationsformen oder die Akzentuierung literarischer Stadt-Profile. Hinter dem glänzenden Erfolg lässt sich aber auch eine Ambivalenz erkennen, die die Modernisierung im Allgemeinen und die Entwicklung des Literaturbetriebs im Besonderen kennzeichnet. Schon früh hatte Höllerer James Joyces Poetik einer "Epiphanie" aufgegriffen und vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrung der NS-Zeit, des Weltkriegs und der neuen Welt im technischen Zeitalter weiterentwickelt, dessen innovatives, aber auch zerstörerisches Potenzial er erkannte. Auf diese ambivalente Struktur der modernen Welt spielt das Motiv der "Flecken" an, das
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auch eine Gedichtgruppe im Band "Systeme" (1969) bezeichnet. "Flecken" sind kurze, beinahe willkürlich scheinende Notationen aus den Randgebieten des Sichtbaren [...]. Eingesprengte Fremdkörper in den Systemablauf, systemverweigernd" (Klappentext). Anlässlich seines 100. Geburtstags gilt es, mit Höllerer diese "Flecken" als Fluchtpunkte in den inneren und äußeren Landschaften der Moderne neu zu entdecken.
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Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Flecken “
FleckenAls Walter Höllerer Anfang der 1950er Jahre Hans Werner Richter erstmals besuchte, um in die damals schon ziemlich bekannt und exklusiv gewordene Gruppe 47 aufgenommen zu werden, gewann er ihn mit seinem Lachen. War es dröhnend, war es schallend? Nein, es war eine »Lache« von großer Eindringlichkeit und Durchschlagskraft, der man sich nicht entziehen konnte. »In dieser Zeit wurde in der 'Gruppe 47' viel gelacht, auch im kritischen Gespräch, und wenn alle im Chor lachten, hörte ich seine Lache noch immer heraus«, erinnerte sich Richter.1Ein schief in der Gegend stehender Vogel, der sich aus Bayernnach Preußen verflogen hatte, lachte, daß den Bäumen im März schondie Knospen sprangen, lachte mit Echo und notfalls die Linden frühzeitig gelb,rief Günter Grass seinem Freund am Grabe nach.2 Walter Höllerer lachte.Er wurde mit einem Kauz verglichen.Er hatte ein Gesicht, das hielt man für urwüchsig und graue Augen, die trotz des vielen und lauten Lachens als traurig beschrieben werden konntenWalter Höllerer wirkte sympathisch,notierte Hubert Fichte ein paar Jahre vor seinem eigenen Tod im letzten Band seiner »Geschichte der Empfindlichkeit«.3Mit dem Lachen ging ein unglaublicher Erfolg einher. Richter sagte, Höllerer verfügte über ein »Behörden-Sex-Appeal«, mit dem er alles erreichte, was er wollte.4 Er war also ein 'Macher', ein'Veränderer' - und er wollte hoch hinaus. Heute gilt er gar als »Erfinder des Literaturbetriebs«.5 Von ihm gingen Neuerungen aus, die das literarische Leben seiner Zeit aufwirbelten. Einiges wurde legendär, anderes wurde vergessen. Aber vieles, was Höllerer machte, steht noch immer in einer Verbindung mit dem, was heutzutage die Gegenwartsliteratur und die moderne Literaturvermittlung ausmacht. Eine, die ihn damals erlebte und später Dozentin für kreatives Schreiben wurde, beschreibt sein aufwirbelndes Wirken so: »Als Walter Höllerer im Oktober 1959, gerade mal 36 Jahre alt, als Ordinarius der Germanistik an die Technische Universität Berlin
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berufen wurde, initiierte er - kaum in Berlin angekommen - eine Lesereihe mit dem programmatischen Titel:'Literatur im technischen Zeitalter'. Die Veranstaltung wurde ein Riesenerfolg: Studenten aus allen Berliner Hochschulen - Ost wie West - strömten in den Hörsaal 3010 der TU, um Max Frisch, Ingeborg Bachmann, Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger und Uwe Johnson lesen zu hören, zu erleben, mit ihnen zu diskutieren. Das hatte es bis dahin nicht gegeben!Wer war Höllerer, dass er über solche Kontakte verfügte? Dreifach prädisponiert für diese Rolle als Dozent, als Autor und als Herausgeber, wurde er für viele angehende und etablierte Autoren eine charismatische Bezugsperson. Dank seines Talents zur Kommunikation und seiner Leidenschaft fürs Aufspüren geglückter Texte spann er ein Netz von Verbindungen - nicht nur nach Italien, Frankreich, England, auch in die USA, deren 'Beat Poets' ihn begeisterten, dann nach Skandinavien und Osteuropa. Öffentliche Wirkung hatte er bereits als Lyriker erlangt, als der 'Spiegel' ihn mit seinem ersten Gedichtband 'Der andere Gast' (1952) in die vorderste Reihe der jungen deutschen Lyriker stellte, gleich neben Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Als Herausgeber war Höllerer für viele das Tor in die Öffentlichkeit; in der Literaturzeitschrift 'Akzente' fokussierten er und Hans Bender seit 1954 die innovativen Strömungen der deutschen - und weltweiten - Literatur, um ihr gegenüber den restaurativen Tendenzen in der Nachkriegsliteratur Gewicht zu verschaffen. Zudem hatte er mit 'Transit. Lyrikbuch der Jahrhundertmitte' (1956) eine Anthologie herausgegeben, in der Gedichte bekannter Dichter 'demokratisch' neben Erstlingsgedichten standen: Ohne unmittelbaren Hinweis auf den Autor mussten die Leser sich selbst mit dem Text auseinandersetzen. Auch dies ein Novum.Als Organisator kultureller Veranstaltungen im Berlin der 60er Jahre erntete Höllerer euphorischen Zuspruch, Respekt und - Häme. Doch der Respekt überwog. Höllerer
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Inhaltsverzeichnis zu „Flecken “
Flecken Larvatus prodeo Poetikvorlesung Literaturvermittlungskaskaden Bausteine zu einer Topografie des Gegenwärtigen Kreatives SchreibenWelt aus Zeichen Kulturpolitik Serendipity und der Blick auf die Vergiftungslandschaft Anmerkungen
Autoren-Porträt von Heribert Tommek
Heribert Tommek studierte Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Komparatistik und Philosophie an der FU Berlin; 2000 Promotion. 2013 Habilitation mit einer Arbeit über die Entwicklung des literarischen Feldes (1960-2000), seit 2014 Vorsitzender des von Walter Höllerer gegründeten Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Heribert Tommek
- 2022, 190 Seiten, Maße: 12,3 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Herausgegeben: Heribert Tommek
- Verlag: Edition Text und Kritik
- ISBN-10: 3967077438
- ISBN-13: 9783967077438
- Erscheinungsdatum: 29.11.2022
Pressezitat
"Zum 100. Geburtstag Höllerers hat nun der Literaturwissenschaftler Heribert Tommek, der seit 2014 auch Leiter des von Höllerer selbst gegründeten Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg ist, alle Verdienste des großen Literatur-Impresarios in seiner Werkstudie 'Flecken' zusammengetragen. Das Buch konzentriert sich auf Höllerers Poetik der AugenblicksWahrnehmung und seine 'Topographie des Gegenwärtigen', seine biografischen Stationen werden nur gestreift. An einigen Stellen geht Tommek aber auch auf das biografische Trauma Höllerers ein."Michael Braun, Signaturen, 20.12.2022"Auf einen Leser freute ich mich besonders für diesen Artikel, der ihn nun nicht mehr lesen kann, denn er ist vor ein paar Wochen überraschend gestorben: Michael Braun. (...) Man kann sehr gut an Höllerer anknüpfen. Auch wenn es um Braun geht. Wie wird man nun mit seinem tausendteiligen Werk umgehen? Wird man es glätten, aufhübschen, einen Sammelband an seine Stelle setzen, ambitionierter, als er es je war? Mit klugen Herausgebern, die herausgreifen, was gerade zum poetischen Zeitgeist passt? Oder lässt man sich auf das Bild vom Elefantengedächtnis ein? (...) Durch all die Jahre und Phasen. Wenn unser elefantischer Anteil erst einmal aktiviert wird, entsteht mehr und mehr Raum und Tiefe. Wie wollen wir mit unseren Erfahrungen und denen unserer Zeitgenossen umgehen? Lethe heißt einer der beiden Flüsse im antiken Totenreich. Wer aus ihm trinkt, vergisst. Im Anthropozän scheint er an die Oberfläche geraten zu sein. Wie wollen wir leben, jetzt, lethisch oder elefantisch?"Dieter M. Gräf, der Freitag, 3/20223
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