Eine Spur von Lavendel
Roman.Originalausgabe
Zart wie Frühlingswind, betörend wie der Duft von Lavendel Kriminalkommissar Alexander Hellberg fühlt sich magisch zu Linda hingezogen. Aber sie ist die Witwe seines ehemals besten Freundes der ermordet wurde. Während seine Kollegen an dem Fall arbeiten,...
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Produktinformationen zu „Eine Spur von Lavendel “
Klappentext zu „Eine Spur von Lavendel “
Zart wie Frühlingswind, betörend wie der Duft von Lavendel Kriminalkommissar Alexander Hellberg fühlt sich magisch zu Linda hingezogen. Aber sie ist die Witwe seines ehemals besten Freundes der ermordet wurde. Während seine Kollegen an dem Fall arbeiten, ist Alexander für Linda und ihre Tochter da. Je mehr Zeit er mit ihnen verbringt, desto stärker wird seine Leidenschaft für Linda Und auch wenn sie sich nur zögerlich auf ihn einlässt, erwidert sie seine Gefühle. Dennoch kann Alexander sich nicht an sie binden. Nicht bevor die ganze Wahrheit ans Licht gekommen ist. Nicht bevor er sich den Schatten der Vergangenheit gestellt hat. Und dafür muss er in die Provence, zu den Lavendelfeldern, bei deren Anblick er immer wieder an die Frau denken muss, die ihn verzaubert
Lese-Probe zu „Eine Spur von Lavendel “
Eine Spur von Lavendel von Susanne SchomannPROLOG
Der Anblick des blühenden Lavendelfeldes im Licht der Sonne war einzigartig.
Die Pflanzen standen in dichten Reihen, und aus der Ferne betrachtet wirkte es fast, als würden sich bauschige Schlangen aus amethystfarbener Watte über die Erde winden. Der leichte Sommerwind strich durch ein Meer von Blüten und erzeugte so eine sanfte Wellenbewegung, die sich bis in die Unendlichkeit fortzusetzen schien. So weit das Auge reichte, schwelgte es in diesem unverwechselbaren Blauviolett.
Alexander Hellberg parkte seinen Wagen am Rand des Lavendelfeldes, stieg aus und atmete tief den intensiven Duft ein, der ihn sofort umfing. Eine Weile genoss er ganz bewusst den Anblick, der sich ihm darbot. Er war schon häufig hier gewesen, und trotzdem überraschte es ihn jedes Mal aufs Neue, wie wunderbar und friedlich es hier war. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an, lehnte sich gegen sein Auto und dachte nach.
In den vergangenen Monaten war sein Leben aus den Fugen geraten, so viel war klar. Er hatte es nicht darauf angelegt, ganz sicher nicht. Vielleicht hatte er Fehler gemacht und war irgendwann einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen. Aber die Uhr ließ sich nicht zurückdrehen - und er wollte es auch gar nicht, wenn er ehrlich war.
Zu viel Gefühl!
Wie man es auch drehte, von welcher Seite man es auch betrachtete, er fand keinen Ausweg aus der emotionalen Sackgasse, in die er geraten war.
Du bist frei, Alex!
Dieser schlichte, fast schon naive Satz führte sich in seinem Kopf wie ein Hurrikan auf. Seine Gedanken schienen sich nicht mehr seinem Willen unterzuordnen, und das brachte ihn völlig aus dem Tritt.
... mehr
Nun stand er also allein hier in der Sonne der Provence, am Rand eines blühenden Lavendelfeldes. Die Luft war warm und duftete herrlich, er freute sich auf seine Familie, auf das Essen seiner Mutter und die guten Gespräche mit seinem Bruder bei einem Glas Wein. Und doch ...
1. KAPITEL
Einige Monate zuvor
Die Beisetzung von Oberkommissar Frank Michaelsen fand an einem regnerischen Freitag im April statt. Der düstere wolkenverhangene Himmel ließ kein einziges Fleckchen Blau erkennen und bot somit dem traurigen Anlass eine passende Kulisse.
Alexander Hellberg fragte sich im Stillen, warum es gerade bei Trauerfeiern und Beerdigungen so häufig regnete. Er schüttelte sich leicht und schlug fröstelnd den Kragen seines dunkelgrauen Trenchcoats hoch, bevor er einem älteren Kollegen dankbar zunickte, der ihm freundlicherweise ein Plätzchen unter seinem Schirm zugestanden hatte. Alexanders aufmerksamer Blick glitt unauffällig über die Trauernden hinweg, die hier zusammen mit ihm am offenen Grab standen. Die meisten von ihnen hielten die Köpfe gesenkt und blickten noch immer hinab in das frustrierende Erdloch, in dem gerade eben erst der Sarg mit den sterblichen Überresten von Frank Michaelsen verschwunden war.
Wenn man einmal von der Gruppe der Kollegen und einigen Offiziellen absah, war die eigentliche Trauergesellschaft nicht besonders groß. Franks Familie war überschaubar. Zwei Gesichter der Angehörigen waren Alexander sogar recht vertraut, obwohl er sie schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Er erkannte Franks älteren Bruder Walter und auch die Mutter der beiden sofort wieder.
In früheren Jahren war Alexander sehr häufig und immer wieder gern bei Anneliese Michaelsen zu Gast gewesen - damals, als Frank noch sein Freund gewesen war. Doch wenn er jetzt an diese Zeit zurückdachte, kam es Alexander fast so vor, als hätte es diese Freundschaft nur in einem anderen, fernen Leben gegeben. In seinem Kopf schien er wahre Ewigkeiten überbrücken zu müssen, um sich an diese aufregenden Zeiten mit Frank erinnern zu können. Nicht zuletzt deshalb hatte er es in den letzten Jahren auch nie mehr wirklich versucht.
An einem Tag wie heute lag die Sache jedoch anders.
Die Erinnerungen stellten sich ganz von allein ein, und obwohl er hier am Grab seines ehemaligen Freundes stand, fühlte Alexander sich plötzlich irgendwie jung - jung und auf eine nahezu beklemmende Weise sogar ein wenig unbeschwert.
Achtzehn Jahre, Frank!
An einem trüben Montagmorgen vor achtzehn Jahren hatten sich Alexander Hellberg und Frank Michaelsen kennengelernt. Es war ihr erster gemeinsamer Tag auf der Polizeischule gewesen. Und bereits an diesem ersten verregneten Montag hatten sie entdeckt, dass sie sich in sehr vielen Bereichen des Lebens auf eine ganz eigentümliche Art ergänzten.
Über zwei Jahre lang waren sie dann zusammen um die Häuser gezogen, hatten sich beinahe jeden Tag gesehen, wenn ihr Dienst es zugelassen hatte.
Sie hatten Spaß gehabt, sogar eine Menge Spaß!
Bis zu jenem Tag, an dem Frank Michaelsen sich aus irgendeinem Grund entschlossen hatte, genau das wieder zu ändern. Praktisch über Nacht hatte er sich immer mehr zurückgezogen, und Alexander war noch zu jung, zu stolz und auch zu tief verletzt gewesen, um seinen Freund nach dem Grund zu fragen. Also hatte er es nur stillschweigend hingenommen, und ihre Freundschaft zerbrach ebenso schnell, wie sie gut zwei Jahre zuvor entstanden war.
Einige Jahre später hatte der Beruf sie dann doch noch einmal zusammengebracht, denn sie waren inzwischen beide als junge Kommissare bei der Kriminalpolizei gelandet. Zu jener Zeit bekamen sie es unerwartet mit dem gleichen Fall zu tun, für den man eine Sonderkommission eingerichtet und Beamte aus verschiedenen Abteilungen zusammengezogen hatte.
Damals, in der eher kurzen Zeit ihrer äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit, hatte er auch erfahren, dass Frank inzwischen geheiratet hatte und sogar Vater einer kleinen Tochter geworden war. Persönlich kennengelernt hatte er Franks Familie allerdings nie. Ihre neue Beziehung war rein beruflich geblieben, und nach der Auflösung der Sonderkommission hatten sich ihre Wege sofort wieder getrennt.
Und jetzt war Frank Michaelsen tot.
Er war regelrecht hingerichtet worden.
Irgendjemand hatte Frank die eigene Dienstwaffe in den Nacken gedrückt und ihm eine Kugel in den Hinterkopf verpasst.
Diese grausame Tatsache führte sie nach all der Zeit erneut zusammen, denn Alexander arbeitete seit fünf Jahren bei der Hamburger Mordkommission.
Nein, der brutale Mord an Frank Michaelsen war nicht sein Fall. Obwohl er offiziell sogar zur Bereitschaftsgruppe gehörte, die den Fall Michaelsen bearbeitete, hatten seine Vorgesetzten es bisher verstanden, Alexanders direkte Beteiligung an den Ermittlungen zu verhindern. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, gab er ihnen sogar recht - ihm fehlte noch immer die emotionale Distanz zum Opfer, um gute und objektive Ermittlungsarbeit leisten zu können, das war ihm spätesten heute schmerzlich bewusst geworden. Einige seiner Kollegen arbeiteten bereits seit mehreren Tagen an der Aufklärung des Mordes, unter Hochdruck, wie man so schön sagt. Nach einigen Gesprächen hatte man Alexander zumindest wohlwollend zugestanden, jederzeit Informationen über den Fortschritt der Ermittlungen einzufordern. Außerdem hatte niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn er erneut privaten Kontakt zur Familie von Frank Michaelsen aufnahm.
Alexanders ernster Blick blieb zum wiederholten Male an der jungen Witwe hängen. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, und ihre rechte Hand war fest mit der linken ihrer Tochter verschlungen. Alles, was Alexander erkennen konnte, war eine offenbar sehr zierliche Person mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf, der genauso nachtschwarz war wie der einfache knielange Wollmantel, den sie trug. Das junge Mädchen neben ihr war dunkelblond und recht groß und schlaksig, ebenso wie Frank es gewesen war. Es überragte seine Mutter bereits um Haupteslänge. Direkt hinter der Witwe stand Walter Michaelsen, Franks Bruder, und sorgte mit einem überdimensionalen Stockschirm dafür, dass die weiblichen Mitglieder seiner Familie nicht allzu nass wurden. An seinem freien Arm hing seine Mutter und schluchzte bitterlich in ein großes hellblaues Herrentaschentuch, dessen Farbe aus all dem Schwarz eigenartig hervorstach.
Als sich ihre Blicke begegneten, nickte Walter Michaelsen Alexander kurz zu und neigte sich dann zu seiner Mutter hinab, um ihr etwas zuzuflüstern. Sie sah auf und nickte grüßend in seine Richtung. Trotz der Tränenflut deutete sie ein verhaltenes Lächeln an. Alexander hob leicht eine Hand und erwiderte ihr Lächeln.
Eine halbe Stunde später war die Beisetzung überstanden, und der Regen hatte aufgehört. Etwas abseits vom Geschehen wartete Alexander geduldig ab, bis sich der überwiegende Teil der Trauergäste von der Familie verabschiedet hatte. Man hatte zuvor alle Anwesenden diskret darüber informiert, dass außer Walter Michaelsen niemand von der Familie an dem üblichen Leichenschmaus teilnehmen würde, der jetzt in einem nahe gelegenen Restaurant folgen sollte.
Wie Alexander es insgeheim gehofft hatte, kam Franks Mutter schließlich von allein auf ihn zu und reichte ihm ihre eiskalte Hand.
„Mein Beileid, Anneliese. Es tut mir unendlich leid", sagte er leise.
Die ältere Frau kämpfte kurz gegen erneut aufsteigende Tränen an, ließ jedoch seine Hand noch nicht los. „Ich freue mich so, dich wiederzusehen, mein Junge. Trotz ..."
„Es ist lange her", unterbrach er sie schnell.
„Ja, das ist es in der Tat."
Eine kleine Weile blickten sie sich stumm an, bis sie von Walter Michaelsen unterbrochen wurden. „Alex, wie nett von dir, dass du heute gekommen bist, um meinem Bruder die letzte Ehre zu erweisen."
Alexander konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie neidisch Walter Michaelsen damals auf das gute Aussehen seines jüngeren Bruders gewesen war. Doch nun, aus der Nähe, stellte er fest, dass die Zeit mit Franks Bruder eigentlich recht nachsichtig umgegangen war. Obwohl Walter bereits seinen vierzigsten Geburtstag hinter sich haben musste, wirkte er noch immer sehr schlank und drahtig. Sein dunkelblondes, leicht welliges Haar war voll, und die sonnengebräunte Haut in seinem Gesicht war nahezu faltenlos geblieben.
„Es war mir ein Bedürfnis, herzukommen", erklärte Alexander knapp.
Walter nickte flüchtig, wandte sich dann aber sogleich an seine Mutter. „Linda und Charlotte warten bereits im Auto auf dich. Meine Assistentin wird euch dann nach Hause fahren."
„Ja", sagte sie abwesend, ohne ihren Blick von Alexander zu lösen. „Ja, ich komme schon, Walter. Wirst du dich mal bei uns melden, Alexander?" Noch immer lag ihre kalte Hand in der seinen. „Bitte!", fügte sie nach einer kleinen Pause nachdrücklich hinzu.
„Sicher. Ich ... ähm ... ich würde auch sehr gerne deine Schwiegertochter und deine Enkelin kennenlernen."
„Ich bleibe heute Nacht bei ihnen im Haus. Du kannst gerne morgen Vormittag auf eine Tasse Kaffee oder Tee vorbeischauen, wenn du möchtest. Ich werde sie auf deinen Besuch vorbereiten."
„Ja, gerne. Aber, wenn sie ..." Er zögerte und warf einen schnellen Blick auf den wartenden Wagen. „Wenn es nicht passen sollte - hier ist meine Karte. Du kannst mich jederzeit anrufen, Anneliese, selbstverständlich auch im Büro."
„Linda wird einverstanden sein, Alexander. Mach dir keine Gedanken. Komm gegen elf, ja? Du hast die Adresse?"
Alexander nickte und sah Anneliese Michaelsen nach, bis sie ebenfalls in die flaschengrüne Limousine gestiegen war und der Wagen schließlich abfuhr. Erst als das Auto aus seinem Blickfeld verschwunden war, bemerkte er, dass Walter noch immer neben ihm stand.
„Mutter nimmt es ziemlich schwer."
Alexander musste sich räuspern. Er hatte Franks älteren Bruder noch nie sehr gemocht.
„Sie hat ihr Kind verloren, Walter."
„Frank war achtunddreißig Jahre alt, Alex."
„Das ändert doch nichts. Gar nichts!"
...
Copyright © 2013 by Susanne Graupner / Interpill Media GmbH, Hamburg
Nun stand er also allein hier in der Sonne der Provence, am Rand eines blühenden Lavendelfeldes. Die Luft war warm und duftete herrlich, er freute sich auf seine Familie, auf das Essen seiner Mutter und die guten Gespräche mit seinem Bruder bei einem Glas Wein. Und doch ...
1. KAPITEL
Einige Monate zuvor
Die Beisetzung von Oberkommissar Frank Michaelsen fand an einem regnerischen Freitag im April statt. Der düstere wolkenverhangene Himmel ließ kein einziges Fleckchen Blau erkennen und bot somit dem traurigen Anlass eine passende Kulisse.
Alexander Hellberg fragte sich im Stillen, warum es gerade bei Trauerfeiern und Beerdigungen so häufig regnete. Er schüttelte sich leicht und schlug fröstelnd den Kragen seines dunkelgrauen Trenchcoats hoch, bevor er einem älteren Kollegen dankbar zunickte, der ihm freundlicherweise ein Plätzchen unter seinem Schirm zugestanden hatte. Alexanders aufmerksamer Blick glitt unauffällig über die Trauernden hinweg, die hier zusammen mit ihm am offenen Grab standen. Die meisten von ihnen hielten die Köpfe gesenkt und blickten noch immer hinab in das frustrierende Erdloch, in dem gerade eben erst der Sarg mit den sterblichen Überresten von Frank Michaelsen verschwunden war.
Wenn man einmal von der Gruppe der Kollegen und einigen Offiziellen absah, war die eigentliche Trauergesellschaft nicht besonders groß. Franks Familie war überschaubar. Zwei Gesichter der Angehörigen waren Alexander sogar recht vertraut, obwohl er sie schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Er erkannte Franks älteren Bruder Walter und auch die Mutter der beiden sofort wieder.
In früheren Jahren war Alexander sehr häufig und immer wieder gern bei Anneliese Michaelsen zu Gast gewesen - damals, als Frank noch sein Freund gewesen war. Doch wenn er jetzt an diese Zeit zurückdachte, kam es Alexander fast so vor, als hätte es diese Freundschaft nur in einem anderen, fernen Leben gegeben. In seinem Kopf schien er wahre Ewigkeiten überbrücken zu müssen, um sich an diese aufregenden Zeiten mit Frank erinnern zu können. Nicht zuletzt deshalb hatte er es in den letzten Jahren auch nie mehr wirklich versucht.
An einem Tag wie heute lag die Sache jedoch anders.
Die Erinnerungen stellten sich ganz von allein ein, und obwohl er hier am Grab seines ehemaligen Freundes stand, fühlte Alexander sich plötzlich irgendwie jung - jung und auf eine nahezu beklemmende Weise sogar ein wenig unbeschwert.
Achtzehn Jahre, Frank!
An einem trüben Montagmorgen vor achtzehn Jahren hatten sich Alexander Hellberg und Frank Michaelsen kennengelernt. Es war ihr erster gemeinsamer Tag auf der Polizeischule gewesen. Und bereits an diesem ersten verregneten Montag hatten sie entdeckt, dass sie sich in sehr vielen Bereichen des Lebens auf eine ganz eigentümliche Art ergänzten.
Über zwei Jahre lang waren sie dann zusammen um die Häuser gezogen, hatten sich beinahe jeden Tag gesehen, wenn ihr Dienst es zugelassen hatte.
Sie hatten Spaß gehabt, sogar eine Menge Spaß!
Bis zu jenem Tag, an dem Frank Michaelsen sich aus irgendeinem Grund entschlossen hatte, genau das wieder zu ändern. Praktisch über Nacht hatte er sich immer mehr zurückgezogen, und Alexander war noch zu jung, zu stolz und auch zu tief verletzt gewesen, um seinen Freund nach dem Grund zu fragen. Also hatte er es nur stillschweigend hingenommen, und ihre Freundschaft zerbrach ebenso schnell, wie sie gut zwei Jahre zuvor entstanden war.
Einige Jahre später hatte der Beruf sie dann doch noch einmal zusammengebracht, denn sie waren inzwischen beide als junge Kommissare bei der Kriminalpolizei gelandet. Zu jener Zeit bekamen sie es unerwartet mit dem gleichen Fall zu tun, für den man eine Sonderkommission eingerichtet und Beamte aus verschiedenen Abteilungen zusammengezogen hatte.
Damals, in der eher kurzen Zeit ihrer äußerst erfolgreichen Zusammenarbeit, hatte er auch erfahren, dass Frank inzwischen geheiratet hatte und sogar Vater einer kleinen Tochter geworden war. Persönlich kennengelernt hatte er Franks Familie allerdings nie. Ihre neue Beziehung war rein beruflich geblieben, und nach der Auflösung der Sonderkommission hatten sich ihre Wege sofort wieder getrennt.
Und jetzt war Frank Michaelsen tot.
Er war regelrecht hingerichtet worden.
Irgendjemand hatte Frank die eigene Dienstwaffe in den Nacken gedrückt und ihm eine Kugel in den Hinterkopf verpasst.
Diese grausame Tatsache führte sie nach all der Zeit erneut zusammen, denn Alexander arbeitete seit fünf Jahren bei der Hamburger Mordkommission.
Nein, der brutale Mord an Frank Michaelsen war nicht sein Fall. Obwohl er offiziell sogar zur Bereitschaftsgruppe gehörte, die den Fall Michaelsen bearbeitete, hatten seine Vorgesetzten es bisher verstanden, Alexanders direkte Beteiligung an den Ermittlungen zu verhindern. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, gab er ihnen sogar recht - ihm fehlte noch immer die emotionale Distanz zum Opfer, um gute und objektive Ermittlungsarbeit leisten zu können, das war ihm spätesten heute schmerzlich bewusst geworden. Einige seiner Kollegen arbeiteten bereits seit mehreren Tagen an der Aufklärung des Mordes, unter Hochdruck, wie man so schön sagt. Nach einigen Gesprächen hatte man Alexander zumindest wohlwollend zugestanden, jederzeit Informationen über den Fortschritt der Ermittlungen einzufordern. Außerdem hatte niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn er erneut privaten Kontakt zur Familie von Frank Michaelsen aufnahm.
Alexanders ernster Blick blieb zum wiederholten Male an der jungen Witwe hängen. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, und ihre rechte Hand war fest mit der linken ihrer Tochter verschlungen. Alles, was Alexander erkennen konnte, war eine offenbar sehr zierliche Person mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf, der genauso nachtschwarz war wie der einfache knielange Wollmantel, den sie trug. Das junge Mädchen neben ihr war dunkelblond und recht groß und schlaksig, ebenso wie Frank es gewesen war. Es überragte seine Mutter bereits um Haupteslänge. Direkt hinter der Witwe stand Walter Michaelsen, Franks Bruder, und sorgte mit einem überdimensionalen Stockschirm dafür, dass die weiblichen Mitglieder seiner Familie nicht allzu nass wurden. An seinem freien Arm hing seine Mutter und schluchzte bitterlich in ein großes hellblaues Herrentaschentuch, dessen Farbe aus all dem Schwarz eigenartig hervorstach.
Als sich ihre Blicke begegneten, nickte Walter Michaelsen Alexander kurz zu und neigte sich dann zu seiner Mutter hinab, um ihr etwas zuzuflüstern. Sie sah auf und nickte grüßend in seine Richtung. Trotz der Tränenflut deutete sie ein verhaltenes Lächeln an. Alexander hob leicht eine Hand und erwiderte ihr Lächeln.
Eine halbe Stunde später war die Beisetzung überstanden, und der Regen hatte aufgehört. Etwas abseits vom Geschehen wartete Alexander geduldig ab, bis sich der überwiegende Teil der Trauergäste von der Familie verabschiedet hatte. Man hatte zuvor alle Anwesenden diskret darüber informiert, dass außer Walter Michaelsen niemand von der Familie an dem üblichen Leichenschmaus teilnehmen würde, der jetzt in einem nahe gelegenen Restaurant folgen sollte.
Wie Alexander es insgeheim gehofft hatte, kam Franks Mutter schließlich von allein auf ihn zu und reichte ihm ihre eiskalte Hand.
„Mein Beileid, Anneliese. Es tut mir unendlich leid", sagte er leise.
Die ältere Frau kämpfte kurz gegen erneut aufsteigende Tränen an, ließ jedoch seine Hand noch nicht los. „Ich freue mich so, dich wiederzusehen, mein Junge. Trotz ..."
„Es ist lange her", unterbrach er sie schnell.
„Ja, das ist es in der Tat."
Eine kleine Weile blickten sie sich stumm an, bis sie von Walter Michaelsen unterbrochen wurden. „Alex, wie nett von dir, dass du heute gekommen bist, um meinem Bruder die letzte Ehre zu erweisen."
Alexander konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie neidisch Walter Michaelsen damals auf das gute Aussehen seines jüngeren Bruders gewesen war. Doch nun, aus der Nähe, stellte er fest, dass die Zeit mit Franks Bruder eigentlich recht nachsichtig umgegangen war. Obwohl Walter bereits seinen vierzigsten Geburtstag hinter sich haben musste, wirkte er noch immer sehr schlank und drahtig. Sein dunkelblondes, leicht welliges Haar war voll, und die sonnengebräunte Haut in seinem Gesicht war nahezu faltenlos geblieben.
„Es war mir ein Bedürfnis, herzukommen", erklärte Alexander knapp.
Walter nickte flüchtig, wandte sich dann aber sogleich an seine Mutter. „Linda und Charlotte warten bereits im Auto auf dich. Meine Assistentin wird euch dann nach Hause fahren."
„Ja", sagte sie abwesend, ohne ihren Blick von Alexander zu lösen. „Ja, ich komme schon, Walter. Wirst du dich mal bei uns melden, Alexander?" Noch immer lag ihre kalte Hand in der seinen. „Bitte!", fügte sie nach einer kleinen Pause nachdrücklich hinzu.
„Sicher. Ich ... ähm ... ich würde auch sehr gerne deine Schwiegertochter und deine Enkelin kennenlernen."
„Ich bleibe heute Nacht bei ihnen im Haus. Du kannst gerne morgen Vormittag auf eine Tasse Kaffee oder Tee vorbeischauen, wenn du möchtest. Ich werde sie auf deinen Besuch vorbereiten."
„Ja, gerne. Aber, wenn sie ..." Er zögerte und warf einen schnellen Blick auf den wartenden Wagen. „Wenn es nicht passen sollte - hier ist meine Karte. Du kannst mich jederzeit anrufen, Anneliese, selbstverständlich auch im Büro."
„Linda wird einverstanden sein, Alexander. Mach dir keine Gedanken. Komm gegen elf, ja? Du hast die Adresse?"
Alexander nickte und sah Anneliese Michaelsen nach, bis sie ebenfalls in die flaschengrüne Limousine gestiegen war und der Wagen schließlich abfuhr. Erst als das Auto aus seinem Blickfeld verschwunden war, bemerkte er, dass Walter noch immer neben ihm stand.
„Mutter nimmt es ziemlich schwer."
Alexander musste sich räuspern. Er hatte Franks älteren Bruder noch nie sehr gemocht.
„Sie hat ihr Kind verloren, Walter."
„Frank war achtunddreißig Jahre alt, Alex."
„Das ändert doch nichts. Gar nichts!"
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Copyright © 2013 by Susanne Graupner / Interpill Media GmbH, Hamburg
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Autoren-Porträt von Susanne Schomann
Susanne Schomann stammt aus Hamburg. Die Autorin ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Susanne Schomann
- 2013, Maße: 12,3 x 18,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862787699
- ISBN-13: 9783862787692
Rezension zu „Eine Spur von Lavendel “
Gefährlich sexy - ein Muss für Romantic-Thriller-Fans!"RT Bookclub
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