Ein Hund ist auch keine Lösung
Roman. Deutsche Erstveröffentlichung
Sie war nicht gerade glücklich, als sie ihren Ex-Freund mit seiner tollen Neuen und dem Hund gesehen hat. Aber den Hund wollte sie bestimmt nicht stehlen. Er saß plötzlich bei ihr im Auto. Und nun? Sie kann nur hoffen, dass ihr Ex ein Herz für verrückte Singles hat.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ein Hund ist auch keine Lösung “
Sie war nicht gerade glücklich, als sie ihren Ex-Freund mit seiner tollen Neuen und dem Hund gesehen hat. Aber den Hund wollte sie bestimmt nicht stehlen. Er saß plötzlich bei ihr im Auto. Und nun? Sie kann nur hoffen, dass ihr Ex ein Herz für verrückte Singles hat.
Klappentext zu „Ein Hund ist auch keine Lösung “
Der Ex, seine Neue und ihr HundEigentlich wollte sie den Hund gar nicht stehlen. Er saß plötzlich einfach so in ihrem Auto. Nun gut, glücklich war sie nicht gerade, als sie das perfekte Leben ihres Exfreundes in Augenschein nahm. Seine tolle neue Freundin und eben dieser Hund, der die kleine Familie so vollkommen ergänzte, ließen Rachegefühle aufkommen. Nur jetzt hat sie ein weiteres Problem: Was tun mit diesem übergroßen Golden Retriever, der ihre kleine Wohnung auf den Kopf stellt? Soll sie es ihrem Ex beichten und ihn für immer verlieren? Oder darauf hoffen, dass er doch ein Herz für einen verrückten Single hat
Eine witzige und gleichzeitig rührende romantische Komödie.
'Urkomisch, bewegend und einfach inspirierend - 'Ein Hund ist auch keine Lösung' ist grenzenloser Spaß und schlichtweg unwiderstehlich!' Garth Stein, Autor des New-York-Times-Bestsellers "Enzo - die Kunst ein Mensch zu sein." --
'Eine romantische Komödie, die zu Herzen geht.' -- Freizeit Illustrierte
'Eine romantische Komödie, die zu Herzen geht.' -- Freizeit Illustrierte
Lese-Probe zu „Ein Hund ist auch keine Lösung “
Ein Hund ist auch keine Lösung von Mary GutersonEigentlich habe ich den Hund gar nicht gestohlen. Ich habe ihn bloß eingeladen – den Hund –, und er war so freundlich, meine Einladung anzunehmen. Ich glaube, man kann es dem Hund nicht verdenken, dass er ein gewisses Interesse an mir und dem Innenraum meines Autos zeigte. In dem kleinen Hundeauslauf, den sie ihm gebaut hatten, musste er sich ja zu Tode gelangweilt haben. Wie er so ganz alleine dagesessen und darauf gewartet hat, dass endlich mal was passiert. Na ja, gesessen hat er eigentlich nicht so richtig. Mehr gelegen.
Schlafend. Bis ich vorbeigekommen bin und ihn geweckt habe. Aber ich bin mir sicher, ihm muss wirklich stinklangweilig gewesen sein, denn warum hätte er wohl sonst am helllichten Nachmittag derart tief und fest geschlafen?
Ich habe also die Autotür aufgemacht, und er ist reingesprungen, als gehörte der Wagen ihm. Ohne zu zögern. Nicht mal herumgeschnüffelt hat er, sich bloß auf den Beifahrersitz gepflanzt, und seine große schlabberige Zunge hing ihm aus der großen schlabberigen Hundeschnauze. Er sah aus, als könne er es kaum erwarten, dass es endlich losgeht.
Und nun frage ich Sie. Ist das Diebstahl?
Okay, es ist Diebstahl.
Die Sache ist nämlich die: Mein Freund hat mich verlassen, also habe ich den Hund mitgenommen. Ich weiß, das klingt jetzt wie eine billige Ausrede. Aber so billig ist sie gar nicht, wenn man den kleinen, belanglosen und nebenbei bemerkt offenbar zu vernachlässigenden Umstand bedenkt, dass wir verlobt waren, Brian und ich. »Verlobt«, wie in »Verliebt, verlobt, verheiratet«. Man könnte wohl sagen, es handelte sich um einen besonders schweren Fall von vollkommenem Kommunikationsversagen. Als wir beschlossen zu heiraten, hatte sich mir nämlich irgendwie der Eindruck aufgedrängt, das bedeute so viel wie, na ja,
... mehr
»Ehe«. Ring, weißes Kleid, Flitterwochen auf Hawaii, das ganze Programm. Wohingegen mein Exverlobter, wie sich schnell herausstellen sollte, unter Heirat verstand, sich klammheimlich bei Nacht und Nebel aus dem Staub und an eine große, blonde, durchtrainierte Schnepfe ranzumachen. Ha! War ich wohl leider doch nicht die Liebe seines Lebens! Gut, es wäre nicht verkehrt gewesen, hätte ich diese nicht gerade unbedeutende Tatsache nur ein klitzekleines bisschen früher erfahren sagen wir, sechs oder sieben Jahre vielleicht , aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert, stimmt's? Ich schaute auf das kleine Schildchen an dem lila Hundehalsband. »Tilly«, stand da. Gab es einen dämlicheren Hundenamen? Tilly? Das hier war ein Hundejunge, Herrgott noch mal. Hatten sie das übersehen? »Ab jetzt heißt du nicht mehr Tilly«, entschied ich. »Und du trägst auch kein scheußliches lila Halsband mehr.« Ich weiß auch nicht, was mich da wieder mal geritten hat. Keine fünf Minuten zuvor hatte ich noch nicht die geringste Absicht gehabt, irgendwann mal Hundehalterin zu werden. Was mal wieder beweist, dass man nie weiß, was die Zukunft so bringt.
Es war ein Sonntag Anfang September, als ich den vormaligen Tilly das erste Mal sah. Derselbe Sonntag, an dem ich zu meiner Mutter zum Brunch eingeladen war. Er erfüllte mich nicht gerade mit Vorfreude, dieser Sonntagsbrunch, und zwar nicht nur, weil meine Mutter nicht mal eine Scheibe Brot toasten kann, ohne sie anbrennen zu lassen – ganz zu schweigen von all den anderen für einen anständigen Brunch benötigten Nahrungsmitteln.
Nein. Es lag vielmehr daran, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört hatte, dass meine Mutter das Wort »Sonntagsbrunch« benutzte. Sonntag, ja. Und auch den Ausdruck Brunch mag sie in ihren achtundfünfzig Lebensjahren womöglich das eine oder andere Mal in den Mund genommen haben. Aber doch nicht beides zusammen in einem Atemzug. Von daher wusste ich, dass etwas im Busch war.
Meine Mutter ist Kupplerin mit Leib und Seele.
Vielleicht die Letzte ihrer Art. Man zeige ihr einen alleinstehenden Menschen gleich welcher Größe, Gestalt, welchen Alters oder Intellekts, und augenblicklich beginnt es in ihren Gehirnwindungen zu rumoren, während sie im Geiste die Daten mit denen all der anderen alleinstehenden Menschen abgleicht, die sie ei gens zum Zwecke ihrer Kuppeltätigkeiten abgespeichert hat. Es gibt nichts, was sie glücklicher macht, als zwei einsame, verlassene Seelen zusammenzuführen. Völlig ungeachtet der Tatsache, dass diese einsamen, verlassenen Seelen möglicherweise ganz zufrieden mit ihrem Einsam und Verlassensein sind, und ohne zu berücksichtigen, ob sie überhaupt einen Partner für den Rest ihres Lebens oder auch bloß eine Verabredung zum Sonntagsbrunch wünschen oder nicht. Mutter hat immer recht. Einsame Seelen muss man zueinanderführen, ob sie nun wollen oder nicht.
Vor allem einsame Tochterseelen.
Und tatsächlich, als ich an jenem Morgen im September in ihr Haus spazierte, saß da ein Mann im beigen Pullover und mit unmoderner Brille auf der Nase in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa; ein Mann, den ich mir größte Mühe gab, geflissentlich zu übersehen. Das Metallgestell seiner Brille war überdimensional groß wie eine Fliegerbrille, er hatte einen Schnurrbart, und die schwarzen Haare waren ordentlich aus der Stirn gekämmt. Er sah aus wie ein Serienkiller.
»Mutter«, sagte ich.
Sie war in der Küche und stocherte mit dem Finger in etwas herum, das entfernt an eine Pastete erinnerte und in mehrere Lagen Alufolie gewickelt auf einem Backblech im Ofen lag.
»Noch nicht ganz durch«, brummte sie und knallte die Ofentür schwungvoll zu.
»Wer ist denn der Serienkiller im Wohnzimmer?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Wenn man mit einem einzigen Satz unsere gesamte Mutter-Tochter-Beziehung zusammenfassen könnte, so hatte meine Mutter ihn gerade gesprochen.
Aber Moment mal. Meine Mutter sah gar nicht aus wie meine Mutter. Normalweise zog meine Mutter sich genau so an, wie man es von einer eher üppigen Frau erwarten würde, die früher einmal Hippie und heute Sozialarbeiterin war: wallende Hosen, Tunikablusen in gedeckten Erdtönen, handgewebte Schals, flache Schuhe. Heute jedoch hatte sie ihre gewohnte Garderobe gegen eine vollkommen neue Aufmachung eingetauscht – einen knielangen marineblauen Rock, eine taillierte weiße Bluse, am Ausschnitt so weit aufgeknöpft, dass ein alarmierendes Ausmaß mütterlichen Dekolletees daraus hervorblitzte, und das Befremdlichste von allem: ein Paar Lederstiefel, die ihre Waden oben herum ziemlich unangenehm einzuschnüren schienen. Sie sah aus wie ein Schulmädchen, wenn auch wie ein mehrere dutzend Mal sitzengebliebenes.
Ich sagte kein Wort – bloß weil meine Mutter keine Gelegenheit ausließ, an meinem Äußeren herumzukritteln, musste ich mich ja noch lange nicht auf ihr Niveau herablassen. Ich sah sie bloß an. Durchdringend. Hatte sie den Verstand verloren?
»Was denn?«, fragte sie, als wüsste sie es nicht schon längst.
»Och, gar nichts«, entgegnete ich.
Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass es das Beste ist, in Anwesenheit meiner Mutter sämtliche potenziell konfliktträchtige Gesprächsthemen tunlichst zu meiden.
Was vermutlich auch erklärt, warum wir kaum miteinander reden. Wie es sein kann, dass meine Mutter tagtäglich das allergrößte Verständnis für unverheiratete Teenie- Mütter aufbringt, während sie es andererseits nicht mal schafft, das winzigste Fünkchen Verständnis für mich aufzubringen, ist mir ein Rätsel, das ich lieber nicht lösen möchte. Sie holte eine große Glasschüssel mit Salat aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Arbeitsplatte.
»Hast du saubere Hände?«, fragte sie mich.
»Er interessiert mich nicht.«
»Niemand verlangt von dir, dass du dich für irgendwen interessierst.«
»Gut. Wie schön, dass wir das geklärt hätten.«
»Misch den Salat mal durch, wärst du so lieb?«
Ich sagte ja, und sie sagte, ich solle mir zuerst die Hände waschen, und ich sagte danke, dass sie mich daran erinnerte, sonst hätte ich es möglicherweise vergessen.
Ich schnitt eine Tomate in Scheiben und verteilte sie schwungvoll auf dem Salat.
»Er heißt Ronald«, informierte mich meine Mutter. »Sei nett zu ihm.«
»Ich bin immer nett.«
»Von wegen!«
Genau in diesem Augenblick kam meine Schwester Alicia mit einer neuen Perücke auf dem Kopf herein. Schulterlang mit langem Pony und einer leichten Außenwelle.
Sehr Swinging-Sixties-mäßig.
»Hi, Rena«, begrüßte sie mich. Und dann zwinkerte sie mir zu.
»Ich weiß. Serienkiller«, entgegnete ich.
»So schlimm ist er nicht.«
»Dann nimm du ihn doch.«
»Ich bin schon vergeben.«
Was absolut stimmte. Alicia, die sich inzwischen Aviva nennt, ist seit mittlerweile neun Jahren mit ihrem Augenarzt- Ehemann namens Aryeh – vormals Alan – verheiratet.
Sie haben fünf Kinder. Fünf. Und ich glaube nicht, dass sie damit ihren Beitrag zur Neubevölkerung der Erde schon abgeschlossen haben. Glücklicherweise hatte sie an jenem Morgen ihre fünf Kinder zu Hause bei Aryeh gelassen.
»Das ist doch koscher, oder?«, fragte Alicia und zeigte auf den Ofen. Meine Mutter in ihrer Schulmädchen-Aufmachung wurde zwar kurz von Kopf bis Fuß gemustert, aber meine Schwester verkniff es sich heldenhaft, eine Grimasse zu ziehen oder irgendeine Bemerkung zu machen.
Stattdessen warf sie mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem Schulterzucken erwiderte. So oder so ähnlich haben wir uns ohne Worte miteinander verständigt, solange ich denken kann. Es mögen uns vielleicht vier Jahre (Alicia ist die Ältere von uns beiden) und ganze Welten voneinander trennen, aber wir haben dieselbe Mutter, und das ist mehr als genug, um uns für alle Ewigkeit
zusammenzuschweißen.
»Natürlich ist das koscher«, entgegnete meine Mutter.
»Glaubst du etwa, ich würde dir irgendwas vorsetzen, das nicht koscher ist?«
»Wo hast du das denn gekauft?«
An dieser Stelle klinkte ich mich aus dem Gespräch aus. Ich kann dieses ganze Koscher-oder-nicht-Gerede nicht ertragen. In ziemlich genau zwei Minuten würde Alicia ein kurzes Gebet an der Spüle sprechen und sich Wasser aus einem ganz speziellen Krug über die Hände gießen. Dieses ganze Affentheater macht mich ganz kirre.
Eines Tages werde ich mich sicher damit abfinden, dass meine Schwester, die früher Bagels mit Frischkäse aß und zwar nicht an Jesus glaubte, aber auch nicht so recht wusste, woran sie sonst eigentlich so glaubte, sich in eine orthodoxe perückentragende Matrone und Mutter von fünf Kindern verwandelt hat. Aber augenblicklich scheint dieser Tag noch in ziemlich weiter Ferne zu liegen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf die tanzenden Keramik-Mexikaner, die seit dem letzten Besuch bei meiner Mutter Stellung an der Spüle bezogen hatten. Das Haus meiner Mutter ist schon lange vollgestopft bis unters Dach mit allen nur erdenklichen Nippes aus den entlegensten Winkeln der Erde. Als Kind hatte ich mir immer gewünscht, wir hätten ein ganz normales Haus, so eins mit nur einem einzigen Bild an der Wand oder einem Couchtisch, auf dem nichts draufsteht, statt so einer mit Schnickschnack überladenen Bude, die aussah wie der Ausstellungsraum eines Krimskrams-Importeurs. Aber inzwischen hatte ich mich an das geordnete Chaos meiner Mutter gewöhnt. Und auch wenn ich es nicht gerne zugab, musste ich gestehen, dass ich sie ein klein wenig beneidete um die tanzenden Mexikaner.
Gerade schüttelte ich eine Flasche mit einem italienischen Salatdressing, die ich im Kühlschrank gefunden hatte, als ich ganz unvermittelt die Fingerspitzen meiner Mutter an meinem Haar spürte.
»Was machst du denn da?«, fragte ich.
»Da sehen ein paar Haare raus«, erwiderte sie.
»Ach herrje«, stöhnte ich.
Ich sah zu meiner Schwester rüber. »Ich meinte, au weh.«
Alicia ignorierte mich.
Seit dem Tag, als ich – angeblich damals schon mit verstrubbeltem Schopf – ihrem Schoß entsprungen bin, sind meine Haare ein schier unerschöpflicher Quell unablässiger Verzweiflung für meine Mutter gewesen. Wie ich die Sache sehe, hätte sie eben, wenn sie keine Tochter mit krisseligem, kaum zu bändigendem Lockenkopf gewollt hätte, in einen anderen Genpool einheiraten sollen als in den meines kraushaarigen Vaters. Noch einmal strich sie mir mit sorgfältig manikürten Fingernägeln über den Kopf. Wie denn das? Hatte sie etwa bei der Tombola in der Synagoge eine Stilberatung gewonnen?
»Das reicht!«, protestierte ich.
Energisch goss ich das Dressing über den Salat.
»Geh raus und unterhalte dich mit Ronald«, kommandierte meine Mutter. »Na los.«
»Ich will mich aber nicht mit Ronald unterhalten«, widersprach ich.
»Sei nicht so unhöflich. Er ist unser Gast. Geh und biete ihm was zu trinken an. Das wirst du ja wohl können.
Ich weiß, dass du das kannst.«
In der Tat schien es wirklich schrecklich unhöflich, den Serienkiller auf dem Sofa weiterhin zu ignorieren. Was, wenn er wütend wurde, weil niemand sich um ihn kümmerte, und beschloss, uns drei zu den anderen zerstückelten Leichen in seiner Gefriertruhe zu stopfen?
Übersetzung: Stefanie Retterbush
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Es war ein Sonntag Anfang September, als ich den vormaligen Tilly das erste Mal sah. Derselbe Sonntag, an dem ich zu meiner Mutter zum Brunch eingeladen war. Er erfüllte mich nicht gerade mit Vorfreude, dieser Sonntagsbrunch, und zwar nicht nur, weil meine Mutter nicht mal eine Scheibe Brot toasten kann, ohne sie anbrennen zu lassen – ganz zu schweigen von all den anderen für einen anständigen Brunch benötigten Nahrungsmitteln.
Nein. Es lag vielmehr daran, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört hatte, dass meine Mutter das Wort »Sonntagsbrunch« benutzte. Sonntag, ja. Und auch den Ausdruck Brunch mag sie in ihren achtundfünfzig Lebensjahren womöglich das eine oder andere Mal in den Mund genommen haben. Aber doch nicht beides zusammen in einem Atemzug. Von daher wusste ich, dass etwas im Busch war.
Meine Mutter ist Kupplerin mit Leib und Seele.
Vielleicht die Letzte ihrer Art. Man zeige ihr einen alleinstehenden Menschen gleich welcher Größe, Gestalt, welchen Alters oder Intellekts, und augenblicklich beginnt es in ihren Gehirnwindungen zu rumoren, während sie im Geiste die Daten mit denen all der anderen alleinstehenden Menschen abgleicht, die sie ei gens zum Zwecke ihrer Kuppeltätigkeiten abgespeichert hat. Es gibt nichts, was sie glücklicher macht, als zwei einsame, verlassene Seelen zusammenzuführen. Völlig ungeachtet der Tatsache, dass diese einsamen, verlassenen Seelen möglicherweise ganz zufrieden mit ihrem Einsam und Verlassensein sind, und ohne zu berücksichtigen, ob sie überhaupt einen Partner für den Rest ihres Lebens oder auch bloß eine Verabredung zum Sonntagsbrunch wünschen oder nicht. Mutter hat immer recht. Einsame Seelen muss man zueinanderführen, ob sie nun wollen oder nicht.
Vor allem einsame Tochterseelen.
Und tatsächlich, als ich an jenem Morgen im September in ihr Haus spazierte, saß da ein Mann im beigen Pullover und mit unmoderner Brille auf der Nase in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa; ein Mann, den ich mir größte Mühe gab, geflissentlich zu übersehen. Das Metallgestell seiner Brille war überdimensional groß wie eine Fliegerbrille, er hatte einen Schnurrbart, und die schwarzen Haare waren ordentlich aus der Stirn gekämmt. Er sah aus wie ein Serienkiller.
»Mutter«, sagte ich.
Sie war in der Küche und stocherte mit dem Finger in etwas herum, das entfernt an eine Pastete erinnerte und in mehrere Lagen Alufolie gewickelt auf einem Backblech im Ofen lag.
»Noch nicht ganz durch«, brummte sie und knallte die Ofentür schwungvoll zu.
»Wer ist denn der Serienkiller im Wohnzimmer?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Wenn man mit einem einzigen Satz unsere gesamte Mutter-Tochter-Beziehung zusammenfassen könnte, so hatte meine Mutter ihn gerade gesprochen.
Aber Moment mal. Meine Mutter sah gar nicht aus wie meine Mutter. Normalweise zog meine Mutter sich genau so an, wie man es von einer eher üppigen Frau erwarten würde, die früher einmal Hippie und heute Sozialarbeiterin war: wallende Hosen, Tunikablusen in gedeckten Erdtönen, handgewebte Schals, flache Schuhe. Heute jedoch hatte sie ihre gewohnte Garderobe gegen eine vollkommen neue Aufmachung eingetauscht – einen knielangen marineblauen Rock, eine taillierte weiße Bluse, am Ausschnitt so weit aufgeknöpft, dass ein alarmierendes Ausmaß mütterlichen Dekolletees daraus hervorblitzte, und das Befremdlichste von allem: ein Paar Lederstiefel, die ihre Waden oben herum ziemlich unangenehm einzuschnüren schienen. Sie sah aus wie ein Schulmädchen, wenn auch wie ein mehrere dutzend Mal sitzengebliebenes.
Ich sagte kein Wort – bloß weil meine Mutter keine Gelegenheit ausließ, an meinem Äußeren herumzukritteln, musste ich mich ja noch lange nicht auf ihr Niveau herablassen. Ich sah sie bloß an. Durchdringend. Hatte sie den Verstand verloren?
»Was denn?«, fragte sie, als wüsste sie es nicht schon längst.
»Och, gar nichts«, entgegnete ich.
Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass es das Beste ist, in Anwesenheit meiner Mutter sämtliche potenziell konfliktträchtige Gesprächsthemen tunlichst zu meiden.
Was vermutlich auch erklärt, warum wir kaum miteinander reden. Wie es sein kann, dass meine Mutter tagtäglich das allergrößte Verständnis für unverheiratete Teenie- Mütter aufbringt, während sie es andererseits nicht mal schafft, das winzigste Fünkchen Verständnis für mich aufzubringen, ist mir ein Rätsel, das ich lieber nicht lösen möchte. Sie holte eine große Glasschüssel mit Salat aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Arbeitsplatte.
»Hast du saubere Hände?«, fragte sie mich.
»Er interessiert mich nicht.«
»Niemand verlangt von dir, dass du dich für irgendwen interessierst.«
»Gut. Wie schön, dass wir das geklärt hätten.«
»Misch den Salat mal durch, wärst du so lieb?«
Ich sagte ja, und sie sagte, ich solle mir zuerst die Hände waschen, und ich sagte danke, dass sie mich daran erinnerte, sonst hätte ich es möglicherweise vergessen.
Ich schnitt eine Tomate in Scheiben und verteilte sie schwungvoll auf dem Salat.
»Er heißt Ronald«, informierte mich meine Mutter. »Sei nett zu ihm.«
»Ich bin immer nett.«
»Von wegen!«
Genau in diesem Augenblick kam meine Schwester Alicia mit einer neuen Perücke auf dem Kopf herein. Schulterlang mit langem Pony und einer leichten Außenwelle.
Sehr Swinging-Sixties-mäßig.
»Hi, Rena«, begrüßte sie mich. Und dann zwinkerte sie mir zu.
»Ich weiß. Serienkiller«, entgegnete ich.
»So schlimm ist er nicht.«
»Dann nimm du ihn doch.«
»Ich bin schon vergeben.«
Was absolut stimmte. Alicia, die sich inzwischen Aviva nennt, ist seit mittlerweile neun Jahren mit ihrem Augenarzt- Ehemann namens Aryeh – vormals Alan – verheiratet.
Sie haben fünf Kinder. Fünf. Und ich glaube nicht, dass sie damit ihren Beitrag zur Neubevölkerung der Erde schon abgeschlossen haben. Glücklicherweise hatte sie an jenem Morgen ihre fünf Kinder zu Hause bei Aryeh gelassen.
»Das ist doch koscher, oder?«, fragte Alicia und zeigte auf den Ofen. Meine Mutter in ihrer Schulmädchen-Aufmachung wurde zwar kurz von Kopf bis Fuß gemustert, aber meine Schwester verkniff es sich heldenhaft, eine Grimasse zu ziehen oder irgendeine Bemerkung zu machen.
Stattdessen warf sie mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem Schulterzucken erwiderte. So oder so ähnlich haben wir uns ohne Worte miteinander verständigt, solange ich denken kann. Es mögen uns vielleicht vier Jahre (Alicia ist die Ältere von uns beiden) und ganze Welten voneinander trennen, aber wir haben dieselbe Mutter, und das ist mehr als genug, um uns für alle Ewigkeit
zusammenzuschweißen.
»Natürlich ist das koscher«, entgegnete meine Mutter.
»Glaubst du etwa, ich würde dir irgendwas vorsetzen, das nicht koscher ist?«
»Wo hast du das denn gekauft?«
An dieser Stelle klinkte ich mich aus dem Gespräch aus. Ich kann dieses ganze Koscher-oder-nicht-Gerede nicht ertragen. In ziemlich genau zwei Minuten würde Alicia ein kurzes Gebet an der Spüle sprechen und sich Wasser aus einem ganz speziellen Krug über die Hände gießen. Dieses ganze Affentheater macht mich ganz kirre.
Eines Tages werde ich mich sicher damit abfinden, dass meine Schwester, die früher Bagels mit Frischkäse aß und zwar nicht an Jesus glaubte, aber auch nicht so recht wusste, woran sie sonst eigentlich so glaubte, sich in eine orthodoxe perückentragende Matrone und Mutter von fünf Kindern verwandelt hat. Aber augenblicklich scheint dieser Tag noch in ziemlich weiter Ferne zu liegen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf die tanzenden Keramik-Mexikaner, die seit dem letzten Besuch bei meiner Mutter Stellung an der Spüle bezogen hatten. Das Haus meiner Mutter ist schon lange vollgestopft bis unters Dach mit allen nur erdenklichen Nippes aus den entlegensten Winkeln der Erde. Als Kind hatte ich mir immer gewünscht, wir hätten ein ganz normales Haus, so eins mit nur einem einzigen Bild an der Wand oder einem Couchtisch, auf dem nichts draufsteht, statt so einer mit Schnickschnack überladenen Bude, die aussah wie der Ausstellungsraum eines Krimskrams-Importeurs. Aber inzwischen hatte ich mich an das geordnete Chaos meiner Mutter gewöhnt. Und auch wenn ich es nicht gerne zugab, musste ich gestehen, dass ich sie ein klein wenig beneidete um die tanzenden Mexikaner.
Gerade schüttelte ich eine Flasche mit einem italienischen Salatdressing, die ich im Kühlschrank gefunden hatte, als ich ganz unvermittelt die Fingerspitzen meiner Mutter an meinem Haar spürte.
»Was machst du denn da?«, fragte ich.
»Da sehen ein paar Haare raus«, erwiderte sie.
»Ach herrje«, stöhnte ich.
Ich sah zu meiner Schwester rüber. »Ich meinte, au weh.«
Alicia ignorierte mich.
Seit dem Tag, als ich – angeblich damals schon mit verstrubbeltem Schopf – ihrem Schoß entsprungen bin, sind meine Haare ein schier unerschöpflicher Quell unablässiger Verzweiflung für meine Mutter gewesen. Wie ich die Sache sehe, hätte sie eben, wenn sie keine Tochter mit krisseligem, kaum zu bändigendem Lockenkopf gewollt hätte, in einen anderen Genpool einheiraten sollen als in den meines kraushaarigen Vaters. Noch einmal strich sie mir mit sorgfältig manikürten Fingernägeln über den Kopf. Wie denn das? Hatte sie etwa bei der Tombola in der Synagoge eine Stilberatung gewonnen?
»Das reicht!«, protestierte ich.
Energisch goss ich das Dressing über den Salat.
»Geh raus und unterhalte dich mit Ronald«, kommandierte meine Mutter. »Na los.«
»Ich will mich aber nicht mit Ronald unterhalten«, widersprach ich.
»Sei nicht so unhöflich. Er ist unser Gast. Geh und biete ihm was zu trinken an. Das wirst du ja wohl können.
Ich weiß, dass du das kannst.«
In der Tat schien es wirklich schrecklich unhöflich, den Serienkiller auf dem Sofa weiterhin zu ignorieren. Was, wenn er wütend wurde, weil niemand sich um ihn kümmerte, und beschloss, uns drei zu den anderen zerstückelten Leichen in seiner Gefriertruhe zu stopfen?
Übersetzung: Stefanie Retterbush
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Bibliographische Angaben
- Autor: Mary Guterson
- 2010, 315 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Stefanie Retterbush
- Übersetzer: Stefanie Retterbush
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442469503
- ISBN-13: 9783442469505
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