Eine Hexe in Nevermore
Deutsche Erstausgabe
Die Hexe
Lucinda Rackmore ist auf der Flucht, seit sie von ihrem Exlover mit einem grausamen Fluch belegt wurde. In ihrer Verzweiflung geht sie nach Nevermore, Texas. Dorthin, wo keiner sie vermutet. Zu dem Mann, den ihre Familie einst betrog.
Der...
Lucinda Rackmore ist auf der Flucht, seit sie von ihrem Exlover mit einem grausamen Fluch belegt wurde. In ihrer Verzweiflung geht sie nach Nevermore, Texas. Dorthin, wo keiner sie vermutet. Zu dem Mann, den ihre Familie einst betrog.
Der...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Eine Hexe in Nevermore “
Klappentext zu „Eine Hexe in Nevermore “
Die Hexe Lucinda Rackmore ist auf der Flucht, seit sie von ihrem Exlover mit einem grausamen Fluch belegt wurde. In ihrer Verzweiflung geht sie nach Nevermore, Texas. Dorthin, wo keiner sie vermutet. Zu dem Mann, den ihre Familie einst betrog.
Der Zauberer
Gray Calhoun will nie wieder etwas mit den Rackmores zu tun haben, seit Lucindas Schwester ihn kaltblütig einem Dämonenlord opfern wollte. Doch jetzt wird Nevermore von dunklen Mächten bedroht. Nur mit Lucindas Hilfe hat Gray eine Chance, sie zu besiegen.
Die Magie der Liebe
Vereint im Kampf gegen das Böse, kommen Gray und Lucinda sich immer näher. Und während sie versuchen, Tote wieder zum Leben zu erwecken, müssen sie entdecken: Die stärkste magische Kraft ist die Liebe
Die Hexe: Lucinda Rackmore ist auf der Flucht, seit sie von ihrem Exlover mit einem grausamen Fluch belegt wurde. In ihrer Verzweiflung geht sie nach Nevermore, Texas. Dorthin, wo keiner sie vermutet. Zu dem Mann, den ihre Familie einst betrog; Der Zauberer: Gray Calhoun will nie wieder etwas mit den Rackmores zu tun haben, seit Lucindas Schwester ihn kaltblütig einem Dämonenlord opfern wollte. Doch jetzt wird Nevermore von dunklen Mächten bedroht. Nur mit Lucindas Hilfe hat Gray eine Chance, sie zu besiegen; Die Magie der Liebe: Vereint im Kampf gegen das Böse, kommen Gray und Lucinda sich immer näher. Und während sie versuchen, Tote wieder zum Leben zu erwecken, müssen sie entdecken: Die stärkste magische Kraft ist die Liebe ...
Lese-Probe zu „Eine Hexe in Nevermore “
Eine Hexe in Nevermore von Michele Bardsley... mehr
PROLOG
Zehn Jahre zuvor
Gray Calhoun schloss die Haustür hinter sich und blieb in der Eingangshalle stehen. Seine Haut kribbelte. Im ganzen Haus war es dunkel und still. Normalerweise wurde er immer von der Haushälterin begrüßt, die wie ein Wachhund seiner Frau darauf achtete, dass er die Schuhe auszog und seine Gerichtsrobe ablegte. Es war seltsam, nicht die vertrauten Geräusche aus der Küche zu hören, in der der Koch das Abendessen zubereitete, das Klappern von Töpfen und sein leises Fluchen auf Schwedisch zu vernehmen. Die Stille - und das Gefühl von Leere - beunruhigten ihn.
"Kerren?", rief er.
"Ich bin oben", ertönte ihr Rufen. Erleichtert seufzte er auf. Sie hatte ihn an diesem Morgen angerufen, bevor die schockierende Enthüllung über die Rackmores die Kammern des Höchsten Gerichts erschütterte. "Bleib da, Gray. Mach deine Arbeit. Hier ist alles in Ordnung. Ich habe doch dich!" "Das verdammte Gericht!", hatte er geflucht und sie damit zum Lachen gebracht. Dann musste er versprechen, ja nicht früher nach Hause zu kommen. Dabei wollte er seine Frau am liebsten sofort in den Arm nehmen und ihr sagen, wie unwichtig es für ihn war, dass er eine Rackmore geheiratet hatte. Er liebte sie - und Liebe war für ihn gleichbedeutend mit Loyalität. Sein Herz schmerzte, als er an den Fuß der Treppe trat.
"Wag ja nicht, nach oben zu kommen, wenn du noch die Schuhe anhast!" Er war kurz davor, mit seinem Fuß die polierte Holzstufe zu berühren, und musste schmunzeln. Endlich entspannte sich sein Körper, und er ging unbeschwert noch einmal zurück in die Eingangshalle und zog seine Schuhe aus. Sie waren jetzt seit fast zwei Jahren verheiratet, nachdem er turbulente sechs Monate um Kerren geworben hatte. Ihre Eltern hatten die Ankündigung von der Verlobung weitaus positiver aufgenommen als seine Mutter. Leticia Calhoun hatte ihm sogar alle nur denkbaren Argumente entgegengehalten: Du bist zu jung. Du bist noch zu neu am Hohen Gericht. Du bist ein Drache. Sie ist ein Rabe. Und so weiter und so fort. Doch am Ende hatte sie ihnen beiden doch ihren Segen gegeben.
Trotz der Bedenken seiner Mutter führten sie eine glückliche Ehe, und Gray machte schnell Karriere. Die durch ihn herbeigeführte Schlichtung diverser langwieriger Streitigkeiten innerhalb des Geschlechts der Drachen führte zu einer nie da gewesenen Zusammenarbeit und vielen kreativen Beschlüssen. Mit seinen erfolgreichen Verhandlungen erwarb er sich viele Freunde, einige Feinde und, das war erst vergangene Woche gewesen, die höchste Auszeichnung, die ein Geschlecht einem Mitglied verleihen konnte: den Titel des Ehrenmagiers.
Er stellte seine Schuhe in den Schrank in der Eingangshalle, schlüpfte aus seiner Robe und hängte sie auf einen Bügel. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass seine Frau dem Personal offensichtlich freigegeben hatte. Als die Welt den Widerhall dessen vernahm, was einige "die große Abrechnung" nannten, war ein Chaos losgebrochen. Denn der Reichtum aller Rackmores war dahin.
Tag für Tag hatten Gerüchte und Spekulationen die Runde gemacht, bis ein einfallsreicher Gelehrter begann, die Archive der Ehrwürdigen Bibliothek zu durchforsten. Dort entdeckte er einen einzigen Tagebucheintrag von Pickwith Rackmore, dem Earl of Mersey, einem bekannten Raben, der im sechzehnten Jahrhundert rasch in den Reihen seines Geschlechts aufgestiegen war. Stolz schwang mit in den Worten, mit denen er das Ritual beschrieb, mit dem seine gesamte Familie immer wieder einen Dämonenlord angerufen hatte. Mit diesem Lord hatte die Familie einen Pakt geschlossen, der ihnen ewigen Reichtum versprach. So war das märchenhafte "Stroh-zu-Gold-Spinnen" in den letzten fünfhundert Jahren Realität für die Familie Rackmore gewesen. Die detailreiche Schilderung, wie dafür die jüngste Tochter des Earls und ihr Ehemann geopfert wurden, war besonders widerwärtig.
Sie hatten jedoch nicht bedacht, dass die nachfolgenden Generationen ernten würden, was ihre Generation einst gesät hatte. Todesmagie und geheime Bündnisse mit Dämonen waren die zwei größten Verfehlungen, die ein magisches Wesen begehen konnte. Der Earl of Mersey und seine Familie hatten sich nicht nur auf beides eingelassen, sie hatten sich auch auf ewige Zeiten mit dem Haus der Raben verbunden.
Die Auswirkungen dieser Verquickung waren immens. Doch an all das wollte Gray im Moment nicht denken. Jetzt wollte er sich erst einmal um die Bedürfnisse seiner wunderschönen Frau kümmern. Kerren war eine willensstarke und pragmatische Frau. Wenn eine Rackmore diesem Sturm trotzen konnte, war sie es. Und außerdem hatte sie ja ihn - er würde sie nie im Stich lassen.
Gray nahm zwei Treppenstufen auf einmal. Auch im oberen Stockwerk war es dunkel, aber natürlich fand er den Weg zu ihr problemlos. Kerren stand in der Mitte ihres üppig eingerichteten Schlafzimmers, das nur vom gedämpften Licht der Nachttischlampe erhellt wurde.
Sie trug ein durchscheinendes silbernes Gewand, das ihre Figur betonte. Er wusste, welche Freuden sich darunter verbargen, und konnte es kaum erwarten, ihr das Gewand abzustreifen. Sie war so wunderschön. Das lange blonde Haar fiel in seidigen Locken auf ihre Schultern. Jetzt streckte Kerren eine Hand nach ihm aus, die andere hielt sie hinter dem Rücken.
"Was versteckst du da?" Gray lächelte amüsiert. Dieses Spielchen spielten sie oft. Manchmal war es ein Becher Schlagsahne oder ein Glas Karamellsoße, manchmal ein Spielzeug, das sie auf einer ihrer Shoppingtouren entdeckt hatte. "Eine Überraschung", antwortete sie kokett.
"Da bin ich aber gespannt", murmelte er und beugte sich zu ihr. Sein Mund streifte ihre Lippen. "Wie geht es deiner Familie?"
"Oh, bestens. Sie haben bereits Maßnahmen ergriffen. Trotzdem soll ich mich bei dir bedanken für dein großzügiges Angebot, ihnen unsere nicht genutzten Räume hier zur Verfügung zu stellen."
"Unser Haus ist groß genug für zehn Personen." Kerren seufzte. "Du fängst jetzt nicht wieder mit dem Thema Kinder an, oder?" "Nein." Gray äußerte sich lieber nicht dazu, obwohl er sich nichts lieber wünschte, als endlich eine Familie zu gründen. Auch Kerren wollte Kinder, das wusste er, aber wann immer er das Thema zur Sprache brachte, reagierte sie ausweichend. Gray schwieg also lieber und beugte sich stattdessen wieder zu seiner Frau herunter, um sie diesmal richtig zu küssen. "Gray."
Erneut hielt er inne und sah sie mit fragendem Gesicht an. "Hmm?" "Du würdest doch alles für mich tun, oder?"
"Selbstverständlich." Die Antwort kam spontan und ohne zu zögern. Sie löste sich aus seiner Umarmung, ließ aber ihre Hand auf seinem Unterarm liegen. Ihre Augen funkelten. "Ich hatte gehofft, dich behalten zu können", fuhr sie bedauernd lächelnd fort.
Noch bevor er auf diese seltsame Aussage reagieren konnte, legte sie ihre bleiche, doch perfekte Hand auf seine Brust und flüsterte: "Kahl!" Ein Schmerz durchzuckte Gray, drückte ihm den Hals zu, brannte in seinen Augen, tobte in seinen Adern. Er versuchte zu schreien, aber kein Laut drang aus seiner schmerzenden Kehle. Sein Blick verschwamm, als er jetzt seine Frau ansah.
"Du hast doch gesagt, du würdest alles für mich tun." Sie holte weit aus mit dem Arm, den sie hinter ihrem Rücken verborgen hatte. In ihrer Hand bemerkte er einen funkelnden Knüppel aus Obsidian. Im nächsten Moment krachte der glatte Stein hart gegen seine Schläfe. Vor seinen Augen schienen Sternchen zu explodieren. Dann wurde es schwarz um ihn.
Gray erwachte von einem stechenden Schwefelgestank und dem Gefühl von kaltem Stein auf seiner Haut. Er lag auf einem Granitblock und war an Handgelenken und Fußknöcheln darangekettet. Die schwarze Magie, die in den Metallfesseln pulsierte und den ganzen Raum erfüllte, war fast greifbar. Seine rechte Seite brannte, als hätte man ihn von der Schläfe bis zur Schulter mit Säure verätzt.
Vergeblich versuchte er seine Zauberkraft zu aktivieren. Das Metall blockierte seine Fähigkeiten, und es gab kein lebendiges Wesen in der Nähe, das ihm Energie hätte spenden können. Die negativen Schwingungen dieses Kerkers töteten ohnehin alles ab, was an guter Energie vorhanden war.
Ihm stieg die Galle hoch.
"Das Herz eines Drachens", ertönte plötzlich Kerrens Stimme aus der Dunkelheit. Fackeln flammten auf, und Sekunden später erblickte er sie. Sie kam auf ihn zu, erbarmungslos und doch wunderschön sah sie in ihrem Silberkleid aus. Erst jetzt konnte er erkennen, dass sie in einer kleinen Höhle waren, deren zerklüftete Wände rot und schwarz schimmerten. Der rechteckige Felsblock, auf den er gefesselt war, stand in der Mitte des Höhlenraums. "Alles, was mein Dämonenlord wollte, war ich - und das Herz eines Drachens."
"Dein Dämonenlord?" Gray sprach mit kratziger Stimme. Ihr Verrat lastete schwer wie ein Amboss auf seiner Brust. "Was hast du getan, Kerren?"
"Was ich tun musste." Sie blieb vor dem Opferaltar stehen und ließ ihren Blick über seinen nackten Körper schweifen. "Wie traurig, diese Verschwendung." Sie fuhr mit den Fingern auf der Innenseite seines Oberschenkels entlang, dann ließ sie einen ihrer spitzen Fingernägel auf seiner Hüfte kreisen.
Er wand sich vor Schmerz. Noch nie hatte Gray dieses grausame Lächeln bei Kerren gesehen. In ihren braunen Augen blitzte der Wahnsinn. Oh Göttin! Nicht Kerren! Nicht seine Frau! "Das ist ein Albtraum", flüsterte er. "Noch nicht", erwiderte sie. "Weißt du, Gray, es war echt süß von dir, dass du dir solche Sorgen um mich gemacht hast." Sie streichelte die Wunde, die sie seiner Hüfte zugefügt hatte. "Wir Rackmores waren nie sehr an unserer eigenen Geschichte interessiert - jedenfalls nicht bis heute. Alle unsere gesammelten Schriften landeten in unserem Privatarchiv in der Ehrwürdigen Bibliothek. Stapelweise vermodernde Dokumente, Tagebücher und persönliche Briefe. Als ich siebzehn war, verärgerte eine kleine Indiskretion meinerseits meinen Vater so sehr, dass er mich bestrafen wollte."
"Wovon redest du überhaupt, verdammt?" Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Still. Ich erzähle dir eine Geschichte. Ich bin nicht ganz ohne Mitleid für dich, weißt du. Ich finde, du solltest wissen, wieso du sterben wirst." Alles Blut wich aus seinem Gesicht. Kerren wollte ihn töten? Wieso?
"Keine weiteren Fragen mehr, Gray." Ihr Gesicht war plötzlich das einer Fremden, hart und kalt wie Eis. "Wenn du mich noch einmal unterbrichst, durchbohre ich dein Herz, und du verschwindest in der Dunkelheit, ohne dass du die verdammten Gründe erfährst."
Gray presste die Lippen aufeinander, auch weil er nicht länger an die lustvollen Freuden erinnert werden wollte, die die Berührung dieses verräterischen Biests einst in ihm auslösten. Sie strich mit den Fingerspitzen über seine Wange und ließ sie auf seiner schmerzenden Schulter liegen. Dann lehnte sie sich gegen den Opferaltar. Er wusste, er sollte sich besser darauf konzentrieren, wie er sich befreien oder sie umstimmen könnte, doch der Schock lähmte ihn. Die Gedanken bewegten sich wie eine träge Masse, und sein Körper fühlte sich plump und schwerfällig an - vermutlich die Auswirkungen der vergifteten Magie, die ihn umgab.
"Meine Bestrafung bestand darin, das Archiv zu ordnen. Ich brauchte einen ganzen Sommer dafür. Meine dumme kleine Schwester fuhr nach Paris, während ich in dieser Gruft hocken durfte. Doch es war nicht umsonst. Ich fand ein paar sehr interessante Dinge. Zum Beispiel das Tagebuch des Earl of Mersey, sein persönliches Buch mit Zauberformeln und der kleinen Prophezeiung, die er kurz vor seinem Tod niedergeschrieben hatte. Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als ich von dem Handel mit dem Dämonen las und herausfand, dass ich in wenigen Jahren vollkommen mittellos sein würde. Ich? Arm? Auf keinen Fall! Also benutzte ich denselben Zauberspruch und rief mir meinen eigenen Dämonenlord herbei. Er ist sehr gut aussehend und männlich, ein echter Teufel im Bett."
Sie zwinkerte Gray zu, und ihm wurde übel. "Im Austausch dafür, dass ich meinen Reichtum und alle meine schönen Dinge behalten durfte, wollte er nur eins - abgesehen von mir, natürlich. Und zwar das Herz eines Drachens. Dein Herz, um genau zu sein."
"Du liebst mich nicht." Diese Erkenntnis traf Gray wie ein Faustschlag. Sein Selbstmitleid war Salz in seinen Wunden. Das schöne Bild, das er sich von seiner Frau gemacht hatte, war falsch. Sie hatte ihn betrogen und verraten.
Kerren beobachtete das Spiel der Emotionen auf seinem Gesicht mit regem Interesse. Er lieferte ihr offensichtlich ein spannendes Schauspiel. Doch diese Blöße wollte er sich nicht geben. Sein Blick wurde so teilnahmslos wie möglich. Aber sie lachte ihn aus. "Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Oder vor dem Schicksal." Plötzlich hielt sie einen Dolch in der Hand, den sie ihm an die Brust drückte. Wo die scharfe Klinge seine Haut berührte, zeigten sich kleine Blutstropfen.
"Ich habe dich gemocht. Ich habe dich genossen. Ich habe mit dir geschlafen." Sie beugte sich so dicht über ihn, dass ihr Atem seinen Mund streifte. "Aber nein, mein Liebling. Geliebt habe ich dich nie." "Bitte", presste er hervor, während ihm Tränen die Wangen herunterliefen. Er wusste nicht einmal, um was er sie anflehte - um Gnade oder um den Tod -, doch er konnte nicht anders. "Bitte, Kerren. Bitte!"
Angewidert verzog sie das Gesicht und kräuselte die Lippen. "War ja klar, dass du jammern würdest. Wie erbärmlich!" In diesem Moment riss sie den Dolch nach oben und rief: "Für Kahl!"
Ihr Ziel war wahrhaftig, böse und übernatürlich stark.
Die doppelt geschliffene riesige Klinge zerschnitt Grays Muskeln, Knochen, Herz und Lunge. Er spürte, wie sie auf dem Rücken wieder aus seinem Körper austrat und über den Stein kratzte. Ein heiserer Schrei kam ihm noch über die Lippen, dann war der grausame Schmerz plötzlich vorbei.
In der zähen Dunkelheit der Hölle begann Grays Seele zu kämpfen. Gefangen, wisperten tausend Stimmen ihm zu. Betrogen. Du bist ein Nichts. Ein Niemand. Keiner liebt dich. Keiner will dich. Keiner wartet auf dich.
Nein, schrie er. Ich bin Gray Calhoun. Ich bin ein Drache. Ich werde leben. Werde eins mit uns. Du bist das Böse. Du wirst immer das Böse sein. Erneut durchfuhr ihn ein Schmerz. Er besaß keinen Körper mehr, aber der Schmerz war real. Er nahm jeden dieser kleinen grausamen Schreckensmomente wahr. Ich werde mich euch nicht beugen, schrie er. Ihr werdet mich nicht brechen!
Und dann war das Monster da. Das grausame Lächeln entblößte rasiermesserscharfe Zähne, die voller Blut waren. Etwas anderes als diese schreckliche Fratze nahm Gray von dem Ding nicht wahr - nur die seelenlosen schwarzen Augen, die lederne Haut und dieses furchterregende Grinsen.
Das Herz, verlangte das Monster. Gib mir dein Herz.
Ich gebe dir überhaupt nichts. Niemals. Gray kämpfte sich durch den Höllenschlamm, brach seinem Willen Bahn. Ich stehe auf der Seite der Göttin. Ich beschwöre das Blut meiner Vorfahren, die Rechtschaffenheit aller guten Drachen, auf dass sie mir helfen! Du bist das Böse, riefen die Stimmen. Du bist einer von uns. Doch plötzlich zerriss ein gleißendes Licht die Dunkelheit, und die Stimmen schrien vor Enttäuschung auf.
Eine riesige Pranke tauchte aus der goldenen Helligkeit auf und griff nach Gray. Sein Geist wurde wieder in seinen Körper geworfen. Der Dolch verschwand aus seiner Brust, die schreckliche Wunde schloss sich, die Fesseln zerbrachen, und er wurde vom Opferaltar gehoben. Er schwebte nach oben, immer höher, durch Feuer, durch Fels, durch Erde - bis er auf weichem, taufeuchtem Gras zu liegen kam. Zitternd holte Gray Luft und öffnete die Augen. Über ihm sah er die dicht belaubten Zweige eines Baumes, die so weit nach oben ragten, als wollten sie den Mond berühren. Als er sich umsah, stellte er fest, dass er sich auf einer Art Waldlichtung befand. Er könnte in Kalifornien sein oder in Frankreich oder irgendwo. Er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er frei war.
Es fühlte sich an, als wären Reptilienschuppen in seinem Körper, eine seltsame Hitze und eine Gestalt bemächtigte sich seiner, die ihm fremd war. Er war der Hölle entkommen. Doch er war nicht alleine herausgekommen.
Übersetzung: Gisela Schmitt
MIRA Taschenbuch Band 65058 © 2011 by Michele Bardsley Originaltitel: Never Again
PROLOG
Zehn Jahre zuvor
Gray Calhoun schloss die Haustür hinter sich und blieb in der Eingangshalle stehen. Seine Haut kribbelte. Im ganzen Haus war es dunkel und still. Normalerweise wurde er immer von der Haushälterin begrüßt, die wie ein Wachhund seiner Frau darauf achtete, dass er die Schuhe auszog und seine Gerichtsrobe ablegte. Es war seltsam, nicht die vertrauten Geräusche aus der Küche zu hören, in der der Koch das Abendessen zubereitete, das Klappern von Töpfen und sein leises Fluchen auf Schwedisch zu vernehmen. Die Stille - und das Gefühl von Leere - beunruhigten ihn.
"Kerren?", rief er.
"Ich bin oben", ertönte ihr Rufen. Erleichtert seufzte er auf. Sie hatte ihn an diesem Morgen angerufen, bevor die schockierende Enthüllung über die Rackmores die Kammern des Höchsten Gerichts erschütterte. "Bleib da, Gray. Mach deine Arbeit. Hier ist alles in Ordnung. Ich habe doch dich!" "Das verdammte Gericht!", hatte er geflucht und sie damit zum Lachen gebracht. Dann musste er versprechen, ja nicht früher nach Hause zu kommen. Dabei wollte er seine Frau am liebsten sofort in den Arm nehmen und ihr sagen, wie unwichtig es für ihn war, dass er eine Rackmore geheiratet hatte. Er liebte sie - und Liebe war für ihn gleichbedeutend mit Loyalität. Sein Herz schmerzte, als er an den Fuß der Treppe trat.
"Wag ja nicht, nach oben zu kommen, wenn du noch die Schuhe anhast!" Er war kurz davor, mit seinem Fuß die polierte Holzstufe zu berühren, und musste schmunzeln. Endlich entspannte sich sein Körper, und er ging unbeschwert noch einmal zurück in die Eingangshalle und zog seine Schuhe aus. Sie waren jetzt seit fast zwei Jahren verheiratet, nachdem er turbulente sechs Monate um Kerren geworben hatte. Ihre Eltern hatten die Ankündigung von der Verlobung weitaus positiver aufgenommen als seine Mutter. Leticia Calhoun hatte ihm sogar alle nur denkbaren Argumente entgegengehalten: Du bist zu jung. Du bist noch zu neu am Hohen Gericht. Du bist ein Drache. Sie ist ein Rabe. Und so weiter und so fort. Doch am Ende hatte sie ihnen beiden doch ihren Segen gegeben.
Trotz der Bedenken seiner Mutter führten sie eine glückliche Ehe, und Gray machte schnell Karriere. Die durch ihn herbeigeführte Schlichtung diverser langwieriger Streitigkeiten innerhalb des Geschlechts der Drachen führte zu einer nie da gewesenen Zusammenarbeit und vielen kreativen Beschlüssen. Mit seinen erfolgreichen Verhandlungen erwarb er sich viele Freunde, einige Feinde und, das war erst vergangene Woche gewesen, die höchste Auszeichnung, die ein Geschlecht einem Mitglied verleihen konnte: den Titel des Ehrenmagiers.
Er stellte seine Schuhe in den Schrank in der Eingangshalle, schlüpfte aus seiner Robe und hängte sie auf einen Bügel. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass seine Frau dem Personal offensichtlich freigegeben hatte. Als die Welt den Widerhall dessen vernahm, was einige "die große Abrechnung" nannten, war ein Chaos losgebrochen. Denn der Reichtum aller Rackmores war dahin.
Tag für Tag hatten Gerüchte und Spekulationen die Runde gemacht, bis ein einfallsreicher Gelehrter begann, die Archive der Ehrwürdigen Bibliothek zu durchforsten. Dort entdeckte er einen einzigen Tagebucheintrag von Pickwith Rackmore, dem Earl of Mersey, einem bekannten Raben, der im sechzehnten Jahrhundert rasch in den Reihen seines Geschlechts aufgestiegen war. Stolz schwang mit in den Worten, mit denen er das Ritual beschrieb, mit dem seine gesamte Familie immer wieder einen Dämonenlord angerufen hatte. Mit diesem Lord hatte die Familie einen Pakt geschlossen, der ihnen ewigen Reichtum versprach. So war das märchenhafte "Stroh-zu-Gold-Spinnen" in den letzten fünfhundert Jahren Realität für die Familie Rackmore gewesen. Die detailreiche Schilderung, wie dafür die jüngste Tochter des Earls und ihr Ehemann geopfert wurden, war besonders widerwärtig.
Sie hatten jedoch nicht bedacht, dass die nachfolgenden Generationen ernten würden, was ihre Generation einst gesät hatte. Todesmagie und geheime Bündnisse mit Dämonen waren die zwei größten Verfehlungen, die ein magisches Wesen begehen konnte. Der Earl of Mersey und seine Familie hatten sich nicht nur auf beides eingelassen, sie hatten sich auch auf ewige Zeiten mit dem Haus der Raben verbunden.
Die Auswirkungen dieser Verquickung waren immens. Doch an all das wollte Gray im Moment nicht denken. Jetzt wollte er sich erst einmal um die Bedürfnisse seiner wunderschönen Frau kümmern. Kerren war eine willensstarke und pragmatische Frau. Wenn eine Rackmore diesem Sturm trotzen konnte, war sie es. Und außerdem hatte sie ja ihn - er würde sie nie im Stich lassen.
Gray nahm zwei Treppenstufen auf einmal. Auch im oberen Stockwerk war es dunkel, aber natürlich fand er den Weg zu ihr problemlos. Kerren stand in der Mitte ihres üppig eingerichteten Schlafzimmers, das nur vom gedämpften Licht der Nachttischlampe erhellt wurde.
Sie trug ein durchscheinendes silbernes Gewand, das ihre Figur betonte. Er wusste, welche Freuden sich darunter verbargen, und konnte es kaum erwarten, ihr das Gewand abzustreifen. Sie war so wunderschön. Das lange blonde Haar fiel in seidigen Locken auf ihre Schultern. Jetzt streckte Kerren eine Hand nach ihm aus, die andere hielt sie hinter dem Rücken.
"Was versteckst du da?" Gray lächelte amüsiert. Dieses Spielchen spielten sie oft. Manchmal war es ein Becher Schlagsahne oder ein Glas Karamellsoße, manchmal ein Spielzeug, das sie auf einer ihrer Shoppingtouren entdeckt hatte. "Eine Überraschung", antwortete sie kokett.
"Da bin ich aber gespannt", murmelte er und beugte sich zu ihr. Sein Mund streifte ihre Lippen. "Wie geht es deiner Familie?"
"Oh, bestens. Sie haben bereits Maßnahmen ergriffen. Trotzdem soll ich mich bei dir bedanken für dein großzügiges Angebot, ihnen unsere nicht genutzten Räume hier zur Verfügung zu stellen."
"Unser Haus ist groß genug für zehn Personen." Kerren seufzte. "Du fängst jetzt nicht wieder mit dem Thema Kinder an, oder?" "Nein." Gray äußerte sich lieber nicht dazu, obwohl er sich nichts lieber wünschte, als endlich eine Familie zu gründen. Auch Kerren wollte Kinder, das wusste er, aber wann immer er das Thema zur Sprache brachte, reagierte sie ausweichend. Gray schwieg also lieber und beugte sich stattdessen wieder zu seiner Frau herunter, um sie diesmal richtig zu küssen. "Gray."
Erneut hielt er inne und sah sie mit fragendem Gesicht an. "Hmm?" "Du würdest doch alles für mich tun, oder?"
"Selbstverständlich." Die Antwort kam spontan und ohne zu zögern. Sie löste sich aus seiner Umarmung, ließ aber ihre Hand auf seinem Unterarm liegen. Ihre Augen funkelten. "Ich hatte gehofft, dich behalten zu können", fuhr sie bedauernd lächelnd fort.
Noch bevor er auf diese seltsame Aussage reagieren konnte, legte sie ihre bleiche, doch perfekte Hand auf seine Brust und flüsterte: "Kahl!" Ein Schmerz durchzuckte Gray, drückte ihm den Hals zu, brannte in seinen Augen, tobte in seinen Adern. Er versuchte zu schreien, aber kein Laut drang aus seiner schmerzenden Kehle. Sein Blick verschwamm, als er jetzt seine Frau ansah.
"Du hast doch gesagt, du würdest alles für mich tun." Sie holte weit aus mit dem Arm, den sie hinter ihrem Rücken verborgen hatte. In ihrer Hand bemerkte er einen funkelnden Knüppel aus Obsidian. Im nächsten Moment krachte der glatte Stein hart gegen seine Schläfe. Vor seinen Augen schienen Sternchen zu explodieren. Dann wurde es schwarz um ihn.
Gray erwachte von einem stechenden Schwefelgestank und dem Gefühl von kaltem Stein auf seiner Haut. Er lag auf einem Granitblock und war an Handgelenken und Fußknöcheln darangekettet. Die schwarze Magie, die in den Metallfesseln pulsierte und den ganzen Raum erfüllte, war fast greifbar. Seine rechte Seite brannte, als hätte man ihn von der Schläfe bis zur Schulter mit Säure verätzt.
Vergeblich versuchte er seine Zauberkraft zu aktivieren. Das Metall blockierte seine Fähigkeiten, und es gab kein lebendiges Wesen in der Nähe, das ihm Energie hätte spenden können. Die negativen Schwingungen dieses Kerkers töteten ohnehin alles ab, was an guter Energie vorhanden war.
Ihm stieg die Galle hoch.
"Das Herz eines Drachens", ertönte plötzlich Kerrens Stimme aus der Dunkelheit. Fackeln flammten auf, und Sekunden später erblickte er sie. Sie kam auf ihn zu, erbarmungslos und doch wunderschön sah sie in ihrem Silberkleid aus. Erst jetzt konnte er erkennen, dass sie in einer kleinen Höhle waren, deren zerklüftete Wände rot und schwarz schimmerten. Der rechteckige Felsblock, auf den er gefesselt war, stand in der Mitte des Höhlenraums. "Alles, was mein Dämonenlord wollte, war ich - und das Herz eines Drachens."
"Dein Dämonenlord?" Gray sprach mit kratziger Stimme. Ihr Verrat lastete schwer wie ein Amboss auf seiner Brust. "Was hast du getan, Kerren?"
"Was ich tun musste." Sie blieb vor dem Opferaltar stehen und ließ ihren Blick über seinen nackten Körper schweifen. "Wie traurig, diese Verschwendung." Sie fuhr mit den Fingern auf der Innenseite seines Oberschenkels entlang, dann ließ sie einen ihrer spitzen Fingernägel auf seiner Hüfte kreisen.
Er wand sich vor Schmerz. Noch nie hatte Gray dieses grausame Lächeln bei Kerren gesehen. In ihren braunen Augen blitzte der Wahnsinn. Oh Göttin! Nicht Kerren! Nicht seine Frau! "Das ist ein Albtraum", flüsterte er. "Noch nicht", erwiderte sie. "Weißt du, Gray, es war echt süß von dir, dass du dir solche Sorgen um mich gemacht hast." Sie streichelte die Wunde, die sie seiner Hüfte zugefügt hatte. "Wir Rackmores waren nie sehr an unserer eigenen Geschichte interessiert - jedenfalls nicht bis heute. Alle unsere gesammelten Schriften landeten in unserem Privatarchiv in der Ehrwürdigen Bibliothek. Stapelweise vermodernde Dokumente, Tagebücher und persönliche Briefe. Als ich siebzehn war, verärgerte eine kleine Indiskretion meinerseits meinen Vater so sehr, dass er mich bestrafen wollte."
"Wovon redest du überhaupt, verdammt?" Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. "Still. Ich erzähle dir eine Geschichte. Ich bin nicht ganz ohne Mitleid für dich, weißt du. Ich finde, du solltest wissen, wieso du sterben wirst." Alles Blut wich aus seinem Gesicht. Kerren wollte ihn töten? Wieso?
"Keine weiteren Fragen mehr, Gray." Ihr Gesicht war plötzlich das einer Fremden, hart und kalt wie Eis. "Wenn du mich noch einmal unterbrichst, durchbohre ich dein Herz, und du verschwindest in der Dunkelheit, ohne dass du die verdammten Gründe erfährst."
Gray presste die Lippen aufeinander, auch weil er nicht länger an die lustvollen Freuden erinnert werden wollte, die die Berührung dieses verräterischen Biests einst in ihm auslösten. Sie strich mit den Fingerspitzen über seine Wange und ließ sie auf seiner schmerzenden Schulter liegen. Dann lehnte sie sich gegen den Opferaltar. Er wusste, er sollte sich besser darauf konzentrieren, wie er sich befreien oder sie umstimmen könnte, doch der Schock lähmte ihn. Die Gedanken bewegten sich wie eine träge Masse, und sein Körper fühlte sich plump und schwerfällig an - vermutlich die Auswirkungen der vergifteten Magie, die ihn umgab.
"Meine Bestrafung bestand darin, das Archiv zu ordnen. Ich brauchte einen ganzen Sommer dafür. Meine dumme kleine Schwester fuhr nach Paris, während ich in dieser Gruft hocken durfte. Doch es war nicht umsonst. Ich fand ein paar sehr interessante Dinge. Zum Beispiel das Tagebuch des Earl of Mersey, sein persönliches Buch mit Zauberformeln und der kleinen Prophezeiung, die er kurz vor seinem Tod niedergeschrieben hatte. Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als ich von dem Handel mit dem Dämonen las und herausfand, dass ich in wenigen Jahren vollkommen mittellos sein würde. Ich? Arm? Auf keinen Fall! Also benutzte ich denselben Zauberspruch und rief mir meinen eigenen Dämonenlord herbei. Er ist sehr gut aussehend und männlich, ein echter Teufel im Bett."
Sie zwinkerte Gray zu, und ihm wurde übel. "Im Austausch dafür, dass ich meinen Reichtum und alle meine schönen Dinge behalten durfte, wollte er nur eins - abgesehen von mir, natürlich. Und zwar das Herz eines Drachens. Dein Herz, um genau zu sein."
"Du liebst mich nicht." Diese Erkenntnis traf Gray wie ein Faustschlag. Sein Selbstmitleid war Salz in seinen Wunden. Das schöne Bild, das er sich von seiner Frau gemacht hatte, war falsch. Sie hatte ihn betrogen und verraten.
Kerren beobachtete das Spiel der Emotionen auf seinem Gesicht mit regem Interesse. Er lieferte ihr offensichtlich ein spannendes Schauspiel. Doch diese Blöße wollte er sich nicht geben. Sein Blick wurde so teilnahmslos wie möglich. Aber sie lachte ihn aus. "Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Oder vor dem Schicksal." Plötzlich hielt sie einen Dolch in der Hand, den sie ihm an die Brust drückte. Wo die scharfe Klinge seine Haut berührte, zeigten sich kleine Blutstropfen.
"Ich habe dich gemocht. Ich habe dich genossen. Ich habe mit dir geschlafen." Sie beugte sich so dicht über ihn, dass ihr Atem seinen Mund streifte. "Aber nein, mein Liebling. Geliebt habe ich dich nie." "Bitte", presste er hervor, während ihm Tränen die Wangen herunterliefen. Er wusste nicht einmal, um was er sie anflehte - um Gnade oder um den Tod -, doch er konnte nicht anders. "Bitte, Kerren. Bitte!"
Angewidert verzog sie das Gesicht und kräuselte die Lippen. "War ja klar, dass du jammern würdest. Wie erbärmlich!" In diesem Moment riss sie den Dolch nach oben und rief: "Für Kahl!"
Ihr Ziel war wahrhaftig, böse und übernatürlich stark.
Die doppelt geschliffene riesige Klinge zerschnitt Grays Muskeln, Knochen, Herz und Lunge. Er spürte, wie sie auf dem Rücken wieder aus seinem Körper austrat und über den Stein kratzte. Ein heiserer Schrei kam ihm noch über die Lippen, dann war der grausame Schmerz plötzlich vorbei.
In der zähen Dunkelheit der Hölle begann Grays Seele zu kämpfen. Gefangen, wisperten tausend Stimmen ihm zu. Betrogen. Du bist ein Nichts. Ein Niemand. Keiner liebt dich. Keiner will dich. Keiner wartet auf dich.
Nein, schrie er. Ich bin Gray Calhoun. Ich bin ein Drache. Ich werde leben. Werde eins mit uns. Du bist das Böse. Du wirst immer das Böse sein. Erneut durchfuhr ihn ein Schmerz. Er besaß keinen Körper mehr, aber der Schmerz war real. Er nahm jeden dieser kleinen grausamen Schreckensmomente wahr. Ich werde mich euch nicht beugen, schrie er. Ihr werdet mich nicht brechen!
Und dann war das Monster da. Das grausame Lächeln entblößte rasiermesserscharfe Zähne, die voller Blut waren. Etwas anderes als diese schreckliche Fratze nahm Gray von dem Ding nicht wahr - nur die seelenlosen schwarzen Augen, die lederne Haut und dieses furchterregende Grinsen.
Das Herz, verlangte das Monster. Gib mir dein Herz.
Ich gebe dir überhaupt nichts. Niemals. Gray kämpfte sich durch den Höllenschlamm, brach seinem Willen Bahn. Ich stehe auf der Seite der Göttin. Ich beschwöre das Blut meiner Vorfahren, die Rechtschaffenheit aller guten Drachen, auf dass sie mir helfen! Du bist das Böse, riefen die Stimmen. Du bist einer von uns. Doch plötzlich zerriss ein gleißendes Licht die Dunkelheit, und die Stimmen schrien vor Enttäuschung auf.
Eine riesige Pranke tauchte aus der goldenen Helligkeit auf und griff nach Gray. Sein Geist wurde wieder in seinen Körper geworfen. Der Dolch verschwand aus seiner Brust, die schreckliche Wunde schloss sich, die Fesseln zerbrachen, und er wurde vom Opferaltar gehoben. Er schwebte nach oben, immer höher, durch Feuer, durch Fels, durch Erde - bis er auf weichem, taufeuchtem Gras zu liegen kam. Zitternd holte Gray Luft und öffnete die Augen. Über ihm sah er die dicht belaubten Zweige eines Baumes, die so weit nach oben ragten, als wollten sie den Mond berühren. Als er sich umsah, stellte er fest, dass er sich auf einer Art Waldlichtung befand. Er könnte in Kalifornien sein oder in Frankreich oder irgendwo. Er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er frei war.
Es fühlte sich an, als wären Reptilienschuppen in seinem Körper, eine seltsame Hitze und eine Gestalt bemächtigte sich seiner, die ihm fremd war. Er war der Hölle entkommen. Doch er war nicht alleine herausgekommen.
Übersetzung: Gisela Schmitt
MIRA Taschenbuch Band 65058 © 2011 by Michele Bardsley Originaltitel: Never Again
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Autoren-Porträt von Michele Bardsley
Die preisgekrönte Autorin Michele Bardsley denkt sich fiktionale Welten aus, weil die Realität manchmal einfach keinen Spaß macht. Warum ist es zum Beispiel bis heute niemandem gelungen, kalorienfreie Schokolade herzustellen? Das wäre doch mal was! Mit ihrem Ehemann, zwei Kindern und drei verwöhnten Katzen lebt Michele in Tulsa, Oklahoma.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michele Bardsley
- 2012, 332 Seiten, Maße: 12,5 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Gisela Schmitt
- Übersetzer: Gisela Schmitt
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783340
- ISBN-13: 9783862783342
Rezension zu „Eine Hexe in Nevermore “
"Lassen Sie sich diese düstere, aufregende, sexy neue Welt nicht entgehen."- www.freshfiction.com"Die Erschaffung einer faszinierenden Welt, originelle Ideen und eine fesselnd düstere Atmosphäre zeichnen diesen Roman aus."- www.publishersweekly.com
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