Ein Land, das Himmel heisst
Wohlbehütet wuchs Jill auf Inqaba, der Farm ihrer Eltern in Südafrika, auf. Als sie kurz vor der Hochzeit mit dem Architekten Martin steht, scheinen all ihre Jungmädchenträume wahr zu werden. Doch dann wird Jills geliebter Bruder grausam ermordet.
Durch...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Wohlbehütet wuchs Jill auf Inqaba, der Farm ihrer Eltern in Südafrika, auf. Als sie kurz vor der Hochzeit mit dem Architekten Martin steht, scheinen all ihre Jungmädchenträume wahr zu werden. Doch dann wird Jills geliebter Bruder grausam ermordet.
Durch den Schock verliert sie ihr ungeborenes Baby.
Doch Jill kämpft um ihr Glück - ein Leben auf Inqaba.
EinLand, das Himmel heisst von Stefanie Gercke
LESEPROBE
Die kurze Dämmerung tauchte den Tag in indigoblaues Licht, die Nacht krochschon aus den Bäumen hoch. Sie standen im Hof von Inqaba.Zweimal strich der Iqola auf schmalen Schwingen imTiefflug um den Hof, und jedes Mal zeigte er ihnen seinen schwarzen Rücken.Nellys Haut verfärbte sich aschgrau. Sie wusste, dass dies großes Unglück fürdie Bewohner des Hauses verhieß. Hätte der Iqola ihrdie weiße Unterseite gezeigt, sie hätte freudig ein Huhn geschlachtet, frischesBier gebraut und ihre Nachbarn zu einer Feier gebeten, denn das war ein Zeichenfür zukünftiges Glück. »Das Glück wird Inqahaverlassen, für sehr lange Zeit«, flüsterte die Zulu und zeigte dabei das Weißeihrer Augen. Jill verstand ihre Warnung nicht, hatte nur gelacht und sie in denArm genommen. Nelly aber wurde vor ihren Augen zu Stein. Ihre massige Gestaltin dem geblümten Kleid, das dunkle Gesicht mit den großflächigen Wagenknochen,der breite Mund, der so herrlich lachen konnte. Jill streckte ihre Hand aus,berührte Nelly und erschrak. Die Haut der alten Zulu war kalt, schien nicht vonBlut durchströmt zu sein. Die schwarzen Augen waren nur leere Löcher, als hättesie alles Leben verlassen. Es war, als stünde nicht Nelly vor ihr, sondern nurihre Hülle.
Unwillkürlich fröstelte sie, trotz des heißen Abends. Der Alltag derZulu wurde von Geistern bevölkert, die Schatten ihrer Ahnen lenkten ihr Leben,umgaben sie mit einer Mauer von Tabus, trieben sie durch ein dunkles Labyrinthvon Aberglauben und Ängsten. Als sie noch sehr klein war, wurde Jill mit indiesen verwirrenden Irrgarten gezogen. Sie glaubte sich im Märchen, im Land derFeen und Kobolde, bewegte sich mit kindlicher Unbefangenheit.
Ein Zischen erfüllte den Raum. Ob es (lieSchlange war, die wild mit ihrem Schwanz peitschte, oder Umbani,der Zauberer, konnte sie nicht unterscheiden. Um nicht laut loszuschreien,steckte sie ihren Daumen in den Mund, wagte kaum zu atmen und machte sich zuihrer Scham in die Hose. Erst als Umbani die Schlangemit den zentimeterlangen Giftzähnen sicher wieder in einem Korb verstaut hatte,fand sie den Mut, sich davonzuschleichen. Ihre Angst hatte der wütendenSchlange gegolten, keine Minute hatte sie geglaubt, dass Umbaniübernatürliche Kräfte besaß. Sie fand ihn ziemlich dumm, dass er sich auf dieseWeise mit einer Puffotter abgab. Sie hielt sich für eine ganz und garaufgeklärte und nüchterne Person, und deswegen kam ihr auch nicht in den Sinn,in dem Vorfall am Beginn des heutigen Tages einen weiteren Hinweis aufkommendes Unheil zu sehen. Sie wurde davon vor Sonnenaufgang geweckt. Es warein schwaches Geräusch, kaum mehr als ein leises Kratzen, nicht genug, um sieaufzuschrecken, aber es erreichte sie in ihrem Traum, und sie wachte auf. Nichtmit einem Ruck, sondern wie ein Fisch aus dunkler Tiefe tauchte sie ganzlangsam auf zum Licht und durchbrach endlich mit einem Seufzer die Oberflächeihres Bewusstseins. Sie öffnete die Augen, war sich nicht sicher, was siegestört hatte. Die sonnengelben Baumwollgardinen blähten sich sacht im Wind, Morgenröteflutete durch den breiten Spalt in den Raum. Würziger Holzrauch hing in derklaren Luft und die volle Süße von erntereifen Ananas. Ein Hahn krähte, Küheblökten, leise Stimmen und Lachen wie schläfriges Vogelzwitschern schwebten zuihr herüber, ein Traktor sprang an und tuckerte davon. Das sagte ihr, dassNelly und ihre Familie bereits ihren Phuthu, denMaisbrei, gefrühstückt hatten, die jüngeren Frauen auf dem Weg zurAnanasplantage waren und Ben ihnen mit dem Trecker vorausfuhr, dessen Anhängersie im Laufe des Tages mehrfach mit reifen Früchten füllen würden. Erleichtertlegte sie sich zurück. Es war nichts, alles war, wie es sein sollte. Vielleichthing der Traum, aus dem sie aufgewacht war, ihr noch nach? Wie Blei lag er aufihren Gliedern, zog sie seelisch herunter. Immer wenn etwas sie spätabends zusehr aufwühlte, verfolgte sie das bis in ihre Träume.
Angelica hatte um elf angerufen, ihre Stimme war hoch und dünn gewesen,wie immer, wenn sie erregt war. »JiIly, tut mir Leid,dass ich um diese Uhrzeit anrufe, aber es ist etwas vorgefallen, was mir Angstmacht.«
»Ich hab noch nicht geschlafen. Wo bist du?«»Bei meinen Eltern.« Angelica lebte mit ihrer Familie nur eine halbe StundeAutofahrt von ihr entfernt am Nyalazi-Fluss, ihreFerien verbrachten sie im Haus ihres Stiefvaters am Little Letabawestlich des Krügerparks. Ihre Mutter und er waren dorthin gezogen, nachdem sieihre Zuckerrohrfarm bei Mtuhatuba verkauft hatten.Für ein paar Sekunden hörte Jill nur schweres Atmen am anderen Ende, als würdeihre Freundin nach Worten suchen. Beunruhigt merkte sie auf. »Popi Kunene ist wiederaufgetaucht«, sagte Angelica, »und wieder kursieren böse Gerüchte um ihn.«
Popi Kunene, Zwillingsbrudervon Thandile, Kindheitsfreund. Unruhestifter.Widerstandskämpfer. »Velchc Gerüchte sind es diesmal?Von Ben habe ich gehört, dass er nach Simbabwe floh, als ihm die Polizei hierauf den Fersen war. Aber was Popi dort macht, wussteBen auch nicht. Oder er sagt es nicht, was wahrscheinlicher ist.« Angelicas Stimme schwankte. »Er peitscht die Massen auf, July, er sagt ihnen, dass Mandela bald frei sein wird,verspricht ihnen, dass sie dann Land bekommen, Häuser, Reichtümer ... « Jillunterbrach sie. »Du meinst, dass Popi, unser Freund,mit dem wir unsere Kindertage verbracht haben, uns von unserem Land verjagenwill? Das glaub ich nicht, Angelica, das würde er nie tun. Er kämpft gegen denStaat, nicht gegen uns. Wir sind doch miteinander aufgewachsen, wir waren dochwie Geschwister - unsere Farm ist auch seine Heimat.« IhreHeimat war Afrika, die Ostküste der Südspitze Afrikas, das fruchtbare, grüneNatal. Hier in den Hügeln Zululands war sie geboren und aufgewachsen. In demLand, das Himmel heißt. Hier lebte sie. Sie war Afrikanerin. Popi Kunene war auch Afrikaner.Er war nur wenige Kilometer von ihrem Geburtsort auf die Welt gekommen, und dasEinzige, was sie unterschied, war der Melaningehalt ihrer Haut. Sie hattewenig, ihre Familie, die Courts aus Cornwall inEngland und die Steinachs aus Bayern, waren erst vor einhundertfünfzig Jahrenin dieses Land gekommen. Sie war weiß.
© DroemerscheVerlagsanstalt
- Autor: Stefanie Gercke
- 2006, 652 Seiten, Maße: 13,3 x 19,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899413245
- ISBN-13: 9783899413243
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Ein Land, das Himmel heisst".
Kommentar verfassen