Eisfieber
Ken Follett beweist einmal mehr seine Meisterschaft spannender Erzählkunst!
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Ken Follett beweist einmal mehr seine Meisterschaft spannender Erzählkunst!
Eine schottische Firma hat einen Impfstoff gegen ein tödliches Virus entwickelt. Für Antonia Gallo, die Sicherheitschefin, beginnt ein Albtraum, als der Impfstoff aus dem Labor gestohlen wird. Auch Kit, der Sohn des Firmenchefs, ist hinter dem Virus her. Was er allerdings nicht weiß: Er spielt ihn dabei skrupellosen Terroristen in die Hände.
LESEPROBE
Heiligabend
01.00 Uhr
Zwei müde Männer sahen AntoniaGallo mit feindseligen, ja hasserfüllten Blicken an. Sie wollten nach Hause,aber das ließ Antonia nicht zu. Beiden war klar, dass sie Recht hatte - und dasmachte die ganze Sache noch schlimmer.
Alle drei befanden sich im Personalbüro der Pharmafirma Oxenford Medical, eineskleinen, aber feinen Unternehmens, das im Börsenjargon "Boutique Company"genannt wurde. Antonia - Rufname Toni - war Abteilungsleiterin und Sicherheitsbeauftragte.Bei Oxenford Medical wurden Viren erforscht, die unter Umständen tödlich seinkonnten. Sicherheit war daher eine todernste Angelegenheit.
Bei einer unangemeldeten Bestandskontrolle hatte Toni festgestellt, dass zweiProben aus einer Experimentierreihe fehlten - und das war eine schlimme Sache:Die Substanz, ein Reagens mit antiviraler Wirkung, unterlag größterGeheimhaltung, und die dazu gehörige Formel war unbezahlbar. Gut möglich, dassdie Proben mit der Absicht, sie an eine Konkurrenzfirma zu verkaufen, gestohlenworden waren. Die dunklen Ringe um Tonis grüne Augen und der Ausdruck finstererBetroffenheit in ihrem sommersprossigen Gesicht hatten jedoch eine andereUrsache. Es gab nämlich noch eine weitere Möglichkeit, und die war ungleichprekärer: Womöglich hatte der Dieb die Proben gestohlen, weil er sie für sichselber brauchte. Dafür aber gab es nur einen einzigen plausiblen Grund:Irgendjemand hatte sich mit tödlichen Viren infiziert, mit denen in den Laborsvon Oxenford Medical gearbeitet wurde.
Die Labors befanden sich in einem riesigen Gebäude aus dem neunzehntenJahrhundert, das einst als schottisches Ferienhaus für einen viktorianischenMillionär errichtet worden war. Weil es sich hinter zwei Zaunreihen ausNATO-Draht verbarg, die Eingänge von uniformierten Wachposten kontrolliertwurden und auch
Das Personalbüro war in einem Raum untergebracht, der einst als Schlafgemachgedient hatte. Die Fenster mit den Spitzbögen und die Faltwerk-Paneele stammtennoch aus den Zeiten der ehemaligen Besitzer, doch deren Kleiderschränke wareninzwischen durch Aktenschränke ersetzt worden, und dort, wo sich einstKristallfläschchen und Haarbürsten mit Silbergriffen gegenseitig den Platz aufder Frisierkommode streitig gemacht hatten, standen nun Computer und Telefoneauf Büroschreibtischen.
Toni und die beiden Männer waren damit beschäftigt, alle Mitarbeiter anzurufen,die zum Betreten der Hochsicherheitslabors berechtigt waren. Es gab vierSicherheitsstufen, so genannte Bio Safety Levels. In der höchsten, BSL-4,arbeiteten die Wissenschaftler mit Viren, gegen die es keinen Impfschutz undkeinerlei Gegenmittel gab, und mussten daher Schutzankleidung tragen, die andie Raumanzüge von Astronauten erinnerte. BSL-4 war naturgemäß die am besten gesicherteAbteilung im Hause, daher waren die verschwundenen Proben auch dort gelagertgewesen.
Nur ein kleiner Kreis von Mitarbeitern hatte zum BSL-4-Labor Zugang. Selbst fürdie Wartungscrew der Luftfilter und Autoklaven war ein speziellesSicherheitstraining für biologische Störfälle unbedingte Voraussetzung. AuchToni hatte sich dieser Ausbildung unterzogen, damit sie jederzeit dieSicherheitsvorkehrungen innerhalb des Labors überprüfen konnte.
Insgesamt waren nur siebenundzwanzig der achtzig Firmenangehörigen berechtigt,das Hochsicherheitslabor zu betreten, doch viele von ihnen hatten sich schonfür die Weihnachtsfeiertage verabschiedet, und der Montag war bereits zumDienstag geworden, als die drei für die Klärung des Falles Verantwortlichenendlich auch den Letzten von ihnen aufspürten.
Toni fragte sich bis in ein Feriencamp namens Le Club Beach auf Barbados durch,erwischte dort den Assistenten der Geschäftsleitung und überredete ihn mitEngelszungen, eine junge chemisch-technische Laborantin namens Jenny Crawfordausfindig zu machen und ans Telefon zu holen.
Während sie wartete, betrachtete Toni ihr Spiegelbild im Fenster. Dafür, dasses schon so spät war, hielt sie sich ganz gut. Ihr schokoladenbrauner Anzug mitKreidestreifen wirkte immer noch geschäftsmäßig, ihr volles Haar nach wie vorgepflegt, und auch ihrem Gesicht war die Müdigkeit kaum anzusehen. Ihr Vaterwar Spanier gewesen, doch sie hatte die blasse Haut und das rotblonde Haarihrer Mutter geerbt. Sie war groß gewachsen und sportlich fit. Nicht schlechtfür eine Achtunddreißigjährige, dachte sie.
Endlich meldete sich Jenny Crawfords Stimme am Telefon. "Das muss doch mittenin der Nacht sein bei euch!", sagte sie.
"Wir haben einen Fehlbestand im BSL-4", erklärte Toni.
Jenny war ein wenig beschwipst. "Das kommt doch immer wieder mal vor", sagtesie ohne erkennbare Beunruhigung. "Und bisher hat noch nie jemand ein großesDrama gemacht."
"Ja, weil es bisher nicht mein Job war", erwiderte Toni gereizt. "Wann warenSie das letzte Mal im BSL-4?"
"Am Dienstag, glaub ich. Aber das muss Ihnen doch eigentlich der Computersagen, oder?"
Doch, dachte, Toni, aber ich möchte wissen, ob Jennys Aussage mit denComputerdaten übereinstimmt ... "Und wann waren Sie zum letzten Mal am Tresor?"Der so genannte Tresor war ein verschlossener Kühlschrank innerhalb des Labors.
Jennys Tonfall verriet, dass ihr die Befragung allmählich auf die Nerven ging."Das weiß ich nicht mehr genau, aber das wird doch alles aufgezeichnet." DasTouchpad-Kombinationsschloss des Tresors aktivierte eine Videokamera, die solange lief, wie die Tür geöffnet war.
"Erinnern Sie sich daran, wann Sie das letzte Mal mit Madoba-2 zu tun hatten?"Madoba-2 war das Virus, mit dem die Wissenschaftler gegenwärtig arbeiteten.
Jenny erschrak. "Au, verdammt - gehört die fehlende Probe etwa dazu?"
"Nein. Trotzdem ..."
"Ich hab, glaube ich, niemals konkret mit einem echten Virus zu tun gehabt.Meistens arbeite ich im Labor für Gewebekulturen."
Das stimmte mit den Informationen überein, die Toni vorliegen hatte. "Ist Ihnenvielleicht aufgefallen, dass sich ein Kollege oder eine Kollegin in den letztenWochen ungewöhnlich benommen oder dass sich sein oder ihr Verhalten plötzlichgeändert hat?"
"Das klingt ja wie ein Verhör", protestierte Jenny.
"Mag sein. Trotzdem ..."
"Nein, mir ist nichts dergleichen aufgefallen."
"Eine Frage noch: Haben Sie Fieber oder erhöhte Temperatur?"
"Verdammt noch mal, soll das etwa heißen, ich könnte Madoba-2 haben?"
"Sind Sie erkältet?"
"Nein!"
"Dann ist alles in Ordnung. Sie haben das Land vor elf Tagen verlassen - wennirgendwas nicht stimmen würde, hätten Sie inzwischen grippeartige Symptome. Ichdanke Ihnen, Jenny. Vermutlich handelt es sich bloß um einen Irrtum imProtokollbuch. Trotzdem müssen wir der Sache nachgehen."
"Mir haben Sie jedenfalls die Nacht gründlich verdorben", erwiderte Jenny undbeendete das Gespräch.
"Pech für dich", sagte Toni in die tote Leitung, legte den Hörer auf und fügtehinzu: "Jenny Crawford scheidet aus. Dumme Kuh, aber ehrlich."
Howard McAlpine war der Leiter des Labors. Sein buschiger grauer Bart zog sichüber die Wangenknochen hinauf, sodass die Haut um seine Augen herum wie einerosa Maske wirkte. McAlpine war ein sorgfältiger Mann, aber kein Pedant. Toniarbeitete normalerweise recht gern mit ihm zusammen, doch diesmal war er allesandere als gut gelaunt. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränktedie Hände hinter dem Kopf. "Sie können doch mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das Material, für das Ihnen derNachweis fehlt, von einer dazu berechtigten Person benutzt wurde, die lediglichvergessen hat, die Entnahme ins Protokollbuch einzutragen." Seine Stimme klanggereizt, denn er hatte dieses Argument bereits zwei Mal vorgebracht.
"Ich hoffe, Sie haben Recht", erwiderte Toni unverbindlich, erhob sich und tratans Fenster. Vom Personalbüro aus konnte man den Anbau sehen, in dem dasBSL-4-Labor untergebracht war. Mit seinen verschnörkelten Schornsteinen undeinem Uhrturm fügte er sich nahtlos ins Gesamtbild des Kremls ein, sodass eseinem Fremden aus der Entfernung sicher nicht leicht gefallen wäre zu sagen, wogenau in dem ganzen Komplex sich das Hochsicherheitslabor befand. Aber dieFenster mit den hohen Bögen waren mit Milchglas versehen, die Eichentüren mitihrem Schnitzwerk ließen sich nicht öffnen, und aus den monströsen Köpfen derWasserspeier spähten einäugig Videokameras herab. Der Anbau war eineinstöckiger Betonkasten in viktorianischer Verkleidung. Die Labors nahmen dasgesamte Erdgeschoss ein. Außer den Arbeitsplätzen für die Forscher und denVorratsräumen gab es eine intensivmedizinische Quarantänestation für Personen,die sich mit einem gefährlichen Virus infiziert hatten. Bisher war sieallerdings noch nie in Anspruch genommen worden. Im ersten Stock waren dieLuftfilteranlagen untergebracht und im Keller eine komplizierte Anlage für dieSterilisation aller Abfallstoffe, die in den Labors anfielen. Außer denMenschen blieb dort unten nichts am Leben.
"Wir haben eine ganze Menge aus dieser Geschichte gelernt", sagte Toni in einemum Versöhnung bemühten Tonfall. Ihr war bewusst geworden, dass sie sich ineiner nicht unkritischen Lage befand, denn die beiden Herren in den Fünfzigernbekleideten von Rang und Alter her höhere Positionen als sie. Obwohl Toni nichtberechtigt war, ihnen Anweisungen zu erteilen, hatte sie darauf bestanden, dassdas Verschwinden der Proben als Krisenfall eingestuft wurde. Zwar mochten diebeiden sie durchaus, doch mit ihrem Verhalten strapazierte sie deren gutenWillen bis zur Belastungsgrenze. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass ihreVorgehensweise notwendig war und sie gar nicht anders handeln konnte: Dieöffentliche Sicherheit, das Ansehen der Firma und ihre eigene Karriere standenauf dem Spiel.
"Künftig muss jeder, der Zugang zum BSL-4 hat, rund um die Uhr telefonischerreichbar sein, wo immer er sich aufhält", forderte sie. "Das kann, wennGefahr im Verzug ist, entscheidend sein. Außerdem müssen wir dieProtokollbücher öfter als einmal im Jahr kontrollieren."
McAlpine räusperte sich. Als Labordirektor fielen die Bestandsverzeichnisse inseine Zuständigkeit, und der wahre Grund für seine schlechte Laune lag darin,dass Toni und nicht er selbst den Fehlbestand entdeckt hatte. Ihre Sorgfaltwarf ein schlechtes Licht auf ihn.
Sie wandte sich an den anderen Mann, James Elliot. Er war der Personalchef."Sind wir mit der Liste durch, James?", frage sie ihn.
Elliot sah von seinem Computermonitor auf. Er war gekleidet wie einBörsenmakler, in Nadelstreifen und gepunkteter Krawatte, als lege er Wertdarauf, sich deutlich von den Wissenschaftlern abzuheben, die lieber inTweedanzügen herumliefen. Die Sicherheitsvorschriften schien er für lästigebürokratische Kleinkrämerei zu halten, was daran liegen mochte, dass er selberniemals direkt mit Viren zu tun gehabt hatte. Toni hielt ihn für eingebildetund dumm.
"Wir haben mit sechsundzwanzig von siebenundzwanzig Mitarbeitern gesprochen,die zum BSL-4 Zugang haben", sagte er mit übertriebener Deutlichkeit und klangdabei wie ein müder Lehrer, der dem dümmsten Schüler der Klasse etwas erklärenwill. "Alle sechsundzwanzig haben wahrheitsgemäß geantwortet, als wir siefragten, wann sie zum letzten Mal im Labor waren und den Tresor geöffnet haben.Keinem von ihn ist aufgefallen, dass sich ein Kollege oder ein Kollegemerkwürdig verhielt. Und Fieber hat auch keiner."
"Wer ist der Siebenundzwanzigste?"
"Michael Ross, ein Laborant."
"Ich kenne ihn", sagte Toni. Er war ungefähr zehn Jahre jünger als sie, einschüchterner, intelligenter Mann. "Ich war sogar schon einmal bei ihm. Er hatein Haus im Grünen, etwa fünfundzwanzig Kilometer von hier."
"Er arbeitet seit acht Jahren für uns und ist noch niemals negativaufgefallen." McAlpine fuhr mit dem Finger über einen Computerausdruck undergänzte: "Sonntag vor drei Wochen war er zum letzten Mal im Labor. Es ging umeine Routineüberprüfung der Versuchstiere."
"Und was hat er seitdem getan?"
"Er war in Urlaub."
"Wie lange? Drei Wochen?"
"Er hätte heute zurückkommen müssen", warf Elliot ein und warf einen Blick aufseine Armbanduhr. "Oder nein, gestern. Am Montagmorgen. Aber er ist nichtaufgetaucht."
"Hat er sich krank gemeldet?"
"Nein."
Toni zog die Brauen hoch. "Und er ist nicht erreichbar?"
"Bisher nicht. Er meldet sich weder unter seiner Privat- noch unter seinerHandynummer."
"Kommt Ihnen das nicht seltsam vor?"
"Dass ein unverheirateter junger Mann seinen Urlaub eigenmächtig verlängert,ohne sich beim Arbeitgeber abzumelden? Das ist allenfalls so seltsam wie einRegenschauer im schottischen Hochland."
Toni wandte sich wieder an McAlpine. "Aber Sie sagten doch, dass er alszuverlässig gilt."
Der Direktor machte aus seiner Betroffenheit keinen Hehl. "Er ist sehrgewissenhaft. Unentschuldigtes Fehlen würde mich bei ihm sehr wundern."
"Welcher Kollege ist das letzte Mal bei ihm gewesen?", fragte Toni. DassMichael nicht allein im Labor gewesen sein konnte, lag an der"Zwei-Personen-Regel": Wegen des hohen Risikos war es niemandem gestattet,allein im BSL-4 zu arbeiten.
McAlpine überprüfte die Liste. "Dr. Ansari."
"Den kenne ich nicht, glaube ich."
"Die. Es ist eine Frau. Dr. Monica Ansari, eine Biochemikerin."
Toni griff zum Telefon. "Nummer?"
Monica Ansari sprach schottischen, genauer gesagt Edinburgher Dialekt undklang, als habe man sie aus dem Tiefschlaf geweckt. "Howard McAlpine hat michvorhin schon angerufen", sagte sie.
"Tut mir Leid, dass ich Sie noch einmal behelligen muss."
"Ist was passiert?"
"Es geht um Michael Ross. Wir können ihn nicht erreichen und wissen nicht, woer steckt. Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie am Sonntag vor dreiWochen mit ihm im BSL-4."
"Ja, das stimmt ... Augenblick, ich muss erst mal Licht machen ..." Nach kurzerPause fuhr sie fort: "Drei Wochen ist das schon her?"
"Michael ist am nächsten Tag in Urlaub gefahren", fügte Toni in drängendem Tonhinzu.
"Er wollte zu seiner Mutter in Devon. Hat er mir jedenfalls erzählt."
Plötzlich fiel es ihr ein: Toni erinnerte sich, warum sie Michael damals inseinem Haus besucht hatte. Vor etwa einem halben Jahr hatten sie sich in der Kantineunterhalten, und Toni hatte dabei zufällig erwähnt, wie sehr ihr RembrandtsBildnisse von alten Frauen gefielen, all die mit großer Liebe und Sorgfaltgemalten Runzeln und Falten. "Daran lässt sich ersehen, wie sehr Rembrandtseine Mutter geliebt haben muss", hatte sie damals gesagt - und bei Michaeloffene Türen eingerannt. Er habe eine ganze Sammlung von Rembrandt-Radierungendaheim, hatte er gesagt, ausgeschnitten aus Kunstzeitschriften undAuktionskatalogen. Sie waren dann nach der Arbeit zu ihm gefahren und hattensich die Bilder angesehen - lauter Porträts von alten Frauen in geschmackvollenRahmen, die eine ganze Wand in Michaels kleinem Wohnzimmer bedeckten.Hoffentlich bittet er mich nicht, mit ihm auszugehen, hatte Toni damals gedacht- sie mochte ihn ja, aber eben nicht so. Zu ihrer großen Erleichterung war ihreine entsprechende Frage erspart geblieben. Michael hatte offenbar wirklichnichts anderes im Sinn, als ihr voller Stolz seine Sammlung zu präsentieren.Ein Mamakind, hatte sie damals gedacht.
"Das ist ein guter Tipp", sagte sie jetzt zu Monica. "Bleiben Sie dran, ja?"Toni wandte sich an James Elliot. "Haben wir die Anschrift und dieTelefonnummer seiner Mutter gespeichert?"
Elliot bewegte seine Maus und klickte etwas an. "Ja, sie ist als nächsteVerwandte registriert." Er nahm den Telefonhörer ab.
Toni wandte sich wieder an Monica. "Hat Michael an jenem Nachmittag normalgewirkt?"
"Vollkommen."
"Haben Sie das BSL-4 gemeinsam betreten?"
"Ja. Aber dann haben wir uns natürlich in getrennten Umkleidekabinenumgezogen."
"Als Sie dann ins eigentliche Labor kamen - war er da schon dort?"
"Ich glaube, ja. Ja, er hatte sich schneller umgezogen als ich."
"Haben Sie Seite an Seite gearbeitet?"
"Nein. Ich war in einem Nebenraum und habe mich mit Gewebekulturen beschäftigt.Michael hat sich um die Versuchstiere gekümmert."
"Haben Sie das Labor gleichzeitig mit ihm verlassen?"
"Er ging ein paar Minuten vor mir raus."
"So, wie es klingt, hätte er leicht an den Tresor gehen können, ohne dass Sieetwas davon bemerkt hätten."
"Ohne weiteres, ja."
"Was haben Sie für einen Eindruck von Michael?"
"Der ist in Ordnung ... harmlos, würde ich sagen."
"Ja, das beschreibt ihn ganz gut. Wissen Sie, ob er eine Freundin hat?"
"So viel ich weiß, nein."
"Finden Sie ihn attraktiv?"
"Hübscher Kerl, aber nicht sexy."
Toni lächelte. "Genau! Gibt es sonst irgendwelche Merkwürdigkeiten oderBesonderheiten, die Ihnen an ihm aufgefallen wären?"
"Nein."
Toni glaubte ein gewisses Zögern in Monicas Stimme zu hören und sagte nichts,um ihrer Gesprächspartnerin Zeit zum Nachdenken zu geben. Neben ihrtelefonierte Elliot mit irgendjemandem und bat darum, mit Michael Ross oderseiner Mutter sprechen zu können.
Monica meldete sich wieder zu Wort. "Also, ich meine, bloß deshalb, weil jemandallein lebt, ist er ja noch nicht verrückt, oder?"
Neben Toni sagte Elliot: "Sehr seltsam, ja. Bitte entschuldigen Sie, dass ichSie so spät in der Nacht noch belästigt habe."
Die Gesprächsfetzen, die sie von nebenan mitbekam, erregten Tonis Neugier. Siesagte: "Nochmals vielen Dank, Monica. Ich hoffe, Sie können wiedereinschlafen."
"Mein Mann ist Arzt", erwiderte Monica. "Wir sind daran gewöhnt, mitten in derNacht angerufen zu werden."
Toni legte auf. "Michael Ross hatte genug Zeit, den Tresor zu öffnen", sagtesie. "Außerdem lebt er allein." Sie sah Elliot an. "Haben Sie seine Muttererreicht?"
"Es war ein Altenheim", sagte Elliot und man sah ihm an, dass ihm der Schrecknoch in den Knochen steckte. "Mrs. Ross ist im vergangenen Winter gestorben."
© Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung: Till R. Lohmeyer undChristel Rost
Ken Follett, der Autor von mehr als einem Dutzend Bestsellern, wird oft als der „geborene” Erzähler gefeiert. Betrachtet man jedoch seine Jugend, so ist es zutreffender zu sagen, er wurde zum Erzähler „erzogen”.
Ken wurde am 5. Juni 1949 in Cardiff, Wales, als erstes von drei Kindern des Ehepaares Martin und Veenie Follett geboren. Im Großbritannien der Nachkriegsjahre waren nicht nur Spielsachen Mangelware, sondern die zutiefst religiösen Folletts erlaubten ihren Kindern weder Fernsehen, noch Kinobesuche und verboten ihnen sogar, Radio zu hören. So blieben dem jungen Ken zur Unterhaltung nur die unzähligen Geschichten, die ihm seine Mutter erzählte – und die Geschichten und Abenteuer, die er sich in seiner eigenen Vorstellungswelt schuf. Schon früh lernte er lesen; Bücher bereiteten ihm viel Freude und die öffentliche Bibliothek wurde zu seinem Lieblingsort.
„Ich hatte nicht viele eigene Bücher und ich war immer dankbar für die Existenz der öffentlichen Bücherei. Ohne frei zugängliche Bücher wäre ich nie zum eifrigen Leser geworden, und wenn man kein Leser ist, ist man auch kein Schriftsteller.“
„Es besteht eine reale Verbindung zwischen der Philosophie und der Belletristik. In der Philosophie beschäftigt man sich mit Fragen, wie zum Beispiel: ‚Wir sitzen an diesem Tisch, aber ist der Tisch auch wirklich?’ Eine blöde Frage, aber beim Studium der Philosophie muss man solche Dinge ernst nehmen und eine über das Gewöhnliche hinausgehende Vorstellungsgabe besitzen. Und dies braucht man auch beim Schreiben von Romanen.”
In einem Hörsaal danach zu fragen, was wirklich ist, war eine Sache für Ken – etwas anderes, Ehemann und Vater zu werden. Als seine Freundin Mary schwanger wurde, heiratete das junge Paar am Ende von Kens erstem Semesters an der Universität. Im Juli 1968 kam ihr Sohn Emanuele zur Welt.
„Das ist nicht das, was man plant, wenn man 18 Jahre alt ist, aber sobald es einmal geschehen war, wurde die Sache recht spannend. Ich fühlte mich doppelt bereichert: Ich verbrachte eine herrliche Zeit an der Universität und zugleich war es auch äußerst aufregend, ein Baby zu haben und sich darum zu kümmern. Wir liebten ihn und er war auch reizend. Er ist es noch immer.”
Es war auch an der Universität, in der hitzigen Atmosphäre der späten Sechzigerjahre, während der Vietnam-Krieg noch geführt wurde, als Ken begann, seine Leidenschaft für Politik zu entdecken.
„Es wurde die ganze Zeit über Politik diskutiert. Es hatte den Anschein, als ob Studentenproteste zu einem weltweiten Phänomen geworden seien. Obwohl wir jung und voller jugendlicher Arroganz waren, so glaube ich trotzdem, dass wir im Großen und Ganzen richtig lagen, wenn man die Kernfragen, für die wir kämpften, betrachtet.”
Im September 1970, gleich nach der Universität, besuchte er einen dreimonatigen Journalistenkurs – der ihn auf die Laufbahn des Schriftstellers brachte. Sein erster Job war der des Reporter für die Zeitung South Wales Echo in Cardiff. Nach der Geburt seiner Tochter Marie-Claire 1973 arbeitete er dann als Kolumnist für die Evening News in London.
Als er es nicht zum „forschen Enthüllungs-Journalisten” brachte, wie er gerne einer gewesen wäre, begann Ken, an den Abenden und Wochenenden Romane zu schreiben. 1974 verließ er die Zeitungswelt und nahm bei einem kleinen Londoner Verlag, Everest Books, eine Stellung an.
Seine Feierabend-Schriftstellerei führte zwar zur Veröffentlichung einiger Bücher, aber keines verkaufte sich gut. Schon in dieser Zeit wurde er vom amerikanischen Literaturagenten Al Zuckerman ermutigt und beraten. Dann kam die Zeit, als sie beide wussten, dass Ken einen potentiellen Chartbreaker verfasst hatte, und Zuckerman sagte: „Dieser Roman wird große Wellen schlagen - und du wirst Steuerprobleme bekommen.”
Es war der Roman Die Nadel (Eye of the Needle), der 1978 veröffentlicht wurde und Ken zum Bestseller-Autor machte. Dieses Buch gewann den Edgar Preis und verkaufte sich mehr als 10 Millionen Mal. Der Erfolg dieses Buches ermöglichte es Ken, seinen bisherigen Beruf aufzugeben, sich eine Villa im Süden Frankreichs zu mieten und sich völlig seinem nächsten Roman Dreifach (Triple) zu widmen.
„Ich machte mir große Sorgen, dass ich es vielleicht nicht nochmals schaffen würde. Das passiert vielen Schriftstellern. Sie schreiben ein hervorragendes Buch und das nächste ist nicht mehr ganz so gut und verkauft sich auch nicht mehr so oft. Auch das dritte Buch ist dann nicht sonderlich gut, sodass sie niemals mehr ein viertes schreiben. Ich war mir voll bewusst, dass mir das auch passieren könnte. Deswegen arbeitete ich sehr hart an dem Roman Triple, um ihn ebenso spannend wie Eye of the Needle zu machen.”
Die Folletts gingen drei Jahre später nach England zurück, denn Ken vermisste die Filme und das Theater sowie die Anregungen, die London zu bieten hatte. Auch wollte er wieder von seinem Wahlrecht Gebrauch machen können. Sie ließen sich in Surrey nieder, wo Ken sich bei der Beschaffung von Geldern und der Wahlkampagne der Labour Party engagierte. Und da geschah es auch, dass er Barbara Broer, die Sekretärin des lokalen Parteibüros, traf, sich in sie verliebte und sie 1985 nach seiner Scheidung heiratete.
Das Ehepaar lebt jetzt in Hertfordshire in einem alten Pfarrhaus, das auch Kens Kinder aus erster Ehe sowie Barbaras Sohn und ihren beiden Töchter sowie deren Partnern und Kindern ein Zuhause bietet.
Barbara ist Parlamentsabgeordnete von Stevenage – ihren Sitz hat sie 1997 erstmals errungen und wurde 2001 und 2005 wiedergewählt. Heute amtiert sie als Gleichstellungsministerin in der Regierung Gordon Browns. Ken unterstützt sie beim Wahlkampf und anderen Aktivitäten der Partei. Obwohl Ken sich politisch engagiert, lässt er sich durch die Politik niemals vom Schreiben abhalten. Er beginnt nach dem Frühstück zu schreiben und arbeitet bis etwa sechzehn Uhr: „Ich bin ein Morgenmensch. Sobald ich aufgestanden bin, möchte ich an den Schreibtisch. Am Abend entspanne ich mich gern, möchte essen und trinken und Dinge tun, die mich nur wenig belasten.“
In den letzten 25 Jahren hat Ken 19 Romane verfasst: die ersten fünf Bestseller waren Spionageromane: Die Nadel (1978), Dreifach (1979), Der Schlüssel zu Rebekka (The Key to Rebecca – 1980), Der Mann aus St. Petersburg (The Man from St. Petersburg – 1982) und Die Löwen (Lie Down with Lions – 1986). Auf den Schwingen des Adlers (On Wings of Eagles – 1983) ist die wahre Geschichte von zwei Angestellten der Firma Ross Perots, die während der Revolution in 1979 aus dem Iran gerettet wurden.
Und dann überraschte er seine Leser, indem er sein Metier radikal änderte, mit dem Buch Die Säulen der Erde (The Pillars of the Earth – 1989). Es ist ein Roman über den Bau einer fiktiven Kathedrale im Mittelalter. Dieses Buch erhielt begeisterte Kritiken und hielt sich 18 Wochen lang auf der Bestsellerliste der New York Times. Es stand auch an der Spitze der Bestsellerlisten von Kanada, Großbritannien und Italien. In Deutschland führte es sechs Jahre lang die deutschen Bestsellerlisten an.
Die folgenden drei Romane, Nacht über den Wassern (Night Over Water – 1991), Die Pfeiler der Macht (A Dangerous Fortune – 1993), und Die Brücken der Freiheit (A Place Called Freedom – 1995) waren mehr Unterhaltungsromane als Thriller. Mit dem Roman Der dritte Zwilling (The Third Twin – 1996) kehrte er jedoch wieder zum Thriller-Genre zurück. 1997 stand dieser Roman in der jährlichen Übersicht der internationalen Belletristik-Bestseller in Publishing Trends gleich hinter John Grisham’s Roman The Partner an zweiter Stelle.
Sein nächstes Werk, Die Kinder von Eden (The Hammer of Eden – 1998) war wieder ein fiktiver Unterhaltungsroman, gefolgt von Das zweite Gedächtnis (Code to Zero – 2000, Dt.), einem Thriller, der zur Zeit des kalten Krieges spielt.
Für die beiden anschließenden Romane wählte Ken den zweiten Weltkrieg als Hintergrund: Die Leopardin (Jackdaws – 2001), die Geschichte einer Gruppe von Frauen, die am Fallschirm über dem besetzten Frankreich abspringen, um eine strategisch wichtige Telefonzentrale zu zerstören (der Roman gewann im Jahre 2003 den begehrten Corine Preis) und Mitternachtsfalken (Hornet Flight -2002), in dem es um ein junges dänisches Paar geht, das tollkühn versucht, mit einem restaurierten Doppeldecker, einer Hornet Moth aus dem besetzten Dänemark nach England zu flüchten. Mit im Gepäck haben sie wichtige Informationen über ein neues deutsches Radarsystem.
Eisfieber (Whiteout - 2005) ist ein Thriller, der in der Gegenwart spielt und vom Diebstahl eines tödlichen Virus aus einem Forschungslabor handelt. Schauplatz ist das schottische Hochland während einer stürmischen, verschneiten Weihnacht voller Eifersucht, Misstrauen, sexueller Anziehung, Rivalitäten, arglistigen Verrätern und unvermuteten Helden.
Sein neuester Roman, Die Tore der Welt (World Without End 2007), ist die lang erwartete Fortsetzung zum immens beliebten Die Säulen der Erde. Im neuen Buch kehrt er zweihundert Jahre später nach Kingsbridge zurück und berichtet von den Nachkommen der Figuren in Die Säulen der Erde. Breit angelegt und von gewaltigem Umfang, konzentriert es sich auf eine Handvoll Menschen, deren Leben vom Schwarzen Tod verheert wird, der Pestepidemie, die in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts über Europa hinweg zog.
Eye of the Needle (Die Nadel) wurde mit Donald Sutherland in der Hauptrolle verfilmt. Vier weitere Follett-Romane dienten als Vorlage für Mini-Serien für das Fernsehen: The Key to Rebecca (Der Schlüssel zu Rebekka), Lie Down with the Lions (Die Löwen), On Wings of Eagles (Auf den Schwingen des Adlers) und The Third Twin (Der dritte Zwilling). Die TV-Rechte des letzteren wurden für die Rekordsumme von $ 1.400.000 an die CBS verkauft.
Die großen Freuden in Kens Leben, abgesehen von den ihm nahestehenden Menschen, sind gutes Essen und Wein, Dramen aus der Zeit Shakespeares und, sogar noch wichtiger, Musik.
In seinem Leben hat Musik immer eine bedeutende Rolle gespielt – beide Eltern spielen Klavier. In der Band mit Namen „Damn right I’ve got the Blues” spielt Ken Bassgitarre und hat mit ihr ein Album namens „Don’t Quit Your Day Job” („Gib deinen eigentlichen Beruf nicht auf”) aufgenommen – ein realistischer Titel für einen Mann, der keine übertriebenen Ansprüche in Bezug auf sein musikalisches Talent erhebt.
„Ich konnte nie gut Gitarre spielen. Ich glaube, es ist ziemlich wichtig, dass man etwas hat, das man schlecht kann, insbesondere wenn man eine äußerst ehrgeizige Person ist. In einer Band zu spielen ist sehr emotional, die Schriftstellerei reine Gehirnarbeit. Meine Romane sind wie so viele andere Romane atmosphärisch sehr dicht, sodass ich ständig über die Struktur der Erzählung nachdenke. Das Spielen in einer Band ist dagegen sehr gefühlsorientiert. Es gibt da eine direkte Verbindung von den Ohren zu den Fingerspitzen, die nicht durch die rationale Gehirnregion geht."
Obwohl Ken ein rühriges Leben führt, in dessen Mittelpunkt Arbeit, Familie und Politik stehen, findet er Zeit, sich in seiner Gemeinde zu engagieren. Er ist Präsident der Dyslexia Action, einer Organisation zur Legasthenikerhilfe, gehört dem Vorstand des National Literacy Trust an, einer Organisation zur Bekämpfung des Analphabetismus, ist Fellow der Royal Society of Arts, Mitglied im Aufsichtsgremium der Grundschule von Roebuck, Schirmherr von Stevenage Home-Start (einer Organisation zur Unterstützung junger Familien in der Krise) und Vorsitzender der Wohlfahrtsstiftung von Stevenage. Er besitzt die Ehrendoktorwürde in Literatur der Universität von Glamorgan in seiner walisischen Heimat.
- Autor: Ken Follett
- 2014, 13. Aufl., 461 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Lohmeyer, Till R.; Rost, Christel
- Übersetzer: Till R. Lohmeyer, Christel Rost
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404156684
- ISBN-13: 9783404156689
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