"Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband
- Ein Paradies in Cornwall: Als Simon sich in Honor verliebt, ahnt er nicht dass die junge Frau ein Geheimnis hütet, das in Indien aus Not geboren wurde.
- Die Wärme des Sommers: Louise kämpft um einen Neuanfang nach einem schweren Verlust.
Leider schon ausverkauft
Weltbild Ausgabe
3.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „"Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband “
- Ein Paradies in Cornwall: Als Simon sich in Honor verliebt, ahnt er nicht dass die junge Frau ein Geheimnis hütet, das in Indien aus Not geboren wurde.
- Die Wärme des Sommers: Louise kämpft um einen Neuanfang nach einem schweren Verlust.
Lese-Probe zu „"Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband “
Ein Paradies in Cornwall von Marcia WillettProlog
... mehr
Die beiden Tiere, die sich unter den kahlen Zweigen einer alten Buche aneinanderdrängten, waren im schwindenden Winterlicht kaum zu erkennen. Sie standen reglos da, dunkelgraue Silhouetten vor der hohen Granitmauer, die den Garten von der sanft abfallenden, reifbedeckten Wiese trennte. Er hörte, wie sich das geschwungene schmiedeeiserne Tor quietschend öffnete, und sah eine junge Frau herauskommen, die es sorgfältig hinter sich schloss. Er erkannte sie wieder, denn er hatte sie bei einem früheren Besuch in dem Haus schon einmal flüchtig gesehen. Sie trug ein Plaid um die Schultern, einen langen Rock aus grobem Stoff und grüne Gummistiefel. Die Esel trotteten auf sie zu, und sie redete leise auf sie ein und neigte sich zu ihnen herab, als würde sie ihnen einen Kuss auf die weichen Mäuler drücken. Er zögerte. Gern hätte er sie angesprochen, doch er brachte nicht den Mut dazu auf. Stattdessen rief er sich ins Gedächtnis, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als sie durch eine Tür hinten im dunklen Korridor getreten war: mit klarem, entschlossenem Blick, symmetrischen dunklen Brauen, die Arme über der Brust verschränkt, als trage sie ein Buch oder eine Schachtel. Argwöhnisch war sie stehen geblieben, hatte sich umgesehen und war dann durch eine andere Tür wieder verschwunden, sodass er mit der älteren Frau allein zurückgeblieben war, die ihn freundlich und voller Mitgefühl anlächelte. »Es tut mir wirklich leid. Aber heute können Sie Mrs Trevannion auf keinen Fall besuchen. Sie hat eine schwere Lungenentzündung. Hätten wir doch nur vorher gewusst, dass Sie kommen.« »Ich habe Mrs Trevannion geschrieben«, entgegnete er rasch. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Und ich habe auch ein Foto mitgeschickt. Ich glaube - das heißt, ich hoffe -, dass sie damals im Krieg die Schwester meiner Großmutter gekannt hat. Meine Großmutter ist 1946 in die Staaten ausgewandert, danach haben sie sich aus den Augen verloren. Wir fanden es so aufregend, als meine Mutter das Hochzeitsfoto gefunden hat, auf dem alle vier zu sehen sind. Die Namen auf der Rückseite waren ganz deutlich zu lesen. Hubert und Honor Trevannion -« »Ich fürchte, sie war nicht in der Lage, Ihren Brief zu beantworten. Zuerst hat sie sich den Knöchel gebrochen, und dann kam diese Lungenentzündung.« Die ältere Dame hatte ihm höflich, aber bestimmt eine Absage erteilt. »Vielleicht in ein, zwei Wochen.« »Ich bin aber nur noch diese Woche hier«, hatte er bestürzt erwidert. »Ich wohne drüben in Port Isaac. Zurzeit arbeite ich in London und nutze die Gelegenheit, um den Spuren zu folgen, die ich hier finden kann. Ich interessiere mich schon so lange dafür, und das Foto hat mich ein ganzes Stück weitergebracht ...« Wieder glaubte er zu spüren, dass sie bei der Erwähnung des Fotos ein wenig reservierter wurde. »Ich wüsste wirklich nicht, wie wir Ihnen im Moment helfen könnten.« Er unternahm noch einen Anlauf. »Was für ein bezauberndes kleines Tal das doch ist, so verschwiegen und so fruchtbar! Und welch ein wunderschöner Name für ein Haus, ›Paradies‹. Hier in Cornwall haben Sie wirklich merkwürdige Namen, finden Sie nicht? ›Indian Queens‹, ›Lazarus‹, ›Jamaica Inn‹.« Er schüttelte staunend den Kopf. »Und dann auch noch die vielen Heiligen. Aber ›Paradies‹ gefällt mir. Und der Name passt.« »Das finden wir auch.« Ihre Höflichkeit war jetzt abweisend wie eine Wand. Er gab ihr seine Visitenkarte, und sie versprach, sich zu melden, verabschiedete ihn mit einem Lächeln und schloss leise die Tür. Seine Enttäuschung war groß, und als er die Zufahrt hinunterging, die zu der schmalen Straße führte, fühlte er sich gekränkt - sie hätte ihm ja wenigstens eine Tasse Tee anbieten können. Als er nun am Gatter stand und die Esel beobachtete, versuchte er, die Sache vernünftig zu betrachten. Zweifellos war Honor Trevannion schwer krank; und die beiden Frauen, die ältere und die junge, waren so besorgt um ihr Wohlergehen, dass sie einfach keine Zeit für einen Fremden auf der Suche nach Angehörigen hatten. Fröstelnd zog er die Schultern hoch und lehnte sich auf das Gatter. Die Gruppe am anderen Ende der Wiese war jetzt kaum noch zu erkennen, denn die Sonne war hinter dem Horizont versunken, und die Dämmerung brach herein. Stirnrunzelnd dachte er noch einmal an das Gespräch zurück. Hatte er sich diese leichte Nervosität nur eingebildet? Dieses Widerstreben, auf seinen Brief und das Foto einzugehen? Er zuckte die Achseln. Wahrscheinlich hatte die ältere Dame gar keine Ahnung, wovon er gesprochen hatte. Sie war wohl zu sehr mit ihren Sorgen beschäftigt, um sich für sein Anliegen zu interessieren. Wieder hörte er das Quietschen, als sich das Eisentor schloss. Die junge Frau war fort, die Esel waren verschwunden. Ernüchtert, aber nach wie vor neugierig und fest entschlossen, diese Spur weiter zu verfolgen, kehrte er zu dem stillgelegten Steinbruch zurück, in dem er seinen Wagen abgestellt hatte, und fuhr davon.
Erster Teil
1
Baumhohe Rhododendren mit tief verwurzelten, knorrigen Stämmen säumten den Weg von der Wiese herauf. Die zähen lanzenförmigen Blätter zitterten in der frostigen Brise. Am Ende des Wegs leuchteten Schneeglöckchen zart aus dem Halbdunkel. Aus einem Fenster im ersten Stock drang Licht. Eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen spähte hinaus und zog energisch die Vorhänge zu. Die junge Frau war nun wieder im Haus, schlüpfte aus den Stiefeln und ging ins Wohnzimmer, wo Mousie Holz in den offenen Kamin schichtete. »Da bist du ja, Joss.« Die Stimme klang irgendwie erleichtert. »Ich habe mich schon gefragt, wohin du verschwunden bist. Hast du die Esel zu Bett gebracht?« »Ja, mit ein paar Äpfeln.« Joss hockte sich auf den Kaminvorsetzer, die Füße in mollig warmen Socken, und genoss die Hitze der Flammen, die mit gelb und orangerot lodernden Zungen an den groben Scheiten leckten. »Wie geht's Mutt?« »Sie schlummert friedlich. Nachher bringe ich ihr ein Tablett hoch und setze mich eine Weile zu ihr. Kommst du mit?« Joss schüttelte den Kopf. »Ich geh später rauf und lese ihr vor. Nach dem Abendessen ist sie immer unruhig, und das Zuhören lenkt sie ab. Was war das für ein Mann, der gerade hier war? Was wollte er?« Mousie zögerte, als falle es ihr schwer, die Frage korrekt zu beantworten. »Ein Amerikaner, der nach einer Verwandten sucht. Anscheinend glaubt er, dass deine Großmutter während des Kriegs seine Großtante gekannt haben könnte. Er hat sich nicht gerade den günstigsten Zeitpunkt ausgesucht, fürchte ich.« »Und kennt Mutt sie?« »Ich habe sie nicht gefragt«, gab Mousie zurück. »Möchtest du Tee?« »Ich nehme mir gleich eine Tasse. Lass die Kanne einfach stehen!« Joss schenkte Mousie ein Lächeln. Die ältere Dame war klein und hielt sich kerzengerade. Um den Hals trug sie mehrere Brillen an langen Ketten. »Ich komme sehr gut allein zurecht, falls du nach Hause gehen möchtest, Mousie.« »Das weiß ich, mein Schatz.« Mousie entspannte sich sichtlich, und ihre Sorgenfalten verschwanden. Aus ihren graublauen Augen unter dem schwer zu bändigenden weißen Haar sprach Zuneigung. »Aber vielleicht sollte ich doch noch mal nach ihr sehen. Dieses neue Antibiotikum ...« Joss gluckste in sich hinein. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Das liegt vermutlich daran, dass du so viele Jahre Verantwortung als Krankenschwester tragen musstest. Die Macht der Gewohnheit. Glaub nur nicht, dass ich keine Ahnung habe. Ich bin zwar keine Krankenschwester, aber ich kann Mutt schon heben. Und ich prophezeie dir, dass eine sanfte Massage wirklich hilft, nachdem sie nun den Gips los ist.« »Du weißt ganz genau, dass ich keine Vorurteile gegen Osteopathie habe«, erklärte Mousie mit Nachdruck. »Ich habe nichts dagegen, dass du dich um deine Großmutter kümmerst. Aber diese Lungenentzündung finde ich sehr beunruhigend. Außerdem ist Mutt ziemlich verwirrt, was bestimmt auf die Antibiotika zurückzuführen ist.« Wieder blickte sie so besorgt drein, dass Joss die Lust verging, sie zu necken. Ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen. »Sie braucht einfach Zeit, um sich zu erholen«, meinte sie. »Es war ein komplizierter Bruch, und die Lungenentzündung macht die Sache nicht besser. Sie wird schon wieder gesund, Mousie.« Ihre Stimme klang so verstört, dass Mousie sofort reagierte. »Natürlich wird sie wieder gesund, mein Schatz. Gott sei Dank hast du Zeit, ihr Gesellschaft zu leisten. Das ist die beste Medizin.« Sie lächelte schelmisch, ihr Humor und ihr Lebensmut hatten erneut die Oberhand gewonnen. »Und natürlich die Massagen.« Als Mousie den Raum verlassen hatte, zog Joss die Füße an, stützte das Kinn auf die Knie und dachte an den gut aussehenden Amerikaner. Ihr gefiel der Eifer, den er an den Tag gelegt hatte. Wie schade, dass sie so zurückhaltend gewesen war! Sie hätte sich ruhig einmischen und ihm etwas zu trinken anbieten können. Sie hatte ihn auf der Wiese stehen sehen, aber die Zurückhaltung, die sie sich neuerdings zum Selbstschutz auferlegt hatte, hatte ihr verboten, ihm einen freundlichen Gruß zuzurufen. Allerdings wunderte sie sich über Mousies Misstrauen, denn so kannte sie Mousie gar nicht. Sie hatte den Mann ziemlich brüsk abgefertigt. Aber unter den gegebenen Umständen war es wohl nur natürlich, dass Mousie andere Dinge im Kopf hatte. Als Joss nun ins Feuer starrte, stellte sie sich eine andere Szene vor: wie sie auf ihn zuging, seinen freundlichen Blick mit einem Lächeln erwiderte und sagte: Meine Güte, das klingt ja spannend! Worum geht's? Sie hätten miteinander Tee getrunken, und er hätte ihr das Foto seiner verschollenen Großtante gezeigt. Wie frustrierend diese ständige Vorsicht war, die ihre Zunge lähmte! Wenigstens konnte sie noch mit ihren Patienten offen und vertrauensvoll umgehen. Die erkundigten sich selten nach dem Privatleben ihrer Therapeutin, und so brauchte sie ihnen gegenüber nicht auf der Hut zu sein. Wenn die gefürchtete Frage kam: »Sind Sie verheiratet? Haben Sie einen Freund?«, konnte sie lockerer damit umgehen, als wenn Menschen, die ihr nahestanden, sie darauf ansprachen. Die Beziehungen zu ihrer Familie waren komplizierter geworden, seit sie aus ihrem Einzimmerapartment in Wadebridge ins »Paradies« übergesiedelt war, während sie das kleine Cottage in der Bucht renovierte. Aber wie hätte sie vorhersehen können, dass aus einer Sandkastenfreundschaft eine Liebe werden würde, die geheim gehalten werden musste? »Der Tee ist fertig«, rief Mousie ihr von der Treppe aus zu. Joss ging auf den Flur, blieb kurz stehen und ließ die Atmosphäre des Hauses auf sich wirken, das sie so innig liebte. Es war ein Kleinod, elegant proportioniert mit hohen Schiebefenstern. Manchmal stellte sie sich vor, sie könne das Dach wegschieben und wie in ein Puppenhaus von oben hineinsehen. Durch die geschlossene Tür des Schlafzimmers drang Mousies beruhigende Stimme, und Joss frage sich, ob ihre Großmutter in jungen Jahren wohl tatsächlich die Großtante des Amerikaners gekannt hatte. Sie hatte Verständnis dafür, dass er den Spuren verschollener Verwandter nachging. Familiäre Bindungen vermittelten ein Gefühl von Geborgenheit. Sie selbst fühlte sich hier, im Tal des heiligen Meriadoc, wo ihre Familie mütterlicherseits seit Jahrhunderten lebte, viel tiefer verwurzelt als in ihrem Elternhaus in Henley oder in der Londoner Wohnung, wo ihr Vater während der Woche lebte. Sie würde Mousie bitten, ihr das Foto zu zeigen. Vielleicht bestand ja wirklich eine Verbindung, die dem jungen Mann bei seiner Suche weiterhalf. Während Joss sich Tee einschenkte und mit dem Becher ans Feuer zurückkehrte, weilten ihre Gedanken immer noch bei ihm. Oben räumte Mousie das Tablett fort, vergewisserte sich, dass Mutt wieder eingeschlafen war, und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Ein kleines Feuer flackerte hinter dem hohen Schutzgitter im Kamin. Ein hübsch bemalter Paravent schirmte die alte Dame im Bett vor dem Licht der Lampe auf dem Klapptisch am Fenster ab. An diesem Tisch hielt Mousie Krankenwache; darauf stapelten sich Bücher, Zeitungen und alles, was man zum Briefeschreiben braucht. Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, ordnete die Zeitungen und sammelte die beschriebenen Briefbögen ein, die sie dann in einer Lederkladde verschwinden ließ. Die Füller und Stifte landeten in einem blau-weißen Keramikbecher. Schließlich zog sie das Bild unter der Kladde hervor und betrachtete es. Offensichtlich war es ein neuerer Abzug vom Originalfoto, nicht vom Negativ, denn es wies Kratzer und Abnutzungsspuren auf. Dennoch hatte sie es sofort erkannt: 1941 hatte ihr Cousin Hubert aus dem fernen Indien das gleiche Foto an seine Tante in Portsmouth geschickt. Damals hatte er geschrieben: Die Nachricht, dass Onkel Hugh beim Untergang der Hood ums Leben gekommen ist, hat mich zutiefst erschüttert. Aber ich freue mich, dass du nach St Meriadoc gehst, um bei meinen Eltern zu wohnen ... Ich kann es gar nicht erwarten, dass ihr Honor endlich kennenlernt, sie ist ein Schatz. Viele liebe Grüße an Mousie und Rafe ... Noch heute saß ihr der Schock in den Gliedern, den sie bei dieser Nachricht so kurz nach dem Tod ihres Vaters empfunden hatte. Von klein auf hatte sie Hubert bedingungslos geliebt. Sie hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als bald groß zu sein, und sich den wundervollen Augenblick ausgemalt, wenn er sie als erwachsene Frau wiedersehen und erkennen würde, dass auch er sie schon immer geliebt hatte. Hubert hatte ihr den Kosenamen »Mousie« gegeben, und obwohl er sie erbarmungslos aufzog, konnte er sie immer zum Lachen bringen. Hubert war einzigartig. Für Huberts junge Frau, die ein bezauberndes Hütchen trug, schräg aufgesetzt - wie albern! -, und sie von dem Foto rätselhaft anlächelte, empfand sie dagegen nichts als bitteren Hass. Im Laufe des Krieges waren immer wieder Briefe mit Neuigkeiten aus Indien eingetroffen: Honor hatte einen Sohn - Bruno - zur Welt gebracht und drei Jahre später eine Tochter, Emma. Mousie war siebzehn gewesen, als Hubert versuchte, für Frau und Kinder die Überfahrt nach England zu buchen, um sie vor den Unruhen zu schützen, die mit der Teilung Indiens einhergingen. Er wollte ihnen noch im selben Jahr folgen, sobald seine Kündigung durch war. Aber wenige Tage vor der geplanten Abreise seiner Familie war er an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Und so war Honor, die Hubert liebevoll Mutt nannte, mit den Kindern allein in sein Elternhaus zurückgekehrt. Mousie schob das Foto wieder unter die Kladde und warf einen Blick auf das Bett. Mutt lag auf der Seite und beobachtete sie mit wachem Blick. Wie immer überspielte Mousie mit einem Lächeln den Schock, den dieser abrupte Wechsel von fiebriger Verwirrung zu hellen Augenblicken bei ihr auslöste. »Ich fürchte, der Tee ist inzwischen kalt geworden«, sagte sie. »Möchtest du noch eine Tasse?«
Mutt schüttelte entkräftet den Kopf, und Mousie setzte sich auf den niedrigen Polstersessel, sodass sie fast auf derselben Höhe war wie die Kranke im Bett. »Arme Mousie«, flüsterte Mutt, und Mousie rückte näher heran, um ihre Worte zu verstehen. »Was bin ich doch für eine Last!« »Aber woher denn.« Mousie ergriff Mutts ausgestreckte Hand und umfasste sie voller Wärme. »Es geht dir doch schon viel besser. Gleich kommt Joss rauf und liest dir vor.« Eine Weile hörte man nur das Knistern der Holzscheite im Feuer, das tanzende Schatten an die Wand warf. »Merkwürdig, findest du nicht?«, murmelte Mutt. »Dass wir beide Krankenschwestern geworden sind.« »Daran ist nur Hubert schuld«, erwiderte Mousie heiter. »Du weißt doch, dass er mein Idol war, als ich klein war. Als er Medizin studierte, habe ich den Entschluss gefasst, Krankenschwester zu werden. Und ich dumme Gans habe mich gefreut, dass ich noch vor seinem Tod mit der Ausbildung angefangen habe und er es auch erfahren hat. Als wäre damit ein Band zwischen uns geknüpft.« Ruhelos drehte sich Mutt auf den Rücken, bemüht, eine bequemere Lage zu finden. »Vielleicht kann ich ja noch ein wenig schlafen«, sagte sie. Der Augenblick der Klarheit war vorüber, obwohl sie offenbar nicht mehr fieberte. Nachdenklich betrachtete Mousie die Kranke, legte schließlich die Glocke neben sie auf die Bettdecke und ging leise hinaus.
© BECHTERMÜNZ-WBV EIGENAUF. (Verlag)
Die beiden Tiere, die sich unter den kahlen Zweigen einer alten Buche aneinanderdrängten, waren im schwindenden Winterlicht kaum zu erkennen. Sie standen reglos da, dunkelgraue Silhouetten vor der hohen Granitmauer, die den Garten von der sanft abfallenden, reifbedeckten Wiese trennte. Er hörte, wie sich das geschwungene schmiedeeiserne Tor quietschend öffnete, und sah eine junge Frau herauskommen, die es sorgfältig hinter sich schloss. Er erkannte sie wieder, denn er hatte sie bei einem früheren Besuch in dem Haus schon einmal flüchtig gesehen. Sie trug ein Plaid um die Schultern, einen langen Rock aus grobem Stoff und grüne Gummistiefel. Die Esel trotteten auf sie zu, und sie redete leise auf sie ein und neigte sich zu ihnen herab, als würde sie ihnen einen Kuss auf die weichen Mäuler drücken. Er zögerte. Gern hätte er sie angesprochen, doch er brachte nicht den Mut dazu auf. Stattdessen rief er sich ins Gedächtnis, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als sie durch eine Tür hinten im dunklen Korridor getreten war: mit klarem, entschlossenem Blick, symmetrischen dunklen Brauen, die Arme über der Brust verschränkt, als trage sie ein Buch oder eine Schachtel. Argwöhnisch war sie stehen geblieben, hatte sich umgesehen und war dann durch eine andere Tür wieder verschwunden, sodass er mit der älteren Frau allein zurückgeblieben war, die ihn freundlich und voller Mitgefühl anlächelte. »Es tut mir wirklich leid. Aber heute können Sie Mrs Trevannion auf keinen Fall besuchen. Sie hat eine schwere Lungenentzündung. Hätten wir doch nur vorher gewusst, dass Sie kommen.« »Ich habe Mrs Trevannion geschrieben«, entgegnete er rasch. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Und ich habe auch ein Foto mitgeschickt. Ich glaube - das heißt, ich hoffe -, dass sie damals im Krieg die Schwester meiner Großmutter gekannt hat. Meine Großmutter ist 1946 in die Staaten ausgewandert, danach haben sie sich aus den Augen verloren. Wir fanden es so aufregend, als meine Mutter das Hochzeitsfoto gefunden hat, auf dem alle vier zu sehen sind. Die Namen auf der Rückseite waren ganz deutlich zu lesen. Hubert und Honor Trevannion -« »Ich fürchte, sie war nicht in der Lage, Ihren Brief zu beantworten. Zuerst hat sie sich den Knöchel gebrochen, und dann kam diese Lungenentzündung.« Die ältere Dame hatte ihm höflich, aber bestimmt eine Absage erteilt. »Vielleicht in ein, zwei Wochen.« »Ich bin aber nur noch diese Woche hier«, hatte er bestürzt erwidert. »Ich wohne drüben in Port Isaac. Zurzeit arbeite ich in London und nutze die Gelegenheit, um den Spuren zu folgen, die ich hier finden kann. Ich interessiere mich schon so lange dafür, und das Foto hat mich ein ganzes Stück weitergebracht ...« Wieder glaubte er zu spüren, dass sie bei der Erwähnung des Fotos ein wenig reservierter wurde. »Ich wüsste wirklich nicht, wie wir Ihnen im Moment helfen könnten.« Er unternahm noch einen Anlauf. »Was für ein bezauberndes kleines Tal das doch ist, so verschwiegen und so fruchtbar! Und welch ein wunderschöner Name für ein Haus, ›Paradies‹. Hier in Cornwall haben Sie wirklich merkwürdige Namen, finden Sie nicht? ›Indian Queens‹, ›Lazarus‹, ›Jamaica Inn‹.« Er schüttelte staunend den Kopf. »Und dann auch noch die vielen Heiligen. Aber ›Paradies‹ gefällt mir. Und der Name passt.« »Das finden wir auch.« Ihre Höflichkeit war jetzt abweisend wie eine Wand. Er gab ihr seine Visitenkarte, und sie versprach, sich zu melden, verabschiedete ihn mit einem Lächeln und schloss leise die Tür. Seine Enttäuschung war groß, und als er die Zufahrt hinunterging, die zu der schmalen Straße führte, fühlte er sich gekränkt - sie hätte ihm ja wenigstens eine Tasse Tee anbieten können. Als er nun am Gatter stand und die Esel beobachtete, versuchte er, die Sache vernünftig zu betrachten. Zweifellos war Honor Trevannion schwer krank; und die beiden Frauen, die ältere und die junge, waren so besorgt um ihr Wohlergehen, dass sie einfach keine Zeit für einen Fremden auf der Suche nach Angehörigen hatten. Fröstelnd zog er die Schultern hoch und lehnte sich auf das Gatter. Die Gruppe am anderen Ende der Wiese war jetzt kaum noch zu erkennen, denn die Sonne war hinter dem Horizont versunken, und die Dämmerung brach herein. Stirnrunzelnd dachte er noch einmal an das Gespräch zurück. Hatte er sich diese leichte Nervosität nur eingebildet? Dieses Widerstreben, auf seinen Brief und das Foto einzugehen? Er zuckte die Achseln. Wahrscheinlich hatte die ältere Dame gar keine Ahnung, wovon er gesprochen hatte. Sie war wohl zu sehr mit ihren Sorgen beschäftigt, um sich für sein Anliegen zu interessieren. Wieder hörte er das Quietschen, als sich das Eisentor schloss. Die junge Frau war fort, die Esel waren verschwunden. Ernüchtert, aber nach wie vor neugierig und fest entschlossen, diese Spur weiter zu verfolgen, kehrte er zu dem stillgelegten Steinbruch zurück, in dem er seinen Wagen abgestellt hatte, und fuhr davon.
Erster Teil
1
Baumhohe Rhododendren mit tief verwurzelten, knorrigen Stämmen säumten den Weg von der Wiese herauf. Die zähen lanzenförmigen Blätter zitterten in der frostigen Brise. Am Ende des Wegs leuchteten Schneeglöckchen zart aus dem Halbdunkel. Aus einem Fenster im ersten Stock drang Licht. Eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen spähte hinaus und zog energisch die Vorhänge zu. Die junge Frau war nun wieder im Haus, schlüpfte aus den Stiefeln und ging ins Wohnzimmer, wo Mousie Holz in den offenen Kamin schichtete. »Da bist du ja, Joss.« Die Stimme klang irgendwie erleichtert. »Ich habe mich schon gefragt, wohin du verschwunden bist. Hast du die Esel zu Bett gebracht?« »Ja, mit ein paar Äpfeln.« Joss hockte sich auf den Kaminvorsetzer, die Füße in mollig warmen Socken, und genoss die Hitze der Flammen, die mit gelb und orangerot lodernden Zungen an den groben Scheiten leckten. »Wie geht's Mutt?« »Sie schlummert friedlich. Nachher bringe ich ihr ein Tablett hoch und setze mich eine Weile zu ihr. Kommst du mit?« Joss schüttelte den Kopf. »Ich geh später rauf und lese ihr vor. Nach dem Abendessen ist sie immer unruhig, und das Zuhören lenkt sie ab. Was war das für ein Mann, der gerade hier war? Was wollte er?« Mousie zögerte, als falle es ihr schwer, die Frage korrekt zu beantworten. »Ein Amerikaner, der nach einer Verwandten sucht. Anscheinend glaubt er, dass deine Großmutter während des Kriegs seine Großtante gekannt haben könnte. Er hat sich nicht gerade den günstigsten Zeitpunkt ausgesucht, fürchte ich.« »Und kennt Mutt sie?« »Ich habe sie nicht gefragt«, gab Mousie zurück. »Möchtest du Tee?« »Ich nehme mir gleich eine Tasse. Lass die Kanne einfach stehen!« Joss schenkte Mousie ein Lächeln. Die ältere Dame war klein und hielt sich kerzengerade. Um den Hals trug sie mehrere Brillen an langen Ketten. »Ich komme sehr gut allein zurecht, falls du nach Hause gehen möchtest, Mousie.« »Das weiß ich, mein Schatz.« Mousie entspannte sich sichtlich, und ihre Sorgenfalten verschwanden. Aus ihren graublauen Augen unter dem schwer zu bändigenden weißen Haar sprach Zuneigung. »Aber vielleicht sollte ich doch noch mal nach ihr sehen. Dieses neue Antibiotikum ...« Joss gluckste in sich hinein. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Das liegt vermutlich daran, dass du so viele Jahre Verantwortung als Krankenschwester tragen musstest. Die Macht der Gewohnheit. Glaub nur nicht, dass ich keine Ahnung habe. Ich bin zwar keine Krankenschwester, aber ich kann Mutt schon heben. Und ich prophezeie dir, dass eine sanfte Massage wirklich hilft, nachdem sie nun den Gips los ist.« »Du weißt ganz genau, dass ich keine Vorurteile gegen Osteopathie habe«, erklärte Mousie mit Nachdruck. »Ich habe nichts dagegen, dass du dich um deine Großmutter kümmerst. Aber diese Lungenentzündung finde ich sehr beunruhigend. Außerdem ist Mutt ziemlich verwirrt, was bestimmt auf die Antibiotika zurückzuführen ist.« Wieder blickte sie so besorgt drein, dass Joss die Lust verging, sie zu necken. Ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen. »Sie braucht einfach Zeit, um sich zu erholen«, meinte sie. »Es war ein komplizierter Bruch, und die Lungenentzündung macht die Sache nicht besser. Sie wird schon wieder gesund, Mousie.« Ihre Stimme klang so verstört, dass Mousie sofort reagierte. »Natürlich wird sie wieder gesund, mein Schatz. Gott sei Dank hast du Zeit, ihr Gesellschaft zu leisten. Das ist die beste Medizin.« Sie lächelte schelmisch, ihr Humor und ihr Lebensmut hatten erneut die Oberhand gewonnen. »Und natürlich die Massagen.« Als Mousie den Raum verlassen hatte, zog Joss die Füße an, stützte das Kinn auf die Knie und dachte an den gut aussehenden Amerikaner. Ihr gefiel der Eifer, den er an den Tag gelegt hatte. Wie schade, dass sie so zurückhaltend gewesen war! Sie hätte sich ruhig einmischen und ihm etwas zu trinken anbieten können. Sie hatte ihn auf der Wiese stehen sehen, aber die Zurückhaltung, die sie sich neuerdings zum Selbstschutz auferlegt hatte, hatte ihr verboten, ihm einen freundlichen Gruß zuzurufen. Allerdings wunderte sie sich über Mousies Misstrauen, denn so kannte sie Mousie gar nicht. Sie hatte den Mann ziemlich brüsk abgefertigt. Aber unter den gegebenen Umständen war es wohl nur natürlich, dass Mousie andere Dinge im Kopf hatte. Als Joss nun ins Feuer starrte, stellte sie sich eine andere Szene vor: wie sie auf ihn zuging, seinen freundlichen Blick mit einem Lächeln erwiderte und sagte: Meine Güte, das klingt ja spannend! Worum geht's? Sie hätten miteinander Tee getrunken, und er hätte ihr das Foto seiner verschollenen Großtante gezeigt. Wie frustrierend diese ständige Vorsicht war, die ihre Zunge lähmte! Wenigstens konnte sie noch mit ihren Patienten offen und vertrauensvoll umgehen. Die erkundigten sich selten nach dem Privatleben ihrer Therapeutin, und so brauchte sie ihnen gegenüber nicht auf der Hut zu sein. Wenn die gefürchtete Frage kam: »Sind Sie verheiratet? Haben Sie einen Freund?«, konnte sie lockerer damit umgehen, als wenn Menschen, die ihr nahestanden, sie darauf ansprachen. Die Beziehungen zu ihrer Familie waren komplizierter geworden, seit sie aus ihrem Einzimmerapartment in Wadebridge ins »Paradies« übergesiedelt war, während sie das kleine Cottage in der Bucht renovierte. Aber wie hätte sie vorhersehen können, dass aus einer Sandkastenfreundschaft eine Liebe werden würde, die geheim gehalten werden musste? »Der Tee ist fertig«, rief Mousie ihr von der Treppe aus zu. Joss ging auf den Flur, blieb kurz stehen und ließ die Atmosphäre des Hauses auf sich wirken, das sie so innig liebte. Es war ein Kleinod, elegant proportioniert mit hohen Schiebefenstern. Manchmal stellte sie sich vor, sie könne das Dach wegschieben und wie in ein Puppenhaus von oben hineinsehen. Durch die geschlossene Tür des Schlafzimmers drang Mousies beruhigende Stimme, und Joss frage sich, ob ihre Großmutter in jungen Jahren wohl tatsächlich die Großtante des Amerikaners gekannt hatte. Sie hatte Verständnis dafür, dass er den Spuren verschollener Verwandter nachging. Familiäre Bindungen vermittelten ein Gefühl von Geborgenheit. Sie selbst fühlte sich hier, im Tal des heiligen Meriadoc, wo ihre Familie mütterlicherseits seit Jahrhunderten lebte, viel tiefer verwurzelt als in ihrem Elternhaus in Henley oder in der Londoner Wohnung, wo ihr Vater während der Woche lebte. Sie würde Mousie bitten, ihr das Foto zu zeigen. Vielleicht bestand ja wirklich eine Verbindung, die dem jungen Mann bei seiner Suche weiterhalf. Während Joss sich Tee einschenkte und mit dem Becher ans Feuer zurückkehrte, weilten ihre Gedanken immer noch bei ihm. Oben räumte Mousie das Tablett fort, vergewisserte sich, dass Mutt wieder eingeschlafen war, und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Ein kleines Feuer flackerte hinter dem hohen Schutzgitter im Kamin. Ein hübsch bemalter Paravent schirmte die alte Dame im Bett vor dem Licht der Lampe auf dem Klapptisch am Fenster ab. An diesem Tisch hielt Mousie Krankenwache; darauf stapelten sich Bücher, Zeitungen und alles, was man zum Briefeschreiben braucht. Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, ordnete die Zeitungen und sammelte die beschriebenen Briefbögen ein, die sie dann in einer Lederkladde verschwinden ließ. Die Füller und Stifte landeten in einem blau-weißen Keramikbecher. Schließlich zog sie das Bild unter der Kladde hervor und betrachtete es. Offensichtlich war es ein neuerer Abzug vom Originalfoto, nicht vom Negativ, denn es wies Kratzer und Abnutzungsspuren auf. Dennoch hatte sie es sofort erkannt: 1941 hatte ihr Cousin Hubert aus dem fernen Indien das gleiche Foto an seine Tante in Portsmouth geschickt. Damals hatte er geschrieben: Die Nachricht, dass Onkel Hugh beim Untergang der Hood ums Leben gekommen ist, hat mich zutiefst erschüttert. Aber ich freue mich, dass du nach St Meriadoc gehst, um bei meinen Eltern zu wohnen ... Ich kann es gar nicht erwarten, dass ihr Honor endlich kennenlernt, sie ist ein Schatz. Viele liebe Grüße an Mousie und Rafe ... Noch heute saß ihr der Schock in den Gliedern, den sie bei dieser Nachricht so kurz nach dem Tod ihres Vaters empfunden hatte. Von klein auf hatte sie Hubert bedingungslos geliebt. Sie hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als bald groß zu sein, und sich den wundervollen Augenblick ausgemalt, wenn er sie als erwachsene Frau wiedersehen und erkennen würde, dass auch er sie schon immer geliebt hatte. Hubert hatte ihr den Kosenamen »Mousie« gegeben, und obwohl er sie erbarmungslos aufzog, konnte er sie immer zum Lachen bringen. Hubert war einzigartig. Für Huberts junge Frau, die ein bezauberndes Hütchen trug, schräg aufgesetzt - wie albern! -, und sie von dem Foto rätselhaft anlächelte, empfand sie dagegen nichts als bitteren Hass. Im Laufe des Krieges waren immer wieder Briefe mit Neuigkeiten aus Indien eingetroffen: Honor hatte einen Sohn - Bruno - zur Welt gebracht und drei Jahre später eine Tochter, Emma. Mousie war siebzehn gewesen, als Hubert versuchte, für Frau und Kinder die Überfahrt nach England zu buchen, um sie vor den Unruhen zu schützen, die mit der Teilung Indiens einhergingen. Er wollte ihnen noch im selben Jahr folgen, sobald seine Kündigung durch war. Aber wenige Tage vor der geplanten Abreise seiner Familie war er an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Und so war Honor, die Hubert liebevoll Mutt nannte, mit den Kindern allein in sein Elternhaus zurückgekehrt. Mousie schob das Foto wieder unter die Kladde und warf einen Blick auf das Bett. Mutt lag auf der Seite und beobachtete sie mit wachem Blick. Wie immer überspielte Mousie mit einem Lächeln den Schock, den dieser abrupte Wechsel von fiebriger Verwirrung zu hellen Augenblicken bei ihr auslöste. »Ich fürchte, der Tee ist inzwischen kalt geworden«, sagte sie. »Möchtest du noch eine Tasse?«
Mutt schüttelte entkräftet den Kopf, und Mousie setzte sich auf den niedrigen Polstersessel, sodass sie fast auf derselben Höhe war wie die Kranke im Bett. »Arme Mousie«, flüsterte Mutt, und Mousie rückte näher heran, um ihre Worte zu verstehen. »Was bin ich doch für eine Last!« »Aber woher denn.« Mousie ergriff Mutts ausgestreckte Hand und umfasste sie voller Wärme. »Es geht dir doch schon viel besser. Gleich kommt Joss rauf und liest dir vor.« Eine Weile hörte man nur das Knistern der Holzscheite im Feuer, das tanzende Schatten an die Wand warf. »Merkwürdig, findest du nicht?«, murmelte Mutt. »Dass wir beide Krankenschwestern geworden sind.« »Daran ist nur Hubert schuld«, erwiderte Mousie heiter. »Du weißt doch, dass er mein Idol war, als ich klein war. Als er Medizin studierte, habe ich den Entschluss gefasst, Krankenschwester zu werden. Und ich dumme Gans habe mich gefreut, dass ich noch vor seinem Tod mit der Ausbildung angefangen habe und er es auch erfahren hat. Als wäre damit ein Band zwischen uns geknüpft.« Ruhelos drehte sich Mutt auf den Rücken, bemüht, eine bequemere Lage zu finden. »Vielleicht kann ich ja noch ein wenig schlafen«, sagte sie. Der Augenblick der Klarheit war vorüber, obwohl sie offenbar nicht mehr fieberte. Nachdenklich betrachtete Mousie die Kranke, legte schließlich die Glocke neben sie auf die Bettdecke und ging leise hinaus.
© BECHTERMÜNZ-WBV EIGENAUF. (Verlag)
... weniger
Autoren-Porträt von Marcia Willett
Marcia Willett, in Somerset geboren, studierte und unterrichtete klassischen Tanz, bevor sie ihr Talent für das Schreiben entdeckte und sich zu einer außergewöhnlichen Erzählerin entwickelte, die The Times als »eine authentische Stimme ihrer Zeit« feiert. Ihre Bücher erscheinen in achtzehn Ländern. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in Devon, Südengland, dem Schauplatz vieler ihrer Romane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Marcia Willett
- 912 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863651081
- ISBN-13: 9783863651084
Kommentare zu ""Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband"
0 Gebrauchte Artikel zu „"Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu ""Ein Paradies in Cornwall", "Die Wärme eines Sommers", Doppelband".
Kommentar verfassen